Die große Einladung

Predigt über Matthäus 22, 1- 14: Die königliche Hochzeit

2. Sonntag nach Trinitatis, 25.6.2017, Lutherkirche Kiel

Matthäus 22, 1- 14

1 Und Jesus fing an und redete abermals in Gleichnissen zu ihnen und sprach:
2 Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.
3 Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden; doch sie wollten nicht kommen.
4 Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!
5 Aber sie verachteten das und gingen weg, einer auf seinen Acker, der andere an sein Geschäft.
6 Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.
7 Da wurde der König zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.
8 Dann sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit, aber die Gäste waren’s nicht wert.
9 Darum geht hinaus auf die Straßen und ladet zur Hochzeit ein, wen ihr findet.
10 Und die Knechte gingen auf die Straßen hinaus und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute; und die Tische wurden alle voll.
11 Da ging der König hinein, sich die Gäste anzusehen, und sah da einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Gewand an,
12 und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hier hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Gewand an? Er aber verstummte.
13 Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm die Hände und Füße und werft ihn in die Finsternis hinaus! Da wird Heulen und Zähneklappern sein.
14 Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.

Liebe Gemeinde.
„Keine Kappen, Kapuzen oder Trainingsanzüge erlaubt. Nur elegante Kleidung. Vielen Dank.“ So steht es am Eingang eines Londoner Clubs in Soho. Es ist dort die Kleiderordnung.
Wir kennen so etwas auch aus anderen Zusammenhängen. Im Bereich von Veranstaltungen soll dadurch eine besondere, meist festliche Atmosphäre erzeugt werden. Auf Einladungen wird deshalb mitunter die gewünschte Art der Kleidung angegeben. Oftmals wird die Einhaltung des passenden „dress codes“ – wie man dazu ebenfalls sagt – aber auch stillschweigend vorausgesetzt. So wird in Spielcasinos häufig von den männlichen Besuchern das Tragen eines Jacketts und einer Krawatte erwartet.
Auf jeden Fall gibt es im privaten, gesellschaftlichen, kulturellen und geschäftlichen Umfeld viele Regeln und Vorschriften zur gewünschten Kleidung. Sie sind nicht unbedingt per Gesetz festgelegt, sondern aufgrund von Konventionen oder einer Erwartungshaltung des Veranstalters. Je nach Land oder Religion, sozialem Status oder Unternehmenszugehörigkeit können sie sich unterscheiden.
Solche Kleiderordnungen gab es auch schon in der Antike. In dem Gleichnis über eine Hochzeit, das wir vorhin gehört haben, taucht z.B. eine auf. Da ist am Ende von einem Mann die Rede, „der hatte kein hochzeitliches Gewand an“, wie es heißt. Und das war schlimm, es gefiel dem Gastgeber gar nicht. Der unangemessen Gekleidete wurde gefesselt und rausgeworfen. Dabei war er gerade erst eingeladen worden, ganz überraschend und unerwartet! Wo soll er so schnell das passende Gewand herbekommen haben? Wir wundern uns über diese Strenge. Und genauso befremdlich finden wir wahrscheinlich andere brutale Einzelheiten in der Geschichte. Lassen Sie sie uns deshalb betrachten und deuten und auf unser Leben anwenden.
Sie handelt von einer königlichen Hochzeit, zu der viele ehrenwerte Gäste eingeladen waren. Es sollte ein herrliches Fest werden, „Ochsen und Mastvieh waren bereits geschlachtet und alles war bereit“. Doch dann geschah das Unglaubliche und Skandalöse: Als die Knechte des Königs losgingen, um die Geladenen abzuholen, sagten alle Gäste ab, einer nach dem anderen. „Sie wollten nicht kommen.“, heißt es dazu ganz lapidar, ihre Gründe werden nicht genannt. Sie verachteten die Einladung einfach nur und zogen es vor, ihren alltäglichen Geschäften nachzugehen.
Und dann kam es noch schlimmer: „Einige aber ergriffen seine Knechte, verhöhnten und töteten sie.“ Das machte den König natürlich zornig. Er „schickte [daraufhin] seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an.“
Das ist ein furchtbarer und erschreckender Höhepunkt in diesem Gleichnis, aber es ist damit noch nicht zu Ende, die Handlung geht weiter. Das Fest fällt nämlich nicht aus, es findet statt, auch ohne die zuerst Geladenen, denn nun kommen andere. Die Knechte sprechen einfach alle an, die sie finden, ganz gleich, wer sie sind, ob gut oder böse, arm oder reich. Sie kommen mit, und die Tische werden voll.
Das könnte jetzt eigentlich das gute Ende der Geschichte sein, doch es folgt noch die letzte Episode mit dem Gast, der kein „hochzeitliches Gewand“ trägt. Nach antiker Sitte wurde es ihm wahrscheinlich am Eingang angeboten, aber er wollte es nicht. Er verhält sich also frech und unhöflich, stellt sich nicht richtig auf das Fest ein und wird daraufhin wieder rausgeworfen. Am Ende steht dazu der Satz: „Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“
Das ist bereits eine Erklärung Jesu. Und Erklärungen brauchen wir zu dem Gleichnis auch. Die Geschichte ist wie gesagt an vielen Stellen befremdlich und ärgerlich. Es ist deshalb wichtig, dass wir die Einzelheiten verstehen. Es hat auch alles eine bestimmte Bedeutung, man kann jedes Teilstück auf die Wirklichkeit übertragen.
So ist der König, der hier zur Hochzeit einlädt, Gott. Sein Sohn ist Jesus Christus, der Messias. Nach seiner Auferstehung wird er erhöht und tritt die Himmelsherrschaft an. Das ist hier mit dem Fest gemeint. Die eingeladenen Gäste sind all diejenigen, die von ihm gehört haben, denen das Evangelium gepredigt wurde. Die Knechte, die die Geladenen holen sollen, sind also die Propheten und Apostel. Einige wurden ja wirklich umgebracht. Zum Glück blieb das aber die Ausnahme. Die meisten Hörer sind einfach nur gleichgültig, sie haben etwas Besseres vor. Das Fest, und das heißt die Himmelsherrschaft Jesu, interessiert sie nicht.
Aber sie ist da, die Feier findet statt und kann auch nicht aufgeschoben werden. In unserem Gleichnis wird das damit zum Ausdruck gebracht, dass das Vieh bereits geschlachtet ist. Der Gastgeber kann also nicht mehr warten. Und d.h. jeder, der die Botschaft von Jesus Christus hört, muss sich entscheiden. Zeit zum Zögern wird ihm nicht gegeben. Er wird vielmehr untergehen, wenn er den Ruf Gottes missachtet. Das wird mit dem Zorn des Gastgebers und seinem Rachefeldzug gegen die Ungläubigen benannt.
Diese Stelle gefällt uns natürlich nicht, denn so wollen wir Gott nicht sehen. Aber wahrscheinlich steht dahinter ein historisches Ereignis, das die Leser des Matthäusevangeliums miterlebt hatten. Und zwar handelt es sich um die Eroberung Jerusalems und die Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 n.Chr. Sowohl Juden als auch Christen sahen darin das Zorngericht Gottes. Mit der blutrünstigen und brutalen Episode von der Rache des Gastgebers ist dieses geschichtliche Ereignis gemeint. Wir müssen das also nicht direkt auf uns übertragen.
Wichtiger ist die Botschaft, dass die Gemeinde Jesu sich aus denen zusammensetzt, die den Ruf der Boten hören und ihm ohne zu zögern folgen. Nicht ihre Herkunft oder ihre Vergangenheit spielen eine Rolle, sondern nur ihre Entscheidungsbereitschaft. Das Gleichnis will also warnen und uns dazu herausfordern.
In diese Richtung weist auch die letzte Episode mit der Kleiderordnung. Genauso wichtig wie die Entscheidung für Christus sind die weiteren Folgen für das Leben. Wenn man den Ruf Christi gehört hat und ihm nachgegangen ist, dann muss man sich reinigen und ändern, sonst ist man bald wieder außen vor. Deshalb schließt das Gleichnis mit dem Satz: „Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.“ Das heißt: „Sehr viele haben eine Einladung bekommen, aber nur wenige waren bereit, sich dafür klarzumachen.“ (Martin Dreyer, Volxbibel)
Und damit will Jesus seine Hörer wachrütteln. Sie sollen sich für ihn entscheiden, an ihn glauben, in sein Reich eintreten und ihr Leben ändern. Das ist die Botschaft dieses Gleichnisses, und die gilt auch uns, die wir es heute hören. Dabei erinnern uns die düsteren Töne an den Ernst der Sache. Es gibt das Reich Gottes nicht ohne eine Umkehr oder einen Sinneswandel. Wir sollen uns nichts vormachen und das Leben nicht verharmlosen.
Das tun wir gerne, auch als Kirche und im Glauben. Oft wollen wir darin ausschließlich fröhlich sein. Wir kommen zusammen und veranstalten etwas, das uns von dem üblichen Einerlei, Problemen und Anstrengungen ablenkt und uns für kurze Zeit an etwas anderes denken lässt. Gottesdienste sollen am liebsten bunt und lebendig sein. Die Gemeinde gefällt uns am besten, wenn es darin möglichst heiter und lustvoll zugeht.
Denn das liegt uns nahe, so leben wir auch sonst. Unser Lebensgefühl und unser Bewusstsein sind davon geprägt, es möglichst gut und einfach zu haben. Wir wollen glücklich und zufrieden sein. Und dafür wählen wir Wege, die wir in dieser Welt finden: Wir verdienen Geld, verwirklichen uns selber und versuchen, gesund zu bleiben.
Die Frage ist allerdings, ob das wirklich hinhaut. Gelingt das Leben, wenn wir uns das Schöne aus der Welt heraussuchen, an uns selber denken und unseren Wünschen nachjagen? Das Leben hat ja leider auch viele Schattenseiten. Es gibt das Böse, die Sünde und die Vergänglichkeit. Krankheiten, Kriege und Katstrophen lassen sich nicht einfach verdrängen und wegdenken, und der Tod erst recht nicht.
Jesus will uns einladen, davor nicht einfach die Augen zu verschließen, dem nicht auszuweichen und uns gerade einmal nicht mehr abzulenken. Genau das tun in seinem Gleichnis die Gäste, die als erstes eingeladen waren. Sie verlieren sich in der Welt und achten nicht auf die Stimme des Evangeliums. Die bezieht nämlich all das Schreckliche ein, die Sünde und den Tod. Jesus hat nicht nur ein nettes Lächeln oder ein weiches Ruhelager für uns. Er ist vielmehr am Kreuz gestorben. Er hat das Böse und das Leid auf sich genommen und ist da hindurch gegangen. Er hat keinen weltlichen, sondern einen ewigen Sieg errungen. Er ist von den Toten auferstanden und hat das Reich Gottes anbrechen lassen. Sein Fest hat einen endzeitlichen Charakter. Es ist der Anbruch der Himmelsherrschaft, die alles in dieser Welt sprengt und überwindet. Die sollen wir nicht verpassen, dafür sollen wir uns entscheiden.
Und dazu gehört es, dass wir die Augen vor dem Schlimmen in der Welt und in unserem Leben nicht einfach verschließen. Es besteht dann nämlich die Gefahr, dass es uns irgendwann einholt, dass wir die Gefahren nicht rechtzeitig erkennen und dann darin untergehen. Wir können uns in der Welt verlieren und bildlich gesprochen umgebracht werden. Wir verkümmern, verpassen die Freude und am Ende auch das Leben. Damit wir es in seiner ganzen Fülle gewinnen, müssen wir uns nach der Ewigkeit ausstrecken, nach etwas Bleibendem, das stärker ist als Sünde und Tod, Not und Zerstörung.
Und dazu gehört es als erstes, dass wir in uns gehen und ehrlich mit uns selber sind: Wo stehe ich gerade und wie führe ich meine Leben? Es ist wichtig, dass wir uns diese Fragen immer wieder stellen. Wir müssen uns selber spüren und erkennen, mit unseren Sehnsüchten und Wünschen, mit all unseren Defiziten und Schwächen. Denn nur dann können wir uns entscheiden.
Das wäre der nächste Schritt. Und zwar sind wir eingeladen, uns für etwas Großes zu entscheiden, etwas, das Raum und Zeit überschreitet. Es geht um die Teilhabe am ewigen Reich Gottes. Jesus Christus ist das höchste Gut, der Brunnquell aller Gnaden“, wie es in einem Choral aus dem 18. Jahrhundert heißt. (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 219)
Genau danach sehnen wir uns letzten Endes auch. Unser ganzes Streben nach Glück ist im Grunde genommen immer das Suchen nach dem verlorenen Paradies, nach endgültiger Überwindung, nach einem Leben in dauernder Freiheit und Ruhe. Wir suchen eine Quelle der Liebe und Barmherzigkeit, die niemals aufhört zu sprudeln.
Es gibt sie in Jesus Christus. Doch um daraus zu trinken, müssen wir unsere gewohnten Wege verlassen, die Welt loslassen und unsren inneren Blick in seine Richtung lenken. Es gilt, unsere Rettung nicht mehr von weltlichem Vergnügen, Zerstreuung oder Wohlstand zu erwarten, sondern von Jesus Christus, der diese Welt überwunden hat.
Dann schenkt er uns all das, was wir uns wünschen, unser Leben wird neu. Wir feiern ein wunderschönes Fest mit ihm. Denn wir werden gerettet und gehalten. Wir haben ein ewiges Ziel vor Augen und spüren einen festen Grund in unserem Leben. Wir können aufatmen und bekommen Kraft. Unsere „Seele wird selig“, wie es in dem Lied weiter heißt. Wir werden fröhlich und gelassen, erleben Gemeinschaft und fühlen uns frisch.
Dabei ist als letztes wichtig, dass wir das alles nicht aus eigener Kraft heraus können. Der Dichter unsres Liedes bittet Jesus selber darum, ihn „zu diesem hohen Werke“ bereit zu machen und ihm das „schöne Ehrenkleid zu schenken.“ Nur durch die „Stärke des Geistes Jesu“ werden wir „würdige Gäste“ und in Jesus „eingepflanzt.“
Das Lied endet deshalb mit der Bitte:
„Bleib du in uns, dass wir in dir auch bis ans Ende bleiben; lass Sünd und Not uns für und für nicht wieder von dir treiben, bis wir durch deines Nachtmahls Kraft eingehn zur Himmelsbürgerschaft und ewig selig werden.“
Amen.

Der Tröster kommt

Predigt über Johannes 16, 5- 15: Das Werk des Heiligen Geistes

Pfingstsonntag, 4.6.2017, 9.30 und 11 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Johannes 16, 5- 15

5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.a
13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.
15 aAlles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Liebe Gemeinde.

„Kein Toter ist tot, solange es auch nur einen einzigen Menschen gibt, der an ihn denkt. Dann ist dieser Tote immer da für den, der noch lebt. Der Lebende wird ihn fühlen, er wird ihn spüren.“ Das ist ein weltlicher Beleidspruch, den Sie möglicherweise auch schon einmal auf eine Karte geschrieben oder bekommen haben. Der Gedanke, dass die Verstorbenen, mit denen wir eng verbunden waren, in unseren Herzen und in unserer Erinnerung weiterleben, ist weit verbreitet und sehr tröstlich. „Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind.“ So kann man das auch formulieren.
Im Internet gibt es viele Sammlungen solcher Sprüche. Sehr schön fand ich auch diesen: „Du kannst Tränen vergießen, weil er gegangen ist. Oder du kannst lächeln, weil er gelebt hat. Du kannst die Augen schließen und beten, dass er wiederkehrt. Oder du kannst die Augen öffnen und all das sehen, was er hinterlassen hat.“
Die Spuren eines Menschen bleiben zurück, auch die Liebe, die ihn mit den Seinen verband, kann niemand zerstören.
„Die Toten sind nicht fort, sie gehen mit. Unsichtbar sind sie nur, unhörbar ist ihr Schritt.“

So ist es auch bei Jesus, davon handelt der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir eben gehört haben. Es ist eine Abschiedsszene. Jesus redet hier mit seinen Jüngern über seinen nahenden Tod. Er war darauf vorbereitet und er wollte seine Jünger trösten. Denn er wusste, dass es für sie sehr schwer war, ihn gehen zu lassen. „Ihr Herz war voll Trauer.“ Deshalb konnten sie auch nicht offen darüber reden, und Jesus wollte sie beruhigen.
Der Trost, den er ihnen gibt, hat nun allerdings einen besonderen Charakter. Er erinnert zwar an die weltlichen Sprüche, in denen es darum geht, dass die Toten in unserer Erinnerung weiterleben, aber was Jesus hier sagt, geht darüber noch weit hinaus. Das beginnt schon damit, dass Jesus seine Jünger nicht nur beruhigt, er findet es sogar gut für sie, dass er weggeht. Ganz neue Möglichkeiten eröffnen sich ihnen damit, das sagt er hier, und zwar, weil er ihnen den „Tröster“ schicken wird. So übersetzt Luther das Wort „Paraklet“, das im griechischen Text steht. Es kann auch „Fürsprecher“ heißen, „Helfer“, „Beistand“, „Anwalt“ oder „Verteidiger“. Es kommt also jemand in seinem Namen, der wird all das sein und „der Welt die Augen auftun.“ Das verspricht Jesus hier. D.h. die göttliche Wahrheit wird aufleuchten und es wird klar zu Tage treten, wie Gott die Welt sieht und mit ihr handelt. Der neue „Anwalt“ wird die Welt überführen, und dabei wird es um drei Dinge gehen: „die Sünde, die Gerechtigkeit und das Gericht“.
Das sind Anklagepunkte und Entscheidungen bei einem endzeitlichen Rechtstreit Gottes mit der Welt. Diese Vorstellung steht hinter den Worten Jesu. Und das hat er sich nicht ausgedacht, sondern die Juden erwarteten so etwas bereits und hofften darauf, dass Gott dabei die Welt endgültig von allen Frevlern befreien und die Gerechten erlösen würde.
Jesus sagt hier nun, dass dieses Gericht mit seinem Kommen, Sterben und Auferstehen bereits begonnen hat. Mit seiner Verkündigung hat er eine Klarheit gebracht, durch die sich das Gericht über die Welt vollzieht. Deshalb ist er der neue Maßstab, die neue Mitte, von der her sich die drei Begriffe, die er aufzählt, erklären: Sünde ist es, wenn die Menschen nicht an ihn glauben. Ein Nein zu Jesus ist ein Nein gegen Gott. Dass Gott gerecht ist und die Menschen freisprechen will, kann man daran sehen, dass Jesus zu ihm gehen wird, um die Sache für seine Jünger klar zu machen. Die Welt hat diesen Prozess bereits verloren, der Teufel ist gerichtet und Jesus ist der Sieger.
All das werden die Jünger erkennen, wenn der Tröster kommt. Was Jesus hinterlässt, ist also mehr als nur eine Erinnerung. Er sendet ihnen eine starke Kraft, ein helles Licht, das in der Welt wirken wird. Auch was in der Zukunft geschehen wird, kann dieser Tröster den Jüngern sagen. Er wird dafür sorgen, dass Jesus in der Welt bekannt und verherrlicht wird. Denn es gibt nur diese eine Wahrheit, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Er ist ganz mit dem Vater verbunden. Durch seine Sendung hat Gott der Welt das Heil gebracht. Das wird der Geist, der Tröster und Anwalt, den Jesus senden wird, allen bezeugen, die an ihn glauben.
So lautet die Rede Jesu hier. Ihr liegt die Botschaft zu Grunde, dass Jesus lebt und Gott gleich ist. Immer und überall ist er gegenwärtig. Alle Menschen können ihm vertrauen, von ihm befreit werden und ihm folgen. In seiner Rede über den Tröster entfaltet Jesus diese gute Nachricht. Es muss also in der Tat keiner traurig darüber sein, dass er körperlich nicht mehr anwesend ist.

Doch was heißt das nun konkret? Können wir mit dieser Botschaft etwas anfangen, und wie sollen wir sie umsetzen? Drei Fragen tauchen auf, die in unserem Text bereits anklingen. Die Jünger wollten das wahrscheinlich auch wissen, und zwar als erstes: Wie kommt es denn dazu, dass wir überhaupt an Jesus glauben und den Heiligen Geist empfangen? Die zweite Frage lautet: Ist das wirklich besser, als seine leibliche Gegenwart vor 2000 Jahren, und wenn ja, warum? Und schließlich stellt sich die dritte Frage, die sich auf die Welt bezieht: Ist die Sendung dieses Trösters tatsächlich für die Welt von so großer Bedeutung?
Wenn wir unseren Abschnitt genau lesen, entdecken wir, dass Jesus hier auf diese drei Fragen antwortet. Erstens erklärt er, wie es dazu kommen kann, dass wir an ihn glauben. Zweitens begründet er, warum das sogar besser ist als seine leibliche Gegenwart. Und drittens offenbart er, was das für die Menschheit und die Welt bedeutet. Jesus beschreibt also konkrete Schritte des Glaubens und des christlichen Lebens. Wir müssen nur genau lesen, was hier steht, und seine Gedanken nachvollziehen. Lassen Sie uns das deshalb jetzt tun.
Die erste Frage lautet: Wie kommt Jesus zu uns? Wie empfangen wir den Heiligen Geist, den Tröster und Beistand, von dem er hier spricht? Und darauf lautet die Antwort: Es ist zunächst ganz ähnlich wie bei einem Menschen, der gestorben ist: Wir müssen an ihn denken und vielleicht ein Bild aufstellen, das wir immer wieder betrachten. Wir lesen das, was er gesagt hat, alte Briefe vielleicht, und erinnern uns an seine Taten und an seine Liebe. Dann ist er gegenwärtig.
Und so können wir es auch mit Jesus tun. Der Unterschied zu anderen Verstorbenen ist nun allerdings der, dass sich beim Denken an Jesus und beim Lesen seines Wortes keine Wehmut in unsere Gefühle mischt. Es gibt keinerlei Traurigkeit, keinen Verlustschmerz und auch keine Nostalgie. Sondern Jesus ist wirklich da. Deshalb können wir auch noch mehr mit ihm tun, als nur an ihn zu denken. Wir können ihm vertrauen und uns auf ihn verlassen. Dann kommt er spürbar zu uns. Wir müssen uns also nicht anstrengen, um seine Präsenz zu erleben. Er kommt uns vielmehr entgegen und schickt uns seinen Geist. Er zieht in uns ein und erfüllt uns mit großer Freude und Zuversicht. Er ist ein wahrer Helfer und Beistand. Das ist das erste, was Jesus uns hier sagt.
Als zweites spricht er davon, dass das sogar besser ist als seine leibliche Gegenwart. Die Jünger hatten nach seinem Abschied viel mehr von ihm. Der Grund dafür liegt darin, dass Jesus sie durch seinen Geist mit seiner Kraft ausgerüstet hat. Die Verbindung zwischen Jesus und ihnen wurde viel inniger und dauerhafter.
Den Geist kann niemand mehr töten, und er führt jeden, der ihn empfängt in eine große Freiheit. Wenn der Heilige Geist einen Menschen erfüllt, verschwinden Ängste und Sorgen. Zwänge lösen sich auf, Trauer schwächt sich ab. Denn der Geist Jesu vermag viel. Er wirkt in uns und macht uns unabhängig von den äußeren Gegebenheiten. Das Leben muss nicht perfekt sein, damit wir froh bleiben. Selbst wenn äußerlich einiges nicht stimmt und uns beschäftigt, im Inneren sind wir getröstet und werden festgehalten.
Denn der Heilige Geist hat die Kraft, neues Leben zu schaffen. Durch ihn wird uns „der Atem Gottes eingehaucht“, wie es in einem alten Pfingstlied heißt.  Er „lenkt unsere Herzen“, „aus ihm strömt Leben, Licht und Glut, er gibt uns Schwachen Kraft und Mut.“ (Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, Hamburg 1994, Nr. 555) Das ist die zweite Aussage, die wir hier hören.
Und als drittes sagt Jesus noch etwas über die Welt und was der Tröster für sie bedeutet. Indem er vom Endgericht ausgeht, entwirft er für sich und seine Gegenwart einen kosmischen Rahmen. Der christliche Glaube ist keine Ideologie, und Jesus ist nicht bloß eine historische Person. Es gibt durch ihn vielmehr eine neue Wirklichkeit. In sie treten wir ein, wenn wir an ihn glauben. Und dadurch haben wir Anteil an der himmlischen Welt. Jesus schenkt uns eine Hoffnung, die über alle Zeit hinausweist. Auch im Endgericht können wir noch zuversichtlich sein, denn uns kann nichts mehr passieren.
Als lebendiges Zeichen dafür gibt es heute die weltweite Kirche. Sie hat Pfingsten ihre Geburtsstunde. Denn nachdem die Jünger den Heiligen Geist empfangen hatten, sind sie in die Öffentlichkeit getreten und haben das Evangelium verkündet. „Im Feuer und in Sturmes Braus“ sandte Gottes Allmacht ihnen den Geist, wie es in dem Pfingstlied ausgedrückt wird, das ich bereits erwähnte. Er „öffnete ihnen den stummen Mund und machte der Welt die Wahrheit kund.“ So geht die Strophe weiter. Die Jünger sind in die Welt gegangen und haben Jesus in ihr groß gemacht.  Daraufhin ist die erste christliche Gemeinde entstanden, und aus ihr wurde im Laufe der Jahrhunderte eine weltweite Gemeinschaft. Und das ist von großer Bedeutung, denn dadurch gibt es in dieser Welt konkrete Orte der Nähe Jesu.
Es ist deshalb gut, wenn wir als Christen immer wieder zusammenkommen und um den heiligen Geist bitten. Dann wird er unter uns lebendig und „entflammt Sinne und Gemüt.“ Das ist eine weitere Formulierung aus dem zitierten Pfingstlied. Gegen Ende enthält es dann die Bitte: „Die Macht des Bösen banne weit, schenk deinen Frieden allezeit.“ Wir dürfen daran glauben, dass der Heilige Geist das vermag. Er zeigt uns den rechten Weg, so dass uns nichts mehr schaden kann. Nicht nur für uns selber, sondern auch für die Welt gibt es eine Rettung. Das ist die dritte Zusage, die Jesus uns hier gibt.
Und das alles ist unglaublich viel, mehr als uns je ein Mensch oder eine Ideologie geben kann. Eine vertraute und geliebte Person wird uns immer fehlen, wenn sie gestorben ist, so sehr sie in unserer Erinnerung auch weiterlebt. Es ist nie mehr so, wie es einmal war. Jesus dagegen ist in der Welt gegenwärtig und kann uns jederzeit trösten und beistehen. Der Glaube an ihn ist nicht nur eine Erinnerung, sondern schafft neues Leben in uns und um uns.
Lassen Sie uns darüber von Herzen froh sein, Gott für seine Allmacht loben und für seine Liebe danken und fröhlich Pfingsten feiern.
Amen.