Predigt über Jeremia 14, 1- 9: Das Gebet des Volkes
2. Sonntag nach Epiphanias, 19.1.2020
Jeremia 14, 1- 9
1 Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre:
2 Juda liegt jämmerlich da, seine Städte sind verschmachtet. Sie sitzen trauernd auf der Erde, und in Jerusalem ist lautes Klagen.
3 Die Großen schicken ihre Leute nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter.
4 Die Erde lechzt, weil es nicht regnet auf Erden. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter.
5 Ja, auch die Hirschkühe, die auf dem Felde werfen, verlassen die Jungen, weil kein Gras wächst.
6 Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst.
7 Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.
8 Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt?
9 Warum stellst du dich wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Liebe Gemeinde.
Es war in Palästina keine seltene Erscheinung, dass Dürre und Hungersnot das Land beherrschten. Wenn die Frühregen im Spätherbst zu wenig Wasser enthielten, und die Spätregen im Frühjahr ausblieben, waren Land und Volk fürs nächste Jahr großer Trockenheit und schwerer Missernte ausgesetzt. Bald waren die angesammelten Zisternenwasser ausgeschöpft, auch die Quellen vertrockneten allmählich, und die Vorräte an Brot und getrockneten Früchten waren irgendwann verbraucht. Die Menschen verzweifelten.
So eine allgemeine Not infolge eingetretener Dürre schildert der Prophet Jeremia in der alttestamentlichen Lesung für diesen Sonntag. Und das kennen wir auch aus heutiger Zeit. Bei uns ist es zu unseren Lebzeiten zwar noch nie ganz so schlimm gewesen, aber regelmäßig gehen Bilder um die Welt, die aus anderen Gegenden genau dasselbe zeigen. Wir werden dann zum Spenden und Helfen aufgefordert, und diesen Aufrufen folgen zum Glück auch viele Menschen.
Aber wäre es nicht viel besser, wenn es das alles gar nicht mehr gäbe, wenn Dürre und Hungersnot für immer beendet würden? Das Volk Israel wünschte sich das und griff deshalb auf seinen Glauben zurück. Sie riefen zu Gott und beteten.
Das ist der Inhalt des Abschnittes aus dem Buch des Propheten Jeremia, den wir vorhin gehört haben. Er ist heute unser Predigttext
Wir wissen zwar nicht, in welcher Zeit die geschilderte Hungersnot das Land beherrschte, es wird jedoch angenommen, dass wir sie uns in den ersten Jahren der Wirksamkeit des jungen Propheten zu denken haben, also noch vor der Zerstörung Jerusalems und der Eroberung des Landes durch Nebukadnezar, dem König von Babylonien. Es gab das Volk Juda noch, und eigentlich lebten sie ganz gut in ihrem Land.
Doch offensichtlich gab es einmal eine große Dürre, und der Text beginnt mit der dramatischen Schilderung der Folgen, die dadurch eingetreten sind: „Juda wehklagt, in seinen Toren klagt das Volk, sinkt trauernd zur Erde, und das Geschrei Jerusalems steigt empor. Ihre Vornehmen schicken die Diener nach Wasser; sie kommen zu den Zisternen, finden kein Wasser, kehren mit leeren Krügen heim.“ Die Not war also bereits aufs höchste gestiegen. Ganz Jerusalem, hoch und niedrig, war in verzweifelter Aufregung. Aus allen Häusern drang Wehklage, die Kinder verschmachteten vor Durst, die Frauen weinten und jammerten, die Männer versammelten sich zu Beratungen in den Stadttoren, und vor ihren Augen lagen Sterbende. Die Vornehmen sandten Diener zu fernliegenden Zisternen und Quellen, sie kehrten aber mit leeren Krügen zurück. Im ganzen Lande war die Lage ähnlich. Das ist hier das ergreifende Bild.
Und so suchte das Volk durch eine Notbuße Rettung beim Herrn. Das Flehen des Volkes lautete: „Wenn unsere Sünden wider uns zeugen, so greife ein, Jahwe, um deines Namens willen; ja, so oft sind wir treulos gewesen, an dir haben wir gesündigt. Du Hoffnung Israels, du sein Retter in der Not! Warum denn bist du wie ein Fremdling im Lande, dem Wanderer gleich, der nur zur Nachtruhe zeltet? Warum bist du wie ein erschrockener Mann, wie ein Krieger, der nicht zu helfen vermag? Du bist doch, Jahwe, in unserer Mitte und deinen Namen tragen wir. Verlass uns nicht!“
Das hört sich wie ein sehr schönes Glaubensgebet an. Tiefe Erkenntnis der Schuld kommen darin vor, ein klares Bekenntnis zum Herrn und eine innerliche Besinnung auf die göttliche Berufung des Volkes. Die Menschen wissen, dass sie gesündigt haben, und sie wissen auch, dass der Herr Israels Hoffnung und Retter ist. Wie oft hat Gott es aussprechen lassen, dass er inmitten seines Eigentums zelte, Jerusalem die Stätte sei, da er wohne. Die Fragen des Volkes waren daher verständlich.
Doch sie klingen nicht nur fromm, sondern auch enttäuscht und fast so ein bisschen vorwurfsvoll: Ob er in dieser schweren Heimsuchung nur „ein für eine Nacht eingekehrter Wanderer sei, oder ob er einem Krieger gleiche, dessen Mut und Kraft geschwächt sei und daher nicht mehr helfen könne!“ Mit diesen Vergleichen beschreiben sie ihre Unzufriedenheit und erinnern ihn daran, dass sie doch „nach seinem Namen heißen.“ Er soll sie deshalb „nicht verlassen!“
Damit endet unser Predigttext, und das könnte ein Zeugnis echter Glaubenszuflucht und Gottesnähe sein. Doch das war es mitnichten. Wenn wir weiterlesen, erfahren wir, dass Gott dieses Gebet nicht erhört hat. Denn die geistige Einstellung, die ihm zu Grunde lag, gefiel ihm nicht. Seine Antwort lautete „Sie lieben es, von einem zum andern zu laufen, ihre Füße schonen sie nicht; jedoch Jahwe hat keinen Gefallen an ihnen.“ (V.10) Für Gott war all das nur ein Lippenbekenntnis, das Herz der Menschen war daran nicht beteiligt. Die Not hatte sie gezwungen, die Sprache des Glaubens anzunehmen, Gott überblickte jedoch das Ganze und sah, dass es nur ein augenblickliches Zu-ihm-laufen war. Nach überstandenem Unglück würden sie – wie so oft – wieder fremden Göttern folgen, das ist hier gemeint, und das hatte er bereits erlebt. Er forderte mehr von ihnen und ließ sich nicht einfach so beeinflussen. Er war nicht käuflich. Die Tränen ihrer Notbuße beeindruckten ihn nicht, auch kein Fasten oder Flehen in Sack und Asche. Erst wenn sie sich klar für ihn entscheiden und aufhören würden, „hin- und herzulaufen“, würde sich ihr Schicksal ändern. Das sollte der Prophet Jeremia ihnen sagen.
Und das ist auch für uns hier die entscheidende Botschaft: Indirekt erfahren wir, wie ein echtes Gebet sein muss, wenn es helfen soll. Und das ist gut, denn es geht uns ja oft so, wie den Israeliten: Wir leiden Not, beten zu Gott, und er tut nichts. Auch wir haben das Gefühl, dass er sich gar nicht richtig für uns interessiert, sondern nur „vorübergehend da ist“, wie ein Wanderer, der mal eben für eine Nacht sein Zelt aufgeschlagen hat, aber morgen schon wieder weiterzieht.
Lasst uns also fragen, wie wir beten sollen und was es heißt zu glauben. Was will Gott von uns heute, und was kann er uns schenken? In drei Schritten können wir diese Fragen beantworten.
Der erste ergibt sich, wenn wir uns mit dem auseinandersetzen, was gar nicht mehr in unserem Predigttext steht, sondern ihm unmittelbar folgt, und zwar mit dem Vorwurf Gottes, das Volk „liefe hin und her.“ Das tun wir nämlich auch. Wir haben ebenfalls viele Götter, die wir anbeten. Sie heißen nicht Baal oder Beelzebub, aber unser Streben nach Wohlstand und Bildung, Macht und Erfolg hat religiöse Züge. Sie ersetzen Gott in gewisser Weise, denn wir ordnen dem oft alles andere unter und glauben daran, dass diese Ziele uns glücklich machen. Wir jagen immer irgendwelchen Ideen und Bildern hinterher und setzen sie an oberste Stelle. Das kann bei jedem und jeder von uns etwas anderes sein, aber es ist gut, wenn wir uns einmal fragen: Was ist die Mitte meines Lebens, um die alles kreist? Wofür lebe ich? Was will ich auf jeden Fall verwirklichen oder erreichen?
Wir merken dann, dass es nicht unbedingt der lebendige Gott ist, von dem die Bibel erzählt. Es ist nicht der Allmächtige, der uns geschaffen hat, der Ewige, der unser Leben in der Hand hält. Er interessiert uns zwar, aber nicht am meisten von allem. Er gehört zu dem Vielen dazu, das uns beschäftigt, und oft ersetzen wir ihn auch durch Vorläufiges und Vergängliches. Das müssen wir zugeben. Es ist der erste Schritt zu einem echten Gebet und einem lebendigen Glauben.
Und daran schließt sich unmittelbar eine Entscheidung an, die Gott von uns fordert. Er möchte nämlich, dass wir uns ganz auf ihn verlassen, ihn wirklich anbeten und verehren. Gott will kein Lückenbüßer sein, sondern das Ziel und der Sinn unseres Lebens. Er möchte, dass wir um seiner selbst willen an ihn glauben und alles andere ihm unterordnen.
Das klingt im ersten Moment fordernd und ungemütlich, aber in Wirklichkeit ist es wohltuend und heilsam. Denn dadurch relativiert sich alles andere, und das tut gut. Unsere übliche Einstellung hat ja auch ihre Schattenseiten. Es ist nicht nur angenehm, nach all den Dingen zu streben, die wir uns ausdenken. Was unser persönliches Leben betrifft, so ist es oft anstrengend und kräftezehrend. Außerdem geht es mit Sorgen einher. Was passiert, wenn wir scheitern? Die Angst lauert ständig um die Ecke, sie macht uns unfrei und kann uns lähmen. Es ist gar kein so guter Lebensentwurf, zwischen dem Vielen ständig „hin- und herzulaufen“. Es kann uns persönlich erschöpfen und auszehren.
Doch selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, und uns alles spielend gelingt, so hat diese Lebenshaltung auf jeden Fall gesellschaftliche und ökologische Folgen, die negativ sind. Wir haben ja nie genug, irgendwie sind wir unersättlich, wollen immer mehr, immer höher und immer weiter. Alles soll immer größer und besser werden. Und wir wissen inzwischen alle, dass wir genau dadurch unsere Welt zerstören. In einem Bericht im Fernsehen über unser umweltschädliches Verhalten fiel kürzlich das Wort „Weltfraß“. Das finde ich sehr drastisch und zutreffend, denn genau das tun wir: Wir fressen unsere Welt selber auf, wir zerstören unsere eigenen Lebensgrundlagen. Dürrekatastrophen und Hungersnöte, wie der Prophet Jeremia sie beschreibt, sind meistens die Folgen unseres eigenen Verhaltens. Wir tragen dafür die Verantwortung.
Deshalb sollten wir auch nicht Gott dafür zur Rechenschaft ziehen und enttäuscht sein, wenn er unsere Gebete nicht zu erhören scheint. Es ist vielmehr besser, wenn wir wirklich zu ihm umkehren und ihn von Herzen suchen. Es gilt, die Tiefe unserer eigenen Schuld zu erkennen und sich klar zu ihm zu bekennen. Auch wir sind von ihm zu einem Leben in seiner Gegenwart berufen, darauf müssen wir uns immer wieder besinnen. Wir haben gesündigt, aber er ist unsere Hoffnung und unser Retter. Denn durch seinen Sohn Jesus Christus ist er wirklich mitten unter uns. Er „zeltet hier nicht nur vorübergehend“, sondern die Welt ist die Stätte seiner Gegenwart. Er „wohnt bei uns“ und will uns helfen. Wir müssen nur an ihn glauben und auf seine Kraft vertrauen. Das ist der zweite Schritt.
Und als drittes erhalten wir dadurch eine Hoffnung, die über die Zeit hinausgeht. Zum Glauben an Jesus Christus gehört, dass wir nicht ausschließlich auf diese Welt fixiert sind. Wir müssen den Tod nicht fürchten und auch nicht den Weltuntergang, denn Gott hat durch Jesus Christus bereits eine neue Welt anbrechen lassen. Das Evangelium von ihm reicht weiter als das, was das Alte Testament uns verkündet. Es übersteigt den Glauben Israels, denn wir hoffen durch Jesus Christus auf die Auferstehung von den Toten und haben einen Zugang zur Ewigkeit. Wenn Gott die Welt richten will, dann soll er es tun. Wie können sie loslassen und unbesorgt sein. Denn er wird uns gnädig sein und uns in eine neue Welt hineinführen. Das ist der Geist, mit dem er uns ausrüstet. Er hilft uns, die Welt und uns selber zu überwinden.
Das sind die drei Schritte, mit denen wir unseren Glaubensweg gehen und zu ihm beten können: Selbsterkenntnis, Umkehr zu Gott und die Hoffnung auf sein ewiges Reich. Wenn wir das beachten, werden wir merken, dass Gott bei uns ist und uns hört.
Und wer weiß: Vielleicht ist es auch noch nicht zu spät, um diese Erde vor dem Untergang und der Zerstörung zu bewahren. Der Glaube an Jesus Christus kann dazu durchaus etwas beitragen, denn unser Bewusstsein ändert sich dadurch und damit auch unser Verhalten. Wir können alle etwas dazu tun, dass Dürren und Hungersnöte uns nicht beherrschen, dass der Regen überall in ausreichender Menge fällt, und keine Missernten einsetzen. Wenn wir uns auf Jesus Christus verlassen, verschwindet der Zwang, unsere Ressourcen bis aufs letzte auszuschöpfen. Unsere Lebensquellen vertrocknen nicht. Wir wissen: Es ist für alle genug da, keiner und keine muss verzweifeln.
Wir müssen nur aufmerksam und wachsam sein, uns Gott immer wieder von Herzen nähern und uns seiner Macht unterordnen.
Amen.
Der Predigt basiert auf dem Kommentar von Jakob Kroeker: Jeremia, Der Prophet tiefster Innerlichkeit und schwerster Seelenkonflikte, Das lebendige Wort, Band 8, Gießen und Basel, 1937, S. 139ff
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