Welche der Geist Gottes treibt

Predigt über Mt. 3, 13- 17: Die Taufe Jesu
11.1.2015, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel

1. Sonntag nach Epiphanias, mit Einführung neuer Kirchenvorsteher

In dem Gottesdienst wurden drei Kirchenvorsteher, die ihr Amt abgegeben haben, entpflichtet, und drei Personen, die nun  als Kirchenvorsteher bzw. Kirchenvorsteherin beginnen. eingeführt.

 

Matthäus 3, 13- 17

13  Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe.
14 Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?
15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s geschehen.
16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen.
17 Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, ban dem ich Wohlgefallen habe.

Liebe Gemeinde.
Das Wort „Berufung“ hat mehrere Bedeutungen. So hat unser Kirchengemeinderat gerade drei Menschen dazu „berufen“, in diesem Gremium mitzuarbeiten. Das sieht das Kirchenrecht so vor, wenn andere ausscheiden, bevor Neuwahlen angesetzt sind. In dem Fall ist eine „Berufung“ ein bestimmtes, rechtliches Vorgehen, eine amtliche Ernennung für eine zeitlich begrenzte Aufgabe.
„Berufung“ kann aber auch noch eine tiefere Bedeutung haben und mit einer besonderen Befähigung einhergehen. Dann spürt jemand einen Auftrag in sich und fühlt sich z.B. zur Künstlerin berufen, zum Arzt oder zum Klosterleben. Die „Berufung“ beinhaltet in dem Fall eine Lebensentscheidung und eine Mission.
Bei Jesus war in gewisser Weise beides der Fall: Er wurde von Gott „berufen“, d.h. in seine Aufgabe eingesetzt, aber die war nun nicht nur ein vorübergehender Auftrag, sondern umfasste sein ganzes Leben. Es war gleichzeitig seine Bestimmung. Der Bericht von seiner Taufe macht das deutlich, da ereignete sich die „Berufung“ Jesu, seine Beauftragung und Amtseinführung, und zwar in recht spektakulärer Weise. So wünscht sich das vielleicht mancher, der nicht genau weiß, was seine „Berufung“ ist: Eine Stimme vom Himmel offenbart es ihm.
Jesus war zu dem Täufer Johannes an den Jordan gekom-men, um sich von ihm taufen zu lassen. Doch bevor das ge-schah, kamen die beiden in ein Gespräch miteinander, das ganz aufschlussreich ist: Johannes wunderte sich über den Wunsch Jesu. Er war ihm vorangegangen und hatte ihn angekündigt, aber ihm war immer klar gewesen, dass er der Geringere war, der Wegbereiter, der dem Stärkeren nur die Türen öffnete. Deshalb fragte er erstaunt: „Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?“ Und das war eine sehr berechtigte Frage. Wir wundern uns darüber wahrscheinlich genauso, und so ganz unkompliziert war die Antwort Jesu auch nicht. Sie lautete: „Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Damit meinte Jesus wohl den Willen Gottes, die rechte Ordnung, das, was Gott vorgesehen hatte. Und dazu gehörte es, dass Jesus auf einer Stufe mit den Menschen stand, dass er mitten unter die Sünder ging und sich von ihnen nicht unterschied. Er ließ sich taufen wie alle anderen, die ihre Sünden bekannt hatten, um die Vergebung Gottes durch die Taufe zu empfangen.
Johannes ließ es dann auch geschehen, er taufte Jesus, und dabei bekannte sich Gott nun zu ihm. Jetzt wurde doch deutlich, dass hier ein besonderer Mensch getauft wurde, denn „der Himmel tat sich auf und der Geist Gottes fuhr in einer Erscheinung auf Jesus herab“. Er sah aus „wie eine Taube und kam über ihn.“ Zu dieser Vision wurde eine Stimme hörbar, die sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Jesus wurde also öffentlich zum Messias ausgerufen. Gott erklärte seine engste Verbindung mit ihm. Die Menschen, die dieses Ereignis mitbekamen, sollten das wissen und anerkennen. Es war eine Proklamation, die bewusst am Beginn der Wirksamkeit Jesu stand. Von nun an handelte und lebte er gemäß dieser Bestimmung. Dabei wird an seiner Taufe deutlich, dass er von Anfang an mitten unter den Menschen lebte, er war einer von ihnen. Er ging gehorsam und demütig seinen Weg und erfüllte den Auftrag, den Gott ihm gegeben hatte.
Und das ist bis heute so: Wir glauben daran, dass Gott in Jesus gegenwärtig ist, dass durch ihn Gott mitten unter uns ist und uns seine Liebe schenkt. Wenn wir Jesus folgen und uns zu ihm bekennen, haben wir Anteil am Reich Gottes. Wir werden ebenfalls zu „seinen Kindern“, wie es im Römerbrief heißt, denn auch uns „treibt der Geist Gottes“. (Römer 8, 14)
Doch was bedeutet das nun für unser Leben? Lassen Sie uns über diese Frage noch einmal nachdenken. Und zwar können wir uns das gut am Amt des Kirchenvorstehers bzw. der Kirchenvorsteherin klar machen. Dabei hilft es, wenn wir dieses Amt einmal mit anderen Betätigungen ähnlicher Art vergleichen.
Es steckt ja Engagement dahinter, wenn ihr dazu bereit seid. Und das trifft auf viele Menschen zu. So kann man sich auch in der Politik engagieren, für Jugendliche oder Flüchtlinge, für die Umwelt, im Stadtteil, in künstlerischen Projekten, bei einer Zeitung und vielem mehr. Wer das tut, folgt seinen Begabungen und Interessen. Oft hat es auch etwas mit der eigenen Geschichte zu tun, mit der Umgebung, in der man lebt. So gibt es in Gaarden jetzt z.B. Menschen, die sich dafür einsetzen, dass das Freibad erhalten bleibt. Ich verstehe das gut und war bei einer Versammlung auch dabei, denn ich schwimme dort selber sehr gern im Sommer und bin betrübt darüber, dass es geschlossen werden soll.
Wer sich in dieser Weise engagiert, kämpft für etwas, er verfolgt Ideen und Ziele, will und macht etwas. Man treibt eine Sache voran und wehrt sich eventuell gegen andere. Und das ist gut so. Wir brauchen solche Initiativen und Gruppen, Bewegungen und Parteien.
Die Arbeit im Kirchenvorstand gehört mit dazu. Da bringen wir uns ebenso an einer Stelle in der Gesellschaft ein und versuchen, etwas voranzutreiben. Es gibt auch eine große Schnittmenge zwischen kirchlichem und gesellschaftlichem Engagement. So vereint viele verantwortungsbewusste Bürger und Bürgerinnen z.Zt. der Einsatz für Flüchtlinge. Der Punkt steht z.B. auf unserer nächsten Tagesordnung, doch damit sind wir nicht allein. Es gibt genauso viele unkirchliche Initiativen, die auf diesem Gebiet aktiv sind. Dabei ziehen alle an einem Strang und vernetzen sich sogar, und das ist gut. Ebenso geht der Einsatz für den Frieden über alle Grenzen hinweg und vereint die Menschen, ganz gleich, welcher Überzeugung oder welchem Glauben sie folgen. Nach den Anschlägen in Paris ist das erst recht so. Es spielt keine Rolle, ob jemand bei der Kirche für Gerechtigkeit kämpft oder in einer Partei oder in einer anderen Religion: Alle wünschen sich, dass so etwas aufhört, und tun, was ihnen möglich ist.
Doch trotz aller Gleichheit gibt es etwas, das uns als Christen von anderen unterscheidet, und das ist der Geist Gottes. Er bewirkt etwas, das so nirgends sonst geschieht. Was das ist, wird am ehesten klar, wenn wir uns die Grenzen vor Augen halten, die jedes politische oder soziale Engagement mit sich führt. Das Verfolgen der eigenen Ziele kann nämlich leicht zu einer gewissen Starrheit im Denken führen, man legt sich auf eine Linie fest und verschließt sich gegenüber anderen Meinungen. Die Gefahr des Fundamentalismus ist nie weit entfernt. Man fängt an, Macht auszuüben und setzt andere unter Druck. Wenn es ganz schlimm kommt, wird man zum Fanatiker.
Natürlich gibt es das alles auch im Christentum, doch wo sich der Glaube so entwickelt hat, ist etwas schief gelaufen. Wenn wirklich der „Geist Gottes uns antreibt“, sind wir davor geschützt. Denn dann folgen wir nicht einer Idee oder einer Überzeugung, wir empfangen vielmehr eine Kraft. Im Mittelpunkt steht kein Programm und kein Projekt, sondern die lebendige Gegenwart Christi. Was wir uns wünschen, ist längst Wirklichkeit, denn die Liebe Gottes ist in dieser Welt, weil Christus mitten unter uns ist. Er ist unsere gemeinsame Mitte. Durch ihn leben wir als „Kinder Gottes“ und hören immer wieder auf seine Stimme. Wir dienen ihm und vertrauen auf seine Gnade. Wir machen nicht etwas, sondern leben in der Nachfolge.
Wer im Reich Gottes mitarbeitet, braucht deshalb auch keine besonderen Gaben. Es reicht, wenn er oder sie Zeit und Bereitschaft einbringt, Offenheit und Zuversicht. Er legt sich nicht auf Inhalte fest, sondern wird durchlässig für die Liebe Gottes. Sie fließt in das Leben hinein, und das ist das Entscheidende. Wer sich Christus zur Verfügung stellt, übt keine Macht über andere aus, er wird vielmehr mitfühlend und geduldig, friedfertig und fröhlich. Erst daraus ergibt sich alles Weitere.
Wenn ihr im Kirchengemeinderat mitarbeitet, heißen wir euch deshalb auch nicht nur herzlich Willkommen und bitten euch um eure Emailadresse, wie z.B. bei der Initiative für das Frei-bad, sondern wir feiern einen „Gottesdienst zur Einführung und Entpflichtung“. Anfang und Ende stehen unter dem Segen Gottes. Wir begleiten euch mit Gebet und sprechen euch den Geist Gottes zu.
Und das tun wir auch nicht nur heute für euch sechs. So rufen wir uns immer wieder alle in Erinnerung, was uns erfüllt, wovon und wofür wir leben. Unsere Bestimmung ist es, den Geist Gottes zu empfangen und „Kinder Gottes“ zu sein. Dazu sind wir alle berufen, die wir an Christus glauben, ob wir im Kirchengemeinderat mitarbeiten oder nicht. Unsere Lebensentscheidung besteht darin, auf Christus zu vertrauen, und unser Auftrag ist die Liebe.
Amen.