Glauben, nicht wissen

Predigt über Johannes 20, 19- 29: Der Auferstandene erscheint im Kreis der Jünger
1. Sonntag nach Ostern, Quasimodogeniti
6. und 7.4.2024, 18 und 11 Uhr, Luther- und Jakobikirche Kiel

Johannes 20, 19- 29

19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.
24 Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!
27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!

Liebe Gemeinde.

Im Jahr 1274 v. Chr. verwandelte Pharao Ramses II. die schwere Niederlage in seinem Kampf gegen die Hethiter in einen triumphalen Sieg. Mit Hilfe eines monumentalen Reliefs, das die Schlacht darstellte, produzierte er bewusst eine falsche Nachricht, um die Öffentlichkeit für seine politischen Ziele zu manipulieren.

Für dieses Vorgehen gibt es ein Schlagwort: „FakeNews“. Das ist Englisch und bezeichnet Nachrichten, die im Stil echt wirken, aber gezielt Unwahrheiten in die Welt setzen. Die gibt es also schon seit Menschengedenken. Heutzutage verbreiten sie sich meistens im Internet. 2017 nahm der Rechtschreibduden den Ausdruck auf und definierte ihn als „umgangssprachlichen Begriff für Falschmeldungen, die in den Medien, besonders in sozialen Netzwerken, in manipulativer Absicht verbreitet werden“.

War die Botschaft von der Auferstehung Jesu auch so eine Falschmeldung? Ein Jünger Jesu, Thomas, sah das so, als die anderen ihm sagten: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Das war nämlich geschehen, denn „am Abend des ersten Tages der Woche […] kam Jesus und trat mitten unter sie [die Jünger], und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!“

Das war für sie ein sehr schönes Erlebnis mit guten Folgen: Sie wurden dadurch von ihrer Angst und Trauer befreit, die sie nach dem Tod Jesu ergriffen hatte. Die Furcht wich der Freude. Und noch etwas gab Jesus bei dieser Begegnung seinen Jüngern: Er schenkte ihnen „seinen Frieden“ und seinen „Geist“. Außerdem sendete er sie in die Welt, um sein Heilswirken an den Menschen fortzusetzen. Er reinigte sie von ihren Sünden und bevollmächtigte sie, in Zukunft ebenfalls Sünden zu vergeben. Er gab ihnen also eine umfassende Zusage, auch weiterhin bei ihnen zu sein und durch sie in der Welt zu handeln. Das waren die wunderbaren Wirkungen seines Erscheinens.

Doch leider war einer von ihnen nicht dabei, Thomas. Er kam zu spät, als Jesus schon wieder weg war. Deshalb wurde er gleich mit der Neuigkeit überschüttet, sie teilten ihm die gute Nachricht mit. Thomas konnte das allerdings nicht glauben. Er zweifelte daran, dass die Nachricht echt war, und forderte stärkere Beweise. Er musste Jesus auch erstmal sehen und berühren, bevor er überzeugt war.

Acht Tage später gab Jesus ihm dazu dann tatsächlich die Möglichkeit. Er tauchte noch ein zweites Mal auf, um den Wunsch von Thomas zu erfüllen. Er zeigte ihm seine Wunden und erlaubte ihm, sie zu berühren.

Doch dazu kam es dann gar nicht mehr. Thomas war bei seinem Erscheinen schon so überwältigt, dass er das Anfassen nicht mehr brauchte. Vielleicht schämte er sich sogar plötzlich für sein Begehren, denn er sagte nur noch: „Mein Herr und mein Gott!“ Er war auch durch die Begegnung schon tief ergriffen und überzeugt. Es hat sich ein Umschwung in seiner Seele vollzogen, ein völliger Wechsel vom Unglauben zum Glauben. Jesus hat den zweifelnden Jünger für sich gewonnen. Das kommt in dem vorbehaltlosen Bekenntnis zum Ausdruck, das Thomas ablegt.

Die Erzählung hat darin ihren Höhepunkt, aber es folgt noch ein abschließender Appell Jesu, ein Wort, das auch an die spätere Gemeinde gerichtet ist, das dem Evangelisten am Herzen liegt. Es ist in eine Seligpreisung gekleidet, die lautet: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ D.h. in Zukunft wird nicht nur das Berühren, sondern auch das Sehen wegfallen, da wird es nur noch das mündliche Zeugnis geben, und das muss reichen. Der Glaube muss ohne das Wunder auskommen, er muss sich vertiefen und beim Hören der Botschaft entstehen.

Ursprünglich war das der Schluss des Johannesevangeliums, und das macht auch Sinn. Jesus erschien ein letztes Mal. In der Zeit danach geschieht die Begegnung mit ihm auf andere Weise. Wir sollten deshalb danach fragen, wie der Glaube ohne das Sehen und Berühren Jesu, ohne Wunder und sinnfällige Zeichen entstehen kann.

Leicht haben wir es damit auch nicht. Oft haben wir wie Thomas Zweifel: Ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu nicht doch eine Falschmeldung? Das fragen wir uns, und das ist auch berechtigt. Wir sollten die Nachricht gründlich überprüfen.

Das dürfen wir allerdings nicht mit den üblichen Mitteln tun. Recherchen und wissenschaftliche Untersuchungen helfen uns nicht weiter. Auch das theologische Studium von Quellen oder Meinungsforschung nützen nur wenig. Wir sollten uns lieber fragen, was der Glaube an den Auferstandenen mit uns macht. Seine Wirkung unterscheidet sich nämlich erheblich von den üblichen Falschmeldungen. Sie werden wie gesagt bewusst in die Welt gesetzt, um uns zu manipulieren. Irgendjemand verfolgt ein Ziel, und meistens schürt er oder sie Angst. Wir werden verunsichert und eingeschüchtert. Es wird Misstrauen gesät, und die Gesellschaft wird gespalten. Es kann zu Hass und Gewalt kommen.

Mit dem Evangelium verhält es sich dagegen ganz anders. In unserer Geschichte werden mehrere Dinge genannt, die durch das Evangelium entstehen: Freude, Friede und die Freiheit von Sünden. D.h. wenn wir glauben, ist der Trauer ein Ende gesetzt, es gibt eine Hoffnung auf das ewige Leben. Uns wird außerdem ein Friede gegeben, der „höher ist als alle Vernunft“. (Phil.4,7) Er ist ein geistiges Gut, ein inneres Geschenk, das den aktiven Friedenswillen fördert. Und das dritte, die Sündenvergebung, geschieht bei unserer Taufe: durch sie werden wir mit Gott verbunden und neu geschaffen. Wir empfangen also wunderbare Gaben, wenn wir an den Auferstandenen glauben. Und damit haben wir bereits ein erstes Argument, das für diesen Glauben spricht.

Der Mathematiker Blaise Pascal hat das im 17. Jahrhundert bereits durchdacht und es hat ihn überzeugt. Wir nennen seine Argumentation die „pascalsche Wette“. Er hat dafür eine Analyse von vier Optionen hinsichtlich des Glaubens an Gott zusammengestellt. In Bezug auf die Botschaft von der Auferstehung Jesu können wir sie folgendermaßen übersetzen:

Sie kann wahr sein oder nicht, das sind die ersten beiden Möglichkeiten. In beiden Fällen kann man glauben oder nicht, so dass sich vier Optionen ergeben, eben zwei mal zwei.

In zwei Fällen spielt es keine Rolle, wie wir uns entscheiden, nämlich dann, wenn die Botschaft nicht wahr ist. Wir gewinnen oder verlieren weder durch den Glauben noch durch den Unglauben etwas. Für unser Leben ist es ist egal, was wir tun.

Wenn es aber wahr ist, dann unterscheiden sich die beiden Verhaltensweisen demgegenüber ganz erheblich: Durch den Glauben daran würden wir nämlich all das gewinnen, was in unserer Geschichte vorkommt: Freude, Friede und Vergebung. Wenn wir es aber nicht glauben, verpassen wir eine ganz große Chance und würden am Ende alles verlieren.

Das ist die Analyse der Möglichkeiten, und aus ihr folgert Pascal, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben. In unserem Zusammenhang heißt das: Es kann sich nur lohnen, wenn wir uns auf die Botschaft Jesu einlassen, schaden tut es nicht. Und das ist durchaus ein gutes Argument für den Glauben, das sich aus dem logischen Denken ergibt.

Doch darin steckt auch noch mehr, als nur eine gedankliche Analyse: Es wird klar, dass wir uns für den Glauben entscheiden müssen, und das ist der zweite Punkt. So hat es auch Jesus gesehen. Er hat die Jünger in die Entscheidung gerufen, und das tut er immer noch. Bei dem Evangelium von der Auferstehung geht es nicht nur um eine Nachricht, sondern um Jesus selber. Er möchte uns begegnen, und es gilt, dafür offen zu sein. Bei Thomas ist das geschehen. Er war plötzlich ergriffen, seine Haltung ist umgeschwungen, er hat eingesehen, was wahr ist, und sich zu Jesus bekannt. Dem Zweifelnden hat sich in der Begegnung mit dem Auferstandenen erschlossen, dass ihm in Jesus Gott selber begegnet, in seiner Hoheit, Macht und Liebe. Und das können auch wir erleben, wenn wir uns für ihn entscheiden. Das ist der zweite Punkt.

Und als drittes geht es darum, dass wir dann auch in eine Beziehung zu Jesus treten, ihm vertrauen und ihm nachfolgen. Er ist der Größere, der Stärkere, der Lebendige, und es ist gut, wenn wir ihn in unser Herz lassen. Wir müssen uns an ihn binden und mit ihm leben.

Das hat der Bildhauer Ernst Barlach sehr schön in einer Plastik dargestellt, die Thomas und Jesus zeigt. Thomas hält sich da an Jesus fest, er kann ohne ihn kaum stehen, er wirkt zerzaust, schwach und hilfsbedürftig. Er braucht Jesus. 

Und so kann es uns auch gelegentlich gehen, das sollten wir zugeben: Wir sind nicht immer oben auf, sondern oft ängstlich und voller Sorgen und Nöte. Wir klammern das am liebsten aus unserem Leben aus oder verstecken es, weil wir uns dafür schämen. Denn in unserer Gesellschaft soll man möglichst immer ganz toll sein. Das ist unser Lebensgefühl und auch der Druck unter dem wir stehen. Doch das kann uns zu schaffen machen, denn die Realität ist anders. Das Scheitern und das Leid gehören ebenfalls zu unserem Leben. Und dahinein lautet die Botschaft Jesu: Das darf auch so sein. Wir dürfen schwach sein und uns an ihm festhalten. Denn er ist da. Er ergreift uns und richtet uns wieder auf. Wir müssen uns nur ihm zuwenden, uns für ihn entscheiden und uns ihm anvertrauen.

Das wäre der Glaube, der auch ohne Sehen auskommt. Jesus sagt, dass diejenigen „selig“ sind, die so glauben. Und das heißt, es geht ihnen gut, sie sind getröstet und werden geheilt. Sie sind glücklich und zufrieden. Denn ein solcher Glaube geht tiefer, als das bloße Sehen, er trägt und hält uns wirklich.

Im Unterschied zu dem Relief von Ramses II. können wir uns also getrost Bilder vom Auferstandenen anschauen und Geschichten darüber lesen. Es sind keine Fake News, die uns manipulieren und in die Irre führen, sondern Bekenntnisse, die Frieden stiften und uns froh und frei machen. Sie schenken uns alles, was wir im Leben und im Sterben brauchen.

Jesus – der „Herr der Gnaden“

Predigt über Johannes 13, 1- 15: Die Fußwaschung
Gründonnerstag, 28.3.2024, 18 Uhr, Lutherkirche Kiel

Johannes 13, 1- 15

1 Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
2 Und beim Abendessen, als schon ader Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten,
3 Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging,
4 da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.
5 Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
6 Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?
7 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.
8 Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
9 Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
10 Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.
11 Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
12 Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe?
13 Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch.
14 Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen.
15 Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.

Liebe Gemeinde.

„Kommt her, ihr seid geladen, der Heiland rufet euch; der süße Herr der Gnaden, an Huld und Liebe reich, der Erd und Himmel lenkt, will Gastmahl mit euch halten und wunderbar gestalten, was er in Liebe schenkt.“ (EG 213,1) So dichtete Ernst Moritz Arndt 1819, und damit bringt er sehr schön zum Ausdruck, was das Abendmahl bedeutet: Es ist eine Einladung und ein Geschenk Jesu für uns.

Er hat es kurz vor seinem Tod eingesetzt. Das wird in drei Evangelien berichtet, bei Matthäus, Markus und Luklas. Im vierten Evangelium fehlt diese Geschichte, aber dass Jesus ein letztes Mal mit seinen Jüngern zu Abendbrot aß, kommt dort ebenfalls vor. Der Evangelist Johannes richtet sein Augenmerk allerdings auf ein Ereignis, das vor diesem Mahl stattfand. Das war für ihn offensichtlich wichtiger. Es ist die Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vornahm. Er wusste, dass er in der kommenden Nacht gefangen genommen würde um hingerichtet zu werden und er wollte seinen Jüngern noch einmal zeigen, dass er der „Herr der Gnaden war, an Huld und Liebe reich“. Er gab ihnen damit auch ein Beispiel für ihren Dienst aneinander. Das erklärte er ihnen zum Abschied.

Aber vorher „erhob er sich vom Mahl, zog sein Gewand aus und legte sich ein Tuch um die Lenden wie ein Sklave. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Lendentuch abzutrocknen.“ (Das Neue Testament und Frühchristliche Schriften, übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christine Nord, Frankfurt a.M. 2003, S.343f) ) So wird es hier beschrieben. Die Fußwaschung selbst war dabei nichts Besonderes, das geschah damals immer, wenn man ein Haus betrat und sich zum Essen versammelte. Die Füße waren ja meistens staubig von der Reise, denn man ging normalerweise zu Fuß und trug nur Sandalen. Ein Sklave wusch den Gästen deshalb den Staub von den Füßen. Das war wie gesagt normal. Aber dass Jesus, der gerade im Johannesevangelium überall der Gottessohn genannt wird, das jetzt tat, das war ungeheuerlich.

Deshalb konnte Petrus das auch nicht ertragen. Zweimal wehrte er sich dagegen, und zweimal musste Jesus ihm erklären, warum er das machte. Seine zweite Antwort war sogar eher eine Warnung: „Wenn ich dir nicht die Füße wasche, dann bekommst du nichts ab von dem, was ich bin“, (s.o.) sagte er. Er machte also deutlich, dass es nicht nur irgendein Liebesdienst war, den er hier ausübte, sondern die Fußwaschung war ein Gleichnis für das, was er den Menschen sowieso schenken wollte, nämlich die Ewigkeit und die Liebe Gottes, und damit Hoffnung und Zuversicht. Mit der Fußwaschung zeigte Jesus, dass er das den Jüngern wirklich gab. Schließlich verstand Petrus das dann und ließ deshalb zu, dass Jesus ihm die Füße wusch.

Und dann folgt noch eine zweite Erklärung von Jesus. Er sagte: „Als Herr und Lehrer habe ich euch die Füße gewaschen, und nun müsst ihr euch auch gegenseitig die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr genauso handelt wie ich.“ (s.o.) Er verpflichtete seine Jünger also zu Hilfsbereitschaft und zu selbstloser Liebe.

Die Geschichte veranschaulicht sehr schön die Ermahnung Jesu aus dem Matthäusevangelium: „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele.“ (Mt. 20, 21ff) Beide Erklärungen Jesu kommen darin vor: Die Ermahnung zum gegenseitigen Dienst und seine eigene Selbsthingabe zur Erlösung von uns allen. Es gehört zusammen und lässt sich nicht voneinander trennen. Auch wir sollten uns die beiden Erklärungen zu Herzen nehmen.

Dabei finde ich es allerdings wichtig, dass wir sie hintereinander beachten. Möglicherweise liegt uns die zweite Deutung nämlich näher: Dass wir als Christen hilfsbereit und liebevoll sein sollen, das wissen wir und das finden wir auch wichtig. Es ist ja auch relativ einfach, weil es eine klare Handlungsanweisung ist. Uns wird gesagt, was wir tun sollen. Und über so etwas sind wir meistens froh. Das ist praktisch und verständlich. Außerdem ist es schön, anderen zu helfen, denn wir werden dadurch zu guten Menschen und finden viel Anerkennung. Wir können mit dem Beispiel Jesu also etwas anfangen.

Aber ganz so einfach ist das alles leider nicht. Es gibt zwei Hürden, die uns im Weg stehen. Die erste ist die, dass wir natürlich die anderen Impulse weiter in uns haben, die der Macht und des Gegeneinanders, der Lieblosigkeit und der Ablehnung. Es gibt viele Situationen, in denen wir den anderen Menschen gar nicht so gerne dienen. In unserer nächsten Umgebung kann das z.B. so sein: Mit Familienangehörigen, Nachbarn, Arbeitskollegen, Bekannten oder anderen Gemeindemitgliedern gibt es ja oft Konflikte oder sogar Streit. Die anderen regen uns auf, wir ärgern uns über sie und es fällt uns schwer, liebevoll zu sein. Wir sind keine Heiligen. Im Gegenteil, die negativen Gefühle und Verhaltensweisen sind manchmal sehr stark und gewinnen die Oberhand.

Wenn wir uns das Weltgeschehen anschauen, merken wir das erst recht. Machthaber führen Kriege und wenden Gewalt an, Aggression und Zerstörung scheinen auf dem Vormarsch zu sein. All das ist dem Menschen möglich, es schlummert in jedem und jeder.

Es reicht deshalb nicht, wenn wir uns einfach nur etwas anderes vornehmen. So leicht kommen wir nicht gegen unsere Veranlagung an. Selbst wenn wir es versuchen, bleibt vieles kümmerlich. Unser Miteinander verläuft anders, als wir es uns vorstellen, wir scheitern an uns selbst und haben keinen Erfolg in der Liebe. Das ist die erste Hürde.

Und die zweite besteht darin, dass es schwerfällt, das zuzugeben. Der nüchterne Blick auf unser Leben ist unangenehm. Wir schauen uns unsere schlechten Seiten nicht so gerne an. Vielleicht haben wir sogar Angst davor, denn von allen Seiten wird uns eingetrichtert, dass wir gut sein müssen. Wir fürchten uns vor dem Versagen, vor der Strafe, die das eventuell nach sich zieht, vor der Ablehnung und der Verurteilung durch andere.

In der Bibel und in der christlichen Tradition ist es das Thema der Sündenerkenntnis, und das ist nicht umsonst unpopulär geworden. Wir fühlen uns dadurch klein gemacht, es ist zu negativ, zu düster und zu autoritär. Wir wollen lieber Anerkennung, etwas gelten und gut dastehen.

Das ist auch verständlich, aber sind wir auf einem guten Weg, wenn wir die Sünde einfach ignorieren? Sie ist ja da, in Form der beiden Hürden, die ich beschrieben habe, und wir sollten sie lieber ernst nehmen. Es hängt auch beides miteinander zusammen. Oft bedingt das eine sogar das andere: Wir versuchen, gut zu sein und dazu gehört es, dass wir unsere Schwächen zudecken. Wenn wir scheitern, strengen wir uns lieber noch mehr an, werden unehrlich und kommen so nie aus dem Kreislauf heraus. Wir bleiben gefangen in unseren Ansprüchen und unserem Versagen. Es entsteht keine echte Liebe, kein Friede und kein Heil. Je mehr wir es versuchen, umso weiter scheint sich das alles zu entfernen. Das ist unser Dilemma.

Doch es gibt eine Lösung, denn genau das hat Jesus erkannt. Darum ging es ihm in seiner Sendung, seiner Botschaft, seinem Handeln und schließlich in seinem Tod. Er hat mit seinem Leben und Sterben genau diesen Ablauf durchbrochen. Die Geschichte der Fußwaschung zeigt das sehr schön. Er ermahnt die Jünger darin nicht nur, sondern zunächst tut er selber etwas. Er wendet sich ihnen zu und dient ihnen, und das gilt auch für uns: Er schenkt uns sich selber, und das dürfen nicht überspringen. Seine Liebe und Barmherzigkeit müssen immer vor allem anderen stehen, nur dann werden wir erlöst. Es ist also entscheidend, dass wir seiner Einladung folgen, zu ihm kommen und uns seinen Dienst gefallen lassen.

Und das ist nicht schwer, denn vor ihm müssen wir keine Angst haben, uns nicht fürchten oder schämen, er nimmt uns so an, wie wir sind, mit all unseren Fehlern und Schwächen. Das dürfen wir glauben und darauf vertrauen.

Dann verändert sich etwas, es geschieht ganz viel mit uns. Wir können uns z.B. wirklich entspannen. Die Anstrengung fällt von uns ab, wir werden froh und ruhig und mit einer wohltuenden und heilenden Kraft erfüllt. Wir gewinnen ein ganz neues Lebensgefühl, bei dem wir uns nicht klein vorkommen, sondern frei und stark.

Und dadurch können wir plötzlich auch ganz anders miteinander umgehen. Die Nächstenliebe ist eine Wirkung der Liebe Jesu, denn wir werden selbstloser und offener, liebevoller und barmherziger. Wir geben die Gnade und die Liebe, die wir durch Jesus empfangen, ganz von selber weiter. Sie prägt unser Miteinander und ist eine Wirkung des Geschenkes, das wir von ihm bekommen haben.

Jesus wird nicht umsonst der „Heiland“ genannt. Das Wort kommt auch in dem Lied vor, das ich zu Eingang erwähnte Es ist zwar ein altmodischer Ausdruck, den wir heutzutage kaum noch verwenden, aber es ist sehr aussagekräftig. Denn darin ist das Wort „Heil“ enthalten, und das bringt Jesus uns wirklich. Er ist mehr als ein Arzt oder Therapeut, mehr als ein guter Mensch oder Prophet. Er ist vielmehr der Sohn Gottes, und was er uns gibt, hat eine göttliche Qualität. Es ist ein Geschenk des Himmels, das tiefer geht als körperliche oder seelische Gesundheit. Es beinhaltet Rettung und Erlösung aus unserer Verlorenheit.

Das Böse in der Welt wird dadurch zwar nicht gestoppt, aber überall, wo Menschen es annehmen, entstehen Inseln der Hoffnung und des Friedens. Und die sind ein Zeichen dafür, dass es das Gute und die Liebe doch gibt.

Auch das Abendmahl ist so eine Insel, denn da wird das alles sehr schön abgebildet. Ernst Arndt hat das in seinem Abendmahlslied in der zweiten Strophe formuliert. Es heißt dort: „Kommt her, verzagte Sünder, und werft die Ängste weg, kommt her, versöhnte Kinder, hier ist der Liebesweg. Empfangt die Himmelslust, die heilge Gottesspeise, die auf verborgne Weise erquicket jede Brust.“

Wenn wir das Abendmahl feiern, ereignet es sich, dass Jesus zu uns kommt. Wir empfangen ihn selber, seine Kraft und Liebe ziehen in uns ein und stiften wahre Gemeinschaft. Lasst uns das Abendmahl deshalb heute mit Dank und Freude feiern und empfangen.

Amen.

Der Blick auf das Kreuz Christi

Predigt über 4. Mose 21, 4- 9: Mose richtet die eherne Schlange auf

2. Sonntag der Passionszeit, Reminiszere, 25.2.2024, Gethsemanekloster Riechenberg, Goslar

4. Mose 21, 4- 9
4 Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege
5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier und uns ekelt vor dieser mageren Speise.
6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben.
7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk.
8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.
9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Liebe Gemeinde.

Auf ihrer Wanderung durch die Wüste haben die Israeliten immer wieder „gemurrt“, denn sie hatten Hunger, es ekelte ihnen vor der mageren Speise und sie sahen kein Ende ihrer mühsamen Wanderung.

So eine „Murrgeschichte“ haben wir eben gehört. Sie klingt zunächst ganz harmlos, wir können uns das alles gut vorstellen und nachvollziehen, es ist menschlich. Doch dann entwickelt sich die Geschichte sehr dramatisch. Denn die Vorwürfe des Volkes richteten sich nicht nur gegen Mose, sondern hauptsächlich gegen Gott. Das Murren war nicht einfach nur Zeichen einer schlechten Stimmung, sondern zeigte an, dass die Israeliten nicht mehr an die Verheißung Gottes glaubten, sie in ein schönes Land zu führen. Und deshalb wurde Gott sehr zornig. Er schickte ihnen eine lebensgefährliche Strafe: Plötzlich waren überall „feurige Schlangen“, deren Biss tödlich war. Und es starben auch tatsächlich viele der Israeliten. Das erfüllte die Überlebenden natürlich mit Angst und Schrecken. Sie erkannten sofort, dass es die Strafe für ihre Gottlosigkeit war, und bereuten ihr leichtsinniges Murren. Sie legten ein Schuldbekenntnis vor Mose ab und baten ihn um eine Fürbitte.

Die erhörte Gott und versprach ihnen, sie von der tödlichen Bedrohung zu befreien. Aber er knüpfte das an eine Bedingung: Mose bekam den Auftrag, das Bild einer Schlange aufzustellen, auf das die Israeliten schauen sollten. „Wer gebissen ist und sie sieht, der soll leben.“ Das war Gottes Zusage, und so geschah es. Mose führte den Befehl aus, und der Aufblick zu der ehernen Schlange rettete die Menschen.

Im Neuen Testament erinnert Jesus in einem Gespräch mit dem Pharisäer Nikodemus an diese Geschichte. Er sagt dort: „Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Joh.3,14). Die eiserne Schlange ist in der christlichen Tradition also ein Bild für den gekreuzigten und erhöhten Herrn geworden. Und damit wird uns gesagt: Wer auf das Kreuz schaut, wird gerettet. Das ist die Botschaft der Geschichte für uns als Christen.

Doch wie geht diese Rettung nun vor sich? Was passiert, wenn wir auf Christus schauen? Und was gehört dazu? Die Geschichte kann uns dazu etwas sagen. Es hat nämlich eine Bedeutung, dass es gerade das Bild einer Schlange war, das die Menschen gerettet hat. Dahinter steckt eine altertümliche Vorstellung: Man glaubte, dass man die Macht gefährlicher Wesen durch die Darstellung ihres Urbildes bannen konnte. Entscheidend war dabei die Verehrung dieses Bildes, der Aufblick und das Hinsehen. Dadurch empfing man heilende Kräfte.

Und genauso ist es mit dem Kreuz. Es ist ebenfalls ein Abbild für die Gefahren, denen wir ausgesetzt sind, denn wir haben damit den Tod und unsere eigene Sünde vor Augen. Doch genauso wie bei der ehernen Schlange geht gerade deshalb eine heilende Kraft von ihm aus.

Und wie wir die empfangen, erkennen wir am besten, wenn wir zunächst in unser Leben schauen. Das ist auch oft wie eine Wüstenwanderung, voller Herausforderungen und Härten. Es tauchen immer wieder Probleme auf. Das kann z.B. ein Konflikt sein, eine Krankheit, Stress am Arbeitsplatz usw. Wir verlieren in solchen Situationen leicht die Geduld. Wir „murren“, werden ärgerlich und müde.

Wir machen auch gerne andere dafür verantwortlich, wenn es uns schlecht geht, den Ehepartner, die Vorgesetzte, die Ärzte oder wer weiß wen. Und manchmal richten auch wir uns dabei gegen Gott. Wir geben ihm die Schuld für unser Elend.

Doch mit Klagen und Murren führen wir keine Lösung herbei. Und es ist auch nicht ganz so harmlos, wie wir vielleicht meinen. Die Israeliten machten sich damit ja vor Gott schuldig und wurden bestraft, weil es ihre Gottlosigkeit offenbarte. Und das trifft auch auf uns zu. Denn wir missachten dabei all das, was er längst für uns getan hat. Wir denken überhaupt nicht mehr an seine Liebe und an seine Zuwendung. Und damit versündigen auch wir uns an ihm. Wir laden Schuld auf uns, und das ist für uns genauso folgenschwer, wie für die Israeliten. Es tritt das ein, was in unserer Geschichte mit der Strafe gemeint ist: Das Leben wird noch viel schlimmer, es richtet sich erst recht gegen uns. Geist und Seele verdüstern sich, die Geduld nimmt ab und der Unmut verstärkt sich. Es ist wie ein Sog, der seine eigene Kraft entwickelt und uns irgendwann beherrscht. Giftige Schlangen umgeben uns und wollen uns töten. Das ist die Situation, in der wir uns oft befinden.

Doch genau dahinein ist das Kreuz Christi aufgerichtet, und von ihm geht die Rettung aus, die wir brauchen. Wir müssen es nur anblicken, dann kann es uns vor dem Untergang bewahren.

Denn dabei geschieht dreierlei. Erstens hören wir damit auf, uns schlechte Gedanken zu machen. Wir beenden unsere Ungeduld und unseren Ärger und harren stattdessen vor dem Kreuz aus. Die Probleme sind noch nicht gelöst, aber wir beschäftigen uns nicht mehr mit ihnen. Anstatt nach unten oder zur Seite zu schauen, in die Vergangenheit oder die Zukunft, sind wir einfach nur da und blicken nach oben. Das ist der erste Schritt.

Das zweite ist die Tatsache, dass wir dabei unserer eigenen Sünde einmal in die Augen schauen. Die Vorwürfe und Schuldzuweisungen an andere sind ja wie der Versuch, vor uns selber zu fliehen und auszuweichen. Und genau das tun wir nicht mehr, wenn wir auf das Kreuz blicken. Wir setzen uns stattdessen dem Leiden und Sterben Christi aus, und damit sehen wir unsere eigene Schuld und unser eigenes Sterben. Und genau das gehört dazu, wenn wir gerettet werden wollen. Wir müssen ehrlich sein und unsere Verlorenheit erkennen. Das ist der zweite Schritt.

Und das Dritte ist die Heilung, die wir dadurch an unserer Seele erfahren. Denn wir können unsere Sünde am Kreuz abladen. Christus trägt sie für uns, bis er darunter stirbt. Er war dazu in der Lage, denn er war der Sohn Gottes. Was dabei deshalb zählt, ist auch nicht sein Sterben, sondern letzten Endes der Sieg, den er für uns erworben hat. Er hat durch sein Sterben die Macht der Sünde gebannt und den Tod überwunden. Ich beschäftige mich beim Anblick des Kreuzes also nicht nur mit irgendeiner Hinrichtung, sondern ich setze mich einer ganz anderen Realität aus. Es geht um die Wirklichkeit der Liebe und Gnade Gottes, die ich beim Anblick des Kreuzes erfahren kann. Sie macht mich frei. Und das bedeutet Heilung an Leib und Seele. Die dunklen Mächte werden gebannt, die Bedrohung lässt nach und wir werden nicht mehr vergiftet. Es besteht kein Grund mehr zum Klagen und Jammern, weil die Gegenwart und Liebe Gottes stärker ist als die Not. Das Chaos ordnet sich, Konflikte werden entschärft, Stress fällt von uns ab, und manchmal werden wir dadurch sogar gesund. Auch andere Menschen sehen wir plötzlich anders, wir werden freundlicher und liebender, geduldiger und barmherziger. Selbst der Tod verliert seine Schrecken, denn so wie Jesus mit seinem Sterben in die Arme Gottes gefallen ist, werden auch wir aufgefangen.  

Der Pfarrer und Lyriker Johannes Jourdan hat diesen Vorgang 1978 sehr schön mit einem Passionslied zum Ausdruck gebracht. Es lautet folgendermaßen:

„1. Wenn ich vor deinem Kreuze stehe und mich in deinem Bilde sehe, erkenne ich, dass du mich liebst, denn du, Herr, bist zu mir gekommen, hast meine Schuld auf dich genommen, dass du sie mir am Kreuz vergibst.
2. Wenn ich vor deinem Kreuze stehe und mich in deinem Bilde sehe, erfüllt mich neue Zuversicht. Wenn das Vergangene nicht rastet und mich die alte Schuld belastet, ist es dein Kreuz, das lauter spricht.
3. Wenn ich vor deinem Kreuze stehe und mich in deinem Bilde sehe, macht mich dein Leidensweg ganz still. Lass mich im Elend nicht verzagen und lass mich dir mein Kreuz nachtragen und gläubig sagen: Wie Gott will!
4. Wenn ich vor deinem Kreuze stehe und mich in deinem Bilde sehe, dann lässt du mich den andern sehn. Du hast ein Beispiel uns gegeben, dass wir wie du für andere leben und uns als Liebende verstehn.
5. Wenn ich vor deinem Kreuze stehe und mich in deinem Bilde sehe, weiß ich, dass ich geborgen bin. Du lässt mich einst im Frieden sterben, lässt mich das wahre Leben erben und machst mein Ende zum Beginn.“

(Gesangbuch der Evangelischen Büdergemeine, Basel 2007, Nr. 290)

Amen.

Die Geschenke der drei Weisen an der Krippe

PREDIGT über Matthäus 2, 1- 12: Die Weisen aus dem Morgenland
nach Epiphanias, Donnerstag, 11.1. 2024, 10 Uhr, Altenzentrum St. Nicolai, Kiel

Matthäus 2, 1- 12
1 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.

5 Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten:
6 »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«

7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete.

9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut

11 und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.

Liebe Gemeinde.

Die drei Könige aus dem Morgenland fehlen in keinem Krippenspiel. Auch in Weihnachtsoratorien kommen sie vor, ebenso auf Bildern und Gemälden von der Geburt Jesu. Und als Figuren gehören sie zu jeder Krippe. Zudem gibt es viele Erzählungen, die sich um sie ranken, und in der katholischen Kirche ist aus der Geschichte der Brauch der Sternsinger hervorgegangen.

Dabei wissen wir gar nicht so genau, wer sie wirklich waren. vermutlich kluge und gebildete Männer aus der Gegend des heutigen Iran, die sich mit Sternenkunde beschäftigten, Astrologen also. Sie kannten sich mit den Gestirnen des Himmels aus, und sie wussten gleichzeitig von einer alten Sage aus der Vorzeit ihres Volkes. Danach bedeutete die Konstellation der Sterne, die sie erblickten, dass der König der Welt, der Herr des Himmels und der Erde geboren würde. Das erfüllte sie mit großer Hoffnung. Sie wollten diesen König unbedingt sehen und machten sich auf den Weg. Sie brachen von zu Hause auf und wanderten mehrere Wochen lang Richtung Westen.  

Ihr Wegweiser war der Stern, der sie nach Bethlehem führte. Sie kannten den kleinen Ort nicht, deshalb verfehlten sie ihn zunächst auch und landeten in Jerusalem. Aber da war nur Herodes, der sie dann nach Bethlehem schickte. Als sie ankamen, wussten sie: Sie hatten das Ziel erreicht. Obwohl alles ganz anders aussah, als sie sich das vorgestellt hatten, erkannten sie in dem kleinen Kind, das da in einem Stall lag, den Sohn Gottes. Sie glaubten sofort daran, dass sie den richtigen gefunden hatten, fielen auf die Knie und beteten ihn an.

Und sie gaben ihm ihre Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das waren eigentlich keine Sachen für ein kleines Kind, sondern eher merkwürdige Dinge. Was sollte das also?

Das erste verstehen wir wahrscheinlich noch. Es war Gold, und das war auch damals schon sehr wertvoll. Damit konnten auf jeden Fall Maria und Joseph etwas anfangen. Sie konnten Jesus davon etwas kaufen oder es aufbewahren, damit er später etwas davon hatte. Aber Weihrauch und Myrrhe? Beides sind luftgetrocknete Gummiharze. Das eine wird bis heute als „heiliges Räucherwerk“ verwendet, d.h. es wird in Gottesdiensten eingesetzt, um eine sakrale Stimmung zu erzeugen. In der evangelischen Kirche benutzen wir es nicht, aber einige von Ihnen kennen es sicher aus katholischen Gottesdiensten. Da wird es zu besonders feierlichen Handlungen entzündet und der Rauch wird in der Kirche verbreitet.Aus der Myrrhe gewann man z.Zt. Jesu ein Öl, mit dem vor allem die Verstorbenen einbalsamiert wurden. Beides war zwar sehr kostbar – d.h. die Weisen schenkten Jesus wertvolle Dinge – aber ihre Geschenke hatten auch noch eine symbolische Bedeutung. Das vermuten wir jedenfalls.

Die Geschichte ist ja eine Legende, d.h. eine Erzählung, die keine geschichtlichen Fakten wiedergibt, sondern erbaulich sein soll. Sie will etwas verkündigen und den Glauben stärken. Deshalb entstehen Legenden und werden überliefert. Ihre Aussagen enthalten darum immer ein Stück Wahrheit, etwas, worüber es sich lohnt, nachzudenken, selbst wenn sie historisch ungenau sind.

Und von solchen Elementen gibt es hier viele: Der Stern, die Wanderung der Weisen, und dass sie aus einem anderen Land kamen, all das hat eine Bedeutung: Der Stern ist ein Symbol für das Licht, das mit Jesus gekommen ist. Die Wanderung weist darauf hin, dass Glaube Aufbruch und Bewegung beinhaltet. Die Anbetung Jesu durch drei Menschen, die nicht Juden waren, soll sagen, dass Jesus für die ganz Welt gekommen ist. Seine Sendung ist universal. Aber auch die drei Geschenke haben eine Bedeutung: Sie sagen etwas darüber, wer Jesus war, und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Lassen Sie uns die Geschenke deshalb noch einmal näher betrachten und versuchen, ihren Sinn zu verstehen.

Das erste, das Gold, weist darauf hin, dass er ein König war, d.h. er regierte über ein Reich. Er war ein Herrscher und hatte Macht. 

Der Weihrauch sollte zeigen, dass er außerdem ein Priester war, d.h. er stand Gott nahe und konnte zwischen Gott und den Menschen vermitteln.

Und die Myrrhe deutet bereits auf seinen Tod hin. Er starb am Kreuz, und wir glauben, dass das einen tiefen Sinn hat: Er nahm damit die Sünden der Menschen auf sich und schenkte ihnen Vergebung.

Wir erfahren also durch die Geschenke der Weisen, wer Jesus war, und das ist für unseren Glauben an ihn wichtig, denn damit werden wir zu einem ein ganz bestimmtes Verhalten aufgefordert. Wir bekommen Hinweise, wie ein christliches Leben aussehen soll.

Das Gold sagt uns, dass Jesus ein König ist, d.h. wir müssen ihm mit Ehrfurcht begegnen. Dabei ist sein Reich nicht von dieser Welt. Es ist ein zukünftiges Reich, das Reich Gottes, das eines Tages kommen wird. Mit Jesus hat es bereits angefangen, aber das merken wir nur, wenn wir ihn anbeten, wenn auch wir niederknien, uns selber zurücknehmen und still werden. Wir dürfen staunen und ihn bewundern. Keiner und keine von uns muss selber der oder die Größte sein, sondern wir dürfen uns vor einem Größeren verbeugen. Es gilt, ihm unser Leben zu schenken. Wir verlieren dabei nichts, sondern es entsteht auch in uns eine große Freude. Das ist das erste.

Das zweite, der Weihrauch, sagt, dass Jesus ein Priester ist. D.h. wir dürfen uns an ihn wenden. Er möchte, dass wir glauben und beten, dass wir Gott vertrauen und auf seine Stimme hören. Durch Jesus spricht Gott zu uns, er zeigt uns seinen Willen und seine Gebote, ebenso seine Liebe und seine Fürsorge. Wir werden dazu aufgefordert, immer wieder Gottesdienst zu feiern, seine Nähe zu suchen und an ihn zu denken. Dann gewinnen wir Hoffnung und innere Ruhe. 

Und das dritte Geschenk, die Myrrhe, erinnert an den Tod Jesu. Sein Weg war schon in der Krippe vorgegeben. Das Kreuz stand von Anfang über seinem Leben, und das wusste er auch. Gott hatte es ihm auferlegt, es war sein Auftrag, für die Menschen zu sterben. Und das heißt: Wir sind nicht allein, wenn es dunkel um uns wird, wenn wir in Sünden verstrickt sind oder traurig sind, wenn wir nicht mehr weiterwissen. Dann ist Jesus bei uns, er trägt die Lasten für uns und macht sie leichter. Wir müssen damit nur zu ihm gehen, sie bei ihm ablegen und seine Barmherzigkeit empfangen.

Wenn wir das alles beachten, werden wir aufgerichtet und bekommen neue Hoffnung. Wir werden gelassener, erfüllter und ausgeglichener. Lassen Sie uns deshalb genauso wie die Sterndeuter dem „schönen Morgenstern“ folgen und Jesus in unserem Herzen begrüßen. (vgl. EG 70).

Amen.

In Frieden zur Ruhe kommen

Predigt über Lukas 2, 22- 35: Der Lobgesang des Simeon
Vorabend vom Sonntag nach Weihnachten, 30.12.2023, 18 Uhr, Lutherkirche Kiel

Lukas 2, 22- 35

22 Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn hinauf nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,
23 wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn: »Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen«,
24 und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: »ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben«
25 Und siehe, ein Mensch war in Jerusalem mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war auf ihm.
26 Und ihm war vom Heiligen Geist geweissagt worden, er sollte den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.
27 Und er kam vom Geist geführt in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz,
28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;
30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
31 das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern,
32 ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.

33 Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde.
34 Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel fallen und viele aufstehen, und ist bestimmt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird –
35 und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit aus vielen Herzen die Gedanken offenbar werden.

Liebe Gemeinde.

Worauf hoffen und vertrauen wir? Was trägt und erfüllt uns? Was macht uns Mut und gibt uns Trost? Wer durchbricht unsere Einsamkeit? Diese Fragen beschäftigen uns immer wieder, besonders, wenn wir auf einen Zeitabschnitt zurückblicken. Und das tun wir heute in mehrfacher Hinsicht: Wir sind am Ende des Tages angekommen, am Ende der Woche und auch am Ende des Jahres. Für einige von euch ist vielleicht sogar das Ende des Lebens bereits in Sicht und beschäftigt euch in Gedanken.

So ging es Simeon, einem alten Mann, der im Lukasevangelium in den sogenannten Kindheitserzählungen über Jesus erwähnt wird. Die Episode, um die es geht, schließt sich an die Geburtsgeschichte an und spielt im Tempel von Jerusalem. Das Gesetz des Moses schrieb vor, dass eine Frau 40 Tage nach der Geburt in den Tempel gehen sollte, um dort ein Opfer zu bringen. Sie galt dann wieder als rein, denn ihre Blutungen hatten mit Sicherheit aufgehört. Maria verhielt sich entsprechend und sie hatte ihr Kind dabei. Denn für einen Erstgeborenen galt, dass er gleichzeitig dem Herrn dargestellt werden sollte, d.h. er sollte in besonderer Weise zu Gott gehören.

Und dort im Tempel traf Maria Simeon, einen „gerechten und frommen“ alten Mann. Sein Leben lang wartete er auf „den Trost Israels“, den Retter, den die Propheten verheißen hatten. Er war ein „Träger des Heiligen Geistes“, also ein Prophet, der ganz nach den Weisungen Gottes für das persönliche Leben handelte. In einer Offenbarung war ihm mitgeteilt worden, dass er die Geburt des Messias noch erleben würde. Vom Geist geleitet kommt er nun an demselben Tag wie Maria in den Tempel und sieht, wie die Eltern das Kind an diese heilige Stätte bringen. Er nimmt es zärtlich auf die Arme und erlebt in diesem Augenblick die Erfüllung seiner Sehnsucht und Hoffnung, die ihn das Gotteslob anstimmen lässt. Voll Freude preist er Jesus mit einem Hymnus und segnet seine Eltern.

Er beginnt mir der Anrede „Herr“, damit meint er Gott, und erklärt seine Bereitschaft, nun zu sterben. Er kann jetzt „in Frieden fahren“, denn er hat das Ziel erreicht, das Gott für ihn vorgesehen hat. Seine Seele ist ruhig geworden, seine Sehnsucht ist gestillt. Er kann im Bewusstsein des Heils Abschied nehmen. Sein Leben ist nicht nutzlos gewesen, denn nun „sehen seine Augen das Licht, das die Heiden erleuchtet“, d.h. die ganze Welt erhellt.

Wir nennen sein Lied den „Lobgesang des Simeon, und es wird bis heute gesungen. Er ist z.B. in das Nachtgebet der Kirche eingegangen. Und wie es bei allen biblischen Gesängen üblich ist, gehört eine Antiphon dazu, ein Kehrvers, der am Anfang und am Ende gesungen wird. Er lautet für den Gesang des Simeon: „Bewahre uns, Herr, wenn wir wachen, behüte uns, wenn wir schlafen, auf dass wir wachen mit Christus und ruhen in Frieden.“ (EG 786.10) Es ist eine Bitte um Hilfe und Schutz während der Nacht. So wie Christus uns „bewahrt, wenn wir wachen„, möge er uns auch „im Schlaf behüten“ und uns „in Frieden ruhen“ lassen. Und das passt gut zu den Versen von Simeon. Er bekennt sich dazu, dass Christus das kann, und dass seine Seele dadurch still und zufrieden geworden ist. Wir sind eingeladen, es ihm gleich zu tun und uns immer, wenn etwas zu Ende geht, Christus anzuvertrauen.

Es gibt deshalb auch ein Abendlied, das seinen Hymnus enthält: „Christe, du bist der helle Tag“. (EG 469) Nach dem Abendmahl singen wir es ebenfalls gerne mit dem Text: „Im Frieden dein, o Herre mein, lass ziehn mich meine Straße.“ (EG 222) Und Luther dichtete nach seinen Worten ein Lied, das im Gesangbuch zu der Rubrik gehört, „Sterben und ewiges Leben“. Es beginnt mit der Zeile: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin in Gotts Wille; getrost ist mir mein Herz und Sinn, sanft und stille.“ (EG 519)

Und zu all diesen Situationen passt das Lied tatsächlich sehr gut. Ich erwähnte am Anfang, dass wir heute an vier Dinge denken, die zu Ende gehen: der Tag, die Woche, das Jahr und das Leben. Lasst uns diese Begebenheiten noch einmal durchgehen und fragen, wie das Lied des Simeon darauf eingeht.

Das erste ist der Abend, das Ende des Tages. Da kommt irgendwann die Müdigkeit. Tagsüber waren wir aktiv, haben gearbeitet, Menschen getroffen, geredet, gelacht oder geweint. Nun kommen die Stunden, in denen wir uns ausruhen dürfen. Das ist schön, wir freuen uns darüber und entspannen uns.

Doch nicht immer gelingt uns das. Oft nehmen wir das Erlebte mit in den Abend und in die Nacht, und manchmal sind es Dinge, die uns umtreiben und am Einschlafen hindern. Die Dunkelheit ist nicht nur um uns herum, sie ist auch in uns und bedrängt uns vielleicht.

Dann ist es gut, wenn wir uns daran erinnern, dass es ein Licht gibt, das selbst „die Heiden erleuchtet“. Besonders am Abend kann uns das trösten, denn es relativiert unsere persönlichen Nöte, es dringt durch jede Finsternis, ist universal und scheint überall. Es wurde uns mit dem Kind Jesus geschenkt, und es tut gut, wenn auch wir dieses Kind im Geist an uns drücken, bevor wir uns schlafen legen, wenn wir es umarmen und seine Liebe empfangen. Dann werden unsere Probleme kleiner und unsere Seele ruhig.

Aber auch am Ende der Woche kann das Lied des Simeon uns etwas sagen. Jede Woche hat einen Rhythmus, sie besteht aus vielen Tagen, jeder hat seinen eigenen Charakter. Oft wiederholen sich bestimmte Geschehnisse Woche für Woche, manchmal passieren auch unvorhergesehene Dinge. Es gibt Hohes und Tiefes, einiges gefällt uns gut, anderes sind eher Pflichten. Schönes und Schweres ist dabei, es ist uns etwas gelungen, anderes nicht.

Am Wochenende dürfen wir von all dem ausruhen, so wie Gott es nach der Erschaffung der Welt tat. „Er ruhte von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“ heißt es am Ende der Schöpfungsgeschichte. (1. Mose 2,2) Das sollen auch wir, und es hilft, wenn wir uns fragen: Habe ich in der vergangenen Woche „den Heiland gesehen“? Habe ich mir bewusst gemacht, dass Gott da ist? Wenn es noch nicht geschehen ist, ist jetzt der Augenblick dafür gekommen, damit auch wir am Ende der Woche singen können: „Meine Augen haben den Heiland gesehen.“ Das ist das zweite, wozu das Lied uns einlädt.

Und drittens ist heute das Ende des Jahres ganz nah, morgen ist der letzte Tag. Da halten wir ganz bewusst Rückschau: Wir haben die Feste gefeiert, die jedes Jahr wieder kommen, hatten Geburtstag, sind durch die verschiedenen Jahreszeiten gegangen usw. Unser Lebensweg wird uns bewusst. Und natürlich denken wir in dem Zusammenhang auch an all die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ereignisse, die sich zugetragen haben. Vieles davon beunruhigt uns, es ist bedrohlich und schrecklich.

Da ist es gut, wenn wir daran glauben können, dass es das „Heil für die Völker“ gibt, besonders „für Israel“, wie Simeon bekennt. Wir sollten nicht nur auf das Schlimme schauen, sondern auch auf das Gute, und Gott trotz allem loben und ihm danken. Was auch immer in der Welt und in unserem Leben geschieht, er ist da und meint es gut mit uns. Das Leid entsteht fast ausschließlich dadurch, dass die Menschen das vergessen und es missachten. Doch zu denen müssen wir nicht gehören. Wir können uns unter den Willen Gottes beugen, seine Macht anerkennen und ihn ehren. Auch dazu lädt der Lobgesang des Simeon uns ein.

Und das Letzte, das ich anfangs erwähnt habe, ist das Ende unseres Lebens. Wir werden alle älter, es lässt sich nicht aufhalten. Wenn wir jung sind, macht es uns nichts aus, da sind wir gespannt und voller Pläne. Im Alter ändert sich das, denn da werden wir schwächer, unsere Lebenskreise werden kleiner, und wir sind irgendwann auf Hilfe angewiesen. Das ist nicht leicht, es macht uns Angst und vielleicht so ein bisschen bitter.

Deshalb ist es gut, wenn wir wie Simeon loslassen und Abschied nehmen. Er beginnt sein Lied mit dem Satz: „Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren.“ Er ist bereit, zu sterben, denn er weiß, er hat das Ziel nicht verfehlt. Das Licht, das er erblickt, verheißt ihm auch: Nach dem Tod kommt noch mehr, das Schönste liegt noch vor mir. In dem Kind Jesus leuchtet die Ewigkeit auf, und die wirft ihre Strahlen bereits auf seinen Weg. Sie leuchtet von vorne und macht ihm den Abschied leicht.

All das enthält das Lied des Simeon, und deshalb ist es – wie gesagt – bis heute in unserer Tradition lebendig: als sogenanntes Canticum, d.h. als Neutestamentlicher Gesang im Nachtgebet, als Lied am Abend, nach dem Abendmahl und beim Sterben. Dabei kann man diese Lieder ruhig auch bei anderen Gelegenheiten singen. So enthält das eine zwar eine Strophe, die sich auf das Abendmahl bezieht, aber das kann man auch bildlich verstehen. Sie lautet: „Mir armen Gast bereitet hast das reiche Mahl der Gnaden. Das Lebensbrot stillt Hungers Not, heilt meiner Seele Schaden. Ob solchem Gut jauchzt Sinn und Mut mit alln, die du geladen.“ (EG 222,2). Auch wenn wir nicht gerade das Abendmahl gefeiert haben, können wir dafür trotzdem danken, denn das „Lebensbrot“ gibt es immer. Der Ausdruck kann ein Gleichnis dafür sein, dass Gott unseren inneren „Hunger“ stillen und „unsere Seele heilen“ möchte. Und das tut er auf vielerlei Weisen, das Abendmahl ist nur eine davon. Gott „schenkt uns seine Gnade“ ebenso im Gottesdienst, beim Gebet, in Begegnungen und besonderen Momenten. Er wartet zu jeder Zeit auf uns und „lädt uns ein“, in seine Gegenwart zu treten. Lasst uns darüber „jauchzen“ und seine „Freundlichkeit verkünden“, im Leben und im Sterben.

Amen.

Wir sind Kinder Gottes

Predigt über Galater 4, 4- 7: Befreiung zur Gotteskindschaft

Heiligabend, 24.12.2023, 17 Uhr, Jakobikirche Kiel

Liebe Gemeinde.

„Morgen, Kinder, wird’s was geben, morgen werden wir uns freun. Welch ein Jubel, welch ein Leben wird in unserm Hause sein. Einmal werden wir noch wach, heißa, dann ist Weihnachtstag.“

Das haben Sie gestern vielleicht gesungen oder zumindest gedacht, und heute ist es soweit. Das Fest ist da und die Freude ist groß, so wie auch „im vor’gen Jahr es am Weihnachtsabend war.“ „Die Stube glänzt von der großen Lichterzahl“, wir singen Lieder und hören die Glocken.  

Aber ist es wirklich alles so wunderschön, hell und fröhlich, wie das Lied es beschreibt? Wir wünschen uns das zwar, bereiten alles vor und tun, was wir können, damit das Fest gelingt. Aber so ganz einfach ist es ja nicht, dass die Weihnachtsfreude auch wirklich kommt. Kindern fällt das leichter, als uns Erwachsenen, und so ein bisschen sehnen wir zu Weihnachten auch in unsere Kindheit zurück. Wir würden gerne noch einmal Kinder sein. 

Und das ist möglich, es wird uns Weihnachten sogar verheißen. Unser Predigttext handelt davon. Er steht im Brief des Paulus an die Galater im 4. Kapitel und lautet folgendermaßen:

Galater 4,4- 7

4 Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan,
5 damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen.
6 Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
7 So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott.

Paulus schreibt das den Menschen in der Gegend Galatien, das liegt in der heutigen Türkei. Er war dort als Missionar tätig gewesen, und viele Menschen hatten die Botschaft angenommen, dass Gott durch Jesus Christus gekommen war und allen seine Liebe schenkte. Paulus hatte mit ihnen, den Bekehrten, eine Gemeinde gegründet und war dann weitergereist.

Doch nicht lange nach seinem Wirken waren Leute in die Gemeinde eingedrungen, die behaupteten, dass der Glaube an Jesus allein doch nicht ausreichte. Sie ermahnten die Menschen, auch weiterhin das jüdische Gesetz einzuhalten, sonst würde Gott sie nicht lieben.  

Paulus hörte davon, und es ärgerte ihn. Er schrieb deshalb seinen Brief, in dem er auf diese Fragen einging. Das Thema kommt auch in unserem Abschnitt vor. Paulus sagt da: Jesus Christus hat die, „die unter dem Gesetz waren, erlöst.“ Die Menschen sollten keine Knechte Gottes mehr sein, sondern seine Kinder. Sie sind frei vom Gesetz geworden, weil seine Liebe in Jesus Christus erschienen ist. Wer an ihn glaubt, wird selber ein Kind Gottes, und zwar völlig umsonst. Er muss überhaupt nichts dazu tun, es wird ihm einfach geschenkt. Gott nimmt jeden und jede, die an Jesus Christus glaubt, aus Gnaden an. Keiner muss mehr etwas leisten, um ihm gerecht zu werden.

Der Geist Christi wirkt vielmehr in denen, die Kinder Gottes geworden sind, und lässt sie frei vor Gott treten. Das verspricht Paulus den Galatern mit den Worten: „Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsere Herzen, der da ruft: ,Abba, lieber Vater.’“ „Abba“ heißt so viel wie „Papa“. Im Judentum war es völlig unüblich, Gott so anzureden, das traute sich niemand. Aber Paulus hat das von Jesus übernommen, und der tat es ganz bewusst, um zu zeigen, dass Gott uns nahe ist. Wir dürfen ihn alle so nennen. Christen und Christinnen dürfen vor Gott treten wie Kinder vor ihren Vater. Das Verhältnis ist von Liebe und Vertrauen geprägt. Seitdem Gott seinen Sohn gesandt hat, hat sich also etwas zwischen ihm und den Menschen geändert. Alle, die an ihn glauben, sind seine Söhne und Töchter geworden. 

Das ist die Weihnachtsbotschaft, und sie enthält die Verheißung, dass wir durchaus so etwas erleben können, wie die Kinder, Freude und Unbeschwertheit, Freiheit und Sorglosigkeit.

Doch wie geht das nun? Den Kindern ist es vielleicht möglich, aber wie ist es mit uns Erwachsenen? Wir denken ja viel mehr nach, wissen auch mehr und hören täglich schlimme Nachrichten. Der Spiegel hat auf die Titelseite seiner Jahres-chronik die Schlagwörter geschrieben: „Kriege, Klima, künstliche Intelligenz“. Und darunter steht: „Die Welt im Wandel“. Damit ist fast schon alles gesagt, auf jeden Fall sind es die Themen, die uns wirklich beunruhigen. Sie machen uns Angst und verunsichern uns. Können wir überhaupt unbeschwert Weihnachten feiern, angesichts all dieser Bedrohungen? Wie verhalten wir uns am besten?

Mir sind dazu weitere Wörter eingefallen, die mit dem Buchstaben „K“ beginnen. Die einen „krakeelen, kleben und kämpfen“, andere setzen auf „Kerzen, Kekse und Kuscheln“. Es gibt jedenfalls ganz verschiedene Wege und Methoden, auf die Probleme der Zeit zu reagieren. Wir können aktiv werden, protestieren und uns einmischen. Eine andere Möglichkeit ist es, Augen und Ohren zu verschließen, die Probleme zu ignorieren und sich ins Private zurückzuziehen. Dazwischen gibt es natürlich noch weitere Methoden, wie wir mit dem Leben und der Welt am besten fertig werden. Es gibt da viele Ideen und Wege, und die sind auch legitim und gut. Wir dürfen rebellieren, es uns einfach gemütlich machen oder was auch immer. Jeder und jede ist frei, das zu tun, was ihm oder ihr am meisten liegt.

Doch wie passt die Weihnachtsbotschaft da nun rein? Sie scheint gegen all das irgendwie zu verblassen, sie kommt uns schwach und unbedeutend vor.

Aber ist sie das wirklich? Auch sie handelt von etwas, das mit „K“ beginnt, und zwar von einem „Kind“ in einer „Krippe“, das noch ganz „klein“ war. Und dieses Kind ist kein gewöhnliches, sondern der Sohn Gottes. Was uns zu Weihnachten verkündet wird, liegt demnach auf einer ganz anderen Ebene, es durchbricht unser herkömmliches Denken und Handeln. Das gilt es, zu erfassen, und das heißt, wir müssen uns auf einen bestimmten inneren Vorgang einlassen. Paulus nennt ihn das „Wirken des Geistes Jesu“. Der kann in uns beten, d.h. er öffnet uns für eine tiefere Dimension. Und am besten empfangen wir ihn, wenn wir vieles von dem, was Kinder noch haben, bewusst einüben und wieder gewinnen.

Das ist zunächst einmal ihr Vertrauen. Kinder stellen zwar auch Fragen und wollen vieles wissen, aber wenn sie eine Antwort bekommen, glauben sie auch, dass sie wahr ist. Sie sind offen und unbefangen und nehmen sie an. Und das wäre das Erste, was wir wieder lernen müssten, jedenfalls in unserer Beziehung zu Gott: Dass wir ihm vertrauen und an ihn glauben. Damit durchbrechen wir sowohl die Privatheit als auch den Aktivismus. Wir lassen uns in unserer Seele anrühren und bewegen, wir empfangen etwas und lassen es wirken. Wichtig ist also, dass wir „klein werden“ und uns in die Gegenwart Gottes stellen.

Und damit sind wir auch schon bei der zweiten Eigenschaft, die Kinder haben: Es ist ihre Nähe zum Augenblick. Natürlich wissen sie, dass es gestern und morgen gibt, aber eine klare Vorstellung von den Zeiträumen haben sie nicht. Was jetzt geschieht, das ist interessant. Und auch das müssen wir wieder lernen. Wir sind mit unseren Gedanken oft in der Vergangenheit oder in der Zukunft, sehnen uns zurück oder denken an das, was wir demnächst zu tun haben. Doch damit verpassen wir das, was jetzt ist, und dazu gehört auch die Liebe Gottes. Sie war nicht gestern da oder kommt morgen, sondern jetzt. Ganz gleich, was wir gerade zu tun haben, was uns umtreibt oder belastet, es gilt, jetzt darauf zu achten, dass wir von Gott geliebt sind. Gottes Liebe ist keine Geschichte von früher und auch Programm, bei dem wir mehrere Punkte abhaken. Sie ist vielmehr eine Kraft. Und die können wir auch spüren. Wir müssen nur verstehen, dass sie immer ganz nah ist.

Und das geht am besten, wenn wir zu ihm rufen wie Kinder zu ihren Eltern. Das ist ein dritter Punkt, der das Kindsein bestimmt: Kinder brauchen ihre Eltern, sie sind von ihnen abhängig und haben eine lebendige Beziehung zu ihnen. Sie rufen ihre Eltern, wenn sie Hilfe brauchen, reden mit ihnen und werden von ihnen ins Leben geführt. Und so ist es auch mit Gott: Er hört uns, wenn wir zu ihm rufen und will uns helfen. Dabei brauchen wir nicht viele Worte. Das kurze Gebet „Abba, lieber Vater“ reicht schon. Wenn wir es immer wiederholen, merken wir, dass es unseren Geist weit macht und uns mit etwas ganz Neuem erfüllt. Wir werden in die Nähe und Liebe Gottes hineingezogen und von ihm geführt.

Es gibt dazu einige schöne Verse von Angelus Silesius. Das war ein deutscher Lyriker, Theologe und Arzt. Er hieß mit bürgerlichem Namen Johannes Scheffler und lebte im 17. Jahrhundert. Einige Lieder in unserem Gesangbuch sind von ihm. Darin geht es hauptsächlich um die Liebe zwischen Gott und Mensch. Das war für ihn das wichtigste Thema. Sie kommt auch in seinen kurzen religiösen Gedichten vor, die der Mystik nahestehen. Mehrere Male hat er darin zum Ausdruck gebracht, dass wir uns dem Kindsein wieder annähern müssen, wenn wir Gott näherkommen wollen. So sagte er:

„Weil sich die Gottheit hat in Kindheit mir erzeiget, bin ich der Kindheit und der Gottheit gleich geneiget.
Mensch, wirst du nicht ein Kind, so gehst du nimmer ein, wo Gottes Kinder sind, die Tür ist gar zu klein.
Christ, so du kannst ein Kind von ganzem Herzen werden, so ist das Himmelreich schon deine hier auf Erden.“

Lassen Sie uns das beherzigen, dann erleben wir eine ganz große Freude und Freiheit, so wie die Kinder uns das zu Weihnachten vormachen. Lassen Sie uns das Vertrauen üben, gegenwärtig und wach sein und zu Gott rufen. Er zieht dann mit seinem Geist in uns ein und macht uns zu seinen Söhnen und Töchtern. Wir werden ganz tief angerührt und machen die wunderbare Erfahrung, dass Gott wirklich da ist und uns seine Liebe schenkt.

Amen.  

Überwinde das Böse mit Gutem

Predigt über 1. Mose 13, 1- 12: Abram und Lot trennen sich
21. Sonntag nach Trinitatis, 29. 10.2023, 11 Uhr, Jakobikirche Kiel

Liebe Gemeinde.

Eine Katze, die ins Freie kann, beansprucht ein Revier für sich. Andere Katzen sind dort in der Regel unerwünscht oder allenfalls geduldet. Eindringlinge werden bekämpft. Diese Streitigkeiten dauern zum Glück nur wenige Augenblicke, meistens bleibt es sogar bei einer Mischung aus dumpfem Grollen und jaulendem Katzentheater, aber es ist durchaus ein Revierkampf.

Den gibt es bei ganz vielen Tieren. In unseren Breitengraden können wir diese oft sehr harten und ruppigen Auseinandersetzungen z.B. noch bei Schwänen, Mardern, Amseln und Igeln beobachten. Aber auch in Gegenden, über die wir normalerweise nur Filme sehen, taucht dieses Thema immer wieder auf. Es ist in der Natur sehr weit verbreitet. Wir Menschen führen solche Kämpfe ebenso, sie liegen in unserer Veranlagung. Die meisten Kriege haben darin z.B. ihre Wurzeln.

Im Unterschied zu den Tieren haben wir allerdings die Möglichkeit, mit solchen Konflikten auch ganz anders umzugehen. Ein schönes Beispiel ist dafür eine Geschichte über Abraham und seinen Neffen Lot.

Sie steht 1. Mose 13 und lautet folgendermaßen:

1 So zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot auch mit ihm ins Südland.
2 Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold.
3 Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai,
4 eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an.
5 Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte.
6 Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen.
7 Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande.
8 Da sprach Abram zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.
9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.
10 Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich, bis man nach Zoar kommt, wie der Garten des HERRN, gleichwie Ägyptenland.
11 Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern,
12 sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan. Und Lot zog mit seinen Zelten bis nach Sodom.

Das ist heute unser Predigttext. Wir erfahren hier, dass Abram und Lot Kleinviehnomaden waren, d.h. sie besaßen Herden von Schafen und Ziegen, die Weideland benötigten. Das fanden sie in Absprache mit den sesshaften Menschen im Land Kanaan. Doch Abram war reich geworden, seine Herden waren angewachsen, und die von Lot ebenso. Es kam deshalb zu einer Kollision der Interessen. Beide brauchten einen großen Bewegungsradius, wobei sie außerdem noch von den wenigen kostbaren Wasserstellen abhängig waren. Es gab deshalb bereits Streit zwischen den Hirten, die für Lot und Abram arbeiteten. Doch anstatt sich zu bekriegen und den Stärkeren siegen zu lassen, fanden sie eine andere Lösung: Sie trennten sich. Dabei lag es an Abraham, dass das ohne Kampf vor sich ging. Er war der Ältere und offensichtlich Vernünftigere: Er ließ Lot für die Wahl des Landes den Vortritt. Lot blickte daraufhin ins Weite, und seine Augen schweiften über den ganzen Jordangraben, der stark bewässert war. Das Land erschien ihm wunderschön, fruchtbar und grün, wie das Paradies oder wie Ägypten. Und so entschied er sich dafür. Abram zog in die andere Richtung. Das schien zunächst die schlechtere Wahl zu sein, aber hier wird bereits angedeutet, dass das eine Täuschung war. Das Land, das Lot gewählt hatte, war zwar fruchtbarer, aber die Bewohner dort waren verdorben. Lot wusste das zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht und fragte auch nicht danach. Er nahm sich einfach, was in seinen Augen als das Bessere erschien, geriet deshalb aber später in große Schwierigkeiten. Abram dagegen ging es sehr gut. Das ist die Erzählung.

Sie zeigt die beiden Männer Abram und Lot also bewusst in einem unterschiedlichen Licht: Lot erhält zwar, was er will, bekommt es aber später mit Sünde und Bosheit zu tun. Abram verzichtet dagegen auf seinen Vorteil und wird am Ende reich gesegnet. Abram soll damit ein Vorbild sein. An ihm wird deutlich, wie sinnlos es sein kann, sich vorzudrängeln und zu nehmen, was man haben möchte. Das kann böse enden. Viel klüger und weiser ist es, den eigenen Nutzen zurückzustellen und auf ganz andere Werte zu setzen. Für Abram war die friedliche Lösung wichtiger, die gütliche Trennung. Modern gesprochen sorgte er für eine Deeskalation des Konfliktes.

Dafür ist die Geschichte ein sehr schönes Beispiel. Sie zeigt, worin der Mensch in Wirklichkeit seine Freiheit und sein Heil findet. Es entsteht nicht dadurch, dass er möglichst den eigenen Willen durchsetzt. Das Gute kommt vielmehr dann zum Menschen, wenn er Rücksicht nimmt, Vernunft walten lässt und Ruhe bewahrt.

Und das ist ein wichtiger Hinweis, denn natürlicher Weise „kämpfen wir am liebsten um unser Revier“. Das ist unsere Veranlagung. Dabei muss es gar nicht nur um materielle Dinge gehen, um Land oder Besitz, es spielt sich auch im Bereich von Ideen oder Beziehungen ab: Wir wollen Aufmerksamkeit und Erfolg, Anerkennung und Zuspruch. Freiheit heißt für uns oft, das zu verwirklichen und zu besitzen, was wir wollen und uns wünschen, uns durchzusetzen und zu gewinnen.

Doch das ist eine sehr verkürzte Vorstellung von einem gelingenden Leben. Wir sind damit nicht weit von dem entfernt, was auch die Tiere tun. Und es führt wie gesagt oft zu Unheil und Krieg. Die Würde des Menschen besteht deshalb auch nicht darin, dass er so eigennützig und gewinnbringend wie möglich handelt. Was uns als besondere Wesen auszeichnet und von den Tieren unterscheidet, ist vielmehr die Fähigkeit, auf unseren eigenen Vorteil auch einmal zu verzichten. Wir können uns entscheiden, das ist unsere Freiheit, und zwar nicht nur für den Verzicht oder das Verlangen, sondern ganz allgemein für das „Böse“ oder für das „Gute“, wie es in dem Wochenspruch für heute heißt. Beides sind Kräfte, die in der Welt wirken, und es liegt an uns, welche davon die stärkere sein soll. Paulus rät uns, „uns nicht vom Bösen überwinden zu lassen, sondern das Böse mit Gutem zu überwinden“. (Römer 12,21) In den vorhergehenden Versen beschreibt er, worin das für ihn besteht. Er erwähnt brüderliche Liebe, Hoffnung und Geduld, Beharrlichkeit im Gebet, Gastfreundschaft und Mitgefühl, Einigkeit, Demut und Bescheidenheit, Verzicht auf Rache und Segnen der Feinde. Das ist der Wille Gottes. Er kann uns formen und unser Denken und Handeln prägen. Es kommt auch in dem Evangelium von heute vor. Das ist die Stelle in der Bergpredigt, in der Jesus uns dazu ermahnt, auch „unsere Feinde zu lieben“. (Mt. 5,44)

Diese Gebote kennen wir alle, weil wir sie häufig hören. Genauso oft werden in diesem Zusammenhang allerdings auch zwei Fragen gestellt. Die erste lautet: Sind die Feindesliebe und all die anderen Tugenden nicht viel zu schwer? Wie sollen wir das hinbekommen? Wir sind nicht Abram oder Paulus oder Jesus. Ist das, was sie uns vorleben und sagen, nicht ein viel zu hoher Anspruch, den wir nie erfüllen können? Das ist die erste Frage.

Zweitens zweifeln wir daran, ob wir das überhaupt wollen. Wenn wir uns nicht durchsetzen, können wir doch untergebuttert und ausgenutzt werden. Wir verlieren immer nur und gewinnen nichts. Es ist ungesund, so zu leben, Neurosen und Traumata entstehen, das ist unsere Befürchtung.

Beide Fragen sind berechtigt, lasst uns darüber also noch kurz nachdenken. Dabei gilt als erstes, dass die Ermahnungen, die sowohl in unserer Erzählung als auch in dem Wochenspruch und dem Evangelium stecken, keine Forderungen sind. Es geht nicht um eine seelische Leistung. Hier wird vielmehr ein Leben beschrieben, das unter der Verheißung Gottes steht. Abram lebte mit dem Segen Gottes und in seiner Nähe. Er kannte nicht nur sich selbst und seinen eigenen Willen, sondern war durchdrungen vom Glauben und Vertrauen auf Gott. Er war gehorsam und selbstlos.

Und das können auch wir sein. Für uns Christen gibt es dafür sogar einen gut begehbaren Weg, den Christus uns eröffnet hat. Denn was er in der Bergpredigt beschreibt, hat er selber gelebt. Er hat seine Feinde geliebt, war demütig, geduldig und friedfertig. D.h. seine Liebe war grenzenlos und sie gilt auch uns. Wir haben durch ihn eine lebendige Quelle des Guten. Aus ihr fließt die Kraft, mit der wir seine Weisungen erfüllen können. Und diese Energie kann sich langsam in uns ausbreiten und unser Leben erfüllen und prägen. Das ist das erste, was wir beachten müssen.

Als zweites ist wichtig, dass wir damit nicht geschwächt, sondern gestärkt werden. Wir dürfen Rücksicht, Feindesliebe und Vernunft nicht mit Tatenlosigkeit oder Passivität verwechseln. Es ist vielmehr ein Übungsweg, der unsere Aufmerksamkeit fordert. Geist und Seele sind in Anspruch genommen, eine bestimmte Haltung zu entwickeln. Und wie bei jedem Training lernen wir dabei etwas, wir werden langsam besser, überwinden die negativen Impulse in uns und genesen von unserer Ichhaftigkeit. Es ist eine Kunst, die in uns wächst und reift und uns adelt. Wir werden zu den Menschen, die Gott sich gedacht hat, als er uns „nach seinem Ebenbild“ schuf. (1. Mose 1,27)

Und dabei müssen wir noch etwas Drittes beachten: Es geht nicht darum, dass wir perfekt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass wir damit beginnen, dass wir es überhaupt anstreben. Wir müssen nicht vollkommen werden, und es macht auch nichts, wenn wir immer mal wieder versagen. Schlimm wäre es nur, wenn wir daraufhin aufgeben. Aber das muss nicht sein. Wer hinfällt, kann wieder aufstehen und weitergehen. Und dazu werden wir heute eingeladen.

Lasst uns deshalb immer wieder das Gute wählen und uns dafür entscheiden, unsere „Revierkämpfe“ aufzugeben. Lasst uns unser natürliches Verhalten überwinden, indem wir die Nähe und die Kraft Gottes annehmen, auf ihn vertrauen und uns in seinen Willen fügen. Dann sind wir auf einem guten Weg, der uns zum Frieden und zum Segen führt.

Amen.

Unser Leben in Gottes Hand

Predigt über 1. Mose 15, 1- 6: Gottes Verheißung an Abram

15. Sonntag nach Trinitatis, 17.9.2023, Gethsemanekloster Riechenberg

1. Mose 16, 1- 6
1 Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Offenbarung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.
2 Abram sprach aber: HERR, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.
3 Und Abram sprach weiter: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein.
4 Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.
5 Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
6 Abram glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.

Liebe Gemeinde.

Die Astronomen klassifizieren die Asteroiden und geben ihnen Nummern, d.h. sie zählen sie. Ungefähr 800.000 sind aufgelistet. Das geschieht wohl aus wissenschaftlichen Gründen.

In der Erzählung vom Kleinen Prinzen gibt es einen „Geschäftsmann“, der ebenfalls die Sterne zählt. Er bildet sich ein, dass sie ihm gehören und er wissen muss, wie viele es sind. Er ist eine lächerliche Figur, eine Karikatur. Alle anderen wissen, dass er das nie schaffen wird.

Auch Abram sollte das erkennen. Gott hatte ihm aufgetragen, die Sterne zu zählen, aber weder aus wissenschaftlichen noch aus geschäftlichen Gründen: Er sollte verstehen, dass es unmöglich ist, dass sie unzählbar sind, weil es unendlich viele gibt.

Gott stand schon länger mit Abram in einem engen Kontakt. Er hatte ihn auserwählt und zum Stammvater für sein Volk berufen. Seine Nachkommen sollten das Volk Gottes werden, das dann so zahlreich wie die Sterne am Himmel wird, sich also aus unzählbar vielen Menschen zusammensetzt. Das hatte Abram auch geglaubt und sich auf diese Verheißung verlassen. Er war ausgezogen in das Land, das Gott ihm zeigen und geben wollte, um dort Kinder zu zeugen und sie zu seinen Erben zu machen.

Doch langsam wurde er nervös und ihm kamen Bedenken. Abram und seine Frau Sara waren bereits alt, und nichts war geschehen. Sie hatten keine Kinder bekommen. Wie sollte die Verheißung dann wahr werden? Abram machte sich Sorgen und Gedanken, er grübelte und zweifelte.

Gott sah das, und in einer sternklaren Nacht erschien er ihm deshalb in einer Vision. Er versprach ihm aufs Neue seinen Schutz und seinen Beistand. Er wiederholte seine Verheißung, und um sie zu veranschaulichen, schickte er Abram nach draußen. Er sollte in den Himmel schauen und die Sterne zählen. Gott sagte dazu: „So zahlreich werden deine Nachkommen sein.“ Das war seine Zusicherung, und die Sterne dienten ihm als Sinnbild.

Das Versprechen Gottes ist dann tatsächlich wahr geworden. Wie durch ein Wunder wurde Sara im hohen Alter doch noch schwanger und gebar einen Sohn, Isaak, der der Vater Jakobs wurde. Die Familien von dessen zwölf Söhnen wurden dann die zwölf Stämme Israel. Abram war also ihr Urgroßvater. So erzählt es das erste Buch Mose.

Wir wissen heute, dass die Geschichte der Anfänge des Volkes Israel in Wirklichkeit viel komplizierter und langfristiger war, aber es gehört zum Glauben Israels, dass Abram ihr Stammvater ist. Auch im Neuen Testament spielt er eine Rolle, wie z.B. bei Paulus. Im Römerbrief stellt er ihn als Beispiel für den Glauben hin. (Römer 4) Nicht seine Werke waren entscheidend, sondern sein Vertrauen und sein Gehorsam. Im Hebräerbrief gehört Abram ebenfalls zu den Glaubensvorbildern, an die in einem langen Kapitel erinnert wird. (Hebräer 11)

Und das ist eine gute Idee. Auch wir können von Abram lernen und erkennen, worauf es im Glauben ankommt.

Er war ein Mensch wie jeder andere, und als solcher machte er sich natürlich Sorgen und Gedanken. Das ist normal, ganz menschlich, das kennen wir alle. Uns treibt ebenfalls vieles um, vielleicht sogar die Frage, was kommt nach mir? Wie geht es weiter, wenn ich mal nicht mehr bin? Bleibt etwas von dem, was ich verwirklichen wollte? Habe ich alles richtig gemacht? Werden meine Kinder und Enkelkinder mich in guter Erinnerung behalten, und wird ihnen das Leben gelingen

Aber auch andere Fragen können uns umtreiben: Die Sorge um unsere Gesundheit und unseren Wohlstand, um andere Menschen, die uns wichtig sind und uns nahe stehen. Die allgemeine Weltlage beschäftigt uns, die Umweltzerstörung, die Kriege und die Katastrophen.

Wir tun natürlich etwas, um damit klarzukommen. Tatenlos sind wir nicht. Wir reden und handeln so gut wir es können, leben friedlich und umweltbewusst, suchen Beratung und ärztliche Hilfe, sprechen miteinander und treffen Vorsorge. Aber reicht das? Oft bleiben wir stecken, wissen nicht weiter, sind hilflos und unruhig. Wie Abram dachte, sein Sklave würde ihn beerben, so trösten auch wir uns mit Halblösungen und vorläufigen Antworten: Wir schreiben ein Testament, kaufen umweltfreundliche Produkte, sind freundlich zu anderen Menschen, leben gesund usw. Aber wenn wir ehrlich sind, überzeugt und beruhigt uns das alles oft nicht. Die Zweifel und die Fragen bleiben. Wir müssen also noch einen anderen Weg beschreiten, um wirklich gelassen und zuversichtlich zu werden, und genau der wird uns in der Geschichte gezeigt: Abram vertraute am Ende einfach auf Gott. Und das können auch wir tun.

Und dabei hilft es uns genauso wie ihm, einmal in den Himmel zu schauen, vielleicht sogar nachts, wenn wir die Sterne sehen. Jeder Astronom und jede Astronomin, die das regelmäßig tut, wird uns bestätigen, dass sie dabei ein Gefühl für ihre eigene Kleinheit bekommt. Alles relativiert sich, das Universum ist so unermesslich viel größer, als wir und unser Leben hier auf der Erde. Auch wenn wir Listen mit Sternnummern schreiben, werden wir es nie ganz erforschen. Die Tiefen des Weltalls sind für uns unendlich. Und diese Erkenntnis kann guttun. Unsere Sorgen werden kleiner, unsere Gedanken kommen zur Ruhe.

Und bei Abram gehörte noch etwas dazu. Es kommt sehr schön in einem Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert zum Ausdruck, das wir gerne mit Kindern singen. Es beginnt mit der Strophe: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Weißt du, wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt? Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl.“ (EG 511,1) D.h. die Welt ist in Gottes Hand, und er liebt sie. Darauf dürfen wir uns verlassen, das sollen wir glauben.

Nun kann es natürlich sein, dass wir das zwar versuchen, aber damit nicht gegen unsere Sorgen ankommen. So ganz einfach ist der Glaube ja nicht. Es entsteht eventuell die Frage, ob wir uns nicht etwas einbilden, uns von der Realität entfernen und in eine Scheinwelt flüchten. Wer sagt uns, ob die Bibel nicht in Wirklichkeit nur ein Märchenbuch, und Gott nicht nur eine Idee oder ein weiterer schöner Gedanke ist?

Ganz sicher kann uns darauf niemand eine Antwort geben. Wir sollten sie deshalb auch nicht von anderen Menschen, d.h. von außen erwarten. Wir können sie nur in uns selber finden. Die Erfahrung kann uns lehren, dass Gott da ist, und um die zu machen, müssen wir den Glauben einfach wagen. Genau das hat Abram ja getan. Er hat an das Unmögliche geglaubt, er ist einfach davon ausgegangen, dass Gottes Verheißung sich erfüllt, und dabei hat er gemerkt, dass Gott wirklich lebt und da ist.

Und so kann es auch uns gehen. Wenn wir uns auf Gott verlassen, werden wir seine Gegenwart auch spüren. Wir machen die Erfahrung, dass er hier und jetzt da ist, für alle und für alles. Ihm gehört das Weltall, genauso wie unser kleines Leben. Er ist nicht fern und unnahbar und er ist auch keine Einbildung, sondern er ist der Ursprung und Ziel der ganzen Welt.

Wir müssen uns nur immer mal wieder Zeit für ihn nehmen, ihn suchen, zu ihm beten, mit ihm reden und auf seine Stimme hören. Dann erfahren wir, dass seine Verheißungen wahr sind.

Dabei dürfen wir als Christen und Christinnen sogar noch mehr glauben als die Anhänger und Vertreterinnen des Alten Testamentes. Denn im Neuen Testament wird uns verkündet, dass die Zusage Gottes durch Christus noch einmal viel größer geworden ist. Jeder Mensch kann im Glauben an Christus zum Volk Gottes gehören, wir sind alle seine Kinder.

Lasst uns das sein, indem wir immer mal wieder die Perspektive wechseln: Anstatt auf den Boden zu gucken oder in die Welt, auf uns selber oder auf andere Menschen, ist es gut, wenn wir den Blick in den Himmel erheben, dort die Sterne oder die Wolken bewundern und hinter allem die Hand und das Walten Gottes erkennen. Dann werden wir nicht nur getröstet und ruhig, sondern er wird auch unser Leben segnen und unser Werk gelingen lassen.

Amen.