ANDACHTEN

„Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?“

Fastenandacht über 1. Mose 18, 1- 3. 9- 14: Gott verheißt Abraham und Sara einen Sohn
für Sonnabend, 14.3.2020, 11.00 Uhr, Jakobikirche

Wegen des Corona-Virus konnte diese Andacht leider icht stattfinden. Sie wäre die dritte Andacht zu dem Thema „Zuversicht – Sieben Wochen ohne Pessimismus“ gewesen.
Im Mittelpunkt steht ein Abschnitt aus dem ersten Buch Mose. Es ist die Geschichte, in der Gott Abraham besucht und ihm ankündigt, dass er und seine Frau Sara noch im hohen Alter einen Sohn bekommen werden. Und zwar kommt Gott in der Gestalt von drei Engeln.
Im Christentum wurde diese Erscheinung auf die Trinität übertragen, und das finde ich sehr schön. Gerade der Glaube an den dreieinigen Gott kann uns Zuversicht geben, denn er beinhaltet, dass Gott nicht einseitig, starr und fern ist, sondern vielseitig und lebendig. Er kommt uns ganz nahe und nimmt uns in seine Gegnwart hinein.

 1. Mose 18, 1- 3. 9- 14

1 Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war.
2 Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde
3 und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber.
9 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt.
10 Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes.
11 Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise.
12 Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun ich alt bin, soll ich noch der Liebe pflegen, und mein Herr ist auch alt!
13 Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Meinst du, dass es wahr sei, dass ich noch gebären werde, die ich doch alt bin?
14 Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben.


„Da lach ich ja! Kinder in meinem Alter? Machst du Witze? Das wird nie und nimmer so kommen!“ So ähnlich hat Sara wahrscheinlich geantwortet, als Abraham ihr erzählte, was Gott ihm verheißen hatte. Sie hatte das auch schon mitgehört, als sie hinter der Zelttür stand und lauschte, was die Besucher draußen vor dem Zelt mit Abraham besprachen.

Die Geschichte hat ja etwas Rätselhaftes: Drei geheimnisvolle Männer kommen unangemeldet zu Abraham. Es sind göttliche Wesen, das wird an der Art der Erzählung und auch an der Reaktion Abrahams deutlich: Er saß ahnungslos in der Tür seines Zeltes, und die Männer waren auf einmal da. Abraham hat sie nicht kommen sehen, das Göttliche trat überraschend vor ihm auf. Aber so wie er sie sah, ging er ihnen entgegen und lud sie ein. Er bewirtete sie, und danach kamen die Gäste ohne Umschweife zu der Sache, die sie Abraham sagen wollten. Verwunderlicher Weise kannten sie die Namen von Abraham und seiner Frau Sara, sie wussten, wie alt sie waren, und waren darüber im Bilde, dass sie keine Kinder hatten. So war es eine erstaunliche Verheißung, die sie Abraham gaben: Er und Sara sollten doch noch einen Sohn bekommen.

Sara stand während des Gespräches im Zelt hinter der Tür und hörte mit. Doch was sie vernahm, konnte sie nicht glauben, es belustigte sie vielmehr. Sie nahm nichts davon ernst und wehrte die Sache als unsinnig ab. Sie lachte bei sich selbst. Das sollten die Gäste natürlich eigentlich nicht mit bekommen, aber nun erweist es sich ein zweites Mal, dass sie göttliche Wesen sind: Sie lesen die Gedanken Saras, obwohl sie sie weder sehen noch hören können, und sie gehen darauf ein. Sie greifen die Gedanken Saras mit dem Satz auf: „Ist denn etwas zu wunderbar für den Herrn?“

Damit ist der Höhepunkt der Erzählung erreicht. Um diese rhetorische Frage geht es. Die Antwort lautet natürlich „Nein, nichts ist zu wunderbar für Gott!“ Der Satz ist ein Zeugnis für die Allmacht Gottes, der in Richtung Zuversicht weist. Er steht bewusst im scharfen Gegensatz zu dem ungläubigen und vielleicht auch ein wenig hässlichen Lachen Saras. Er klingt entrüstet und straft die Denkweise, die Gottes Allmacht misstraut.

Dabei hat Sara sicher nicht grundsätzlich ihren Glauben verloren, aber sie lässt bestimmte Emotionen des Unglaubens zu. Sie ist pessimistisch und zweifelt. Es schwingt auch eine gewisse Resignation in ihrem Lachen mit. Entschuldigt wird das hier allerdings nicht, denn sie hat über ein Gotteswort gelacht. Sie hätte erkennen sollen, dass die göttliche Wirklichkeit auch in ihr Leben eingebrochen ist. Später hat sie dann am eigenen Leib erlebt, dass die Männer die Wahrheit gesagt haben: Sie hat einen Sohn bekommen, Isaak, den Vater Jakobs, der dann zu Israel wurde.

Die Geschichte handelt also vom Leben und von der Allmacht Gottes. Sie enthält die Botschaft, dass das Altwerden und die Vergänglichkeit besiegt werden, sie haben nicht das letzte Wort, sind nicht die letzte Realität unseres Lebens. Und damit wird jeder Pessimismus als unrealistische Denkweise abgestraft. Wir sollen wissen: Gottes Liebe ist stärker als Resignation und als der Tod.

Aber können wir das annehmen? Unsere Erfahrung spricht doch oft dagegen. Es ist nicht ganz einfach, diese Geschichte auf unser Leben zu übertragen. Wir müssen uns Gedanken machen, und dabei helfen uns drei Fragen:

Die erste Frage lautet: Welche Situationen lassen mich für die Zukunft schwarzsehen? Sicherlich sind die Antworten darauf endlos, denn die Welt ist voller Schrecken: Kriege, Umweltzerstörung, Epidemien, das sind in diesen Zeiten die Ereignisse, die uns Sorgen bereiten. Sie lassen uns schwarzsehen, weil es keine Lösung zu geben scheint, wir kommen uns verloren vor. Weil es so ein riesiger Berg von Problemen ist, der uns Angst macht, würde es jetzt auch zu weit führen, auf alles einzugehen.

Aber ich halte das auch nicht für nötig, denn man kann all die Sorgen auf einen Nenner bringen: Letzten Endes fürchten wir uns vor dem Tod, vor der Zerstörung, dem Verfall, der Vergänglichkeit. Und das geschieht auch in unserem eigenen Leben. Es ist deshalb gut, wenn wir bei uns selber anfangen und uns mit unserem ganz persönlichen Verfall auseinandersetzen. Wir werden ja alle älter, so wie Abraham und Sara, und unsere Möglichkeiten schränken sich immer mehr ein. Da kann auch bei uns die Frage entstehen: „Was kommt schon noch?“ Wir malen uns das Alter aus und treffen von daher bestimmte Entscheidungen: Wir versuchen uns abzusichern, indem wir uns mit den richtigen Menschen umgeben, die uns im Alter dann helfen. Wir sparen Geld und schließen Versicherungen ab, ziehen in barrierefreie Wohnungen usw. Trotzdem bleibt eine Unsicherheit da, eine Angst und der Gedanke: „Ich weiß doch, wie es läuft, nämlich schlecht.“ Unser Lachen wird ironisch und bitter.

Die zweite Frage muss deshalb lauten: Was können wir dafür tun, dass wir uns von Zukunftsängsten nicht niederdrücken lassen? Und da lautet die Antwort: Konzentrier dich doch einmal auf die Gegenwart, beachte das jetzt, lass los, was du gern festhalten möchtest, und ergreife die Chancen, die jeder einzelne Tag dir bietet. Lass jeden Tag den schönsten deines Lebens werden, indem du „ja“ sagst. Sei achtsam und übe dich in radikaler Akzeptanz. Abraham hat das getan. Er hat schnell reagiert, hat seine Gäste bewirtet, war mit ihnen zusammen und hörte ihre Botschaft. Er nahm an, was sie ihm sagen und bringen wollten.

Und das ist auch unsere Aufgabe. Auch wir können unverhofft Besuch bekommen von jemanden oder etwas, das uns freut und lebendig macht. Wir müssen nur offen dafür sein und es empfangen. Denn es kann sein, dass es von Gott kommt, dass er selber dahinter steckt.

Deshalb lautet die dritte Frage: Was trauen wir eigentlich Gott zu? In unserer Geschichte wird er ja sehr schön vorgestellt. Er erscheint in der Gestalt von drei Männern, Menschen also, aber zugleich ist er geheimnisvoll und erhaben. Ich sagte ja schon, dass in der Alten Kirche darin ein Bild für die Trinität gesehen wurde. Dreifaltigkeitsikonen stellen diese drei Gestalten als Engel dar und lassen sie Vertreter für Gott Vater, Gott Sohn und Gott dem Heiligen Geist sein. Exegetisch, d.h. in der Bibelwissenschaft lässt sich diese Interpretation zwar nicht halten, aber das macht ja nichts. Wir können an Hand dieser Geschichte trotzdem zu unserem Glauben übergehen, und uns den dreieinigen Gott vorstellen. Das heißt dann, dass er viel größer ist, als wir ihn uns denken können, er ist lebendig und schön. Er kann Wunder tun, ist barmherzig und nah. Es geht im Glauben auch in erster Linie um ihn. Wir dürfen uns ihm nähern und seine Gegenwart genießen. Wir werden in sein Geheimnis hineingenommen, er schenkt uns Leben und Segen.

Und diese Erfahrung vertreibt von selber jeden Pessimismus. Der hat dann einfach keinen Platz mehr in unserem Denken. Er muss der Zuversicht weichen, die sich in unseren Gefühlen ausbreitet. Denn wir werden umhüllt und beschützt mit der Gnade Gottes. Seine Wahrheit leuchtet heller als alles andere und vertreibt die Dunkelheit aus unserer Seele. Wir werden getragen von seiner Barmherzigkeit, und unser Geist wird in seinen Willen eingebunden. Die Verheißung Gottes, dass das Leben über den Tod siegen wird, macht uns stark. Wir bekommen ein neues Bewusstsein. Gott segnet jeden Tag und lässt ihn fruchtbar sein für sein Reich.

Lasst uns deshalb auf sein Wort hören und ihm ganz und gar vertrauen. Amen.

 


Die Freude des alten Mannes

Adventsandacht
Donnerstag, 19.12.2019, 18.00 Uhr, Lutherkirche
Lukas 2, 25- 35: Die Darstellung Jesu im Tempel

Die Adventsandachten standen in diesem Jahr unter der Überschrift: „Knabe, Mann und Greis“, d.h. wir haben Geschichten ausgesucht, die erzählen, wie kleine Kinder, ein „Jüngling“ und ein Greis uns zeigen, wer Jesus war. Denn in der Adventszeit warten wir auf ihn und auch wir gehören zu ganz verschiedenen Altersgruppen. Deshalb stellen wir uns z.B. gerne vor, dass sich bereits an der Krippe Junge und Alte trafen. Dann kann sich jeder und jede mit den Menschen identifizieren, die Jesus besucht haben. Sie machen uns deutlich, wie wir glauben können.
Zum Abschluss der Reihe ging es nun um einen alten Mann, Simeon, der sein Leben lang auf den Messias gewartet hatte. Er kann uns zeigen, wie wir speziell in dieser Lebensphase Jesus nachfolgen und ihn loben können, und was die große Chance des Alters ist.

Lukas 2, 25- 35

25 Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm.
26 Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
27 Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz,
28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren,wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
31 den du bereitet hast vor allen Völkern,
32 ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.
33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde.
34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird
35 – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.

„Alt werden ist nichts für Feiglinge.“ Diesen Spruch hört man manchmal besonders von alten Menschen „So hatten wir uns das nicht vorgestellt.“, sagte dazu kürzlich eine ältere Dame, die in der Theaterpause nur sehr langsam aus ihrem Sitz kam.

Und ich muss sagen, wenn ich sehe, wie es alten Menschen geht, dann wird mir manchmal ganz mulmig. Das kommt also auf uns zu? Probleme beim Gehen, Sehen und Hören, wir werden langsamer, gebrechlicher und hässlicher, tüddeliger und vergesslicher. Auch die Einsamkeit nimmt zu, denn viele Menschen, die zu uns gehören, sterben, und die Jüngeren haben nur wenig Zeit. Das ist keine schöne Aussicht, und so ein bisschen fürchten wir uns alle davor. Wir brauchen Mut, um es uns auszumalen und erst recht, um es zu bewältigen.

Ich denke allerdings, dass wir das Alter nicht von unserem Leben trennen können, völlig losgelöst ist diese Phase nicht von dem, was vorher war. Es hat vielmehr etwas damit zu tun. Wie wir alt werden, entscheidet sich nicht erst mit 80, sondern viel früher. Vor allem, wie wir mit den Schwierigkeiten umgehen, die eintreten werden, können wir vorher schon steuern. Die Frage, die sich stellt, ist also gar nicht die, was wir machen, wenn wir alt werden, sondern wie wir leben: Worauf hoffen und vertrauen wir? Was trägt und erfüllt uns? Was macht uns Mut und gibt uns Trost? Wer durchbricht unsere Einsamkeit? Mit diesen Fragen sollten wir uns schon früh beschäftigen. Wenn wir die richtigen Antworten finden, sind wir für das Alter gut gerüstet.

Simeon ist dafür ein sehr schönes Beispiel.

Sein Leben lang wartete er auf „den Trost Israels“, den Retter, den die Propheten verheißen hatten. Im hohen Alter begegnete er im Tempel von Jerusalem dann dem Kind Jesus, als es zur Beschneidung von seinen Eltern dorthin gebracht worden war. Simeon erkannte in ihm sofort den Messias. Voll Freude pries er ihn mit einem Hymnus und segnete seine Eltern.

Er konnte nun „in Frieden fahren“, denn er hatte das Ziel erreicht, das Gott für ihn vorgesehen hatte. Seine Seele war ruhig geworden, seine Sehnsucht war gestillt. Das Alter war für ihn also die Zeit der Erfüllung, er erlebte am Ende das Schönste, das er sich vorstellen konnte. Mit Weniger hatte er sich auch nicht zufrieden gegeben. Er hat nicht auf etwas Vergängliches gesetzt, sondern auf das ewige Heil, das ihm verheißen worden war.

Und natürlich hatte das sein Leben geprägt. Das „Licht, das sogar die Heiden erleuchtet“, d.h., die ganze Welt erhellt, war von vorne auf seinen Weg gefallen und hat ihm die Richtung gezeigt. Alles andere hatte sich dadurch relativiert.

Und mit dieser Lebenseinstgellung war er nie allein, auch im hohen Alter nicht. Er war verbunden mit allen Propheten und Heiligen vor ihm, und diese Gemeinschaft vollendete sich nun für ihn. Er wurde ganz dahinein genommen.

Es ist kein Wunder, dass er deshalb ein Lied dichtete, das bis heute gesungen wird. In der liturgischen Tradition ist sein Lobgesang in das Nachtgebet der Kirche eingegangen, und dazu gehört die Antiphon: „Bewahre uns, Herr, wenn wir wachen, behüte uns, wenn wir schlafen, auf dass wir wachen mit Christus und ruhen in Frieden.“ Daran wird deutlich, dass wir eingeladen sind, es dem alten Simeon gleich zu tun, d.h. uns jeden Tag und jede Nacht auf Christus auszurichten. Dann wird das Alter nicht die Zeit der Einsamkeit und der Gebrechen, sondern die Zeit des Gotteslobes und der Erfüllung. Wir dürfen und sollen Gott unsere Lieder singen, ganz gleich, wie sie klingen.

Davon handelt folgende Geschichte:

Die Legende von den musizierenden Mönchen

(von Helene Haluschka, in: „Weihnachtsgeschichten und Gedichte aus Österreich“)

Es ist schon lange her, denn damals war im Staub der Erde die Fußspur des Bruders Franziskus noch nicht gelöscht. Zu jener Zeit lebte in tiefer Waldabgeschiedenheit eine Bruderschaft alter, sehr alter Mönche, so alt, dass mancher unter ihnen mit dem Fuße schon an der Schwelle des Paradieses stand, ihre Herzen aber waren jung und warm geblieben im Dienste Gottes, ihre Liebe so glühend, dass ihr Lobpreisen, ihre Dankeshymne immer kräftiger erscholl, je schwerer die Jahre auf die Schultern drückten und je mehr sich ihre Häupter mit Schnee bedeckten. Man hörte sie von Weitem singen, die braven Brüder, und angesichts dieser unverwüstlichen Freude fragten sich manche Menschenkinder verwundert: »Worüber freuen sich denn die ehrwürdigen Fratres, die haben doch gar keinen Grund zur Freude?«

Wirklich, was die Menschenkinder sprachen, war wahr. Die ehrwürdigen Fratres besaßen nichts von all dem, was das Leben schön macht auf irdische Art. Sie bewohnten eine Felsenhöhle im Walde, deren zerklüftete Spalten ihnen als Fenster dienten und deren einziger Luxus eine breite Holztüre war, die ein Unbekannter, ein Engel vielleicht, in einer Winternacht vor den Ausgang geschoben hatte. Es blies damals, arg wie der Teufel, der Nordwind vor der Spalte, und man hörte die Wölfe nahe heulen.

Die Mönche dankten Gott für die Türe und sangen ihre Dankbarkeit laut in den Wald hinaus. Doch da sie nun einmal Menschen waren, hatte in den rauen Tagen der Klang ihrer Stimmen gelitten, und die böse Welt begann, den Lobgesang als störend zu empfinden, umso mehr, da er sie in ihrem Vergnügen, in ihrem Wohlleben, in ihrer Lust störte.

»Hören diese Mönchlein nicht bald auf?«, brummten die Faulen, »sie wecken uns aus dem Schlaf.«»Es vergeht uns der Appetit«, klagten die Gefräßigen. »Das klingt wie Totengeläute«, sagten die Bösen. »Dieses Geschrei geht einem durch Mark und Bein«, sagten die Gottlosen.

»Wenn auch nicht gerade das«, sagten die tanzenden Jünglinge, »aber gottsjämmerlich falsch singen sie wirklich.«

Und das – leider – war das einzig Wahre an dem Gerede der Welt. Die braven Mönche sangen falsch, erbärmlich falsch. Sie hatten wohl eine gute Entschuldigung für sich. Einige von ihnen waren schwerhörig geworden, und aus Angst, mit den anderen nicht Schritt halten zu können, liefen sie immer ein paar Takte voraus, andere wieder konnten sich nach so vielen Jahren auf ihre eigene Stimme nicht mehr besinnen und wussten nicht, ob sie Tenor, Bariton oder Bass waren, und sangen im Übereifer alle Stimmen durcheinander. Dann gab es einen lieben Bruder, der nur eine einzige, tiefe, schöne Note in der Kehle hatte, und der gab er mit Begeisterung alles, was er besaß.

»Der ehrwürdige Bruder Laurentius ist ein Brummer«, hatte sich längst die Nachtigall im Walde beklagt. »Und der Bruder Bonifatius hat dafür um keinen Groschen Gehör«, pfiff eine Amsel.

»Es ist ein Jammer«, machte sich der Dompfaff wichtig. Und die Vögel, denen einst der Bruder Franziskus gepredigt hatte, versteckten ihre Häupter unter den Flügeln, um nicht hören zu müssen, wenn im tiefsten Walde ein Tedeum oder ein Ave erscholl.

Bald verstanden die Mönche den stummen Vorwurf der Vögel und es traf sie tiefer als das laute Schelten der Welt. Trotzdem führten sie in aller Demut fort, Gott mit den bescheidenen Mitteln zu preisen, die ihnen zur Verfügung standen.

Weihnachten kam. Der Wald war eine einzige weiße Kapelle, in der die Wintersonne blassen Kerzenschimmer auf die hängenden Eiszapfen zauberte. Bis spät in die Nacht hatten die Mönche am Heiligen Abend gebetet, und als sie sich nun zum Gesang erhoben, da klopfte es an der Türe. »Herein«, riefen die Brüder im Chor und stießen die Türe auf. Ein junger Mann stand auf der Schwelle und bat, halb erfroren, um Obdach und Brot.

Die Bruderschaft empfing ihn, wie sie einen Gesandten Gottes empfangen hätte.

Der Jüngling nahm, was ihm geboten wurde, er verschlang, was halbwegs essbar war, und dankte für das gerettete Leben. Er erzählte, wie er, ein junger Sänger, vom Hof des Prinzen bei Nacht und Kälte fliehen musste, um den Intrigen zu entgehen, die der Neid um die Gunst des Prinzen gegen ihn gesponnen hatte.

»Ein Sänger«, sagten die glänzenden Mönchsaugen, »ein richtiger Sänger unter uns«, freuten sich die guten Brüder. »Das wird eine Mitternachtsmesse werden!«, jubelte Bruder Laurentius. »Alle werden sie zuhören müssen!«

So wurde es auch. Der Sänger sang, wie diesem Walde noch nie gesungen wurde, so herrlich schön, dass Wiese, Flur und Dorf nur ein lauschendes Ohr waren. Keiner der Brüder tat an diesem Abend den Mund auf. Sie falteten in tiefer Andacht die Hände, und Tränen der Begeisterung liefen über ihre gefurchten Wangen.

Der Himmel musste sich ganz nahe über sie gesenkt haben, um diesem weihnachtlichen, herrlichen Lobgesang zuzuhören. Sie segneten den jungen Sänger aus tiefstem Herzen, und der war so sehr darüber gerührt, dass er beschloss, noch einen Tag zu bleiben und mit ihnen zur Dorfkapelle zu gehen.

Es tagte noch nicht, als sie zur Frühmesse aufbrachen, und gespenstisch lösten sich aus dem Dunkel der Nacht die noch dunkleren Gestalten der Bauern, die aus ihren Dörfern zur Kapelle pilgerten.

Als die Mönche die Türe der Kapelle öffnen wollten, strahlte ihnen ein Licht entgegen, so blitzhell, dass sie zuerst geblendet ihre Augen schlossen. In heller Glorie stand ein Engel da, und als sie endlich schauen konnten, da merken sie, dass er sie traurig ansah.

»Was ist mit den ehrwürdigen Brüdern geschehen?«, fragte er milde, »dass wir in der Heiligen Nacht ihren herrlichen Gesang entbehren mussten?«

Der große strahlende Engel musste seine Frage mehrfach wiederholen, ehe die Mönche begriffen, dass sie ihnen galt.

»Wir – und herrlicher Gesang! Verzeihung himmlischer Bruder und gnädiger Herr, aber das sind doch nicht wir? Wir singen falsch, wie allgemein bekannt«, erwiderten sie im Chor.

»Ich bin doch ein Brummer«, klagte sich Bruder Laurentius an. »Und ich habe kein Gehör«, sagte ein anderer. »Mir verschlägt es immer die Stimme«, seufzte ein dritter. »Es ist ein rechtes Gejammer«, gestanden sie alle ehrlich ein. Der Engel schüttelte den Kopf.

»Wir da droben hören nur das herrliche Loblied, das aus der Tiefe eurer Herzen kommt, und gestern Abend haben wir es in unserer Seligkeit entbehrt«

»Für uns hat ein begnadeter Sänger gesungen, habt ihr nicht seiner wundervollen Stimme gelauscht?«

»Nein«, sagte nachdenklich der Engel. »Die schönste Stimme kann uns nicht erreichen, wenn sie ihrer selbst nicht vergessen kann und wenn sie nicht von Gottes Liebe beseelt ist.«

Der Engel verschwand, alle knieten sich auf die Schwelle der Kapelle; und der Sänger, der nichts gesehen und gehört hatte, als zuerst den Schrecken und dann die Anbetung der Mönche, ließ sich erzählen, was geschehen war, und senkte den Kopf.

»Betet für mich, ehrwürdige Brüder«, bat er ernst, »damit eines Tages auch meine Stimme würdig wird, den Weg zum Himmel zu finden.«

Die musizierenden Mönche aber setzten ihren Lobgesang fort bis zu ihrem Tode, und der letzte Bruder Laurentius sang noch am Sterbelager mit jener wohlklingenden Stimme, die nur einen Ton hatte.

Amen.


„Ich gönn dir das“

Fastenandacht zum Thema „Großes Herz – 7 Wochen ohne Enge“
Sonnabend, 19.3.2016, 11.00 Uhr, Jakobikirche
Lukas 15,25- 32
Das Thema unserer letzten Fastenandacht in diesem Jahr lautete: „Ich gönn dir das“, und im Mittelpunkt stand aus der Bibel eine Episode, die wir oft nicht richtig beachten. Es ging nämlich um das Verhalten des älteren Bruders in dem Gleichnis „vom Verlorenen Sohn“ (Lk.15, 11-32) So lautet in der Lutherbibel die Überschrift, und daran wird schon deutlich: Unsere Aufmerksamkeit richtet sich in dieser Geschichte normaler Weise auf den jüngere Sohn, der „verloren war und wieder gefunden wurde“. Dabei nimmt die Reaktion des älteren Sohnes auf dieses Ereignis ein Drittel der Erzählung ein. In der Übersetzung „die Nachricht“ steht deshalb auch die Überschrift: „Der Vater und seine zwei Söhne“. Dem ersten wurde vergeben, der andere musste lernen, ihm das zu gönnen.
Das ist nicht leicht und es lohnt sich, dass wir uns mit dem, was der Vater zu ihm sagt, einmal beschäftigen. Es sind weise Worte, die auch uns dazu anleiten, nicht Neid und Missgunst walten zu lassen, sondern unser Herz zu weiten, wenn es anderen gut geht, und es ihnen wirklich zu gönnen.
Der ersten Teil des Gleichnisses erzählt, wie der jüngere Sohn sich das Erbe auszahlen ließ, fortzogn und es verprasste. Als er völlig pleite und verzweifelt war, kehrte er heim und bereute sein Verhalten. Und sein Vater empfing ihn mit Freuden. Er richtete ihm ein großes Fest aus.
Bis dahin hat die Geschichte also ein Happy End, sie ist fast wie ein Traum. Aber dann kommt folgende sehr realistische Fortsetzung:

Lukas 15, 25- 32

25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen
26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre.
27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn.
29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre.
30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.
32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

AUSLEGUNG

Ich habe euch zu der Geschichte von heute ein Bild aus der Lutherkirche mitgebracht.IMG_1596

Es ist eine Postkarte mit dem Relief des polnischen Künstlers Ryszard Zając. Er hat es aus Lindenholz geschnitzt, und es zeigt eine Szene aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn. Und zwar ist es ist die Darstellung des Höhepunktes: Das Wiedersehen zwischen dem Vater und dem jüngeren Sohn. In der Bibel heißt es dazu: „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn“. (Lk.15,20)
Der Künstler hat diese Szene sehr schön illustriert. Zuerst fallen uns die beiden Menschen ins Auge, die in der Mitte dargestellt sind: Der Vater und der Sohn, obwohl vom Vater gar nicht so viel zu sehen ist: Man erkennt den Kopf mit den Haaren, den Stirnfalten und dem Bart, den rechten Arm und die rechte Hand. Der Vater küsst den Sohn auf dessen rechte Wange.
Dieser kniet vor ihm, er scheint nackt zu sein. Sein Kopf ist erhoben und seine linke Hand berührt die des Vaters. Die beiden sind sich ganz nahe und bilden eine Einheit. Ihre Bärte gehen ineinander über.
Das Grundmotiv dieses ganzen Bildes ist eine Pflanze mit einer Blüte, das ist sehr schön und auffällig: In der unteren Hälfte sieht man Blätter mit Blattstiel und Rispen, die obere Hälfte ist die Blüte. Die beiden Hauptfiguren befinden sich innerhalb dieser Pflanze. Es sieht so aus, als ob die Blüte aus ihnen herauswächst.
Doch das ist nicht alles, was der Künstler in Szene gesetzt hat, auch den älteren Bruder hat er aufgenommen: Er befindet sich unten auf der rechten Seite und ist auffällig viel kleiner als die beiden anderen. Er scheint eine Art Talar mit einer Halskrause zu tragen. Seine Kopfbedeckung ist ein Tuch oder eine Kapuze. Das soll vielleicht andeuten, dass er eine Institution vertritt und entsprechend unbeweglich in seiner Reaktion ist. Er hat einen mürrischen Gesichtsausdruck und befindet sich außerhalb der Blüte. Er ist von der Freude des Wiedersehens ausgeschlossen. An dem neuen Leben, das gerade zwischen Vater und Sohn entsteht, hat er keinen Anteil.
Und das ist eine interessante und wahre Aussage: Wer voller Neid oder sogar Zorn auf das blickt, was dem Nächsten widerfährt, isoliert sich, er macht sich selber klein und hässlich, schneidet sich vom Leben ab und bleibt allein.
Wir kennen sicher alle ähnliche Situationen und können den älteren Bruder gut verstehen. Es fällt schwer, einem anderen Menschen etwas zu gönnen, schon gar nicht, wenn wir das Gefühl haben, dass er es nicht verdient hat. Gerade unter Geschwistern kommt es oft zu Neid und Eifersucht. Die Kinder buhlen um die Liebe der Eltern und sie sind sehr empfindlich, wenn einer vorgezogen wird.
Aber auch in anderen Bereichen fällt es uns schwer, unseren Mitmenschen ihren Erfolg zu gönnen. Es kommt ja überall vor, dass andere besser sind, schöner, beliebter, attraktiver: In der Schule, in der Arbeitswelt, in der Gemeinde, in der Nachbarschaft, in Politik und Wirtschaft. Auch die Kunstszene fällt mir ein, Musik, Ballett, Theater: Jeder und jede möchte dort am liebsten der oder die beste sein. Wer gestattet dem anderen schon seine Anerkennung, ist wohlwollend, hilft oder unterstützt ihn? Ganz oft ist das Gegenteil der Fall: Man ärgert sich darüber, wird böse und missgünstig. Es kommt zum Streit und zum Kampf, zum Mobbing, Lügen, Bestechung und Betrug. Das durchzieht unser ganzes Leben, unser Miteinander, unsere Gesellschaft, das Weltgeschehen. Es ist also ganz normal.
Aber ist es auch gut? Das Bild sagt etwas anderes, und der Vater in dem Gleichnis auch: Er bittet seinen älteren Sohn, dieses Verhalten abzulegen. Doch wie kann das nun gehen? Das ist ja nicht ganz leicht. Das weiß der Vater auch. Er gibt seinem Sohn deshalb eine gute Anleitung, wie das gelingen kann. Wir haben seine Antwort vorhin gehört, und wir können sie in drei Schritte teilen.
Zunächst sagt er ihm: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein.“ Er erinnert ihn an das, was zwischen ihnen beiden ist, was der Sohn alles hat, wie gut es ihm doch geht. Er ist nicht ausgeschlossen, er gehört dazu und hatte immer eine enge Gemeinschaft mit dem Vater.
Wenn wir das auf uns anwenden, heißt das: „Achte doch einmal auf dich selbst. Mach dir klar, was du alles hast und kannst, wer du bist, was du erlebt hast, was es alles Schönes in deinem Leben gibt. Komm zu dir und spür dich selbst. Du musst dich nicht mit anderen vergleichen. Du bist wertvoll, so wie du bist.“ Das dürfen wir uns sagen lassen. Wenn wir es befolgen, ist das der erste Schritt zu einem Leben ohne Neid.
Als nächstes sagt der Vater: „Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein.“ Er soll sich nicht von seinem Zorn verzehren lassen, sondern an der Freude teilhaben. Es ist Zeit zum Feiern!
Und auch das ist ein guter Ratschlag. Er bedeutet, dass wir nicht neidisch sein müssen, wir können uns entscheiden. Welche Stimmung wir zulassen wollen, liegt in unserer Hand. Die Begebenheit, die uns ärgert, ist nur die eine Seite eines Geschehens, wie wir darauf reagieren, die andere. Wir können unsere schlechte Laune pflegen, aber wir sind dazu nicht verpflichtet. Wir haben die Freiheit, uns zu freuen, unser Herz zu weiten, und Liebe und Dankbarkeit einziehen zu lassen, auch wenn es um das Glück der anderen geht.
Und als Drittes sagt der Vater seinem älteren Sohn, wie er selber die Ankunft des Jüngeren erlebt hat: „Denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.“ Dieser Satz kam schon einmal in dem Gleichnis vor. (Lk.15,24) Der Vater sagte es auch zu seinen Knechten, die das Fest vorbereiten sollten. Er lädt seinen älteren Sohn zu dieser Sicht der Dinge ein, er bittet ihn um dieselbe Güte, die er empfunden und walten lassen hat, um das Erbarmen, mit dem er gehandelt hat.
Und das heißt für uns, dass auch wir uns in unserem Verhalten an Gottes Güte orientieren können. Gott ist mit dem Vater gemeint, und wir sind die Söhne, entweder der eine oder der andere. Das Gleichnis handelt von der umarmenden Liebe Gottes, von seiner Zuwendung zu allen, dem bußfertigen Sünder und auch dem, der neidisch ist. Es beschreibt die grundlose, erbarmende Liebe Gottes zu den Menschen.
Wenn wir uns ihr anvertrauen, werden wir von uns selbst befreit. Wir merken: Es muss nicht immer um uns gehen. Wenn es einem anderen Menschen gut geht, ist das genauso schön. Wir können uns gelassen und selbstlos daran freuen, warum eigentlich nicht? Wir werden alle in gleicher Weise von Gott geliebt, niemand ist ausgeschlossen. Das tun wir höchstens selbst. Von Gott kommt das nicht.
Zu diesem Glauben werden wir eingeladen und damit zum Glück und zum Heil. Wir finden es, wenn wir uns selber spüren, uns für die Freude entscheiden und uns Gott anvertrauen. Wir blühen dann auf und werden lebendig. Wir werden aus der Enge geführt, eine neue Kraft durchströmt die Seele, „unser Herz wird groß.“ Amen.


„Mein Herz wird weit“

Fastenandacht zum Thema: „Großes Herz – 7 Wochen ohne Enge“
Sonnabend, 6.2.2016, 11.00 Uhr, Jakobikirche
Psalm 57,8-12: Mein Herz ist bereit, Gott
Die Fastenzeit steht in diesem Jahr unter dem Motto: „Großes Herz – sieben Wochen ohne Enge“. Es geht also um unsre Einstellung gegenüber anderen Menschen und Ideen, fremden Kulturen und Lebensweisen. Wir treffen sie überall. Es fängt schon in der Ehe und Familie an, da gibt es Mann und Frau, jung und alt, arm und reich. Aber ebenso am Arbeitsplatz, in der Schule und in der Gemeinde, und natürlich in der Gesellschaft. Das Flüchtlingsthema gehört auch dazu. Egal, wer es ist, dem wir begegnen, wir können uns verschließen und den anderen abwehren, oder uns in Toleranz üben, die Enge ablegen und uns ein großes Herz antrainieren. Mit unserer Fastenaktion laden wir zu diesem Training ein.

Psalm 57, 8- 12

8 Mein Herz ist bereit, Gott,
mein Herz ist bereit, dass ich singe und lobe.
9 Wach auf, meine Seele, wach auf, Psalter und Harfe,
ich will das Morgenrot wecken!
10 Herr, ich will dir danken unter den Völkern,
ich will dir lobsingen unter den Leuten.
11 Denn deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
12 Erhebe dich, Gott, über den Himmel
und deine Herrlichkeit über alle Welt!

Auslegung

Wenn wir das Stichwort „Fasten“ hören, denken wir als erstes an Verzicht und Einschränkung. Wir sollen uns zügeln, weniger essen und trinken, irgendetwas reduzieren, die Lust unterdrücken. Es klingt ernst und unlebendig und scheint das Gegenteil von Freiheit und Weite zu sein. Fasten hat etwas Einengendes an sich, so denken wir.
Insofern ist das Thema der diesjährigen Fastenaktion zunächst irritierend, denn da ist von genau dem Gegenteil die Rede: Es geht um ein „großes Herz und sieben Wochen ohne Enge“. Freiheit und Freude schwingen darin mit, Entlastung und Lebendigkeit. Und das ist interessant. Fasten kann also auch ganz anders verstanden werden. Es bedeutet nicht, dass wir unsere Lebensgeister unterdrücken, sondern das Einengende gerade einmal abwerfen. Diese Erfahrung können wir beim Fasten genauso machen.
Dahinter steht die Einsicht, dass es gar nicht nur befreiend ist, immer nur nach der Lust zu leben, ungezügelt allen Trieben freien Lauf zu lassen. Im Gegenteil: Wer nicht fastet, schränkt sich viel mehr ein. Er lebt egoistisch und ichhaft, verschließt sich gegenüber seinen Mitmenschen und wird ein Gefangener seiner selbst.
So einfach ist das mit der Freude und dem wahren Leben gar nicht. Es gehört mehr dazu, als einfach nur zu „schlemmen“ und zu genießen. Unser Herz muss weit werden, erst dann sind wir wirklich frei. Lasst uns also fragen, wie das geht und womit es anfängt. Die Verse aus Psalm 57, die wir eben gebetet haben, zeigen uns sehr schön den ersten Schritt.
Es sind die Verse acht bis zwölf, und die bilden den zweiten Teil des Psalms. Er besteht aus einem Klage- und einem Danklied, und letzteres beginnt in Vers acht.
Der Beter erwähnt hier sein „Herz“, das „fest geworden“ ist, wie man wörtlich übersetzen muss. Es ist ruhig und wankt nicht mehr, denn es hat sich nach Gott ausgerichtet und steht ihm zur Verfügung. Es ist in seiner Gegenwart gegründet.
Der Beter will deshalb für Gott „singen und musizieren“, er will Gott durch Gesang und Spiel verherrlichen, ihn preisen und loben.
Er will „das Morgenrot wecken“, wie es weiter heißt. Damit knüpft er an eine mythische Vorstellung an: Die Morgenröte war jeden Tag ein erlebbares Symbol für die Schöpferkraft Gottes, dafür, dass Gott seine Schöpfung immer wieder erneuert, weil er sie liebt. Dieser Morgenröte will der Beter wach begegnen, er will sie begrüßen und zwar mit dem Gesang von Psalmen, der von Harfen- und Leiermusik begleitet wird, also von Saiteninstrumenten, deren Musik beruhigend wirkt. Dahinter steht der Glaube, dass das Singen von Psalmen beim Anbruch der Morgenröte zur Erneuerung der Welt beiträgt. Das Böse wird gebannt, und die Hoffnung hat das erste Wort. Der Beter öffnet seine Seele am Morgen für die Gerechtigkeit und den Frieden, der von Gott kommt.
Wahrscheinlich singt der Beter diesen Psalm in einem Gottes-dienst. Er ist jedenfalls nicht allein, sondern unter „den Völkern“, wie er sagt, d.h. in der Versammlung vieler Menschen.
Sein Geist ist nach oben ausgerichtet, gen Himmel, wo er die unendliche Güte und Treue Gottes sieht. Er erfährt, dass Gott barmherzig und gnädig ist. Gott wendet sich den Menschen zu, er liebt sie und er zeigt ihnen auch, dass er Gutes für sie will und ihnen hilft. Dabei kennt seine Hilfe keine Grenzen: Gottes Güte und Treue sind „so weit der Himmel ist und so weit die Wolken gehen“. Beides war für den Menschen damals unerreichbar. Himmel und Wolken spannen sich über die Erde aus, und genauso ist es mit der „Wahrheit“ und Gegenwart Gott.
Deshalb bittet der Beter am Ende darum, dass Gott erscheinen möge, er soll sich offenbaren. Denn dann weiß er, dass Gott wirklich über alles erhaben ist, und sein Schutz keine Grenzen kennt. Er umfasst das ganze Universum. Gott ist größer als alle anderen Mächte und Gewalten.
Wer das erlebt, muss sich vor nichts mehr fürchten. Sein Geist wird weit und „sein Herz wird groß“.
Das beinhalten diese Verse aus Psalm 57. Dabei ist wichtig, dass sie den zweiten Teil bilden. Sie sind das Danklied, das einem Klagelied folgt. D.h. in der ersten Hälfte hatte der Beter seine Not beschrieben, er hat Gott sein Leid geklagt und seine Bedrängnis thematisiert. Aus all dem hat Gott ihn herausgeführt, das bekennt er nun und dafür lobt er Gott.
Und damit zeigt er uns, wie auch unser Herz weit werden kann, wie wir die wahre Freiheit finden. Der erste Schritt besteht darin, dass auch wir „unser Herz für Gott bereiten“, und zwar möglichst am frühen Morgen, vor allem anderen, was wir zu tun haben.
Es gibt ja viele Möglichkeiten, den Tag zu beginnen. Natürlich müssen wir zunächst aufstehen, uns frisch machen und etwas zu uns nehmen. Aber was kommt dann? Stürzen wir uns in unsere Aufgaben? Steigen wir ins Auto, reden wir mit den Nachbarn, telefonieren wir, sehen wir fern, lesen wir Zeitung? Irgendwelche Rituale haben wir alle.
Wenn der Tag gelingen soll, ist es ratsam, wenn wir uns nicht zu schnell ins Geschehen begeben, sondern zunächst auf unsere Seele, unser Herz achten. Was regt sich da, und was lasse ich zu? Was nehme ich aus der Nacht mit, welche Träume, welche Gefühle? Und was hängt möglicherweise noch vom letzten Tag an mir? Ist es Ärger oder Stress, Angst oder Traurigkeit? Selbst wenn ich gerade in einer freudigen und schönen Lebensphase bin, ist es gut, wenn ich mir das alles morgens bewusst mache und mir dafür auch Zeit nehme.
Und dann muss ich entscheiden, was in mir lebendig werden soll. Was will ich zulassen, welche Kräfte sollen mich bestimmen? Ich kann, wie der Beter des Psalms, mich Gott zuwenden, in der Morgenröte seine Schöpferkraft, in der Weite des Himmels seine unendliche Liebe erkennen, und die auf mich wirken lassen. Das ist ein gutes Mittel gegen jede Art der Not.
Wir haben es hier ja nicht mit einem Beter zu tun, dessen Leben frei von Leid war. Im Gegenteil, er erwähnt Unglück und Schmähung (V.4), „verzehrende Flammen“ (V.5), Anfeindung und Verfolgung. Doch das hält ihn nicht davon ab, sich an Gott zu wenden. Im Gegenteil, gerade in der Zuwendung zu Gott liegt seine Rettung.
Es könnte ja eine Ausrede sein, den Morgen mit Gebet zu beginnen, dass es uns dafür zu schlecht geht. Wir kommen nicht richtig aus dem Bett, können uns nicht konzentrieren, fühlen uns schon am Morgen gehetzt und haben keine Zeit dafür. Doch gerade dann ist es ratsam, „ein Herz für Gott zu bereiten“.
Natürlich gehört dazu ein Stück Selbstdisziplin. Es ist durchaus ein „Fasten“, d.h. ein Verzicht und eine Zügelung. Aber diese Übungen dienen nicht der Selbstkasteiung, sondern führen uns in die Weite. Wir werden von uns selbst befreit, von Gedanken, die uns einengen, von unseren Ängsten und Sorgen. Wir gewinnen Ruhe und Gelassenheit, das Leben wird kraftvoller und schöner.
Der erste Schritt auf dem Weg zu einem „großen Herzen“ geschieht also am Morgen, und er geschieht im Gebet. Mit Gott fängt es an. Er befreit uns aus unsrem Egoismus und unserer Ichhaftigkeit. Er öffnet uns gegenüber unseren Mitmenschen und holt uns aus dem Gefängnis unserer Triebe und Leidenschaften. Und erst wenn das geschieht, entsteht wahre Freude, und das Leben wird schön.
Lasst uns also „unser Herz bereiten, aufwachen und das Morgenrot wecken, Gott danken und ihm lobsingen“.


„Du bist fair“

Fastenandacht zum Thema „7 Wochen ohne runtermachen“
Epheser 4, 29- 32: Weisungen für das neue Leben
Sonnabend, 14.3.2015, 11.00 Uhr, Jakobikirche
Zu dem Thema „7 Wochen ohne runtermachen“, unter dem die diesjährigen Fastenandachten stehen, gehört es, dass wir mit Bedacht unsere Worte wählen. Was sagen wir anderen? Oft sagen wir viel zu schnell etwas und meistens auch zu viel. Das war schon immer so. Die Menschen zu biblischen Zeiten kannten das Problem ebenfalls bereits. Es kommt z.B. in einem Text aus dem Epheserbrief vor, in dem Paulus die getauften Christen dazu ermahnt, „kein faules Geschwätz aus ihrem Munde gehen zu lassen, sondern nur das zu sagen, was andere erbaut und was notwendig ist.“ Lasst uns diese Ermahnung bedenken und beherzigen und dadurch „fair“ werden.

Epheser 4, 29- 32

29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.
30 und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr ver-siegelt seid für den Tag der Erlösung.
31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Läste-rung seien fern von euch samt aller Bosheit.
32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

AUSLEGUNG
Der Abschnitt aus dem Epheserbrief, den ich eben gelesen habe, gehört zu den „Ermahnungen“ des Apostels, die er fast in jedem seiner Briefe am Ende aufzählt. Sie sind im herkömmlichen jüdischen Stil verfasst und bilden eine lockere Aufreihung einzelner Sätze zur Lebensweisheit. Im Grunde genommen sind es moralische Selbstverständlichkeiten, aber sie haben einen besonderen Klang: Bei Paulus sind es Umgangsregeln für die Getauften, für diejenigen also, die durch ihre Bekehrung zu Christus gerade eine „Neuschöpfung“ erfahren haben. Sie sollen diese Erneuerung ihres Seins nun in ihrem Zusammenleben verwirklichen, und dazu gehören bestimmte Regeln.
In unseren Versen warnt Paulus vor „fauler Rede“, das heißt vor unnützen und schlechten Worten. Sie stinken und sind hässlich. Wer Faules redet, strömt einen schlechten Geruch aus und verdirbt die Gemeinschaft. Es ist besser, wenn das, was der Christ sagt, gut ist und dem Aufbau der Gemeinschaft dient, wenn es Freude und Dankbarkeit auslöst. Ein Christ hat den heiligen Geist empfangen, und er soll sich nicht gegen dessen Kraft wehren. Sie soll vielmehr wirken. Und dazu gehört es, gewisse Laster zu meiden und bestimmte Tugenden zu üben. Es läuft auf den Grundsatz hinaus, als von Christus Beschenkter selber anderen die Liebe Gottes zu schenken.
Und das hat tatsächlich viel mit unsrem Reden zu tun, mit dem was wir sagen oder lieber nicht sagen. Es ist wichtig, dass wir darauf achten. Wir müssen für unser Reden und Hören so etwas wie einen Schadstofffilter einbauen. Denn „lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen“ heißt so viel wie: „Verschmutzt eure Umwelt nicht verbal.“

Das hat auch schon Sokrates so gelehrt. Über ihn gibt es eine ERZÄHLUNG, die heißt: „Die drei Siebe“. Sie lautet folgendermaßen:

Aufgeregt kam jemand zu Sokrates gelaufen.
„Höre Sokrates, das muss ich dir erzählen, wie dein Freund….“
„Halt ein“, unterbrach ihn Sokrates, „hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe geschüttelt?“
„Drei Siebe?“ fragte der andere voller Verwunderung.
„Ja, mein Freund drei Siebe. Lass sehen, ob das, was du mir erzählen willst durch die drei Siebe hindurchgeht. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?“
„Nein, ich hörte es erzählen, und…“
„So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist das Sieb der Güte. Ist das, was du mir erzählen willst, wenn es schon nicht als wahr erwiesen, wenigstens gut?.“
Zögernd sagte der andere: „Nein, das nicht, eher im Gegen-teil…“
„Dann“, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch das dritte Sieb anwenden und lass uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt.“
„Notwendig nun gerade nicht…“.
„Also“, lächelte Sokrates „wenn das, was du mir erzählen willst weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein, und belaste dich und mich nicht damit!“

Drei Filter oder drei Siebe werden hier genannt, durch die wir unsere Gedanken schicken können, bevor sie als Worte unsren Mund verlassen.
Das erste Sieb ist das der Wahrheit. Ist es wahr, was ich erzählen möchte? Oder habe ich es nur gehört? Woher kommt es eigentlich? Wir beteiligen uns gerne am Tratsch und am Klatsch, schnappen Gerüchte auf und verbreiten sie weiter. Dreiste Lügen erlauben wir uns vielleicht nicht, aber auch sie liegen nie fern. Oft ist es einfacher, nicht die Wahrheit zu sagen, die Dinge so darzustellen, wie sie uns gefallen oder am besten passen. Doch damit diffamieren wir meistens andere, beschuldigen sie eventuell und bringen sie in Schwierigkeiten. Man kann Menschen mit Lügen sogar zerstören. Es gibt nicht umsonst das Wort „Rufmord“.
Das zweite Sieb ist die Güte. Ist das, was ich denke, so gut, dass ich es erzählen sollte? Hat es eine Qualität, die der Überprüfung standhalten würde? Wir würden sehr viel Zeit sparen, wenn wir nur noch sagen würden, was wirklich gut ist, was wirklich stimmt und richtig ist! Was tun wir uns im Freundeskreis und am Arbeitsplatz an mit den ganzen Geschichten, die nicht gut sind! Der zweite Filter, zwischen Gehirn und Mundwerk platziert, könnte uns davor bewahren. Dann würde das geschehen, was in unserem Textabschnitt gefordert ist: „Wir erbauen einander.“ Die Frage sollten wir öfter mal stellen: Wen wird es aufrichten, wenn der Gedanke, der mir da kommt, durch mich in die Welt gesetzt wird? Wird es durch meine Worte einem Menschen auf dieser Welt besser gehen? Der zweite Filter fragt nach der Wirkung meiner Worte. Wenn ich ihn anwende, habe ich verstanden: Nichts ist belanglos. Jedes Wort wird seine Wirkung haben, und wer die Worte sagt, ist für sie verantwortlich. Einfangen lassen sie sich nicht mehr.
Das heißt allerdings nicht, dass immer alles nur schön, harmonisch und harmlos sein muss, was ich sage. Manchmal ist auch Kritik ein gutes und erbauliches Wort, sie geschieht aus Freundschaft und will den anderen weiterbringen, auch wenn sich das für ihn im ersten Moment nicht so gut anhört.
Und der dritte Filter ist die Frage nach der Notwendigkeit. Ist es notwendig, dass ich das jetzt sage – vielleicht auch: dass ich das jetzt noch einmal sage? Oft sagen wir viel zu viel, einiges wiederholen wir zigmal. Welch himmlische Ruhe könnte eintreten, wenn nur noch das Notwendige gesagt würde, was neu und nötig und Not wendend ist.
Wenn wir diesen dreifachen „Schadstofffilter“ anwenden, wenn es uns immer mehr gelingt, unsere Gedanken kurz anzuhalten, bevor wir sie in die Welt setzen, werden es wahrscheinlich weniger Worte, die wir machen. Aber die wenigen werden dann deutlich mehr Gewicht bekommen. Wir werden konzentriert und kompetent, klar und positiv.
Und ganz allmählich werden wir die Filter nicht nur beim Reden, sondern auch schon beim Hören anwenden. Ist das eigentlich wahr, was mit gerade erzählt wird? Hält es stand, deckt es sich mit der Wirklichkeit? Und ist es gut, was mir jemand sagt, baut es auf und hilft es weiter? Und selbst wenn beides zutrifft: Ist es notwendig, dass es mir jetzt gesagt wird? Wir können auch ab und zu, „Stopp!“ zu sagen, „Nein, das will ich jetzt nicht hören.“
Dann gewinnen wir Zeit und Kraft für wirklich konzentriertes Zuhören. Wir befreien uns aus der Gewalt von Menschen, die viel reden, aber wenig zu sagen haben. Und wir werden immer öfter den Kreislauf von Neugierde und Geschwätzigkeit unterbrechen. Wir können dadurch alle zur Ruhe kommen, unser Miteinander wird friedlicher und barmherziger, wir werden „fair“.
Mehr ist schon fast nicht nötig, um die Laster loszuwerden, die Paulus aufzählt, und die Tugenden zu üben. Es geschieht fast von selber, dass „alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung“ sich entfernen „samt aller Bosheit.“ Und gleichzeitig werden wir „untereinander freundlich und herzlich und vergeben einer dem andern, wie auch Gott uns vergeben hat in Christus.“
Mir ist dazu ein Lied eingefallen, das ich in meiner Kindheit kennen gelernt habe. Es stammt von Père Cocagnac. Das war ein französischer Dominikanerpater, er lebte von 1924 bis 2006, der vor allem als Autor und Sänger eigener religiöser Chansons bekannt geworden ist. Wir hatten zwei oder drei Schallplatten von ihm und haben die Lieder oft und gern gehört. Eins handelt von „Sankt Philipp Neri uns seinem Huhn“:
Eine geschwätzige Frau, die Freude daran hatte, andere Menschen zu verleumden, bekam von St. Philipp folgende seltsame Buße auferlegt: „Gehen Sie nach Hause, schlachten sie ein Huhn, rupfen Sie es und streuen Sie die Federn auf die Straße.“ Sie sollte anschließend wiederkommen. Die Frau tat dies und erschien wieder bei Sankt Philipp. Dieser sagte: „Nun sammeln Sie alle Federn wieder ein!“ Darauf antwortete die Frau: „Das geht nicht, sie sind doch in alle Winde verstreut.“ Da sagte der Heilige: „Sehen Sie, genauso wie ihre bösen Worte über andere. Das können Sie auch nicht mehr alles wieder gut machen.“
Ich habe die Noten nicht, weiß aber noch, wie es geht. Ich werde es euch deshalb jetzt vorsingen:

LIED: Sankt Philipp Neri und sein Huhn

1. Sankt Philippus begann einen Krieg dann und wann gegen Klatsch und Geschwätz der Leute. „Jedes lieblose Wort“ rief er „schwirrt immerfort wie ein Giftpfeil und sucht Beute.“ Für die Frau, die als Plaudertasche bekannt, hat er schlau ein Rezept gefunden: „Liebe Frau, nun vertrau meinem Rat, tu genau, was ich sag, so wirst du gesunden.“

Refrain: Der Wind der weht die Feder
weit über Feld und Hag,
doch weiter fliegen Worte, fliegen Worte, Worte, Worte;
weil sie gar so leicht gesagt,
fliegen sie von Ort zu Orte
und bis hin zum jüngsten Tag.

2. „Lauf und kauf, lauf und kauf, lauf und kauf dir ein Huhn auf dem Wochenmarkt da drüben. Rupf und zupf, rupf und zupf, rupf und zupf es nun lass die Federn vom Wind zerstieben.“ Eine Woche verrann und das Klatschmaul begann, wieder schmutzige Wäsche zu waschen. Doch Sankt Philipp befahl: „Nun versuch doch einmal, alle Federn wieder zu erhaschen.“

Refrain: Der Wind, der weht die Feder…

3. „Bitte wie?“ sagte sie, „diese Müh lohnt sich nie, denn der Wind blies sie durch alle Gassen.“ „Umso mehr“ sagte er „ist es schwer hinterher böse Worte wieder einzufassen.“ Machte solch eine Kur, jede Schwätzernatur, die des achten Gebotes spottet, gäb es großes Geschrei und bald kaum mehr ein Ei, denn das Haushuhn wäre ausgerottet.

Refrain: Der Wind der weht die Feder…

AUGUSTE-MAURICE JEAN COCAGNAC, 1969


„Du bist schön“

Fastenandacht zum Thema: „7 Wochen ohne runtermachen“
Psalm 139, 14- 18: „Du bist wunderbar gemacht“
Sonnabend, 21.2.2015, 11.00 Uhr, Jakobikirche
Die Fastenzeit steht in diesem Jahr unter dem Motto: „Du bist schön!“ Das wollen wir ja alle gerne sein. Dabei sind wir von Bildern beeinflusst, die von außen kommen, z.B. aus der Erziehung, der Ausbildung, der Werbung und den Medien. Wir vergleichen uns dadurch mit anderen und sind nur selten mit uns selber zufrieden. Deshalb freuen wir uns auch, wenn jemand anders hässlicher, dicker, dümmer oder was auch immer ist. In Gedanken und manchmal auch in Worten machen wir ihn oder sie runter.
Aber tut uns das gut? Wir sind eingeladen, sieben Wochen lang uns einmal so anzunehmen, wie wir sind, und die anderen auch. Denn wir sind alle Ebenbilder Gottes! Wir müssen niemanden beurteilen und schon gar nicht runtermachen. Wir können uns freuen und dankbar sein, dass „Gott uns wunderbar gemacht hat“. Dazu lädt die andacht ein.

PSALM 139, 14- 18

14 Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.
15 Es war dir mein Gebein nicht verborgen, /
als ich im Verborgenen gemacht wurde,
als ich gebildet wurde unten in der Erde.
16 Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von denen keiner da war.
17 Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
18 Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei dir.

Auslegung

Wir haben eben gemeinsam einen Teil aus Psalm 139 gebetet. Dieser Psalm handelt von der Allwissenheit, der Allgegenwart und Allwirksamkeit Gottes. Der Dichter staunt hier über Gott und spricht ihn dabei an. Er äußert seine Gedanken also in Gebetsform und bindet sich damit an Gott. Er dankt und lobt ihn, denn er ist voller Freude über das, was er glaubt: Er sieht Gott in seiner Schöpfung, von der er selber ein Teil ist.
Das thematisiert er in den Versen 14 bis 18. Er sagt: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.“ Wörtlich heißt es: dass ich außergewöhnlich bin. Der Beter erkennt, was für ein wunderbares Werk er selber ist, wertvoll und unnachahmlich.
Er sagt weiter: „Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde, als ich gebildet wurde unten in der Erde.“ Der Beter stellt sich damit die Zeit vor seiner Geburt vor, da war er noch verborgen im Mutterleib, aber Gott kannte ihn bereits. Und das ist für ihn wunderbar uns geheimnisvoll zugleich. Er beschreibt es mit einem Bild: Tief unten in der Erde gibt es eine Werkstatt, in der Gott seine Geschöpfe bildet, und er macht sie bunt und schön. Der Mensch ist deshalb ein Teil des Geheimnisses Gottes. Er ist hineingenommen in die Allwissenheit Gottes, das illustriert der Beter hier auf poetische Weise und er deutet damit an, dass sein ganzes Leben vorherbestimmt ist: Gott hat ihn nicht nur gemacht, er hat für ihn auch einen Plan.
Das kommt mit den folgenden Worten zum Ausdruck: „Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war.“
Und dann stellt der Beter sich vor, dass es so etwas wie ein Schicksalsbuch gibt, ein Buch des Lebens, das von Gott geschrieben wird. Er sagt: „Und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.“ Gott bestimmt das Leben der Menschen im Voraus. Es ist also nicht vom Zufall bestimmt, sondern von den Gedanken Gottes.
Die sind dem Beter allerdings zu schwer, wie er daraufhin feststellt: „Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken! Wie ist ihre Summe so groß!“ Er hat Ehrfurcht vor den Gedanken Gottes, weil sie sein Fassungsvermögen und seinen Verstand weit übersteigen. Sie sind zu zahlreich, als dass er jemals ganz darin Einblick gewinnen könnte.
Das wiederholt er mit der bildhaften Aussage: „Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand.“ Sandkörner kann man nicht zählen, und genauso ist es mit den Gedanken Gottes.
Aber das macht auch nichts, denn sowohl am Anfang wie am Ende ist der Beter bei Gott. „Am Ende bin ich noch immer bei dir.“ sagt er. Gott ist alles in allem, er ist das Ziel und der Grund seines Lebens.
Für den Beter ist das eine positive Feststellung. Er fühlt sich bei Gott geborgen und gut aufgehoben. Er weiß, er muss sein Le-ben nicht allein bewältigen, er muss es noch nicht einmal selber gestalten. Wenn er sich Gott hingibt, gewinnt es vielmehr die Gestalt, die Gott ihm geben will. Das ist hier die Botschaft, und die ist auch für uns gut und heilsam.
Doch möglicherweise empfinden wir das nicht so. Man kann den Psalm 139 auch ganz anders hören, und das ist vielfach geschehen. Psychologen sehen die Aussagen z.B. kritisch. Sie merken an, dass das Ganze sehr bedrohlich wirken kann: Wir sind Gott unentrinnbar ausgeliefert und sollen uns selber ganz aufgeben. Der liebe Gott hindert uns daran, wir selber zu werden, er macht uns Angst, denn er kennt unseren geheimsten Gedanken und Sehnsüchte. Er spielt mit uns sein Spiel, und wenn wir an ihn glauben, wirkt das wie Gift in unserer Seele. Das sagen die kritischen Stimmen, und damit lehnen sie sich gegen den Glauben an die Allwissenheit und Allwirksamkeit Gottes auf. Sie verweigern sich, denn sie leiden an Gott und empfinden seine Gegenwart als niederdrückende Last.
Doch das ist ein schlimmes Missverständnis dieses Psalms und ähnlicher Aussagen in der Bibel. Denn er will genau das Gegenteil von Angst machen. Er will Identität und Hoffnung stiften. Der Psalm ist so etwas wie ein Gebetsweg, den wir nachgehen können, und das tut wie gesagt gut.
Denn wie geht es uns denn wirklich, wenn wir versuchen, uns von Gott zu befreien? Führt uns das weiter, und führt es zu uns selber? Welches Bild wollen wir denn verwirklichen? Unser eigenes? Doch wo kommt das her? Und ist das besser oder befreiender?
Meistens unterdrücken wir uns mit dem, was wir gern sein wollen, viel mehr, denn wir kommen nie ganz da heran. Wann sind wir schon mal zufrieden mit uns selber? Und woher wissen wir überhaupt, was gut für uns ist? Wer zeigt es uns? Unbewusst setzen wir uns ganz vielen Einflüssen aus. Es beginnt in der Erziehung mit dem, was die Eltern uns vorgeben, was sie gern möchten. Oft fängt das Leiden schon in der Kindheit an, weil wir dem Bild, das unsre Eltern von uns haben, nicht entsprechen, und das lassen sie uns auch spüren. In der Schule geht dieses Spiel weiter, im Berufsleben, in der Ehe, im Freundeskreis. Ständig stehen wir unter bestimmten Erwartungen, und es ist nicht heilsam, sondern oft geschieht genau das Gegenteil, wenn wir ihnen nachgeben: Wir werden verspannt und krank, unzufrieden und unglücklich. Denn kein Mensch kann uns sagen, was wirklich gut für uns ist, wer wir wirklich sind. Auch wir selber nicht.
Es muss deshalb einen anderen Weg geben, zu unserem wahren Selbst zu finden, und genau der wird in diesem Psalm beschrieben. Hier erkennt ein Beter, dass Gott bereits ein Bild von ihm hat, und dass er sich gar nicht selber erfinden muss. Er muss sich nur auf den Weg machen, dieses Bild zu finden. Es ist wunderbar, es ist schön, und wenn er es entdeckt, fühlt er sich tief geborgen, dann ist alles gut. Denn er ist dann ganz er selber und gleichzeitig ganz bei Gott.
Das ist die Botschaft des Psalms, und die ist schön und befreiend. Und sie wird uns auch nicht ohne Grund in der Fastenzeit gesagt. Da geht es ja um Verzicht, darum, sieben Wochen „ohne“ eine bestimmte Gewohnheit zu leben. Was sollen wir also lassen?
Die Antwort lautet: Wenn du entdecken willst, welche Gedanken Gott über dich hat, dann musst du die eigenen Gedanken und Bilder von dir selber einmal lassen. Wir hören einmal nicht mehr auf die Stimmen von anderen, meiden ihre Einflüsse und distanzieren uns davon. Und das ist durchaus ein „Fasten“, ein Verzicht, der unsere Aufmerksamkeit fordert. Wir machen uns stattdessen auf einen anderen Weg. Er besteht darin, dass wir uns dem Sehen Gottes aussetzen und uns von ihm anschauen lassen. Seine Augen blicken auf uns, und zwar voller Liebe. Und wenn das geschieht, werden wir zu den Menschen, die wir sein sollen. Wir können nur in Gott ganz wir selber werden wahres nd Leben finden.
Das hat ein mittelalterlicher Gelehrter und Mystiker einmal sehr schön ausgedrückt, Nikolaus von Cues. Er hat ein Buch geschrieben, das trägt den Titel: „De visione Dei“, auf Deutsch: „Vom Sehen Gottes.“ Und da heißt es an einer Stelle:

„Herr! Dein Sehen ist Lieben. Und wie dein Blick sich so aufmerksam mir zuwendet, dass er sich niemals von mir kehrt, so auch deine Liebe. Und weil deine Liebe immer bei mir ist und deine Liebe, o Herr, nichts anderes ist, als du selbst, der du mich liebst, so bist du immer bei mir, o Herr, du verlässest mich nicht, beschützest mich von allen Seiten, weil du die größte Sorgfalt für mich trägst. Dein Sohn, o Herr, verlässt mein Sein niemals. Denn nur so weit bin ich, als du bei mir bist, und da dein Sehen dein Sein ist, so bin ich, weil du auf mich siehst, und wendest du deinen Blick von mir ab, so bin ich nicht mehr. Doch ich weiß, dass dein Blick jene größte Güte ist, welche sich jedem Empfänglichen mitteilen muss.“

Und eine andere große Mystikerin, Teresa von Avila, hat diesen Gedanken einmal von der Seite Gottes aus formuliert. Sie hat innerlich die Stimme Gottes gehört, und daraus ist eins ihrer Gedichte entstanden, das im Deutschen folgendermaßen wiedergegeben wurde:

GOTT SPRICHT:
„O Seele, suche dich in Mir,
und, Seele, suche Mich in dir.
Die Liebe hat in Meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar:
kein Maler lässt so wunderbar,
o Seele, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier:
bist du verirrt, bist du verloren,
o Seele, suche dich in Mir.

In meines Herzens Tiefe trage
Ich dein Porträt, so echt gemalt;
sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen Mich nicht findet,
dann such‘ nicht dort und such‘ nicht hier:
gedenk, was dich im Tiefsten bindet,
und, Seele, suche Mich in dir.

Du bist mein Haus und meine Bleibe,
bist meine Heimat für und für:
Ich klopfe stets an deine Tür,
dass dich kein Trachten von Mir treibe.
Und meinst du, Ich sei fern von hier,
dann ruf Mich, und du wirst erfassen,
dass Ich dich keinen Schritt verlassen:
und, Seele, suche Mich in dir.“
Amen.

Auch Matthias Claudius hat diesen Gedanken einmal aufgegriffen und daraus ein schönes Lied gemacht. Das wollen wir jetzt singen.

Lied

1. Ich danke Gott und freue mich
wies Kind zur Weihnachtsgabe,
dass ich bin,bin und dass ich dich,
schön menschlich Antlitz, habe.

2. Dass ich die Sonne, Berg und Meer
und Laub und Gras kann sehen
und abends unterm Sternenheer
und lieben Monde gehen,

3. und dass mir denn zu Mute ist,
als wenn wir Kinder kamen
und sahen, was der heilge Christ
bescheret hatte, Amen!

4. Ich danke Gott mit Saitenspiel,
dass ich kein König worden;
ich wär geschmeichelt worden viel
und wär vielleicht verdorben.

5. Auch bet ich ihn von Herzen an,
dass ich auf dieser Erde
nicht bin ein großer reicher Mann
und auch wohl keiner werde.

6. Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht,
hat mancherlei Gefahren,
und vielen hat’s das Herz verdreht,
die weiland wacker waren.

7. Und all das Geld und all das Gut
gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Mut
kann’s aber doch nicht machen.

8. Und die sind doch, bei Ja und Nein!
ein rechter Lohn und Segen!
Drum will ich mich nicht groß kastei’n
des vielen Geldes wegen.

9. Gott gebe mir nur jeden Tag,
so viel ich darf, zum Leben.
er gibt’s dem Sperling auf dem Dach;
wie sollt er’s mir nicht geben!

T: MATTHIAS CLAUDIUS, 1710- 1815
M: JOHANN ABRAHAM PETER SCHULZ, 1747- 1800
Fragen zum Weiterdenken:

– Welches Bild habe ich von mir? Wer und wie möchte ich gerne sein?
– Wer hat mir das gesagt? Wo kommen diese Bilder her?
– Wie geht es mir damit?
– Worunter leide ich?
– Welche Einflüsse kann ich meiden?
– Wie kann ich das Sehen Gottes genießen?
– Wie fühlt es sich an?
– Wo führt es mich hin?


„Wie soll ich dich empfangen?“

Adventsandacht zu dem Lied „Wie soll ich dich empfangen
von Paul Gerhardt, Evangelisches Gesangbuch Nr. 11,
Donnerstag, 18.12.2014, 18 Uhr, Lutherkirche Kiel

Unsere Adventsandachten standen in diesem Jahr unter der Überschrift, „Jesus Christus zieht ein“. Dabei haben wir an die Geschichte von seinem Einzug in Jerusalem gedacht. Sie bringt sehr schön zum Ausdruck, auf wen wir warten. Deshalb ist diese Begebenheit aus dem Leben Jeus auch in viele Lieder im Evangelischen Gesangbuch eingegangen, die wir in der Adventszeit singen, wie z.B. „Macht hoch die Tür“ (EG 1) und „Dein König kommt in niedern Hüllen“ (EG 14). Die haben wir in den vorhergehenden Andachten betrachtet.
Zuletzt haben wir das Adventslied von Paul Gerhard „Wie soll ich dich empfangen“ in den Mittelpunkt gestellt. Paul Gerhardt lebte im 17. Jahrhundert, er ist also kein Zeitgenosse von uns, aber wir singen seine Lieder bis heute sehr gern, denn ihre Inhalte gehen zu Herzen. Sein Adventslied macht z.B. sehr schön deutlich, was Jesus uns schenken möchte und wie es sich in unserem Leben auswirkt. Das war der Inhalt der Andacht.
Dazu haben wir die Stellen aus der Bibel gelesen, die hinter dem Lied stehen. Neben der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem sind das z.b. Psalmenworte. In ihnen klagen die Beter oft ihr Leid, sie bringen aber auch zum Ausdruck, dass sie an die Hilfe Gottes glauben. Und das hat Paul Gerhard ebenso getan, er hat viele Psalmen bearbeitet und neu gedichtet. So erinnern einiege Strophen in uunserem Lied (3+4) an Psalm 69.

Psalm 69 in Auszügen:

11 Ich weine bitterlich und faste, und man spottet meiner dazu.
13 Die im Tor sitzen, schwatzen von mir, und beim Zechen singt man von mir.
14 Ich aber bete zu dir, HERR, zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.
17 Erhöre mich, HERR, denn deine Güte ist tröstlich; wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit
19 Nahe dich zu meiner Seele und erlöse sie, erlöse mich um meiner Feinde willen.
30 Ich bin elend und voller Schmerzen. Gott, deine Hilfe schütze mich!
31 Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will ihn hoch ehren mit Dank.
33 Die Elenden sehen es und freuen sich, und die Gott suchen, denen wird das Herz aufleben.
34 Denn der HERR hört die Armen und verachtet seine Gefan-genen nicht.

Lesung: Johannes 12, 12- 15:

12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme,
13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!
14 Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9):
15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«

Das Lied

1. Wie soll ich dich empfangen
Und wie begegn‘ ich dir?
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze,
Mir kund und wissend sei.

2. Dein Zion streut dir Palmen
Und grüne Zweige hin,
Und ich will dir in Psalmen
Ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen
In stetem Lob und Preis
Und deinem Namen dienen,
So gut es kann und weiß.

3. Was hast du unterlassen
Zu meinem Trost und Freud?
Als Leib und Seele saßen
In ihrem größten Leid,
Als mir das Reich genommen,
Da Fried und Freude lacht,
Da bist du, mein Heil, kommen
Und hast mich froh gemacht.

4. Ich lag in schweren Banden,
Du kommst und machst mich los;
Ich stund in Spott und Schanden,
Du kommst und machst mich groß
Und hebst mich hoch zu Ehren
Und schenkst mir großes Gut,
Das sich nicht lässt verzehren,
Wie irdisch Reichtum tut.

5. Nichts, nichts hat dich getrieben
Zu mir vom Himmelszelt
Als das geliebte Lieben,
Damit du alle Welt
In ihren tausend Plagen
Und großen Jammerlast,
Die kein Mund kann aussagen,
So fest umfangen hast.

6. Das schreib dir in dein Herze,
Du hochbetrübtes Heer,
Bei denen Gram und Schmerze
Sich häuft je mehr und mehr.
Seid unverzagt, ihr habet
Die Hilfe vor der Tür;
Der eure Herzen labet
Und tröstet, steht allhier.

7. Ihr dürft euch nicht bemühen
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr ihn wollet ziehen
Mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
Ist voller Lieb und Lust,
All Angst und Not zu stillen,
Die ihm an euch bewusst.

8. Auch dürft ihr nicht erschrecken
Vor eurer Sündenschuld.
Nein, Jesus will sie decken
Mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern
Zum Trost und wahren Heil,
Schafft, dass bei Gottes Kindern
Verbleib ihr Erb und Teil.

9. Was fragt ihr nach dem Schreien
Der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen
In einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König,
Dem wahrlich alle Feind
Auf Erden viel zu wenig
Zum Widerstande seind.

10. Er kommt zum Weltgerichte,
Zum Fluch dem, der ihm flucht,
Mit Gnad und süßem Lichte
Dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne,
Und hol uns allzumal
Zum ewgen Licht und Wonne
In deinen Freudensaal.

Auslegung und Betrachtung

1. Strophe eins und zwei

Die Geschichte vom einzug Jesu in Jerusalem lesen und hören wir gern in der Adventszeit, obwohl sie nicht am Anfang sondern gegen Ende des Lebens Jesu spielt. Er wohnte nicht in Jerusalem und er wusste auch, dass er dort sterben würde, denn dort gab es Feinde, die ihn umbringen wollten. Deshalb ist er erst dort hingegangen, als er ahnte, dass es nun für ihn so weit war.
Die Bevölkerung von Jerusalem hatte bereits von ihm gehört, und die Mehrheit war zunächst nicht gegen ihn. Im Gegenteil, sie waren neugierig und gespannt, und deshalb empfingen sie ihn mit Freude und Jubel. Sie bereiteten ihm eine lebendige, ausgelassene Prozession. Es war wie ein spontanes Straßenfest.
Das Lied von Paul Gerhard bezieht sich nun wie gesagt auf diese Episode. Es beginnt mit einer Frage: „Wie soll ich dich empfangen?“, und die ist sehr berechtigt. Denn so leibhaftig, wie die Menschen damals, können wir Jesus nicht mehr begegnen. Wir müssen nach anderen Wegen suchen. Es sind der Glauben und die Frömmigkeit. Aber was heißt das nun?
Das ist es, was Paul Gerhard fragt. Er war ja ein frommer Mann und hat sicher christlich gelebt. Er war Pastor und wusste viel über den Glauben und die Bibel. Das hat er bestimmt auch alles gepredigt. Er hat den Menschen gesagt, was sie als gute Christen tun müssen. Wir haben es auch schon oft gehört und denken z.B. an Bibellesen, Gottesdienstbesuche und Nächstenliebe. Uns fallen viele Taten und Handlungen ein, die ein guter Christ tun sollte.
Aber ist das eigentlich das entscheidende? Sind unsere frommen Taten das, was Jesus möchte? In dem Lied wird nichts davon erwähnt. Paul Gerhard beantwortet die Frage, wie wir Jesus empfangen können, ganz anders. Er macht keine praktischen Vorschläge, denn die hat er nicht. Er öffnet sich vielmehr einfach nur und spricht Jesus direkt an. Er soll ihm „die Fackel geben“, mit der er ihn empfangen kann, und ihm sagen, was ihn am meisten erfreut. Paul Gerhard gibt also selber gar keine Antwort, sondern er rechnet damit, dass Jesus das tut, dass er lebt, und dass er uns zeigen kann, wie wir ihm am besten begegnen. Paul Gerhard beantwortet die Frage nicht mit dem Kopf, sondern mit einem Gebet, d.h. mit der Seele und dem Herzen.
Er macht sich empfangsbereit und verlagert die Aufmerksamkeit nach innen. Das wird in der zweiten Strophe noch deutlicher. Da bringt er zum Ausdruck, dass es hauptsächlich um das Herz geht. Es ist die Wohnung, in die Jesus einziehen möchte. Christlich zu leben heißt demnach in erster Linie nicht, dass wir irgendwelche guten Taten tun oder äußere Handlungen vollbringen. Wir müssen uns innerlich vorbereiten. „Mein Herze soll dir grünen“ sagt Paul Gerhard, d.h. er lässt Jesus in seine Seele und in sein Leben hinein, er vertraut sich ihm an, glaubt an ihn und liebt ihn. Am besten kann er das, indem er Psalmen singt, ihn lobt und preist.
Und damit gibt er uns eine schöne Botschaft: Jesus will haupt-sächlich, dass ich ihn in mein Herz kommen lasse, dass ich ihm vertraue und mein Leben in seine Hand lege. Er selber wird mir dann die „Fackel“ geben, mit der ich ihn begrüßen kann.

2. Strophe drei bis fünf

Hinter den Aussagen der folgenden Strophen stehen Erfahrungen, die für Paul Gerhard sehr schwer waren. Der 30-jährige Krieg bestimmte z.B. einen großen Teil seines Lebens. Er hat viel Tod und Elend gesehen. Außerdem gab es damals eine hohe Kindersterblichkeit. Von Paul Gerahardts sechs Kindern hat nur eins überlebt. Seine Frau ist deshalb schwermütig geworden und verstarb noch vor ihm. Von Beruf war er Pastor, und auch als solcher hatte er es z.T. nicht leicht mit seiner Kirche. Er hatte verschiedene Pfarrstellen inne, so auch in Berlin. Dabei hielt er immer an der strengen lutherischen Lehre fest. Der brandenburgische Kurfürst vertrat dagegen eine freizügigere Lehre. Es kam zum Konflikt, und Paul Gerhardt wurde mit anderen zusammen aufgefordert, sich zu beugen. Alle, die sich weigerten, wurden vom Kurfürsten entlassen, so auch Paul Gerhardt. Er stand also vorübergehend wirklich „in Spott und Schanden“.
Das alles prägte sein Leben und damit auch seinen Glauben, der auch in seinen Liedern zum Ausdruck kommt. In unseren Strophen spricht er davon, dass „Fried und Freude ihm genommen“ worden sind, er „saß im größten Leid“, und „lag in schweren Banden“. Aber in all dem Leid verzweifelte Paul Gerhardt nicht, sondern suchte bei Gott seine Zuflucht, und das hat ihn getröstet. Dabei waren es nicht nur Gedanken, die ihn erfüllten, er spürte vielmehr die lebendige Nähe Jesu.
Deshalb sagt er: „Du, mein Heil, bist gekommen und hast mich froh, los und groß gemacht“. Jesus hat ihn herausgehoben, bei ihm erfährt er die Ehre, die Menschen ihm versagen, und er bekommt einen „Reichtum“, der „sich nicht verzehren lässt“. Er ist größer, als aller „irdischer Reichtum“.
Und das alles tut Jesus nicht, weil Paul Gerhardt es verdient hat, sondern aus reiner Liebe und allein aus Gnade. Das kommt in der fünften Strophe zum Ausdruck. Sie lautet:
„Nichts, nichts hat dich getrieben zu mir vom Himmelszelt als das geliebte Lieben, damit du alle Welt in ihren tausend Plagen und großen Jammerlast, die kein Mund kann aussagen, so fest umfangen hast.“
Damit lenkt Paul Gerhardt seine Gedanken von sich selber und seinem eigenen Geschick weg. Er sieht weiter und bekennt, dass das Kommen Jesu für die ganze Welt von Bedeutung ist. Gott hat sich über die Menschen mit ihren „tausend Plagen“ erbarmt. Das Leid ließ sich auch anders nicht bewältigen, kein Mensch kann es abschaffen, es lässt sich nicht einmal alles „aussagen“. Aber Gott hat beschlossen, dem ein Ende zu setzen. Er ist gekommen, und keiner geht mehr verloren.
Damit gibt Paul Gerhardt die Botschaft des Evangeliums sehr schön wieder. Sicher können wir uns alle in seinen Worten über das Leid wiederfinden, kein Menschenleben bleibt davor verschont. Es lässt sich nicht vermeiden, und oft gibt es auch keine menschliche Hilfe mehr. Dann ist es gut, auf etwas ganz anderes zu vertrauen. Wir können wie Paul Gerhard zu Jesus beten und von ihm erwarten, dass er uns beisteht. Dann werden wir erleben, dass er da ist, und das ist die größte Hilfe, die es gibt. Er schenkt sich selber und seine Liebe, und damit gibt er uns etwas, was nicht vergeht. Wir empfangen das unvergängliche Geschenk seiner Gegenwart, der Himmel öffnet sich für uns, und das ist mehr als alle Güter dieser Welt.

3. Strophe sechs bis acht
Mit dieser sechsten Strophe verlässt Paul Gerhardt die individuelle Ansprache an Jesus und wechselt in der Aussageform zu einem seelsorgerlichen Zuspruch an die Gemeinde. Allen Menschen gilt die Botschaft vom Advent, die er nun noch einmal sehr schön zum Ausdruck bringt: Jemand steht vor der Tür und wartet darauf, hineingelassen zu werden. Dahinter steht die Ankündigung aus Offenbarung 3,20: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Es ist Gott selber in der Gestalt seines Sohnes Jesus Christus. Er will die Herzen der Menschen „laben und trösten“.
Jeder sehnt sich nach so einem Retter, und oft versuchen wir, seinem Kommen nachzuhelfen. Wir würden ihn gerne „ziehen“, wir „bemühen“ uns um seine Liebe und werden manchmal ungeduldig. Wir sorgen uns und vielleicht zweifeln wir auch gelegentlich an seiner Gegenwart. Kommt er wirklich? Hat Gott uns nicht doch vergessen? Diese Fragen stehen hinter der nächsten Strophe. Paul Gerhardt bringt darin zum Ausdruck, dass sie nicht nur unnötig sind, sondern Jesus sogar den Weg und den Zugang zu uns versperren können. Paul Gerhardt dichtet:
„Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht, wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht. Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust, all Angst und Not zu stillen, die ihm an euch bewusst.“
Jesus kommt also aus reiner Gnade und Liebe, weil er es will, und zwar als Heiland und Erlöser. Dabei zählt für ihn nicht, ob wir gut oder schlecht sind, wie viel Schuld wir eventuell auf uns geladen haben oder ob wir heilig sind. Gott kommt allen Menschen zum „Trost und Heil“.
In der achten Strophe kommt noch einmal verstärkt zum Ausdruck, dass seine Motivation eine völlig freie und souveräne Entscheidung ist. Sie lautet:
„Auch dürft ihr nicht erschrecken vor eurer Sündenschuld. Nein, Jesus will sie decken mit seiner Lieb und Huld. Er kommt, er kommt den Sündern zum Trost und wahren Heil, schafft, dass bei Gottes Kindern verbleib ihr Erb und Teil.“
Damit gibt Paul Gerhardt wieder, was z.B. in Römer acht formu-liert ist: „Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden, damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.“ (Rm. 8, 17)
Die Sünder werden angenommen. Wir müssen nichts vorbrin-gen, müssen nicht vorher schon gerecht sein. Jesus „deckt unsere Sünden zu“. Er fragt nicht danach, wie groß oder gut, sondern wie klein und unvollkommen wir sind. Er kennt unsere Fehler und Schwächen, und will sie uns abnehmen. Wir dürfen vor ihm sein, wer wir wirklich sind. Er macht uns zu seinen Kindern, einfach so, weil er es will. Wir erben das Versprechen und die Verheißung der ewigen Gnade Gottes.

4. Strophe neun und zehn

Der Inhalt des Liedes ist das Kommen Jesu, und was das bedeutet, wird großartig entfaltet. Paul Gerhardt beginnt mit seinem eigenen Fragen, seinem persönlichen Leid. Dann öffnet er den Blick und sieht die Menschheit, die insgesamt auf ihre Erlösung wartet. Das Lied steigert sich also in seinen Aussagen. In den letzten beiden Strophen erreicht es seinen Höhepunkt. Jetzt geht es sogar um noch mehr: Paul Gerhardt sieht hinter dem Leid und der Not der Menschen ein metaphysisches Geschehen: Gott regiert zwar die Welt, aber er hat Feinde, die ihm widerstehen. Es gibt einen Kampf zwischen Gut und Böse, der noch nicht zu Ende ist. Doch Gott wird ihn eines Tages gewinnen, auch das wird uns im Advent verkündet. Deshalb dichtet Paul Gerhardt in Strophe neun:
„Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück? Der Herr wird sie zerstreuen in einem Augenblick. Er kommt, er kommt, ein König, dem wahrlich alle Feind auf Erden viel zu wenig zum Widerstande seind.“
Jesus Christus ist König über die ganze Welt, und eines Tages wird das vollends offenbar. Mit seinem Kommen ist die Endzeit eingeleitet. Wir warten nicht nur auf einen individuellen, vorübergehenden Trost, sondern auf das endgültige Heranbrechen des Reiches Gottes.
Dieses Ereignis bedeutet allerdings nicht nur Friede und Freude, sondern fordert von jedem Menschen eine Entscheidung. Es wird nicht beliebig sein, wie wir gelebt haben. Paul Gerhardt sagt deshalb in Strophe zehn:
„Er kommt zum Weltgerichte, zum Fluch dem, der ihm flucht, mit Gnad und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Ach komm, ach komm, o Sonne, und hol uns allzumal zum ew‘gen Licht und Wonne in deinen Freudensaal.“
Es geht beim Kommen Christi nicht nur um Liebe und Trost, sondern letzten Endes um Tod und Leben. Wer Christus nicht kommen lässt und sich ihm verweigert, ist dem Sterben ausge-liefert. Er wird verloren gehen, ja, sogar noch mehr: Wer ihn hier „verflucht“ hat, wird selber verflucht, d.h. ewiges Unheil wird ihn treffen. Wer sich dagegen Christus anvertraut hat, dem wird „Gnade und Licht“ zuteil, Leben und „Wonne“. Wie alle Lieder Paul Gerhardts endet damit auch dieses mit dem Ausblick auf die Ewigkeit. Und es schließt wiederum mit einem Gebet. Am Ende steht die sehnsuchtsvolle Bitte, in den „Freudensaal“ aufgenommen zu werden. Paul Gerhardt weiß, dass wir unterwegs sind, und er streckt sich dem noch ausstehenden Kommen des Weltherrschers in froher Erwartung entgegen. Das ist sein größter Trost, dass er einst alles hinter sich lassen und in ewiges „Licht und Wonne“ eingehen wird.
Amen.


Niemand kann zwei Herren dienen

Andacht zur Friedensdekade, Dienstag, 18.11.2014, 19 Uhr, Jakobikirche

Bibeltext: 5. Mose 5,6 und Matthäus 6,24

In der vorletzten Andacht während der ökumenischen Friedensdekade ging es noch einmal um die Verheißung, dass wir „Befreit zum Widerstehen“ sind. Wir können für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einstehen und beten.
Der Bibeltext, der dieses Mal im Mittelpunkt stand, war das erste Gebot. Es steht im fünften Buch Mose 5,6 und lautet: „Ich bin der HERR, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Und dazu gehört aus dem Neuen Testament ein Wort aus der Bergpredigt, das lautet: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ (Mt.6,24)
Hinter diesem Vorschlag steht der Gedanke, dass wir, wenn wir Gott dienen, nicht gleichzeitig den Waffen dienen können. Zum Glauben gehört die Friedfertigkeit. Wenn wir uns die nicht zu Eigen machen, versuchen wir, „zwei Herren zu dienen“.
Die Bibelworte provozieren also, denn keiner von uns führt ein durch und durch eindeutiges Leben. Wir haben deshalb darüber nachgedacht, wie wir dieses Gebot umsetzen können und was das konkret für uns heißt.

LIED 425: Gib uns Frieden

PSALM 121: 749

GEBET:
Gott, du bist unser Herr und lenkst den Lauf der Welt. Wehre aller Unentschiedenheit und gib uns den Geist der Wahrheit und des Friedens, damit wir erkennen, was dir gefällt und mit allen Kräften danach streben, was zur Gerechtigkeit führt durch Jesus Christus, deinen Sohn, unsern Bruder und Herrn.

LESUNG: Matthäus 6, 19- 24
19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.
20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.
21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.
22 Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.
23 Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!
24 Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

LIED: Befreit zum Widerstehen

AUSLEGUNG
Das Wort Jesu stammt aus der Bergpredigt, und die ist bekannter Weise sehr radikal. Jesus hat darin viele alttestamentliche Gebote noch verstärkt. Während das erste Gebot die Israeliten dazu aufforderte, keine „anderen Götter“ anzubeten, d.h. sich nicht auf die heidnischen Religionen einzulassen, bezeichnet Jesus hier sogar das Geld als eine Art Gott, dem wir nicht dienen sollen.
Er selber hat das auch genauso gelebt. Er besaß nichts, lebte als Wanderprediger und hatte immer gerade genug zum Überleben. Er vertraute ganz auf Gott und auf keinerlei irdische Güter.
Wenn wir das auf die Friedensarbeit übertragen, hieße es, wir sollen auf keine Waffen vertrauen, jeder Art des Krieges wider-stehen und gemeinsam aktiv für den Frieden eintreten.
Aber ist das so einfach? Und sind das erste Gebot und die Er-mahnung Jesu wirklich so gemeint? Ich finde, es klingt sehr moralisch, wenn wir es so verstehen, und es ist auch kaum umsetzbar. Man bekommt eigentlich nur ein schlechtes Gewissen und fühlt sich unter Druck gesetzt. Denn so radikal lebt niemand von uns.
Nehmen wir einmal das Geld, das Jesus hier in Frage stellt. Wir haben alle unser Auskommen, leben mehr oder weniger bürgerlich mit allen Vorzügen, die das bedeutet. Im weltweiten Vergleich sind wir sogar reich. Und wir sind auch nicht bereit, das einfach so zu ändern. Niemand von uns will sein Einkommen reduzieren und sich auf das Existenzminimum beschränken.
Und ganz auf das Militär zu verzichten, ist auch nicht durchzu-setzen. Es wäre starrsinnig, unrealistisch und auch gefährlich das zu wollen. Die politischen Zusammenhänge sind viel zu komplex, als dass die Abschaffung aller Waffen so einfach die Lösung wäre.
Was kann das Bibelwort uns also sagen? Wie sollen wir es verstehen? Wir wollen es ja nicht ignorieren oder übergehen. Und ich finde auch, dass es durchaus eine Botschaft für uns enthält.
Beim Nachdenken darüber sind mir vier Dinge eingefallen.
Zunächst einmal müssen wir uns klar machen, wer Gott ist. Wir stellen ihn uns ja oft wie eine moralische Instanz vor, wie den großen Befehlshaber, dem wir gehorchen sollen. Er steht da mit erhobenem Zeigefinger und sagt, wo es lang geht.
Aber so ist Gott nicht. Er ist keine Person, er ist nicht wie ein Mensch. Wir können über ihn deshalb auch nicht reden und denken, als wäre er ein Mensch. Wir können ihn nicht begreifen, sondern es ist umgekehrt: Er kann nur uns ergreifen. Er ist unser Schöpfer, der Urgrund und die Quelle unseres Seins. Selbst wenn wir es nicht beachten, sind wir von ihm abhängig und von seiner Wirklichkeit umgeben. Das gilt es als erstes zu erkennen: Wir sind geschaffene Wesen, die nur dann das volle Leben haben, wenn sie ihren Schöpfer anerkennen. Darauf will das erste Gebot hinweisen.
Und das bedeutet als zweites, dass wir selber diese Welt nicht retten können, das will Gott auch gar nicht. Er fordert nicht unsere Aktivität, sondern unser Vertrauen. Gerade bei der Friedensarbeit sind wir in der Gefahr, uns selbst zu überschätzen, selbstherrlich oder sogar werkgerecht zu werden. Wir glauben an unsere Ideen und unsere Kraft. Und das ist genauso heidnisch wie eine bürgerliche Gleichgültigkeit. Jesus will nicht, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen. Im Gegenteil, er fragt uns „wem wir dienen“, und „woran unser Herz häng“. Es geht ihm also um unser Bewusstsein, um unsere innere Einstellung: Worauf vertrauen wir? Was hält uns, was trägt uns? Wenn wir ehrlich darüber nachdenken, merken wir sehr wohl, dass es das Geld allein nicht sein kann. Es gehört ja mit zu den Dingen, die nicht sicher sind. Wie soll es uns also letzte Sicherheit geben? Es geht in der Forderung Jesu also nicht darum, dass wir finanziell gesehen nun alle arm werden. Wenn wir rein materialistisch leben, sind wir es bereits. Das gilt es zu durchschauen und uns auf den zu gründen, der allein uns Sicherheit geben kann. Das ist der zweite Punkt.
Als drittes ist wichtig, dass wir das, was Jesus von uns möchte, sowieso nie ganz und gar umsetzen werden. Wir können uns immer nur auf den Weg machen. Allein Jesus hat den Willen Gottes vollständig verwirklicht. Wir bleiben unser Leben lang hinter seinen Ansprüchen zurück. Aber das heißt ja nicht, dass wir nicht losgehen, dass wir uns nicht aufmachen. Wenn wir auf Jesus vertrauen und ihn zu unsrem Herrn machen, dann begeben wir uns in einen Prozess, der uns langsam verändert und uns immer weiter führt. Wir nähern uns mit der Zeit dem Ziel, das wir aber wahrscheinlich erst nach diesem Leben ganz erreichen.
Und als viertes ist wichtig, dass wir diesen Weg nicht allein gehen. Wir versammeln uns immer wieder, um uns gegenseitig zu unterstützen und Mut zu machen. Wir vergewissern uns auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir uns treffen und Gottesdienst feiern. Wenn wir hier zusammen sind und unserem Glauben Ausdruck verleihen, steigen wir ja vorübergehend aus allem anderen aus, und dadurch entsteht ein geistiges Kraftfeld. Und das ist durchaus ein gemeinsamer Widerstand gegen den üblichen Wahnsinn.
So kann unser Dienst aussehen, dazu sind wir heute eingeladen.
Amen.
LIED 436: Herr, gib uns deinen Frieden

GEBET:
Gott, du allein bist der Herr dieser Welt, dir verdanken wir unser Leben und unser ganzes Sein. Hilf uns dir zu dienen mit allem, was wir tun und lassen. Schenk uns Vertrauen und Eindeutigkeit und zeig uns den Weg, der zum Frieden führt. Hilf uns, gemeinsam allen trügerischen Zielen zu widerstehen, bis wir dereinst eingehen zu deinem ewigen Frieden. Amen.

VATER UNSER

SEGEN
Gott, dein Name ist heilig und in deinem Namen sollen wir einander segnen. Wir bitten dich, bleibe bei uns, halte deine schützende Hand über uns und allen, die sich in deinem Namen einsetzen für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
So segne und behüte uns der allmächtige und barm-herzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.


Müde geworden?

Andacht zur Friedensdekade, Freitag, 14.11.2014, 19 Uhr, Jakobikirche

Bibeltext: 1. Könige 19, 1- 13a

Wir haben während der Friedensdkade jeden Abend eine Andacht gehalten und dafür das Material zu Grunde gelegt, das vom Gesprächsforum herausgegeben wurde. Das Motto lautete in diesem Jahr: „Befreit zum Widerstehen“ für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Wir waren dabei verbunden mit vielen Gruppen und Gemeinden in Deutschland. Es machte also nichts, dass wir nur wenige waren. Wir ließen uns dadurch nicht entmutigen.
Darum ging es am 14.11. auch im Besonderen, um die Frage, was wir tun können, wenn wir müde werden, wenn unser Engagement erlahmt und wir eventuell keine rechte Freude mehr an unseren Gottesdiensten und unsrem Einsatz haben. Dem Propheten Elia ging es einmal ähnlich. Wir haben bedacht und uns zu Herzen genommen, wie er da heraus gekommen ist.

LIED 432: Gott gab uns Atem

PSALM 13: 706

GEBET:
Gott, du Geber aller guten Gaben. Du schaffst heiligen Mut, guten Rat und rechte Werke. Gib uns den Frieden, den die Welt nicht geben kann, damit unsere Herzen deinen Weisungen folgen und wir unter deinem Schutz vor Müdigkeit und Erschöpfung bewahrt bleiben. Durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herrn. Amen.

LESUNG: 1. Könige 19, 1- 8
1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! 3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. 5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! 6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

LIED: Befreit zum Widerstehen

AUSLEGUNG
Der Prophet Elia war seelisch am Ende und wollte sogar sterben! Dabei war er ein großer und mutiger Prophet gewesen, ein Mahner gegen Unglaube und Ungerechtigkeit. Sein Gegner war König Ahab, denn der diente dem Gott Baal und hatte sich eine heidnische, kaltherzige Frau genommen, Isebel. Sie nutzte ihre Stellung, um gegen die Religion Israels zu eifern. Fast alle Propheten des Herrn ließ sie ausrotten, nur eine kleine Schar hatte sich vor ihr retten können. Gott sah das alles und er forderte die Königin durch Elia zu einem Wettstreit heraus. Die Propheten des Baal gingen aus diesem Vergleich als klägliche Verlierer hervor. Alle, die dabei waren, priesen am Ende die Größe und Macht Gottes.
Dabei hätte es eigentlich bleiben können, aber Elia stachelte die Menge an, über die Baalspropheten herzufallen. Sie wurden alle getötet, und das weckte die Bosheit und die Rachegelüste von Isebel natürlich erst recht.
Damit fängt die Geschichte an, die wir eben gehört haben: Elia musste um sein Leben laufen und floh in die Wüste. Er wollte nur noch sterben, denn er war am Ende. Trotz des Triumphes über die Baalspriester hatte er das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Sein Eifern um die Wahrheit war erloschen, er hatte keine Kraft und keine Hoffnung mehr. Er war auch am Ende seines Glaubensweges, am Ende seiner Berufung und seines Lebenseinsatzes für Gott. Alle bisherige Gotteserfahrung schien vergeblich.
Aber das war nur sein Gefühl, nur sein Erleben. Gott sah das alles ganz anders. Er ließ Elia da nicht einfach nur sterben, er wollte noch mehr von ihm. Deshalb schickte er ihm einen Engel und etwas zu essen und zu trinken. Er sprach: „Steh auf und iss!“, und nach einer zweimaligen Ansprache war Elia bereit aufzustehen und loszugehen. Er gehorchte und machte sich auf den Weg. Die Speise hat ihm auch auf wunderbare Weise Kraft gegeben. 40 Tage und 40 Nächte wanderte er, und sein Weg führte ihn zum Berg Horeb. Das war ein Wallfahrtsort, ein Berg, bei dem man Gott besonders nahe zu sein glaubte. Und so erlebte es Elia tatsächlich. Er hatte dort eine Begegnung mit dem Herrn selbst, der ihm einen neuen Auftrag gab.
Das ist die Geschichte, und sie will uns sagen: Wenn es dir einmal schlecht geht und du das Gefühl hast, alles ist aus, dann ist das nur ein Teil der Wirklichkeit. Du erlebst es jetzt zwar gerade so, liegst da und bist ganz klein, aber es steht längst jemand neben dir, der dich aufrichten möchte. Da ist ein Engel in einem ganz hellen Licht, der zu dir spricht, dir zu essen geben und dich stärken möchte. Schau nur hin, hör auf ihn und lass dich anrühren. Dann bekommst du neue Kraft und kannst neue Wege gehen.
Lasst uns also fragen, wie wir diese Erfahrung machen können. Und dazu ist es gut, wenn wir uns einmal bewusst machen, wa-rum wir oft erschöpft sind. Bei Elia war das ja nicht nur Schicksal, sondern er hatte es mehr oder weniger selbst verschuldet. Es war sein übertriebener Eifer gewesen, sein Eigenwille und seine Leidenschaft. Er hätte die anderen Propheten nicht um-bringen müssen, das hatte Gott ihm nicht befohlen. Das hat er aus Wut und Rachelust getan. Es hing also mit ihm selber zu-sammen, mit seinem Verhalten und dem Umgang mit der Situa-tion.
Und das ist auch bei uns ganz oft der Fall. Wir sind erschöpft und resignieren, weil wir zu viel erwartet haben. Wir dachten, alle interessieren sich für unsre Sache, für den Frieden, und sind enttäuscht, wenn sie abwinken. Aber anstatt darüber traurig zu sein, müssen wir uns fragen, ob wir nicht vielleicht zu viel gewollt haben. Wir waren zu eifrig und perfektionistisch, zu ehrgeizig und auch zu selbstherrlich. Und das ist alles nicht nötig.
Es ist deshalb gut, wenn wir immer wieder über uns selber nachdenken. Wenn wir an unsere Grenzen kommen, müssen wir innehalten und „Stopp“ sagen, „so geht es nicht weiter“.
Elia ist in die Wüste gegangen, und das ist ein sehr schönes Bild. Auch wir müssen innerlich einmal in die Wüste gehen, da, wo wir keine Ablenkung mehr haben, wo es still und ruhig ist. Und dann müssen wir beten. Das hat Elia auch getan, als er unter dem Wachholder lag. Er hat sich an Gott gewandt und gebetet. Es war kein besonders heldenhaftes Gebet, es war nicht großartig oder schön, eher ein Seufzer oder eine Klage. Er hat einfach nur zu Gott gesagt: „Es ist genug, so nimm denn Herr meine Seele.“ Zu mehr war er eben nicht in der Lage. Aber das hat er immerhin gesagt, und das reichte auch schon, das hat trotzdem alles gewendet, denn Gott hat ihn erhört und ist zu ihm gekommen.
Und das kann auch uns so gehen. Wenn wir selber mal in so einer Verfassung sind, wie Elia hier, dann sollten wir uns daran erinnern, dass das Licht längst da ist, und es ist auch größer, als unser Dunkel. Gott hört uns und spricht auch zu uns, wir müssen uns nur dafür öffnen und hinhören.
Dann bekommen wir plötzlich neue Kraft. Wir sehen die Dinge ganz anders, Lasten fallen von uns ab. Der Eifer und der Ehrgeiz verlieren ihre Macht, wir werden gelassen und wissen: Es hängt nicht alles von uns ab. Ob der Frieden gelingt oder nicht, das liegt vielmehr in Gottes Hand.
Das Mittel und der Weg zum Frieden können also auf keinen Fall Gewalt oder Leidenschaft sein, Eifer oder Ehrgeiz. Sie machen uns irgendwann nur müde. Was uns weiterführt und was diese Welt auch braucht, ist das unbedingte Gottvertrauen. Wenn wir uns darin üben, kann Gott handeln, dann ist er da. Und wo er ist, da ist Friede, da dringt sein Licht in diese Welt ein und eröffnet uns eine neue Perspektive.
Wir wollen also nicht müde werden, sondern in getroster Zuver-sicht auf Gott schauen und von ihm immer wieder stärken las-sen. Amen.

LIED 435: Dona nobis pacem

GEBET:
Gott, Quelle allen Lebens, in Wüstenzeiten stelle du unsere Füße auf weiten Raum, dass wir befreit widerstehen können, dass wir gestärkt durch dich und dein Wort den Weg des Friedens wiederfinden und weitergehen können. Amen.

VATER UNSER

SEGEN
Gott; dein Name ist heilig und in deinem Namen sollen wir einander segnen. Wir bitten dich, bleibe bei uns, halte deine schützende Hand über uns und allen, die sich in deinem Namen einsetzen für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
So segne und behüte uns der allmächtige und barm-herzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.


Andacht zu Losung und Lehrtext für Sonnabend, 23.8.2014

gehalten beim Gemeindeausflug, St. Petri und Pauli Bergedorf

Losung: Psalm 40,6: „HERR, mein Gott, groß sind deine Wunder und deine Gedanken, die du an uns beweisest; dir ist nichts gleich!“

Lehrtext: 1.Timotheus 3,16: „Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Jesus Christus ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“
Das Losungswort für heute steht im Psalm 40,6 und lautet:
„HERR, mein Gott, groß sind deine Wunder und deine Gedanken, die du an uns beweisest; dir ist nichts gleich!
Psalm 40 trägt in der Lutherbibel die Überschrift: „Dank und Bitte“. Es ist das Bekenntnis eines Einzelnen, der aus tödlicher Bedrohung von Gott errettet wurde, ein Bekenntnis des Vertrauens auf Gott, der ihm Halt und Hoffnung gegeben hat. Der Psalm enthält die ganze Dramatik des Menschenlebens, Unglück und Schuldverstrickung, Klage und Bitte, aber dann auch Hilfe und Beistand, Dank und Lob.
Der Beter beschreibt, was er mit Gott erfahren hat, und er will damit von der rettenden Kraft, die er durch die Hoffnung auf Gott empfangen hat, Zeugnis ablegen. Er hat Augenblicke tödlicher Bedrohung erlebt, er kennt die zerstörerische Macht des Todes. Aus ihr wurde er von Gott herausgeholt, an dem er unerschütterlich festgehalten hat. Dadurch wurde ihm neues Leben geschenkt.
Und indem er darüber einen Psalm singt, will er andere zu dieser Hoffnung anstiften. Sie sollen dasselbe erfahren und ebenfalls auf Gott vertrauen.
In unserem Vers sagt er, dass Gott „viel und Großes“ getan hat. Das meiste davon ist „wunderbar“, d.h. außerordentlich und nur schwer zu begreifen. Es übersteigt das menschliche Denken und bleibt letzten Endes unfassbar und rätselhaft.
Gott hat das alles getan, weil er „gute Gedanken“ für sein Volk und den Einzelnen hat. Er verfolgt Pläne und verwirklicht an den Menschen seine Vorhaben: Er führt und leitet sie mit starker Hand, bewahrt und rettet sie immer wieder auch aus ausweglosen Situationen. Dabei vergleicht der Beter Gott mit anderen Göttern, an die die Völker um Israel herum glaubten, und er kommt zu der Feststellung: So wie unser Gott ist sonst keiner. Das kann und tut kein anderer Gott und erst recht kein Mensch.
Darüber freut sich der Beter. Er ist ergriffen von den Möglichkeiten Gottes, er staunt über seinen Willen zum Heil, den er immer wieder durchsetzt. Und der Beter merkt: Gottes Gedanken sind größer als seine, sie übersteigen sein eigenes Denken. Sie lassen sich nicht begreifen, sie lassen sich nur erfahren, in Bewahrung und Rettung, in Hilfe und Führung, die der Beter immer wieder empfangen hat.
Und das kann auch uns so gehen. Wir können in das gleiche Staunen hineinkommen, wenn wir uns bewusst machen, was Gott alles tut und kann.
Dafür ist es gut, wenn auch wir einmal in unser Leben schauen. Je länger es ist, umso mehr Erfahrungen und Erlebnisse haben wir gemacht. Das Leben verläuft nicht geradlinig, sondern hat viele Höhen und Tiefen. Einiges daran gefällt uns sicher gut, anderes nicht. Wir sind erfolgreich gewesen, mit anderen Vorhaben sind wir gescheitert. Und es gab mit Sicherheit auch dramatische Ereignisse, die uns an den Rand dessen gebracht haben, was wir aushalten konnten.
Wenn wir nun zurückblicken, gibt es zwei Möglichkeiten, wie wir das tun können: Wir können verbittert auf das schauen, was nicht gut war, und das auch alles Gott vorwerfen. Viele Menschen tun das, sie verlieren ihren Glauben im Laufe des Lebens, denn sie wurden zu oft enttäuscht. So können sie am Ende nichts mehr hoffen oder glauben. Sie werden negativ und klagen am liebsten. Sie denken dann auch: So ist die Wirklichkeit, so ist mein Leben, so ist die Welt. Es ist alles schlecht und voller Leid.
Natürlich kann man das denken, aber eins vergessen diese Menschen: Wir können und müssen uns entscheiden, wie wir alles sehen wollen, was wir sehen und bedenken wollen, welche Einstellung wir zu allem haben. Man kann beschießen, die die negative Sichtweise zu pflegen, es geht aber auch umgekehrt.
Der Beter hat einen anderen Weg gewählt: Anstatt über alles zu klagen, was schlecht gelaufen ist, bedankt er sich für das Gute. Er macht sich bewusst, was alles positiv war, wie oft ihm doch etwas gelungen ist und was ihm geschenkt wurde. Und er erkennt: Das ist nicht alles nur mein Verdienst, es hätte auch ganz anders kommen können. Dahinter stehen Gedanken, die größer sind als meine Pläne. Er erkennt Gottes Führung und Hilfe, und dafür bedankt er sich. Er kann sie nicht begreifen, aber er kann sich davon ergreifen lassen. Er legt sein Leben bewusst in die Hand Gottes. Das ist sein Weg, so hat er sich entschieden. Und damit geht es ihm gut, das macht ihn froh und zuversichtlich.
Und dazu sind – wie gesagt – auch wir eingeladen, zu dem „Geheimnis des Glaubens“, durch den wir ein ganz anderes Lebensgefühl bekommen, der uns erhebt und befreit.
Und als Christen haben wir dazu auch noch einen anderen Grund. Nicht nur unsere persönlichen Erfahrungen können uns zum Lob, zur Hoffnung und zum Vertrauen veranlassen. Gott hat uns ein noch viel größeres Geschenk gemacht: Er hat uns seinen Sohn gesandt.
Über ihn sagt Paulus im ersten Brief an Timotheus. „Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Jesus Christus ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“ (1.Timotheus 3,16.“)
Das ist das Wort aus dem Neuen Testament, das zu der Losung als Lehrtext ausgesucht wurde. Es ist ein kurzes Bekenntnis zu Jesus Christus, eine Urform des zweiten Artikels unseres heutigen Glaubensbekenntnisses: Die Geburt Jesu Christi wird genannt, die Mitwirkung des Heiligen Geistes bei seiner Zeugung, sein Wirken in der Welt, und seine Auffahrt in den Himmel.
Und damit werden unsere Gedanken und unserer innerer Blick noch weitergelenkt: Wir schauen über diese Welt hinaus und kommen in Berührung mit der ewigen Herrlichkeit. Jesus Christus begleitet uns nicht nur in diesem Leben und errettet uns aus Elend, Angst und Not, er führt uns auch noch über die Schwelle des Todes. Selbst wenn tatsächlich alles aus ist, und die irdischen Möglichkeiten zu Ende gehen, gibt es noch einen Ausweg: Jesus Christus zeigt ihn uns und führt uns zu sich selber und zu Gott. Im Glauben an ihn gewinnen wir somit Anteil am ewigen Leben und an der Auferstehung und können von daher froh und zuversichtlich bleiben, was auch immer geschieht. Amen.


Andacht zur Losung und zum Lehrtext für Sonnabend, 26.4.2014

gehalten beim Gemeindeausflug, St. Marienkirche in Gudow

Losung: 1. Mose 26, 4.: „Der Herr sprach zu Isaak. Durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden.“

Lehrtext: Galater 4,28: „Ihr aber, liebe Brüder und Schwestern, ihr seid gleich wie Isaak Kinder der Verheißung.

Auslegung zu 1. Mose 26, 1- 6

Wissen Sie etwas über Ihre Vorfahren? Es ist ja ganz interessant, sich damit zu beschäftigen. Vielleicht sind Sie sogar stolz auf Ihre Herkunft. Denn ein Teil des Blutes unserer Ahnen fließt auch in unseren Adern. Wir können uns also selber besser verstehen, wenn wir unsere Wurzeln kennen.
Das war auch schon bei Isaak so. Er war der Sohn Abrahams, und seine Nachkommen hatten besonders viel Grund, sich über ihre Abstammung zu freuen. Denn auf ihm lag eine ganz besondere Verheißung. Gott hatte sie bereits seinem Vater gegeben. Das wird uns im ersten Buch Mose erzählt. Sie kennen die Geschichte sicher: Isaaks wurde sehr spät geboren, als Abraham und seine Frau Sarah schon alt waren, und er war ihnen von Gott versprochen worden. Auf ihm ruhte deshalb ein besonderer Segen. Als er erwachsen war, heiratete er Rebekka und mit ihr lebte er in Kanaan, dem Land, in das seine Eltern gezogen waren. Er hatte zwei Söhne, Esau und Jakob.
Und als ob die Gefahr bestand, dass er es vergessen könnte, erinnerte Gott ihn eines Tages an die Verheißung, die er durch seinen Vater geerbt hatte. In Kapitel 26 im ersten Buch Mose lesen wir:

1. Mose 26, 1- 6
1 Es kam aber eine Hungersnot ins Land nach der früheren, die zu Abrahams Zeiten war. Und Isaak zog zu Abimelech, dem König der Philister, nach Gerar.
2 Da erschien ihm der HERR und sprach: Zieh nicht hinab nach Ägypten, sondern bleibe in dem Lande, das ich dir sage.
3 Bleibe als Fremdling in diesem Lande, und ich will mit dir sein und dich segnen; denn dir und deinen Nachkommen will ich alle diese Länder geben und will meinen Eid wahr machen, den ich deinem Vater Abraham geschworen habe,
4 und will deine Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel und will deinen Nachkommen alle diese Länder geben. Und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden,
5 weil Abraham meiner Stimme gehorsam gewesen ist und gehalten hat meine Rechte, meine Gebote, meine Weisungen und mein Gesetz.
6 So wohnte Isaak zu Gerar.
Er gehorchte also, und es wurde wahr, was Gott ihm versprochen hat: Als sein Sohn Jakob erwachsen war, bekam er den Namen Israel und wurde der Stammvater des auserwählten Volkes, dem Gott bis heute treu geblieben ist. Das ganze Alte Testament ist von dieser besonderen Erwählung durchzogen. Denn Gott hat seinen Bund immer wieder erneuert. Der König David wurde später ein wichtiger Träger der Verheißung, und vor Abraham hatte Gott bereits ein Bund mit Noah geschlossen. Man kann das Alte Testament also auch als das Buch der Bünde Gottes mit den Menschen nennen, das Buch der Verheißungen und der Treue Gottes.
Und das setzt sich im Neuen Testament fort. Mit Jesus hat Gott diesen Bund noch einmal aufgerichtet. Und in ihm hat er seine Liebe zu den Menschen endgültig besiegelt. Dadurch ist es nun auch nicht mehr nur das Volk Israel, das sich seiner Treue gewiss sein kann, sondern für alle, die an Jesus Christus glauben und ihm nachfolgen, gilt dasselbe. Deshalb ist aus dem Neuen Testament als Lehrtext zu unserer Losung ein Wort des Apostels Paulus ausgesucht worden. Es steht im Galaterbrief im vierten Kapitel und lautet:
Galater 4,28
Ihr aber, liebe Brüder und Schwestern, ihr seid gleich wie Isaak Kinder der Verheißung.
Damit sind wir gemeint. Wenn wir an Jesus Christus glauben, sind wir ein Teil des Volkes Gottes. Und das heißt, neben unserer natürlichen Familie gibt es noch eine andere Zugehörigkeit. Wenn wir darüber nachdenken, wer wir sind und welche Wurzeln wir haben, gilt es, nicht nur auf unseren Stammbaum zu achten, sondern noch auf etwas ganz anderes: Wir stehen als Christen in einer langen Tradition von göttlichen Verheißungen. Wir haben ein großes geistliches Erbe angetreten. Es gibt eine übernatürliche Familie, die „Familie Gottes“, kann man sagen, und es ist gut, wenn wir dazu gehören.
Die menschliche Herkunft ist ja nicht bei jedem und jeder rühmlich. Es gibt oft auch dunkle Gestalten unter unser Vorfahren, unschöne Geschichten, die lieber verschwiegen werden. Was wir erben, muss nicht immer gut und wertvoll sein Vielleicht wissen wir vieles auch gar nicht. Sind wir dann weniger wert? Kennen wir uns nicht richtig? Oder müssen wir uns vielleicht sogar schämen? Das Gefühl kann eintreten.
Deshalb ist es gut zu wissen und zu glauben, dass unsere natürliche Familiengeschichte nicht alles und letzten Endes auch nicht das Entscheidende ist, selbst wenn alles ganz in Ordnung und vielleicht sogar interessant ist. Um wirklich im Leben zu bestehen, uns selber zu finden und glücklich zu sein, brauchen wir noch ein ganz anderes Erbe. Und das wird uns durch Jesus Christus von Gott geschenkt. Auf diese Tradition sollten wir deshalb in erster Linie achten. Denn Gott vererbt uns etwas, was kein Mensch und keine Herkunft uns geben können: Bewahrung und Heil, vollkommene Liebe und Segen. Wir dürfen gewiss sein, dass Gott uns nahe ist und uns annimmt, ganz gleich, wer wir sind, ob adlig oder bürgerlich, reich oder arm, Akademiker oder Handwerker. Wir gehören durch den Glauben zu der großen geistlichen Familie, durch die wir eine tiefe Geborgenheit und Sicherheit erben.
Denn eine Sache gehört noch dazu: Wenn wir über unsere Vorfahren nachdenken, drängt sich ja unweigerlich die Gewissheit auf, dass auch wir eines Tages Vorfahren sein werden. Unsere Namen stehen dann auf einem Grabstein und vielleicht in einem Stammbaum, und Menschen denken nur gelegentlich oder zufällig an uns. Wir werden alle sterben, das wird uns bewusst, wenn wir uns mit unserer Familiengeschichte befassen, und diese Aussicht kann uns trübsinnig machen.
Wenn wir unsere geistliche Herkunft dagegen bedenken, ist das ganz anders, denn wir haben dadurch nicht nur eine große und interessante Vergangenheit, sondern außerdem eine herrliche Zukunft. Denn die Verheißung Gottes, dass er bei uns sein will, reicht weit über unseren Tod hinaus. Wenn wir sterben, geht nur die Zeit zu Ende, die wir hier auf Erden haben. Das Eigentliche beginnt dann erst. Denn die Familie Gottes ist hauptsächlich im Himmel zu Hause, in den wir dann eintreten. Wir sind bei Gott also nicht nur während unsres irdischen Lebens geborgen, sondern bis in alle Ewigkeit. Wir werden nicht verloren gehen, weil Gott unsere Namen in sein Buch schreiben wird.
Lassen Sie uns also froh darüber sein, dass die Verheißung Gottes an Isaak durch Jesus Christus auch uns gilt und wir zu seinen Kindern gehören. Amen.


Fastenandacht zu Lukas 12, 8- 12:
„Selber bekennen“

Sonnabend,12.4.2014, 11.00 Uhr, Jakobikirche

Lukas 12, 8- 12

8 Ich sage euch aber: Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes.
9 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes.
10 Und wer ein Wort gegen den Menschensohn sagt, dem soll es vergeben werden; wer aber den Heiligen Geist lästert, dem soll es nicht vergeben werden.
11 Wenn sie euch aber führen werden in die Synagogen und vor die Machthaber und die Obrigkeit, so sorgt nicht, wie oder womit ihr euch verantworten oder was ihr sagen sollt;
12 denn der Heilige Geist wird euch in dieser Stunde lehren, was ihr sagen sollt.

Auslegung
In der Mitte steht ein Tisch, darauf liegen die Bibel und einige Schriften. Der Mönch Martin Luther steht davor, auf der anderen Seite thronen die Mächtigen. Es ist Reichstag in Worms, 1521. Spätestens seit dem Lutherfilm steht uns diese Szene lebendig vor Augen: Luther soll widerrufen, was er bis dahin verkündigt und geschrieben hat. Er steht allein vor der versammelten Staatsspitze – einer gegen alle. Die Spannung wächst, jeder wartet darauf, was er sagen wird. Und dann kommen die berühmt gewordenen Worte: „ …wenn ich nicht durch Zeugnisse der Heiligen Schrift und klare Vernunftregeln überzeugt werde;… so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nicht widerrufen, weil wieder das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist.“ Er soll dann zum Schluss gesagt haben: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“
Er hat sich also geweigert, seine Überzeugung abzulegen, und ist trotz der Anfeindung standhaft geblieben. Die Konsequenz war die Verhängung der Reichsacht, d.h. er verlor seine Rechtsfähigkeit, und jedermann konnte ihn ohne Strafe töten. Doch dazu ist es zum Glück nicht gekommen, denn er hatte einen starken Fürsprecher. Das war Kurfürst Friedrich von Sachsen. Er ließ Luther auf dem Heimweg vom Reichstag entführen und auf der Eisenacher Wartburg in Schutzhaft nehmen. Dadurch hat Luther überlebt, und die Reformation ging weiter.
Und das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Glauben und Bekennen zusammen gehören. Wer glaubt, bindet sich an Jesus Christus. Er bleibt ihm treu, komme, was wolle. Denn er will mit Jesus Christus verbunden bleiben. Diesen Zusammenhang hat Jesus bereits benannt. Wir haben gehört, wie er es seinen Jüngern sagt.
Der Auftrag ist Teil einer größeren Rede, in der Jesus hauptsächlich zur Sorg- und Furchtlosigkeit einlädt, zum Vertrauen auf ihn. Es gibt keinen Grund zur Angst, deshalb können die Jünger sich zu ihm bekennen. Er wird sie belohnen, indem er sich im Endgericht zu ihnen bekennt. Dieses Endgericht wird hier als eine Gerichtsverhandlung mit Engeln vorgestellt. Jesus wird darin zu den Seinen stehen und sie entlasten. Umgekehrt wird er den, der ihn verleugnet, ebenfalls vor den Engeln verleugnen. Das Bekenntnis zu Jesus hat also eine ewige Konsequenz.
Und damit die Jünger das auch können, wird er ihnen den Heiligen Geist geben. Er wird aus den Christen sprechen, durch ihn werden sie seine Zeugen. Wer den Heiligen Geist also verleugnet, wird nicht in der Lage sein, ihm wirklich zu dienen.
Umgekehrt eröffnet die Geistesgabe die Möglichkeit, vor menschlichen Gerichten in Verfolgungsnöten zu bestehen. Darüber müssen sich die Jesusjünger keine Sorgen machen. Der Geist selbst hilft ihnen, dass sie die richtigen Worte finden. Sie werden sich vor jüdischen und heidnischen Gerichten verteidigen können. Dabei wird der Geist nicht nur dafür sorgen, dass sie die richtigen Inhalte vorbringen, sie werden die anderen auch überzeugen können. Was sie sagen, wird richtig ankommen. Einen Grund zur Furcht gibt es also nicht.
Das hat auch Luther so empfunden, deshalb konnte er mutig zu seiner Überzeugung stehen.
Und wie ist es mit uns? Hat der Auftrag Jesu für uns noch eine Bedeutung? Die Zeiten haben sich ja ziemlich geändert. Es geht uns weder so, wie den Jüngern, noch wie Luther. Denn keiner feindet uns wegen unseres Glaubens an. Wir haben auch gar nicht das Bedürfnis, viel darüber zu reden. Denn selbst wenn wir überzeugt sind, lassen wir die anderen lieber in Ruhe. „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“, so schrieb Friedrich II, König von Preußen, bereits 1740. Seitdem gilt Toleranz gegenüber religiös Andersdenkenden, und die halten wir gerne ein. Wir wollen nicht aufdringlich sein. Es passt nicht mehr in unsere Zeit, andere überzeugen zu wollen. Es ist ja auch nicht leicht, über unseren Glauben zu reden, denn wer will schon etwas darüber wissen? Die Religion ist etwas sehr Privates und Intimes geworden.
Und dahinter müssen wir auch nicht zurück. Toleranz ist ein hohes moralisches Gut, das wir nicht wieder abschaffen sollten. Wir sehen in der arabischen Welt, wohin es führen kann, wenn wir sie nicht üben.
Gilt die Aufforderung Jesu „selber zu bekennen“ also überhaupt noch? Das müssen wir uns fragen. Und dazu sind mir drei Dinge eingefallen.
Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir wirklich zu unserem Glauben stehen und ihn vor uns selber immer wieder aufrichtig bekennen. Das wäre der erste Schritt. Dazu gehört es, dass wir denn Glauben durchdenken, wahrhaftig bleiben und ihn zum wichtigsten Lebensthema machen. Der Glaube ist keine Kopfsache, keine Ideologie oder ein Gedankengebäude. Er ist ein Lebensvollzug. Er durchdringt alle Bereiche unseres Seins, er verändert unser Bewusstsein und unsere Gefühle. Auch unser Gewissen ist aktiv am Glauben beteiligt. Deshalb ist es wichtig, dass wir es immer wieder erforschen, darauf hören und offen bleiben. Durch den Glauben will Jesus Christus die Grundlage und das Ziel unseres Lebens sein. Und ob das wirklich so ist, das müssen wir zunächst immer wieder überprüfen.
Daraus ergibt sich als Zweites, dass der Glaube natürlich auch dann vorkommt, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind. Wir können ihn nicht plötzlich ablegen, und so fließt er immer in unsere Kommunikation mit ein. Ob wir darüber reden, entscheidet sich deshalb auch in der Situation. Wir müssen uns das nicht vornehmen, sondern ein Gespür dafür entwickeln, wann es in einem Gespräch passt, dass wir auch unseren Glauben thematisieren und darüber reden Eine gute Regel ist dabei, dass wir es tun, wenn wir gefragt werden. Wir müssen uns nicht aufdrängen, aber oft wollen andere Menschen ja wissen, was uns bewegt. Dann müssen wir keine Angst haben, das auch zu kommunizieren. Und wir müssen uns auch keine Sorgen machen, ob uns dann die richtigen Worte einfallen. Der Heilige Geist wird sie uns eingeben, er wird uns leiten und uns zum Sprachrohr Gottes machen.
Und als Drittes gilt, dass Bekennen mehr ist als Reden. Unser ganzes Leben ist ein Bekenntnis, wenn wir es wirklich Christus anvertraut haben. Wir gehören ihm dann, und er durchdringt unser gesamtes Wesen. Selbst wenn wir schweigen, wird seine Gegenwart nicht ausgeschaltet. Im Gegenteil, manchmal ist das sogar besser. Es gibt dazu eine schöne kleine Geschichte aus einem Kloster. Darin lebte ein alter Mönch, der durch langes Schweigen tief in die Geheimnisse der Gegenwart und Gnade Gottes eingedrungen war. Er ruhte in Gott und strahlte seine Liebe aus. Als einmal der Bischof zu Besuch in dieses Kloster kam, sagten seine Brüder deshalb zu ihm: „Gib dem Bischof doch ein Wort mit auf den Weg, das seinen Glauben stärkt und ihm die Richtung weist.“ Doch das tat der alte Mönch nicht. Er sagte nur: „Wenn ihn mein Schweigen nicht überzeugt, wird es mein Reden erst recht nicht tun.“ Denn Bekennen gehört mehr Reden. Das wusste er. Unsere Geisteshaltung ist entscheidend und manchmal sogar unser Schweigen. Es kann ja etwas sehr aktives sein, wenn es nämlich geschieht, weil wir auf Gott vertrauen und auf ihn hören wollen. Wir geben damit seinem Handeln Raum und werden zu seinen Werkzeugen.
Und das war auch für Luther das Entscheidende. Er hat es sich nicht vorgenommen, so aufzutreten, wie er es beim Reichstag in Worms getan hat. Er folgte vielmehr seinem Gewissen, und tat und sagte, was der Geist ihm eingab.
Ich möchte deshalb mit einem Hymnus aus dem Evangelischen Tagzeitenbuch schließen, der gleichzeitig ein Gebet ist:
„Nun lass uns neu beginnen, Herr, an diesem Tag, der vor uns liegt. Gib uns den Mut, dass unverzagt wir dich bezeugen in der Welt.
Wenn wir als Toren vor der Welt im Zeichen deines Kreuzes stehn, hilf uns erkennen, Jesus Christ, das wir dir folgen auf dem Weg.
Schenk uns den Glauben, dass du wirkst, in unserer Schwachheit unserer Not, gib, Vater, uns im Sohn den Geist und neue Hoffnung auf dein Reich.“ Amen.


Fastenandacht zu Philipper 3, 10- 14: „Selber suchen“, Sonnabend,15.3.2014, 11.00 Uhr, Jakobikirche

Philipper 3, 10- 14
10 Christus möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.
12 Nicht, dass ich’s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich’s wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin.
13 Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich’s ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist,
14 und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.

Auslegung

Wenn wir die Fastenzeit ernst nehmen, kann sie leicht etwas Anstrengendes bekommen. Sie steht ja unter dem großen Thema „Verzicht“. „Sieben Wochen ohne“ heißt seit vielen Jahren das Motto. Und der Hintergrund ist auch nicht gerade gemütlich: Es ist der Weg Jesu zum Kreuz, sein Leiden und Sterben. Die Passionszeit kann dadurch etwas Düsteres bekommen: Wir sollen ebenso leiden und das auch noch freiwillig. Das ist das hergebrachte Verständnis dieser Wochen, eine freiwillige Opferbereitschaft. Jubel und Trubel werden ausgeklammert, wir wenden uns dem Ernst des Lebens zu.
In diesem Jahr stört mich das etwas, ich merke, dass ich dazu keine Lust habe, weil ich mich eigentlich immer anstrenge, möglichst gut zu sein und meinen Glauben ernst zu nehmen. Warum soll ich da noch eins drauf setzen?
Das frage ich mich, und darauf gibt mir das Thema in diesem Jahr eine ganz schöne Antwort: Das Stichwort „selber“ ist wichtig, und das heißt: Wir sollen keine Regeln einhalten und uns keinen Zwängen unterwerfen. Wir müssen uns nicht von außen etwas sagen lassen und schwere Lasten auferlegen, sondern wir sollen uns auf den Weg machen, selber denken und suchen, und das heißt: Herausfinden, was für uns wichtig ist und was zu uns passt. Und das ist ja schon mal ganz befreiend und auch spannend.
Außerdem – und das wird besonders an dem heutigen Thema deutlich – geht es um ein Ziel. Der Verzicht oder das Fasten ist kein Selbstzweck, sondern weist in eine Richtung, und das ist auf jeden Fall unser Heil. Jesus ist nicht um des Sterbens willen gestorben, sondern um den Tod zu überwinden, um aufzuerstehen und uns ewiges Leben zu schenken.
Wenn wir als Christen also suchen oder kämpfen, verzichten und unseren Glauben ernst nehmen, dann geht es immer um etwas Großes und Schönes.
Das kommt auch in dem Text zum Ausdruck, den ich eben gelesen habe. Es ist ein Abschnitt aus dem Brief des Paulus an die Philipper. Und er beginnt gleich mit dem Ziel, um das es Paulus geht: Er möchte „Christus erkennen und die Kraft seiner Auferstehung“. Paulus weiß also etwas von einer völlig neuen Weise zu leben. Er kennt eine Macht, die die Sünde und den Tod besiegt hat, und der will er sich unterstellen, die soll sein Leben gestalten. Es ist die Macht Christi. Und weil die ihn prägen soll, will Paulus mit Christus leben und leiden, mit ihm sterben und auferstehen.
Erst im Anschluss daran sagt er, dass dazu ein Kampf nötig ist. Doch auch das thematisiert er nicht, weil er irgendwie besonders gut und eifrig sein will, sondern genau aus dem Gegenteil: Er weiß, dass er noch nicht vollkommen ist und das auch nie sein wird. Er ist immer unterwegs, es gibt immer noch etwas zu entdecken und zu gewinnen. Das Schönste liegt noch vor ihm, und danach streckt er sich aus. Er ist zwar von Christus ergriffen, aber das heißt nicht, dass nun alles in seinem Leben fertig ist. Denn Christus kann ihm noch viel mehr geben, und das will er im Auge behalten, dem will er „nachjagen“. Er ist deshalb nach vorne ausgerichtet und nicht nach hinten.
Wir wissen, was es bedeutet, wenn gerade Paulus das sagt, denn wir kennen seine Vergangenheit. Es ist kein Geheimnis, wie er gelebt und gedacht hat, bevor er Christ wurde: Er war sich seiner selbst sicher, hat sich selbst für gerecht gehalten, war also „selbstgerecht“. Doch das hat er hinter sich gelassen. Seit seiner Bekehrung gilt etwas anderes: Er will sich ganz der Gnade Christi hingeben, radikal vertrauen und seine Sicherheit nur noch aus dem beziehen, was Christus für ihn getan hat, aus seinem Sterben und Auferstehen. Er will Gott ungeteilt gehören. Das ist die Vollkommenheit, die er anstrebt. Die wahrhaft Vollkommenen sind also die, die noch auf der Kampfbahn laufen und den Siegespreis gerade noch nicht errungen haben. Ihnen gilt die Verheißung des Heils und des Lebens.
Und damit beschreibt Paulus sehr schön die Spannung, in der wir Christen leben: Es ist die Spannung zwischen dem „schon da“ und „noch nicht“: Wir sind durch Christus zwar schon in eine neues Leben hinein geholt worden, aber es ist noch nicht vollendet, was wir sein sollen. Wir sind erlöst, leben aber noch unter den Bedingungen der sündigen Welt. Alt und neu sind zugleich da. Das ist ein wesentliches Merkmal unserer christlichen Existenz.
Und deshalb bleiben wir Suchende und Kämpfende. „Wir laufen in der Kampfbahn und strecken uns nach dem Ziel aus.“ Wir wissen, es gibt etwas zu finden, weil wir es bereits erfahren haben. Aber es ist flüchtig und verändert sich, wir müssen es immer wieder neu suchen und finden. Das ist unser Kampf.
Was das konkret für unser Leben bedeutet, wird klar, wenn wir uns einmal bewusst machen, was zum Suchen dazu gehört. Das kennen wir ja auch aus anderen Zusammenhängen: Wir suchen Gegenstände oder Menschen, Orte und Gedanken. Verlorenes, Verstecktes und Unbekanntes muss gesucht werden. Dem Suchen geht also ein Impuls vorweg: Wir wollen etwas wieder haben, gehen einer Sehnsucht nach, wollen ein Geheimnis lüften, etwas Neues kennenlernen. Ein Suchender hat ein Ziel vor Augen und macht sich auf den Weg. Das ist das erste.
Und zweitens müssen wir uns klar machen, was zum Suchen dazu gehört, wenn es erfolgreich sein soll. Oft ist es ja nicht leicht, das Gesuchte auch wirklich zu finden. Es gelingt am besten, wenn wir uns nicht verkrampfen, ruhig und geduldig bleiben, auf Einfälle warten, unsere Vorstellungen, wo es sein müsste, loslassen, und kreativ werden. Wir müssen Hürden in unserem Gehirn und unseren Gefühlen überwinden und neue Ideen entwickeln.
Das kennen wir alle aus den Situationen, in denen wir etwas suchen, was wir verloren hatten, das Portemonnaie, den Schlüssel, Unterlagen oder was auch immer. Auch aus Krimis kennen wir das, wenn der Mörder gesucht wird. Genauso ist es, wenn Menschen eine Expedition machen und Unbekanntes entdecken wollen. Dabei ist es so, dass man beim Suchen zwangsläufig eine Zeit lang in die Irre geht. Man muss sich also Zeit lassen, braucht Offenheit und Ausdauer. Dann findet man ehesten, was man sucht.
Und so ist es auch im Glauben. Wir können all das sehr gut auf ein Leben mit Christus übertragen. Das heißt dann als erstes: Auch wir haben ein Ziel vor Augen, wir folgen einem Impuls, einer Sehnsucht. Und zwar ist es ist die Sehnsucht nach Christus, Rettung und Heil, nach Freude und Freiheit. Wir strecken uns danach aus und suchen sie.
Und dazu brauchen auch wir Ausdauer und Geduld, Kreativität und Offenheit. Wir müssen innerlich und äußerlich beweglich sein. Wenn wir mit Christus leben und sein Heil suchen, dann geht es nicht um Regeln oder Rituale, um eine feste Lehre oder Gesetze. Das denken wir ja oft und strengen uns entsprechend an.
Ganz ohne Regeln geht es auch nicht, aber sie sind nicht das wichtigste. Im Gegenteil, sie bergen eine Gefahr in sich, denn sie können dazu führen, dass wir erstarren und gerade dadurch nichts finden. Wir verschließen uns dem Leben und werden hart. Wir sind auch nicht wir selber, sondern folgen nur bestimmten Zwängen. Und damit werden wir dem Leben nicht gerecht. Auf jeden Fall finden wir nicht, was wir suchen: Jesus Christus und sein Heil. Denn dafür müssen wir offen bleiben, uns immer wieder anrühren lassen, neue Gedanken ausprobieren, neue Wege gehen. Zum Glauben gehören immer Phasen der Unsicherheit, in denen wir uns auf unbekannte Gefilde begeben. Denn wir finden das Ziel nur bruchstückhaft, wir kommen nur schritt- oder etappenweise voran. Es kann zum Suchen auch dazu gehören, dass wir mal wieder zurückgehen müssen, weil wir uns verrannt haben. Und es bleibt ein lebenslanger Prozess. Das Suchen hört nie auf.
Aber wenn wir unser Leben und unseren Glauben so anlegen, dann kämpfen wir an der richtigen Stelle und werden unserer „himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus“ gerecht. Wir finden nicht nur etwas, sondern werden auch gefunden. Denn Christus kommt uns entgegen, er hilft uns bei unserem Lauf und unterstützt uns im Kampf.
Und dazu sind wir nicht nur in diesen sieben Wochen, sondern immer eingeladen. Wir können also die Gelegenheit nutzen und uns bewusst in diese Haltung des Suchens einüben. Die Fastenzeit dient nicht dazu, dass wir uns anstrengen, sondern dass wir uns nach vorne ausrichten und nach dem Heil ausstrecken. Dann nimmt Christus unser Leben in seine Hand und gibt uns am Ende den „Siegespreis“. Amen.

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