Die Kraft des Himmels

Predigt über Apostelgeschichte 1, 3- 11: Christi Himmelfahrt
9.5.2024, Himmelfahrt, Altenzentrum St. Nicolai, Kiel

Apostelgeschichte 1,3-11

3 Jesus zeigte sich seinen Jüngern nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.
4 Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt;
5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen.
6 Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?
7 Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat;
8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
9 Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
10 Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern.
11 Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.

Liebe Gemeinde.

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“

So dichtete Reinhard May 1974, und er brachte damit eine Sehnsucht zum Ausdruck, die wir alle kennen: die Sehnsucht vom Fliegen. Mit dem Flugzeug geht es ja auch, der Traum scheint wahr zu werden. Eigene Flügel haben wir allerdings nicht, und natürlicherweise zieht die Erdanziehungskraft uns nach unten.

Nur bei Jesus war das anders, jedenfalls als er sich von seinen Jüngern verabschiedete, da fuhr er gen Himmel. 40 Tage nachdem Jesus auferstanden war, hat Gott ihn zu sich geholt. Sein endgültiger Abschied von den Jüngern und aus dieser Welt war also nicht sein Begräbnis, sondern seine Himmelfahrt. So erzählt Lukas es in der Apostelgeschichte, und es lohnt sich, diesen Bericht einmal näher zu betrachten.

Im Mittelpunkt stehen hier die Jünger. Sie wussten nicht, wie es nach dem Tod Jesu weitergehen sollte. Sie blieben einfach erstmal in Jerusalem und warteten ängstlich ab. 40 Tage lang zeigte Jesus sich zwar immer wieder als der Lebendige, aber eine genaue Zukunftsaussage machte er dabei nicht. Das Einzige, was er ihnen auch kurz vor seine Himmelfahrt noch einmal versprach, war die „Kraft des Heiligen Geistes“, der „auf sie kommen“ und sie „zu seinen Zeugen“ machen würde. Dann wurde er vor ihren Augen entrückt, und sie schauten ihm nach. Sie erhoben ihre Häupter und blickten in den Himmel. Sie sahen dort zwar nichts mehr, aber die Fragen, die sie vorher gehabt hatten, wurden trotzdem beantwortet. Denn es kamen zwei Männer in weißen Gewändern, die sagten: „Dieser Jesus, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“

Das ist die Geschichte über Jesu Himmelfahrt. Sie wirkt zwar wie ein Märchen, aber das ist ja mit vielen Erzählungen in der Bibel so. Wir müssen die Botschaft suchen, die jeweils darin steckt, und die können wir hier durchaus finden. Wir erfahren drei Dinge, die für unseren Glauben wichtig sind.

Zunächst wird uns erzählt, dass Jesus jetzt in der Höhe wohnt, dass er bei Gott ist und dass ihm damit alle Macht gegeben wurde. Er „sitzt zur Rechten Gottes“, wie es in unserem Glaubensbekenntnis heißt. Gerhard Tersteegen hat das in seinem Himmelfahrtslied, das leider nicht mehr in unserem Gesangbuch steht, sehr schön beschrieben. Es beginnt mit den Worten: „Siegesfürste, Ehrenkönig, höchst verklärte Majestät, alle Himmel sind zu wenig, du bist drüber hoch erhöht.“ (EKG 95,1) Und das ist eine wichtige Aussage über Jesus. Er ist nicht nur ein guter Mensch und unser Bruder und Vorbild, sondern er ist genauso wie Gott von Licht und Glanz umgeben. Das ist das Erste, was in unserer Erzählung wichtig ist: Jesus ist der König über die ganze Welt.

Als Zweites hat das Folgen für unseren Glauben. Die Jünger schauten nach oben, und das ist ebenso für uns eine Blickrichtung, die sich lohnt. Man kann sich das auch ganz gut vorstellen, diesen Blick der Jünger in den Himmel. Wir tun das ja sowieso gerne, denn wir denken, da oben ist alles viel besser, da ist „die Freiheit grenzenlos“. Hier unten gibt es immer viele Konflikte und Ärger, Ängste und Sorgen, Trauer und Leid. Nicht umsonst haben wir den Ausdruck „das zieht mich runter“, denn so ist unser Erleben häufig: Die Lasten sind schwer, wir kommen nur langsam oder gar nicht voran.

Aber das muss nicht heißen, dass die Sehnsucht nach dem Himmel unerfüllt bleibt. Es gibt eine Kraft, die uns nach oben ziehen kann: Sie kommt von Jesus, er kann sie uns schenken. Wir müssen uns nur an ihn hängen, mit ihm zum Himmel fahren.

Dazu gehört es, dass wir einmal aufhören, an all das zu denken, was uns gefangen hält. Wir beschäftigen uns ja sehr viel mit unseren Nöten und suchen ständig nach Lösungen. Dem Glauben steht dieses Kreisen um unsere Probleme aber im Weg, denn ein wichtiger Schritt der Frömmigkeit besteht darin, dass wir Konflikte und Sorgen einmal nicht mehr selber lösen wollen. Wir müssen sie stattdessen – wenigstens vorübergehend – einmal aushalten und sogar versuchen anzunehmen. Das ist natürlich nicht ganz einfach. Aber es lohnt sich, denn Jesus herrscht über die dunklen Mächte, die uns gefangen halten, über das Leid und den Tod. Wenn wir auf ihn blicken, verlieren sie ihre Macht und wir empfangen seine Kraft. Das hat er seinen Jüngern zugesagt mit den Worten: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“

Und das ist das Dritte, von dem hier die Rede ist: Wer sich Jesus anvertraut, bekommt seine Kraft geschenkt. Der Heilige Geist zieht in uns ein, wir werden herausgehoben und mit Jesus befreit. Das können wir erleben. Der Glaube hat auf jeden Fall einen Aufwärtstrend, der uns leicht und frei macht.

„Ängste und Sorgen verschwinden plötzlich, wir fühlen uns weit und lebendig. Grenzen werden aufgehoben, Großes wird klein und Wichtiges nichtig“. Denn entscheidend ist nur noch, dass Jesus für uns da ist und in uns lebt und wohnt. Dadurch entsteht eine Freude, die nicht vergeht. Sie kostet nichts und ist auch nicht anstrengend oder unerreichbar. Sie wird vielmehr jedem und jeder geschenkt, die sich danach ausstreckt. Denn seitdem Jesus in den Himmel gefahren ist, steht der Himmel für jeden Menschen offen, wir müssen uns nur selber dafür öffnen.

Das ist das Thema von Himmelfahrt, darum feiern wir dieses Fest, und das lohnt sich durchaus. Gerhard Tersteegen hat deshalb auch das Lied gedichtet, das ich schon erwähnt habe. Er war ein frommer Mensch, der im 18. Jahrhundert sehr innerlich lebte. Und er hat sein inneres Leben in vielen Liedern, Gedichten und Briefen wunderbar beschrieben. An seinen Texten merken wir, dass er das leidvolle Dasein auf der Erde angenommen hat, weil er von einem anderen Licht wusste, als dem irdischen. Er hatte den Glanz Christi vor Augen, und das hat ihn gestärkt und ermutigt. Im Vertrauen auf Christus hat er alle „Ängste und Sorgen“ verloren. Deshalb hat er sich gerne vor ihm „verbeugt und sich ihm hingegeben“.

Amen.

Das Lied lautet folgendermaßen:

  1. Siegesfürste, Ehrenkönig, höchst verklärte Majestät, alle Himmel sind zu wenig, du bist drüber hoch erhöht; sollt ich nicht zu Fuß dir fallen und mein Herz vor Freude wallen, wenn mein Glaubensaug betracht‘, deine Glorie, deine Macht?
  2. Seh ich Dich gen Himmel fahren, seh ich Dich zur Rechten da, seh ich, wie der Engel Scharen alle rufen Gloria; sollt ich nicht zu Fuß Dir fallen und mein Herz vor Freude wallen, da der Himmel jubiliert, weil mein König triumphiert?
  3. Weit und breit, Du Himmelssonne, deine Klarheit sich ergeußt und mit neuem Glanz und Wonne alle Himmelsgeister speist. Prächtig wirst Du eingenommen, freudig heißt man Dich willkommen; schau, ich armes Kindlein hier schrei auch Hosianna Dir.
  4. Sollt ich Deinen Kelch nicht trinken, da ich deine Klarheit seh? Sollt mein Mut noch wollen sinken, da ich deine Macht versteh? Meinem König will ich trauen, nicht vor Welt noch Teufel grauen, nur in Jesu Namen mich beugen hier und ewiglich.
  5. Geist und Kraft nun überfließen, drum wirk in mir kräftiglich, bis zum Schemel deiner Füßen alle Feinde legen sich. Aus Zion dein Zepter sende weit und breit bis zum Weltende; mache Dir auf Erden Bahn, alle Herzen untertan.
  6. Du kannst alles allerorten nun erfüll’n und nahe sein: meines Geistes ew’ge Pforten stell ich offen, komm herein! Komm, Du König aller Ehren, Du musst auch bei mir einkehren: ewig in mir leb und wohn als in deinem Himmelsthron!
  7. Deine Auffahrt bringt mir eben Gott und Himmel innig nah. Lehr mich nur im Geiste leben als vor deinen Augen da, fremd der Welt, der Zeit , den Sinnen, bei Dir abgeschieden drinnen, in den Himmel als versetzt, da mich Jesus nur ergötzt.

Gerhard Tersteegen, 1697- 1769




                                                                              

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