Sieh ins Licht

Predigt über Jesaja 42,1- 9: Der Knecht Gottes, das Licht der Welt

1. Sonntag nach Epiphanias, 9.1.2022, 9.30 und 11 Uhr, Luther- und Jakobikirche Kiel

Jesaja 42, 1- 9

1 Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn – und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.
2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung. So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen:
6 Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden,
7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.
8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.
9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich’s euch hören.

Liebe Gemeinde.

Langsam werden die Lichterketten, die in vielen Fenstern, an Bäumen und Häusern hängen, wieder abgebaut, und das finde ich ein bisschen traurig. Denn es passt gut in die dunkle Jahreszeit, dass überall kleine Glühbirnen leuchten. Sie machen die Stadt heller.

Einige Häuser haben es ja sogar in die Medien geschafft: Ihre Bewohner und Bewohnerinnen haben nicht nur ein paar Lampen aufgehängt, sondern großartige Lichtershows installiert. Die Nachbarn sind zusammengekommen, um das zu bewundern, und das Fernsehen war da. Es war ein Riesenspektakel, das sich jedes Jahr wiederholt. Ihre Schöpfer investieren immer viel Geld und Zeit, damit alles so wird, wie es sein soll. Möglicherweise sind sie auch ein bisschen süchtig nach dem Licht und der Faszination, die es verbreitet. Es vertreibt die Dunkelheit, macht Spaß und weckt Freude.

Und selbst wenn die meisten von uns mit weihnachtlichen Lichterketten eher Maß halten, möchten wir alle der Dunkelheit etwas entgegensetzen. Es soll hell sein, und so zünden wir Millionen künstlicher Lampen an.

Da steckt auch noch mehr hinter, als nur der Versuch, die äußere Finsternis zu verjagen. Es ist ein Ausdruck unserer Sehnsucht nach Licht im übertragenen Sinn: Am liebsten würden wir das Dunkel ganz aus unserem Leben verbannen, aus der Gesellschaft, aus der Welt.

Und das war schon immer so. Seit jeher sehnen sich die Menschen nach Licht und benutzen es als Bild für Frieden und Wohlergehen, Freude und Rettung. In vielen Verheißungen im Alten Testament taucht das auf, so auch in der, die wir vorhin gehört haben. Sie steht bei dem Propheten Jesaja und ist heute unser Predigttext.

Es ist ein Lied über einen Menschen, den Jesaja den „Knecht Gottes“ nennt. An einer Stelle sagt er über ihn: „Ich, der HERR, mache dich zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen und die, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker führen sollst.“ Es wird hell durch ihn! Das ist hier die Verheißung, und die dürfen wir ruhig auf uns beziehen. Lasst uns deshalb fragen, wie wir das erleben können.

Dafür ist es gut, wenn wir zunächst klären, mit was für einem Text wir es hier überhaupt zu tun haben. Er gehört nämlich mit drei weiteren Abschnitten aus dem Buch Jesaja zusammen, und zwar ist es das erste von insgesamt vier sogenannten „Gottesknechtsliedern“. Sie heißen so, weil Gott darin einen Menschen als seinen „Knecht“ bezeichnet. Er rüstet ihn aus und gibt ihm einen Auftrag.

Wer dieser Mann ist, und welche Bestimmung er genau hat, ist undeutlich, ebenso der Zusammenhang, in dem die Einsetzung erfolgt. Es wird bewusst verhüllend über ihn geredet, wie in einem Rätsel, so dass wir nicht abschließend klären können, wer hier gemeint ist. Wir erkennen lediglich, dass sich etwas zwischen diesem Knecht und Gott vollzieht, und dann auch zwischen ihm und denen, welchen sein Auftrag gilt. Und zwar wird Dreierlei über ihn gesagt:

Das Erste ist der Satz: „Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn – und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat.“ Er ist also der Beauftragte seines Herrn, sein Werkzeug, das besonderen Schutz genießt und in enger Beziehung zu ihm steht. Er wird von Gott an der Hand gehalten und geliebt.

Zweitens wird als seine Ausrüstung der „Geist Gottes“ genannt, der ihm Kraft gibt, und zwar als dauernden Besitz. Denn Gott sagt über ihn: „Ich habe ihm meinen Geist gegeben“.

Und drittens wird der Zweck der Erwählung und Ausrüstung angeführt: „Er wird das Recht unter die Heiden bringen.“ D.h. der Knecht wird die Ordnung und das Gesetz Gottes verbreiten und wieder herstellen, seinen Willen verkünden, oder anders gesagt: das Glaubensbekenntnis und die religiöse Wahrheit. Und das wird er nicht nur für Israel tun, sondern für alle Völker, also für die ganze Welt.

Danach werden die Eigenschaften dieses Knechtes beschrieben, und die klingen sehr schön. Wenn man es hört, wird einem ganz warm ums Herz, denn genauso stellen wir uns den Heilsbringer vor, der die Welt hell macht: Er benutzt keine schimpfenden und drohenden Worte und versucht nicht, die Massen zu beeinflussen. Er verkündet keine Unheilsbotschaft, die die Menschen niederschmettert. Es ist vielmehr seine Eigenart, dass er „das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird.“ Was dem Tod verfallen ist, wird behutsam und fürsorglich behandelt. Der Gottesknecht nimmt Rücksicht, ist gnädig und gütig. Er strapaziert das Schwache nicht, sondern schützt und hegt es.

Ich sagte ja schon, dass wir nicht wissen, wen der Prophet damit gemeint hat. Klar ist nur, dass Jesaja in einer Zeit gelebt und gewirkt hat, in der die Menschen sich nach so einem „Gottesknecht“ sehnten, und die Verheißung geht auf diesen Wunsch ein.

Wir denken natürlich sofort an Jesus Christus, denn genauso war er. Wir können die Aussagen wunderbar auf ihn beziehen. Das haben die Christen deshalb auch von Anfang an getan, mit Recht, denn wir glauben, dass das alles bei Jesus so war: Er war von Gott beauftragt und trug seinen Geist in sich. Er hat den Willen Gottes getan und verkündet und Barmherzigkeit geübt. Den Schwachen hat er sich zugewandt, niemanden vernichtet, und allen seine Liebe geschenkt. Er war gewaltlos, sanftmütig und friedfertig. Und damit hat er in der Welt ein Licht angezündet, das heller ist als alle anderen. Das glauben wir als Christen.

Aber stimmt dieser Glaube eigentlich mit der Wirklichkeit überein? Ist es durch Jesus Christus wirklich heller in der Welt geworden? Wo werden denn die Schwachen geschont? Wo sind der Frieden und die Gerechtigkeit? Die Menschen bringen sich nach wie vor gegenseitig um, führen Kriege und unterdrücken einander. Das Unrecht schreit zum Himmel, und Gott tut nichts! Diesen Einwand gegen die Verheißungen in der Bibel und unseren Glauben hören wir oft. Lasst uns deshalb darüber nachdenken und dabei in drei Schritten vorgehen.

Zunächst ist es gut, wenn wir nicht mit der allgemeinen Dunkelheit in der Welt beginnen, sondern bei uns selbst. Oft sind wir selber wie ein „geknicktes Rohr“ oder ein „glimmender Docht“. Wir fühlen uns schwach, liegen am Boden, und unsere innere Flamme droht zu erlöschen. Das kann ganz verschiedene Gründe haben. Zurzeit ist es in vielen Fällen die Corona-Situation, die uns zu schaffen macht. Sie raubt uns aus unterschiedlichen Gründen die Kraft und den Frohsinn. Die einen haben Angst vor einer Infektion und ziehen sich zurück. Das macht sie dann einsam und depressiv. Die anderen werden wütend und „gehen spazieren“. Das sind die Pole, zwischen denen es dann viele Spielarten gibt. Die beiden Extreme scheinen gegensätzlich zu sein. Doch was diese Menschen gemeinsam haben, ist das Leid, das sie empfinden. Sie kommen nicht klar, es bedrückt sie, nimmt ihnen die Freude und verdüstert ihre Seele.

Und das kennen wir auch sonst im Leben: Probleme in der Familie, mit der Gesundheit oder im Beruf können genauso dazu führen, dass es uns schlecht geht. Manchmal ist es auch nur eine Gemütsverfassung, für die wir die Gründe nicht kennen. Wir haben einfach nur das Gefühl, dass wir am Ende sind, und nichts mehr geht.

Und das ist traurig. Da helfen dann auch die Lichterketten nicht. Wir zünden sie zwar an, um gegen die Dunkelheit anzukommen, aber wir schaffen es nicht, die Finsternis zu vertreiben. Meistens bleibt alles, was wir diesbezüglich tun, nur ein kläglicher Versuch, und der Kampf ist anstrengend. Das müssen wir als erstes zugeben.

Denn dann können wir zum zweiten Schritt übergehen, der darin besteht, dass wir die Dunkelheit einmal aushalten. Es ist gar nicht immer ratsam, wenn wir sie selber verdrängen wollen. Wir können sie auch relativieren und annehmen.

In der momentanen Situation heißt das, dass wir uns einmal fragen: Was ist eigentlich so furchtbar daran? Es gibt ein paar Vorschriften, die wir nicht gewohnt sind. Wir dürfen einiges nicht, was uns Spaß macht. Das ist lästig und nervig. Aber ist es wirklich schlimm? Wenn wir darunter leiden, ist das auch ein Zeichen dafür, dass wir ganz schön verwöhnt und sogar verweichlicht sind. In anderen Ländern und zu anderen Zeiten gibt und gab es viel schrecklichere Restriktionen. Großer Unsinn ist es z.B., unsere Staatsform als Diktatur zu bezeichnen. In echten Diktaturen geht es völlig anders zu. Da drohen allen Leuten, die sich öffentlich aufregen und äußern, Gefängnis und Folter. Es gibt keine Meinungsfreiheit und keine unabhängige Justiz. Die Menschen werden überwacht, und natürlich existiert auch die Todesstrafe und wird angewandt. Bei uns dagegen geht es lediglich um ein paar Einschränkungen bezüglich unserer Vergnügungen und Treffen mit anderen.

Und was ist mit dem Virus selbst? Es verursacht lange nicht bei allen, die sich damit infizieren, den unabwendbaren Tod. Wir können uns gut davor schützen, haben einen Impfstoff und Krankenhäuser. Es gab in der Menschheitsgeschichte viel fürchterlichere, wirklich todbringende Seuchen. Es ist deshalb gut, wenn wir die Situation weder über- noch unterbewerten, sondern sie relativieren und annehmen. Das ist das Zweite, das immer ratsam ist, wenn es uns mal schlecht geht.

Und als drittes können wir tun, was ein altes chinesisches Sprichwort uns empfiehlt: „Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.“ Diese „Sonne“ gibt es. Es ist Jesus Christus und seine Barmherzigkeit und Liebe. Die sind da, wir müssen nur hinsehen. Der Schauplatz seines Wirkens sind nicht die großen Bühnen der Welt, die Kriege oder Hungergebiete, so wie wir uns das vielleicht wünschen. Er handelt ganz anders. Der Ort des Wirkens Jesu ist das Herz jedes und jeder Einzelnen. Da gilt das, was hier über ihn gesagt wird: Er zerbricht es nicht und löscht das Glimmen darin nicht aus, ganz gleich wie geknickt oder schwach es ist. Und das können wir erfahren, wenn wir uns auf ihn einlassen. Das wäre der dritte Schritt, dass wir uns von Jesus lieben lassen und unser Leben in seine Hand legen. Er offenbart sich dann und beantwortet alle Fragen, nicht mit Gewalt und großen Gesten, auch nicht mit lauten Worten und einem starken Auftreten, sondern mit Liebe und Zuwendung. Wir empfangen Barmherzigkeit, und die wirkt heilend und wohltuend. Die Zweifel kommen zur Ruhe, weil wir erleben, dass er da ist. Wir werden aufgerichtet und froh.

Es wird hell, auch ohne Lichterketten, und dieses Licht bleibt da. Es wird nicht wieder abgebaut, sondern leuchtet das ganze Jahr über, unser Leben lang, bis ans Ende der Zeit und in alle Ewigkeit.

Amen.

Der Mensch denkt, Gott lenkt

PREDIGT über Sprüche 16, 9

Neujahrstag, 1.1.2022, 18 Uhr Lutherkirche Kiel                          

Liebe Gemeinde.

„Mal sehen, ob daraus was wird.“ Diesen Satz benutzen wir gerade sehr oft. Ob es um eine geplante Reise geht, eine Veranstaltung, die wir besuchen wollen, eine Familienfeier, eine Tagung – es kann sein, dass wir das alles zwar vorbereitet haben, dass es aber kurzfristig doch ausfällt oder abgesagt werden muss. Seit zwei Jahren ist das nun schon so, und das ist nervig und anstrengend. Denn es gehört eigentlich zu unserem Lebensstil und -gefühl, dass wir uns Dinge vornehmen und uns darauf dann auch freuen. Gerade am Jahresanfang blicken wir gern nach vorne und halten Ausschau. Das ist unsere Gewohnheit.

Doch in der Pandemie geht das nicht richtig. Alle Vorhaben sind mit vielen Unsicherheiten und Sorgen verbunden, Ängsten und Unwägbarkeiten. Was wird kommen? Wie geht unser gesellschaftliches und persönliches Leben weiter? Wir wissen es nicht.

Bei Lichte betrachtet, ist das allerdings gar nicht so ungewöhnlich. Im Gegenteil, wenn wir nüchtern und realistisch sind, müssen wir zugeben, dass unser Leben immer unsicher ist. Es gibt nicht erst seit der Pandemie Gefahren und Bedrohungen, die alles verändern können, das war von jeher der Fall und deshalb auch schon immer ein Thema für die Menschen.

So steht bereits in den Sprüchen Salomos ein Satz, der sich genau darauf bezieht. Er lautet: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“ Das ist heute unser Predigttext, und es lohnt sich, darüber nachzudenken.

Die Sprüche Salomos handeln davon, wie das Leben gelingen kann. Dabei heißt diese Sammlung nicht deshalb so, weil die Einzelsprüche alle von Salomo stammen, sondern weil sie in seiner Zeit und an seinem Hof entstanden sind. Da gab es sogenannte Weisheitsschulen, in denen junge Menschen in Lebenskunde unterrichtet wurden. Mit Beobachtungen und Ermahnungen gibt ein älterer Mensch seine Lebenserfahrung und seine Einsichten an einen Schüler weiter. Er ist davon überzeugt, dass im ganzen Dasein eine bestimmte Ordnung herrscht, die man beachten muss. Wenn man sie erkennt und danach handelt, wird man mit Glück und Wohlergehen belohnt. Eine große Rolle spielt dabei der Glaube an Gott, denn Gott gilt als der Lenker von allem. Es ist deshalb gut, wenn man seinen Willen erkennt und tut.

Das kommt auch in unserem Spruch und in den Versen, die davor stehen, zum Ausdruck, denn hier wird etwas über Gott und den Menschen und ihre Beziehung zueinander gesagt:

Gott ist derjenige, der hinter dem steht, was wir erleben und was in der Welt geschieht. Sein Walten durchzieht die ganze Schöpfung, und alles was passiert dient einem geheimen Zweck, den er bestimmt. Er hat einen Plan und Gedanken, nach denen er die Geschicke beeinflusst. Sein Wille bestimmt das All. Dabei ist er frei und unabhängig. Er existiert auch ohne uns und war vor allem da.

Über den Menschen wird nun gesagt, dass er sich selber zunächst einmal genauso versteht. Er fühlt sich ebenfalls frei und unabhängig. Er macht Pläne und nimmt sich etwas vor. Er will immer irgendetwas. Er hat Wünsche und Erwartungen und ist dabei ehrgeizig und zielstrebig. Er nimmt sein Leben in die eigene Hand und hält sich für den Lenker seines Schicksals.

Doch genau davor warnt der Weisheitslehrer hier. Er ermahnt seine Schüler, sich in Beziehung zu Gott zu setzen, und sein Leben nicht ohne ihn zu führen. Es ist besser, wenn er sich Gott anbefiehlt, ihn fürchtet und auf ihn vertraut. Er sollte nach seinem Willen fragen und ihm zum Wohlgefallen handeln. Es ist auch gut, wenn er versucht, den geheimen Sinn hinter allem zu erkennen. Es ist klüger, wenn er seine eigenen Pläne immer wieder relativiert und sich in den größeren Zusammenhang stellt, den Gott ihm vorgibt. Denn Gott ist bei denen, die ihn fürchten und auf ihn vertrauen, und lässt ihre Vorhaben gelingen. Dieser Gedanke steht hinter dem Spruch und seinem Kontext, und das ist auch für uns ein hilfreicher Hinweis.

Drei Dinge werden uns damit gesagt:

Zunächst sind wir eingeladen, nüchtern zu sein und zu erkennen, wie das Leben wirklich ist. Wenn wir uns sicher fühlen, machen wir uns im Grunde genommen etwas vor. Denn wir können unser Schicksal nicht vollkommen selber bestimmen. Es geschehen immer Dinge, die wir nicht geplant haben. Jetzt ist es gerade ein Virus und die damit verbundene Politik, die alles durcheinander bringen. Aber so ist das Leben oft. Es gibt unzählig viele Gefahren und Ereignisse, die imstande sind, unsere Vorhaben über den Haufen zu werfen: So können wir z.B. im Straßenverkehr verunglücken, Umweltzerstörungen zum Opfer fallen, in einem Krieg aufgerieben, verletzt, vertrieben oder umgebracht werden, durch eine Krankheit darniederliegen oder sogar sterben usw. Und das gilt es, anzunehmen und zu bejahen. Es ist zwecklos, sich dagegen aufzulehnen, in Panik zu verfallen oder alles zu leugnen. Besser ist es, wenn wir alle unsere Vorhaben von vorne herein relativieren. Das ist das erste, wozu der Weisheitslehrer uns einlädt.

Als zweites folgt daraus, dass es etwas anderes geben muss, das unser Bewusstsein prägen und an erste Stelle in unserem Denken stehen sollte. Und das ist das Vertrauen auf Gott. Es ist genau das Gegenteil von der eigenen Anstrengung, von Plänen und Vorhaben, Leistung und Erfolgen. Das alles soll der Mensch einmal abstreifen. Er soll sich selber loslassen und sein Leben ganz in die Fürsorge Gottes legen. Wir dürfen uns bei Gott ausruhen und ihn tun lassen, uns im Glauben und Vertrauen üben. Damit rüsten wir uns am besten für die unvorhergesehenen Eventualitäten.

Denn dadurch gewinnen wir einen Grund im Leben, der sich nicht so schnell erschüttern lässt. Wir bekommen einen Halt, werden begleitet und getragen. Auch unser Bewusstsein weitet sich, wir werden klug und sehen, dass es noch viel mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als nur das, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, mit unserer Arbeit verwirklichen und gestalten oder mit unsren Worten bewegen. Wir erkennen die ganze Wirklichkeit, wachen auf und sind geschützt. Denn wir fallen nie tiefer als in Gottes Hand, wo wir eigentlich auch hingehören. Das ist das zweite.

Und das dritte ist ein neues Zeit- und Lebensgefühl. Meistens denken wir an das, was kommt, oder an das, was war. Auch Gott bauen wir da gerne ein, indem wir ihn entweder darum bitten, uns bei dem zu helfen, was werden soll, oder ihm für etwas danken, das geschehen ist. Doch Gott ist viel größer als Zukunft und Vergangenheit, er untersteht nicht dieser Zeit. Wir werden ihm nicht gerecht, wenn wir ihn nur in unseren Erfahrungen suchen oder für unsere Vorhaben um Hilfe bitten. Denn er hat nicht gestern gehandelt und wird es auch nicht erst morgen oder übermorgen tun, sondern er ist jetzt da, in diesem Augenblick.

Die Zukunft gibt es nur in unserer Vorstellungswelt. Unsere Gedanken daran sind nichts als Phantasie. Sie bleibt ein Gebäude von Bildern und Ideen. Und die Vergangenheit ist ebenfalls nicht mehr real, sie existiert in unserer Erinnerung und unserem Gedächtnis. Gott dagegen lebt und regiert jetzt. Wir müssen in der Gegenwart mit ihm rechnen, ohne an das Morgen oder an das Gestern zu denken, und zwar mit jedem Augenblick aufs Neue.

Und das ist am Anfang eines Neuen Jahres besser, als alles andere. Wir sollten unsere Phantasie nicht allzu sehr spazieren gehen lassen, weil doch niemand weiß, was kommen wird. Besser ist es, wenn wir uns jetzt Gott anvertrauen und unser Leben jetzt in seine Hand legen.

Als Christen haben wir dafür einen großen und starken Helfer, der das alles vorgelebt hat und uns diesen Weg ebnet. Es ist unser Herr und Heiland Jesus Christus. Lasst uns ihn deshalb darum bitten, dass das neue Jahre in dieser Weise gelingen möge. Wir können das sehr schön mit vier Strophen aus dem Lied tun: „Hilf, Herr Jesu, lass gelingen.“ (EG 61,1.2.4.5)

Amen.