Das Zeichen des Propheten Jona

Predigt über Matthäus 12, 38- 42: Zeichenforderung der Pharisäer

2. Sonntag der Passionszeit, Reminszere, 12.3.2017, 9.30 Uhr,
Lutherkirche Kiel

Matthäus 12, 38- 42

38 Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen.
39 Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona.
40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte bim Schoß der Erde sein.
41 Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona.
42 Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Liebe Gemeinde.
„Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen.“ So betete der Prophet Jona im Bauch des Fisches. (Jona 2, 4.5a) Sie kennen die Geschichte sicher alle:
Jona sollte nach Ninive, einer großen Stadt in Babylonien gehen, um ihr ihren Untergang zu predigen, wenn sie nicht Buße tun würde. Aber er hatte Angst davor und floh auf einem Schiff, das ihn über das Meer bringen sollte. Das verhinderte Gott allerdings, indem er einen Sturm schickte. Das Schiff geriet in Seenot, und Jona war sofort klar, dass das ihm galt. Deshalb schlug er selber den Seeleuten vor, ihn über Bord zu werfen. Menschlich gesehen wäre das sein Ende gewesen, aber Gott wollte es anders. Er schickte einen großen Fisch, der Jona verschlang und nach drei Tagen wieder ans Land brachte.
Die „Schriftgelehrten und Pharisäer“ zurzeit Jesu kannten diese Geschichte genau, und Jesus natürlich auch. Deshalb erwähnt er sie in einem Gespräch mit ihnen als ein „Zeichen“, das auf ihn hinweist.
Der Abschnitt steht im Matthäusevangelium. Es ist nicht das einzige Gespräch, das Jesus mit den Pharisäer und Schriftgelehrten führte. Sie waren die maßgeblichen Männer der Religion und er stritt sich oft mit ihnen, denn sie forderten ihn immer wieder heraus. Er behauptete, dass er der Messias war, der endzeitliche Retter, den Gott gesandt hatte, und das glaubten sie nicht. Sie nahmen es ihm nicht ab. Sie kannten sich in der Bibel und in den Überlieferungen aus und hatten eine klare Vorstellung davon, wie der Messias sein würde. Auf jeden Fall wird er sich durch ein Zeichen ausweisen müssen, irgendein Wunder, etwas außergewöhnliches, anders kann er sich nicht legitimieren. Das war ihre Auffassung und deshalb zweifelten sie an Jesus. Das steht hinter dem Gespräch, das wir gehört haben. Weil sie Bedenken hatten, forderten sie von Jesus so ein Beglaubigungszeichen: Er soll sich verteidigen.
Doch davon ist Jesus weit entfernt, das tut er nicht. Seine Antwort ist vielmehr zunächst eine Schelte, er geht also seinerseits zum Angriff über und nennt seine Gesprächspartner „böses und abtrünniges Geschlecht“. Das ist ein schwerer Vorwurf, mit dem Jesus sich ganz anders positioniert, als sie das erwartet hätten. Anstatt sich zu rechtfertigen, treibt er sie in die Enge und stellt sie an den Pranger. Dass sie überhaupt ein Zeichen fordern, ist für ihn Ausdruck des Unglaubens und der Gottesferne. Deshalb gibt er es ihnen das Gewünschte nicht, sondern spricht stattdessen vom „Zeichen des Propheten Jona“.
Er vergleicht dessen Schicksal mit dem des „Menschensohnes“, also mit seinem. Beide waren drei Tage und drei Nächte im Bereich des Todes, der eine im Bauch des Fisches, der andere im Schoß der Erde. Damit blickt Jesus auf seinen kommenden Tod und seine Auferstehung. Die wird das von den Pharisäern geforderte Zeichen sein. So wie Jona wird auch er nach drei Tagen aus dem Tod errettet werden. Das ist seine Antwort, und die führt er dann noch weiter: „Siehe, hier ist mehr als Jona“, sagt er. Jesus hat also noch eine viel größere Bedeutung. Jona konnte die Menschen in Ninive zur Umkehr bewegen. Sie taten Buße und wurden daraufhin verschont. Die Sendung und der Auftrag Jesu haben dagegen eine universale Reichweite, sie gelten allen Menschen. Wer an ihn glaubt, wo auch immer er auf der Welt wohnt, wird beim Jüngsten Gericht frei gesprochen und aus dem Tod errettet.
Das ist die Botschaft Jesu, und die ist immer noch aktuell. Sie gilt für uns heute genauso wie für die Pharisäer und Schriftgelehrten. Und das heißt: Auch wir dürfen von ihm keine spektakulären Zeichen erwarten, keine atemberaubenden Machterweise. Was wir haben, um an ihn glauben zu können, ist ebenfalls nur diese Botschaft: Er ist gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden.
Das ist im Grunde genommen ein ungeheures Zeichen, etwas Größeres kann es nicht geben. Aber glauben wir das auch? Reicht uns das? Zweifeln wir nicht genauso wie die Pharisäer und Schriftgelehrten immer wieder an der Macht Jesu? Es gibt ja unzählige Situationen im Leben, da hätten wir ebenfalls gerne ein Zeichen, irgendein Wunder, ein starkes Eingreifen von Seiten Gottes. Viele Menschen sind gegenüber Gott oder Jesus skeptisch. Was hat er denn bewirkt? Und wo ist er, wenn es uns schlecht geht?
Das passiert ja leider immer wieder. Was Jona erlebt hat, ist nicht völlig ungewöhnlich, jedenfalls nicht bis zu dem Zeitpunkt, wo der Fisch ihn aufnahm: Er war in eine Krise geraten und anschließend in Todesgefahr. „Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben, die Tiefe umringte mich. Ich sank hinunter zu der Berge Gründen. Der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.“ (Jona 2, 6f) So beschreibt er sein Erleben, und das ist ein gutes Bild: Manchmal schlägt das Leben hohe Wellen und wir haben Angst, zu versinken. Ein Abgrund tut sich auf und wir haben das Gefühl, immer tiefer dahinein zu sinken. Wir sehen keinen Ausweg mehr.
Das kann z.B. dann sein, wenn wir eine schwere Krankheit haben. Unser Leben ist bedroht, wir wissen nicht, wie es weitergeht, fühlen uns gefangen und fürchten uns. Auch wenn wir einen anderen, geliebten Menschen verlieren, geht es uns so, sei es durch eine Trennung oder sogar durch den Tod. Dann gerät alles ins Wanken, unser Leben wird erschüttert, der Boden wird uns unter den Füßen weggerissen. Und wenn Menschen sich auf die Flucht begeben müssen, ist das sicher genauso ein Erlebnis: Sie verlieren ihre Heimat und die Zukunft ist ungewiss, ganz abgesehen von all den Gefahren, denen sie auf einer Flucht ausgeliefert sind. Viele sterben dabei und kommen nie an das ersehnte Ziel.
Wo ist Jesus dann? Wenn er der Sohn Gottes wäre, könnte er so etwas doch verhindern. Er könnte helfen und uns davor bewahren. Dann könnten wir auch viel besser an ihn glauben. Denn in solchen Situationen kommen uns wie gesagt Zweifel, ob er wirklich Macht hat. Wir denken ganz ähnlich wie die Pharisäer: Wenn er der Sohn Gottes ist, dann soll er uns das auch zeigen!
Doch das tut er nicht. Im Gegenteil, er gibt uns immer noch dieselbe Antwort wie damals. Wir können seine Rede auch auf uns beziehen, dann schilt er uns sogar für diesen Wunsch. Wir sollen keine Zeichen dieser Art fordern, sondern uns mit dem zufrieden geben, was er getan hat: Er ist für uns gestorben und auferstanden. Er war selber drei Tage in der tiefsten Finsternis und ist daraus wieder hervorgegangen. Daran sollen wir uns halten, darauf sollen wir vertrauen, in jeder Situation. Er dreht also auch uns gegenüber den Spieß um und fragt uns, ob wir das wollen. Und das ist eine große Provokation, denn es bedeutet: Wenn du nicht an Jesus glauben kannst, dann liegt das an dir, dann willst du es auch nicht. Er hat unendlich viel für dich getan, du musst es nur annehmen, seine Hand ergreifen und dich von ihm retten lassen. Das ist die Herausforderung, mit der wir es hier zu tun haben.

Lassen Sie uns also fragen, wie wir zu diesem Glauben kommen können, und was das für unser Leben bedeutet.

Dabei ist es gut, wenn wir uns als erstes klar machen, woher unsere Fragen und Zweifel kommen. Sie hängen nämlich damit zusammen, dass wir das Leid und den Tod ablehnen. Wir wollen es nicht, wir würden es am liebsten ausklammern, und so organisieren wir unser Leben auch. Es soll alles glatt verlaufen, ohne Zwischenfälle, ohne Verluste, ohne Schmerzen und ohne Not. Das hätten wir gerne, davon träumen wir. Deshalb kämpfen wir über weite Strecken dagegen an. Wir versuchen, die Wellen, in denen wir versinken könnten, aufzuhalten, das Bedrohliche abzuwenden oder ihm zu entkommen.

Aber gelingt uns das auch? Das müssen wir uns genauso ehrlich fragen und uns eingestehen: Wir verbrauchen dabei viel Zeit und Kraft, es ist ganz schön anstrengend und zermürbend. Und was noch viel schlimmer ist: Es nützt oft nichts. Am Ende sind wir erschöpft und ausgelaugt, aber der Tod, die Trennung oder die Vertreibung kommen trotzdem. Es ist deshalb gut, wenn wir ehrlich sind und zugeben: So geht es nicht. Wir können Not und Tod nicht aus dem Leben löschen, es muss einen anderen Weg geben, um damit klar zu kommen.
Und worin der bestehen kann, hat Joseph Goldstein, ein amerikanischer Lehrer, einmal so gesagt: „Du kannst die Wellen nicht aufhalten, aber du kannst lernen zu surfen.“ Anders ausgedrückt heißt das: Wir können das Leid nicht abschaffen, aber wir können leidensfähig werden, lernen, damit zu leben und es zu bejahen. Das wäre der erste Schritt, und der ist noch nicht einmal spezifisch christlich. Das lehren auch die Buddhisten. Diese Einsicht kommt aus der Meditation und führt zu einer „Achtsamkeit des Herzens“. Das ist die Übung, die dahinter steht. Als westliche Menschen haben wir diese Möglichkeit weitgehend verdrängt, sie kommt in unserem Lebensstil zunächst nicht vor. Es ist aber gut, wenn wir sie zurückgewinnen und uns auf diesen Weg machen.
Doch wie geht das nun? Wie lernen wir denn, zu „surfen“, auf den Wellen des Lebens zu reiten, anstatt darin unterzugehen? Einfach ist das ja nicht, wir brauchen auf jeden Fall einen Lehrer. Und genau das kann Jesus sein, ja mehr noch: Er hilft uns und schenkt uns die Kraft, die wir brauchen.
Wir müssen nur auf ihn vertrauen, und das können wir am besten, indem wir zu ihm rufen. Das hat Jona auch getan. „Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes und du hörtest meine Stimme. Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir.“ (Jona 2, 1f.8) So beschreibt er es in seinem Danklied. Und das heißt, wir müssen in den Zeiten der Not unsere Blickrichtung ändern. Es nützt nichts, wenn wir uns ständig auf das Übel konzentrieren und uns davon gefangen nehmen lassen. Im Geist sind wir frei, uns ganz anderen Kräften auszusetzen. Wir können auf den schauen, der den Tod besiegt hat, der bei uns ist, und der uns hilft. Dann merken wir, dass eine Kraft von ihm ausgeht, die uns trägt. Wir gehen nicht unter, sondern gleiten auf wunderbare Weise über die Wellen dahin. Jona singt: „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, HERR, mein Gott! Ich will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen dem HERRN, der mir geholfen hat.“ (Jona 2, 7b.10)
Das ist die Folge: Wir bekommen Anteil an der Auferstehung, werden aus den Tiefen herausgehoben und in ein neues Leben hineinversetzt. Der Tod kann uns nichts mehr anhaben. Das ist es, was Jesus uns schenkt. In seiner Gegenwart verliert alles Dunkle seine Schrecken, Not und Leid haben keine Macht mehr über uns. Wir gehen gestärkt unseren Weg, bleiben gelassen und zuversichtlich.
Und natürlich hellt sich das Leben irgendwann auch wieder auf. Es bleibt nicht immer alles schlimm. Die Gefahren verziehen sich und etwas Neues kann beginnen. Das ist das Evangelium, die gute Botschaft, die Jesus für uns hat.
Lassen Sie uns darauf vertrauen und daran glauben und wie Jona, unseren „Dank opfern“.
Amen.