Gott sorgt für uns

Predigt über 1. Mose 28, 10- 15: Jakob schaut die Himmelsleiter

15. Sonntag nach Trinitatis, 9.9.2018, Lutherkirche Kiel

1. Mose 28, 10- 15

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran
11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen.
12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.
13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.
14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.
15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.

Liebe Gemeinde.

Während wir schlafen, träumen wir alle, und zwar in jeder Phase. Wie stark wir uns daran erinnern, ist allerdings sehr unterschiedlich. Und wenn das geschieht, sind uns meistens nur die Bilder vor Augen, die kurz vor dem Aufwachen unseren Traum begleitet haben. Sie sind dann noch sehr lebhaft und oft mit intensiven Gefühlen verbunden. In der Wachrealität sind die Geschehnisse größtenteils eher unwahrscheinlich oder sogar unmöglich. Nur manchmal entsprechen sie auch realen Dingen.

Allerdings haben sie immer etwas mit dem zu tun, was wir wirklich erlebt haben. Das Unbewusste ist beim Träumen aktiv, und wir verarbeiten vieles. Deshalb lohnt es sich auch, Träume zu deuten. In der Psychotherapie geht man davon aus, dass jeder Traum eine Botschaft an uns erhält. Wenn wir sie entschlüsseln, können unsere Träume uns also helfen, uns selber besser zu verstehen und Probleme zu lösen.

Insofern sind Träume immer eine Mischung aus Realem und Irrealem. Anders herum ist es ja auch so, dass wir beim Träumen manchmal wirklich sprechen, weinen oder schreien, oder sogar aufstehen und herum wandeln.

In der Bibel gibt es viele Geschichten über Träume, und dort haben sie immer ganz viel mit der Realität zu tun und sind von großer Bedeutung. Meistens spricht Gott im Traum zu den Betroffenen und gibt ihnen einen Auftrag, eine Warnung, eine Verheißung oder ähnliches. So ist es auch in der Geschichte über den Traum Jakobs von der Himmelsleiter.

Ich vermute, dass ihr die alle kennt, denn es ist eine schöne Geschichte, die in jeder Kinderbibel steht und die wir gerne weitererzählen. Sie ist hell und positiv. Schon das Bild von einer Leiter, die in den Himmel führt und auf der die Engel Gottes auf- und absteigen, vermittelt Hoffnung und Freude. Und dazu bekommt Jakob am Ende noch eine grandiose Verheißung von Gott, die wir gerne auch auf uns beziehen können.

Es ist eine sehr aussichtsreiche Geschichte, und dieser Charakter wird noch stärker, wenn man zusätzlich die Begleitumstände berücksichtigt, in denen das hier geschieht: Jakob hatte nämlich seine Heimat verlassen, er war also auf der Wanderschaft, und das war nicht freiwillig geschehen: Er war auf der Flucht und wurde sozusagen als Verbrecher gesucht. Denn er hatte sich gerade das gesamte Erbe seines Vaters erschlichen und dabei seinen Bruder Esau betrogen. Und Esau war so wütend darüber, dass er seinen Bruder sogar umbringen wollte. Deshalb musste Jakob fliehen. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, um sein Leben zu retten. Gerechterweise hätte Gott ihn für den Betrug auch bestrafen müssen. Ein Todesurteil stand darauf zwar nicht, aber in Ordnung war das Verhalten von Jakob auf keinen Fall gewesen.

Doch erstaunlicher Weise kommt die Strafe nicht. Gott ist nicht zornig und zieht Jakob nicht zur Rechenschaft. Im Gegenteil, er schenkt ihm gleich am Anfang seiner Reise diesen schönen Traum von der Himmelsleiter. Er verbündet sich also mit Jakob und verspricht ihm, dass alles gut wird. Gott wird mit ihm bleiben und ihn behüten, er wird ihn niemals verlassen, und er wird ihm sogar Segen und Reichtum schenken bis weit in die nachfolgenden Generationen. Eine bessere Verheißung kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Gott verspricht ihm alles, was er sich nur wünschen kann, ohne dass er das auch nur im Geringsten verdient hätte.

Dies geschah im Traum, aber es war beim Aufwachen für Jakob Realität. Er hatte Gott wirklich erlebt und gehört, und die Erinnerung daran war mit einem Gefühl von Ehrfurcht und Ergebenheit verbunden. Er war erfüllt von Gewissheit und Vertrauen. Er wusste sich von der Stunde an wirklich bei Gott geborgen und gewann dadurch Trost und Mut.

Das ist die Geschichte, die wir wie gesagt wahrscheinlich alle kennen und mögen. Trotzdem müssen wir uns fragen, wie real diese Verheißung denn nun eigentlich ist. Wenn uns heute jemand erzählen würde: „Ich habe letzte Nacht im Traum eine Leiter gesehen, die bis in den Himmel reicht, und Gott hat mir eine ganz tolle Verheißung geschenkt.“, dann würden wir glaube ich eher auf Abstand gehen und diesen Menschen für etwas überspannt halten. Wir nehmen unsere Träume zwar ernst, aber nicht so. Sie geben uns wie gesagt Aufschluss über uns selbst und über das Unbewusste, aber eine reale Gottesbegegnung leiten wir daraus eher nicht ab. Die Frage ist also, was ist in dieser Geschichte Realität, und was ist nur ein Traum?

Und darauf können wir auch eine Antwort bekommen, und zwar indem wir so etwas wie einen Realitätscheck machen. Wir können ja mal testen, ob an den Bildern des Traumes und an der Verheißung etwas dran ist, und ob sie auch uns tragen kann, und zwar indem wir einfach darauf vertrauen und sie einmal für wahr halten.

Normaler Weise sind wir ja auf die sinnlich wahrnehmbare Welt fixiert: Was wir sehen und hören, anfassen, riechen und schmecken, das existiert für uns und füllt über weite Strecken unseren Alltag. Es prägt unsere Gedanken und Gefühle, und bildet für uns die Wirklichkeit. Auch der Verstand spielt eine Rolle, wenn es um Realität geht. Wahr und wirklich ist, was wir verstehen.

Und darauf gründen wir deshalb auch unser Leben. Irdische Dinge sind der Inhalt unserer Hoffnungen und Pläne. Wissen und Bildung verschaffen uns Sicherheit und Selbstvertrauen, andere Menschen machen uns Mut und geben uns Halt.

Die Frage, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen müssen, ist allerdings, ob das alles ausreicht. So sicher und entspannend sind die „irdischen Güter“ doch gar nicht. In der Bergpredigt spricht Jesus davon, dass die „Motten und der Rost unsere Schätze zerfressen“ (Mt.6,19) , d.h. sie sind vergänglich. Außerdem geht es mit viel Sorge einher, die weltlichen Dinge auch zu erhalten. Wir machen uns viel vergebliche Unruhe damit. Und wenn sie uns genommen werden, fallen wir in ein Loch. Unerwartete Armut oder Krankheit, das Zerplatzen von Wünschen, der Verlust eines Menschen und ähnliche schwerwiegende Ereignisse verdunkeln das Leben. Sie führen uns in Einsamkeit und Angst, Hilflosigkeit und Trauer.

Es ist deshalb gut, wenn wir die Tragfähigkeit und auch den Realitätsgehalt all dieser Dinge von vorne herein kritisch sehen. Es ist ratsam, nach noch mehr zu fragen. Vielleicht besteht die Wirklichkeit ja gar nicht nur aus der Welt und unserem Verstand, und wir können noch viel mehr erleben als das, was wir sehen, fühlen oder denken. Unsere Geschichte lädt uns ein, das einmal auszuprobieren. Darin besteht der Realitätstest.

Er beginnt damit, dass wir uns Zeit nehmen und uns auf die Symbole, die hier vorkommen, einmal einlassen, sie ernst nehmen und betrachten. Religiöse Symbole entspringen alten Mythen, d.h. es sind Bilder, die wir alle im Unterbewusstsein mit uns herumtragen. Sie bringen unsere tiefsten Sehnsüchte zum Ausdruck, und als solche sind sie dann auch real. Es lohnt sich also, in diese Geschichte sozusagen einzusteigen und uns einmal an die Stelle Jakobs zu legen. Dann ergeben sich einige Dinge, die sehr viel Realitätsgehalt haben und dem Test standhalten. Er fällt dann positiv aus.

Zunächst ist da das Bild von der Himmelsleiter, auf der die Boten Gottes hinauf und hinabsteigen. Es macht deutlich, dass es eine Verbindung zwischen dem Himmel und der Erde gibt. Die Leiter ist der Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Die Engel sind dabei die Wesen, durch die Gott in diese Welt hineinkommt. Sie überwachen die Erde, gehen zu einzelnen Menschen und sagen ihnen, was Gott will.

Dieses Bild können wir ruhig genießen, dann wird es hell in unserem Bewusstsein. Das Dunkel lichtet sich, Sorgen werden kleiner, wir fühlen uns nicht mehr allein. Dabei dürfen wir auch die Worte, die Gott hier spricht, auf uns beziehen. Es ist eine ganz persönliche Botschaft. Er sagt: „Ich werde mit dir sein, dich allenthalben behüten, wohin du reist, und dich endlich in dieses Land zurückführen. Denn ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan was ich dir zugesagt habe.“ Das verspricht Gott auch uns. Wenn wir darauf hören und es ernst nehmen, merken wir, dass das nicht nur ein Traum ist, sondern Wirklichkeit. Es wirkt sich aus, wir bekommen Gewissheit und Kraft, wir werden ruhig und getröstet. Das ist ein Ergebnis unseres Testes.

Doch das ist noch nicht alles. Es ist außerdem von Bedeutung, dass Gott Jakob beim Schlafen trifft. Jakob war passiv, er hat selber nichts dazu getan, dass es zu dieser Begegnung kam. Er wurde einfach von Gott aufgesucht und beschenkt. Er durfte sein, wer er war, mit allen Schwächen und Fehlern. Gott hat ihn trotzdem erwählt. Und das heißt für uns, dass auch wir so, wie wir sind, von Gott alles erwarten dürfen. Wir müssen nichts leisten, nicht vorher schon gut sein. Uns wird vergeben, was wir eventuell falsch gemacht haben, weil Gott von sich aus ein Interesse an uns hat. Wenn wir uns das vorstellen, fühlen wir uns frei und erlöst. Wir können uns entspannen, es entstehen Heiterkeit und Freude. Und auch das sind reale Vorgänge, an denen wir merken, dass Gott wirklich da ist.

Die Kindertaufe ist dafür ein sehr schönes Zeichen. Da öffnet sich der Himmel über einem Menschen, ohne dass der etwas dazu tut, und Gott begleitet ihn fortan.

Und daraus ergibt sich als letztes, dass von unserer Seite allein der Glaube dazu gehört, damit das alles geschieht. Wenn die Verheißung Gottes wirken soll, müssen wir nur darauf vertrauen, d.h. seine Liebe in Anspruch nehmen. Dann kann sie sich in unserem Leben entfalten. Es ist also wichtig, dass wir immer wieder bewusst die Wirklichkeit Gottes zulassen, das Sorgen sein lassen und die irdischen Güter relativieren. Dann erweist Gott sich als derjenige, der uns wirklich beschützt und segnet.

Es ist kein Traum, sondern Wirklichkeit. Sie übersteigt zwar unseren Verstand, aber das ist auch gut so. Wir werden hineingenommen in einen Wirkbereich, der größer und heller und schöner ist als die Welt.

Wir dürfen auch gerne das Zeugnis unzähliger anderer Menschen in Anspruch nehmen, die das ebenfalls erfahren haben. Nicht nur Jakob hat die Stimme Gottes gehört und wurde gesegnet, alle Gläubigen vor uns und in unserer Zeit können das erleben. Ihr Bekenntnis kann uns anstecken und uns inspirieren, es ihnen im Glauben gleichzutun.

Lasst uns deshalb vier Strophen aus dem schönen Lied von Georg Neumark, einem Kieler Kaufmann aus dem 17. Jahrhundert singen: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ (EG 369)

Amen.

Dankt dem Herrn!

Predigt über 1. Thessalonicher 1, 2- 10: Der vorbildliche Glaube der Gemeinde

14. Sonntag nach Trinitatis, 2.9.2018, 9.30 und 11 Uhr,
Luther- und Jakobikirche Kiel

1. Thessalonicher 1, 2- 10

2 Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet
3 und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus.
4 Liebe Brüder, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid;
5 denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen.
6 Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist,
7 sodass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja.
8 Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden, sodass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen.
9 Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott
10 und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.

Liebe Gemeinde.

„Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht.“ So lautet ein wichtiger Leitsatz vieler Journalisten. Wir hören und lesen in den Medien fast nur etwas über Krisen, Kriege und Katastrophen, weil wir das angeblich am liebsten wollen. Es ist am spannendsten und stillt die Sensationslust. Aber ist das eigentlich ein sinnvolles Prinzip? Die schlimmen Ereignisse sind doch nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit. Das Große und Ganze besteht aus noch viel mehr. Denn neben allem, das zu Recht beunruhigt und besorgt, gibt es ebenso Gelungenes und Ermutigendes in der Welt: Entwicklungen zum Besseren, Fortschritte in vielen Bereichen, Menschen, die nicht resignieren vor Problemen, Menschen, die Ideen haben, die wiederum andere Menschen inspirieren können usw.

Neben einigen anderen Medien hat sich das auch der Radiosender „NDR Info“ zu Herzen genommen und berichtet deshalb regelmäßig unter dem Stichwort „Perspektiven“ über Lösungen von Problemen, gelungene Projekte, und die Frage, wie eine bessere Zukunft aussieht. Das Vorhaben nennt sich „konstruktiver Journalismus“. Er stärkt das Verständnis für die Probleme und macht optimistisch und handlungsfähig.

Das klingt neu, ist es aber gar nicht. Paulus hat das in seinen Briefen auch schon beherzigt. In dem Abschnitt, der heute unser Predigttext ist, erwähnt er jedenfalls eine gelungene Aktion: Die Missionierung der Thessalonicher war ausgesprochen erfolgreich gewesen, und das erzählt er hier noch einmal voller Dankbarkeit.

Hinter seinen Aussagen stehen bestimmte Ereignisse, über die Paulus sich gefreut hat: Er und seine Begleiter waren in die Hafen- und Handelsstadt Thessalonich gekommen und hatten dort das Evangelium verkündigt. Dabei hatten sie vor allem von Heiden Zulauf erhalten, also Nicht-Juden, die aber bereits im Umfeld des jüdischen Glaubens standen. In wenigen Monaten war daraus eine lebendige Gemeinde gewachsen. Und das war für die erste Christenheit so wichtig geworden, dass man überall mit Staunen von diesen Vorgängen in Thessalonich sprach.

Paulus erkannte darin hauptsächlich Gottes Werk. Er hatte den menschlichen Worten „Kraft, Geist und Gewissheit“ verliehen. Hier war etwas geschehen, was allein als Ergebnis intensiver menschlicher Bemühung nicht zu erklären war. Deshalb ist der Dank von Paulus auch nicht allein an die Gemeinde gerichtet. Es ist gleichzeitig so etwas wie eine positive Rückmeldung an Gott.

Paulus benennt dabei noch einmal, was er gemeinsam mit den Thessalonichern erlebt hat, und er stellt den Weg zum christlichen Glauben bewusst als klare Bekehrung dar. Darin schwingt seine eigene Biografie mit, eine Erinnerung an die Lebenswende vor Damaskus. Menschen, die so etwas erlebt haben, sagen sich und anderen gern, wovon sie sich abkehrten, um sich zugleich des Neuen zu versichern.

Paulus formuliert dieses Neue hier auch, und zwar mit Sätzen aus dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis. Er erwähnt sie am Ende des Abschnittes, wo er sagt: Ihr dient dem „lebendigen und wahren Gott und wartet auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet.“

Am Anfang beschreibt er sehr schön die neue Lebensweise der Thessalonicher, die sich daraus ergeben hat. Sie besteht aus dem „Werk im Glauben, ihrer Arbeit in der Liebe und ihrer Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus.“ Paulus findet in der Gemeinde in Thessalonich also Glaube, Liebe und Hoffnung, und er charakterisiert diese Tugenden noch: Der Glaube der Thessalonicher ist aktiv, von ihm gehen Wirkungen auf die Umwelt aus. Mit der Liebe ist es ähnlich. Sie ist eine Hingabe, die sich aufopfert und um den anderen bemüht. Und für die Hoffnung ist bei den Thessalonichern entscheidend, dass sie sich bewährt. Sie bleiben geduldig, auch wenn das Erhoffte nicht sofort Wirklichkeit wird.

Das ist der positive Bericht des Paulus, und der ist sehr schön. Darüber freuten sich die Thessalonicher bestimmt. Es hat sie ermutigt und gestärkt, vergewissert und aufgebaut. Es war eine durch und durch konstruktive Berichterstattung und Rückmeldung.

Und so etwas tut auch uns gut. Wir sollten uns immer mal wieder bewusst machen, was uns gelingt, was schön ist und gut läuft, im gesellschaftlichen Umfeld, im persönlichen Leben und ebenso in der Kirche und in der Gemeinde. Leider hat uns der Zeitgeist nämlich angesteckt, und wir beachten am liebsten das, was negativ ist. Im kirchlichen Leben sind das rückläufige Zahlen der Mitglieder und Gottesdienstbesucherinnen, abnehmendes ehrenamtliches Engagement, Konflikte unter Mitarbeitenden oder in Gremien, Geldknappheit, die Konkurrenz von allen Seiten usw.

Natürlich suchen wir dabei nach Lösungen, aber finden wir die auch? Machen uns all diese Entwicklungen nicht eher sprach- und ratlos? Es breitet sich doch oft Verzagtheit oder Müdigkeit aus. Wir haben schon so viel versucht! Wie sehr sollen wir uns denn noch anstrengen? Das ist die Frage, die wir uns häufig stellen, und auf die gibt uns Paulus hier eine ganz schöne Antwort. Er sagt uns nämlich:

Anstatt immer nur über das Negative nachzudenken und uns noch mehr abzumühen, könnten wir auch mal dankbar sein für das, was uns gelingt. Wir machen uns das viel zu selten bewusst. Dabei ist die Liste der schönen Ereignisse in unserem Leben, in der Kirche und in der Gemeinde gar nicht so kurz. Es gibt viele wunderbare Begegnungen, die uns bereichern und inspirieren, gute Gedanken und Erfahrungen, die verkündigt werden, lebendigen Glauben, Erbauung und Lobpreis. Anstatt immer nur auf die scheinbar geringe Anzahl der Menschen zu blicken, die sich daran beteiligen, können wir ruhig einmal diese Vorgänge beachten. Das alles findet ja statt und trägt zu unserer Freude bei. Und es sind auch nicht nur menschliche Begebenheiten, sondern hinter all dem dürfen wir gerne den Beistand und die Liebe Gottes sehen. Er ist da und hilft uns. Es ist sein Werk, wenn Menschen von ihm angerührt werden, an ihn glauben, auf ihn hoffen und ihn lieben.

Und für das Gute, das außerhalb der Kirche geschieht, können wir ihm ebenfalls danken. Wer weiß, ob wir den Frieden in weiten Teilen der Welt, Wohlstand und Stabilität nicht ihm zu verdanken haben? Genauso dürfen wir hinter unserer Gesundheit und Zufriedenheit in unserem persönlichen Leben sein Wirken sehen und ihm gerne immer mal wieder dafür danken.

Denn dann geht es uns gut. Mit dem Dank konzentrieren wir uns auf Gott, den „Geber aller guten Gaben“ und verbinden uns mit ihm. Wir spüren seine Nähe, erkennen seine Liebe, und der Glaube wächst. Unser Vertrauen wird durch die Dankbarkeit gestärkt, Hoffnung und Geduld entstehen, und auch die Liebe nimmt zu. Das Danken ist also eine gute Übung für unsere Frömmigkeit.

Es hilft uns auch, wenn die Dinge einmal schlecht laufen. Natürlich sollen wir davor nicht die Augen verschließen. Es gibt durchaus viele Gefahren. Zu unserer Realität gehören das Gute und das Schwere, das Leid und die Freude, und selbstverständlich müssen wir achtsam bleiben. Es geht nicht darum, dass wir die Probleme ausklammern. Wir brauchen Lösungen und Perspektiven. Doch die gewinnen wir eben nicht, wenn wir nur über die Schwierigkeiten nachdenken. Wir brauchen obendrein die Kraft, das Leid zu tragen, und unter den Widerständen nicht zu verzagen.

Auch Paulus kannte Angst und Not. Er wurde oft geschmäht und verspottet und hatte viele Feinde. Aber er wusste in alledem, dass Gott ihn nicht verlässt oder verstößt und am Ende seine Widersacher besiegt. Gott hat ihn mit seiner Gnade immer wieder gefunden und ihm ebenso vieles gelingen lassen, wie z.B. bei den Thessalonichern. Diese Hilfe Gottes hat Paulus erlebt und angenommen, und dadurch blieb er zuversichtlich und unerschrocken. Er konnte umso glaubhafter den Trost des Evangeliums verkündigen. Und so kann es uns auch ergehen. Wenn wir Gott danken, kommt er in unser Bewusstsein, wir spüren seine Gegenwart, und sein Geist kann neu in uns und unter uns wirken.

Außerdem geben wir dabei das Gute, das wir empfangen haben, wieder ab. Wir lassen es los, klammern uns nicht daran und sind nicht mehr darauf fixiert. Der Dank ist also auch ein gutes Mittel gegen die Gier nach immer mehr. Wir hören auf, permanent etwas zu wollen und zu ersterben. Die Anstrengung, die das mit sich führt, fällt von uns ab. Wir werden frei und gelassen, sind offen für neue Gaben und können „das Wort Gottes ein weiteres Mal aufnehmen“ – wie die Thessalonicher.

Der Dank trägt also zum gesamten Wohlbefinden und zum Gelingen des Lebens bei. Deshalb ist es gut, diese Rückkopplung in der Beziehung zu Gott immer wieder bewusst zu praktizieren. Wenn wir es tun, wird auch unser Glaube an Gott bekannt“ und wir werden zu „Vorbildern für alle Gläubigen“. Er ist deshalb auch das beste Mittel, um unsre Gemeinden und die Kirche am Leben zu halten. Wir geben Gott dadurch die Möglichkeit, sie zu erneuern und immer wieder aufzubauen.

Als Kind habe ich das in Hermannsburg, einem kleinen Ort in der Lüneburger Heide, erlebt. Da gibt es seit ca. 170 Jahren ein Missionswerk und genauso lange ein jährliches Missionsfest, bis heute. Früher war dabei der ganze Park des Missionsseminars voll von Menschen aus der näheren und auch weiteren Umgebung. Es wurde eine große Kanzel aus einem Holzgestell aufgebaut, das mit Tannenzweigen verkleidet war, dazu hunderte von Bänken und Stühlen. Die Kirchenfahne war gehisst, Posaunenchöre spielten gemeinsam, Gruppen, Redner und Rednerinnen aus Deutschland und den Jungen Kirchen in Übersee waren zu Gast und erzählten aus ihrem Leben und den Früchten der Mission. Mein Vater arbeitete am Missionsseminar, und so war es selbstverständlich, dass wir als Kinder an diesem Fest teilnahmen. Und obwohl uns die Reden eher langweilten, haben wir uns immer darauf gefreut. Die Stimmung war einfach wunderbar, es war ein riesiges Happening, das wir nicht verpassen wollten.

Bis heute verbinde ich mit diesen Erinnerungen das Lied „Lob Gott getrost mit Singen“. (EG 243) Das war parktisch die Missionshymne. Es stammt aus dem Jahr 1544 und gehört zu den Liedern der Böhmischen Brüder, einer Gemeinschaftsbewegung, die auf Johannes Hus zurückgeht. Es ist ein wunderbar positiver Choral, mit dem wir uns immer noch dafür bedanken können, dass das Wirken Gottes keine Grenzen kennt. Es ruft uns zum „Frohlocken“ auf und stärkt den Glauben ans Gelingen. Auch in „Leid“ und „Widerwärtigkeiten“ gibt es keinen Grund zum Verzagen, denn Gott ist bei uns. Die Kirche ist nicht unser Werk, er hat sie vielmehr „auserkoren“, und sie wurde „durch sein Wort auferbaut.“ Es ist deshalb angemessen und geboten, „Gott fröhlich zu loben“ und zu feiern.

Auch in unserer Gemeinde haben wir das ja in diesem Jahr noch vor. Wir können uns jetzt schon auf den 11. November freuen, an dem wir „mit allem drum und dran“ den Wiederaufbau der Lutherkirche vor 60 Jahren feiern wollen. Das wird uns bestimmt guttun, so wie jedes Mal, wenn wir hier Feste veranstaltet haben. Es stärkt unsere Gemeinschaft, wir erinnern uns an das Gute und Positive, das vor 60 Jahren und bis heute geschehen ist, und geben Gott damit die Ehre. Wir bekennen und stärken unseren Glauben, dass „Gott uns auch erhalten wird in Lieb und Einigkeit und unser freundlich walten hier und in Ewigkeit.“

Amen.