Predigt über Johannes 16, 16- 23a: Trauer und Hoffnung bei jesu Abschied
3. Sonntag nach Ostern, Jubilate, 29.4.2023, 18.00 Uhr, Lutherkirche Kiel
Johannes 16, 16- 23a
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.
17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater?
18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen?
20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.
21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.
17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater?
18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.
19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen?
20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.
21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
23 An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.
Liebe Gemeinde.
„Wie meinst du das?“ Diese Frage stellen wir, wenn jemand uns etwas sagt, das uns rätselhaft erscheint. Oft drückt sie auch aus, dass wir zwar ahnen, was der oder die andere uns mitteilen will, wir wollen es aber nicht hören oder nicht wahr haben. Solche Ankündigungen gibt es ja: „Ich will das so nicht mehr.“ gehört z.B. dazu, oder: „Ich werde dich verlassen“. Das stößt uns vor den Kopf, es überrascht und irritiert. Und wir fragen unwillkürlich: „Wie meinst du das?“
Den Jüngern ging es so, als sie das letzte Mal mit Jesus zusammen waren. Sie wussten nicht, dass „seine Stunde gekommen war“ (Joh. 13,1), Jesus dagegen hatte es erkannt. Im Johannesevangelium nehmen die Gespräche, die er deshalb mit seinen Jüngern führte, viel Raum ein. Drei Kapitel sind es, die die sogenannten Abschiedsreden enthalten. Danach beginnt die Passionsgeschichte. Das Ziel dieser Reden ist es, die Jünger vorzubereiten. Sie sollten wissen, was geschehen würde, es verstehen und bereifen. Jesus wollte sie auch trösten und beruhigen, ihnen Hoffnung machen und ihnen ihre Traurigkeit nehmen.
Doch das war nicht so einfach, denn sie wussten weder, dass er bald sterben sollte, noch konnten sie verstehen, wie er danach wiederkommen würde. Genau davon handelt der Abschnitt, den wir eben gehört haben. Er beginnt mit dem Satz: „Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.“ Wie sollten sie sich das vorstellen? Und was bedeutete „eine kleine Weile“? Im Kontext der Rede ist klar, dass die beiden „kurzen Zeiten“ die Spanne bis zum Tod Jesu und von da bis zu seiner Auferstehung meinen. Doch die Jünger begreifen das nicht und sind ratlos und niedergeschlagen.
Jesus merkt das und er weiß um ihren Kummer und ihre Hilflosigkeit. Deshalb will er ihnen sagen, dass es dabei nicht bleiben wird. Nach einer „kurzen Zeit“ wird ihre Trauer in Freude verwandelt werden. Das ist seine Verheißung, und er veranschaulicht sie mit einem Gleichnis: „Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.“ Die gebärende Frau erlebt auch einen Wechsel von Schmerz zum Glück. Und entsprechend der Mutter, die nach der Geburt ganz erfüllt ist, verheißt Jesus den Jüngern für sein Wiedersehen mit ihnen Freude. Er bringt sie ihnen, wenn er als Auferstandener zu ihnen kommt. In Überbietung des Gleichnisses wird die Freude der Jünger sogar bleibend sein, niemand wird sie ihnen rauben. Die ungläubige Welt wird machtlos dem gegenüber sein.
Und schließlich beseitigt diese unvergängliche Freude auch die Ratlosigkeit der Jünger. „An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.“ sagt Jesus zum Schluss. Die quälenden Ungewissheiten werden verstummen, an ihre Stelle tritt die Klarheit der Gegenwart Christi. Nach Ostern haben die Jünger das dann tatsächlich erlebt. Sie haben Jesus als Lebendigen getroffen und waren von seiner Auferstehung überzeugt und begeistert. „Das Alte war vergangen, alles war neu geworden.“ (2. Korinther 5,17b) Die Jünger waren voller Jubel und vermehrten sein Lob.
Auch uns kann es so ergehen, das ist hier die Botschaft: Wir können neu werden, Altes und Schweres hinter uns lassen, Kraft und Mut empfangen. Und das ist eine gute Nachricht, denn oft fehlt uns das alles. Wir haben häufig ebenso viele Fragen, wie die Jünger, Nöte und Probleme. „Wie meinst du das?“ „Wie soll ich das verstehen?“ „Welchen Sinn ergibt das?“ Das fragen wir, wenn etwas Vertrautes ins Wanken gerät und wir aus der Bahn geworfen werden. Und das geschieht immer wieder. Es gibt Entwicklungen, die wir uns nicht aussuchen und nicht steuern können. Sie entstehen auf unserem Lebensweg z.B. dadurch dass wir krank werden, einen Unfall haben, die Kräfte nachlassen. Oder unsere Mitmenschen tragen dazu bei. Sie wollen plötzlich etwas ganz anderes als wir, werden unzufrieden, üben Kritik und stoßen uns damit vor den Kopf. Das kann in der Familie geschehen, in der Partnerschaft, in der Berufswelt, in der Gemeinde. Auch die gesellschaftlichen Verhältnisse können eine Quelle von ungelösten Fragen sein, wenn sie sich verändern und alles schwieriger wird, was vorher einfach erschien. Das erleben wir gerade durch den Krieg in der Ukraine. Unsere Sicherheit gerät ins Wanken, der Wohlstand steht auf der Kippe, die Gefahr ist groß. Durch all das geraten wir in eine Krise, es macht uns Angst, und wir werden traurig.
Natürlich suchen wir alle nach Antworten auf die Fragen, die entstehen. Wir denken nach, reden miteinander, lesen kluge Artikel und Abhandlungen. Forschung und Wissenschaft werden aktiv, Ärzte und Therapeutinnen sollen helfen. Auf gesellschaftlicher Ebene entstehen neue Gesetze, Theologen und Philosophinnen melden sich zu Wort, Soziologen und Finanzexperten. Alles wird in Gang gesetzt, damit wir Lösungen finden. Denn natürlich wollen wir, dass das Leiden aufhört. Ratlosigkeit ist kein guter Zustand, Unsicherheit kein gutes Gefühl. Wir wollen Ruhe und Freude, klare Perspektiven und Sicherheit. Oft gelingt uns das auch mit unseren menschlichen Methoden. Natürlich gibt die Medizin uns Antworten, die Psychologie, die Politik und die Wirtschaft, aber lange nicht immer.
Viele Fragen bleiben offen, sowohl im persönlichen Leben, als auch in der Gesellschaft. Unsere Denkgebäude und Bibliotheken sind begrenzt. Experten und Wissenschaftlerinnen helfen uns nur bis zu einem bestimmten Punkt. Viele Rätsel bleiben ungelöst. Das merken wir auch daran, dass es zu kaum eine Frage nur eine Antwort gibt. Ärztinnen können unterschiedliche Diagnosen und Therapievorschläge machen. In der Politik gibt es viele Meinungen und Standpunkte, es gibt lange Debatten und häufig Streit. Und auch die Wissenschaft liefert nicht immer eindeutige und klare Ergebnisse. Das haben wir während der Coronazeit gemerkt. Vieles ist Ansichtssache.
Woran sollen wir uns also halten? Ruhe und Zuversicht entstehen durch unsere menschlichen Methoden nicht unbedingt, im Gegenteil, oft verunsichern sie uns noch mehr. Um innerlich Klarheit und Gewissheit zu erlangen, brauchen wir noch mehr. Und genau das kann Jesus uns geben, denn bei ihm ist etwas grundlegend anders: Er errichtet kein neues Denkgebäude, keine Theorie und auch kein Gesetz, sondern er schenkt sich selbst. Er weist die Jünger auf seine Gegenwart hin, auf seinen Weg durch den Tod zum Leben, auf seine Macht und Liebe. Und er lädt sie ein, darauf zu vertrauen, an ihn zu glauben und sich an ihn zu hängen.
Auch wir sollen und dürfen das. Jesus ist uns nahe, er lebt und regiert. Zu diesem Glauben sind wir eingeladen. Es ist deshalb gut, wenn wir nach ihm fragen, seine Güte empfangen und uns an ihm festhalten. Dann empfangen wir Antworten ganz anderer Art. Sie werden uns nicht über den Kopf gegeben, sondern im Leben, indem auch wir Jesus begegnen. Und sie bestehen nicht darin, dass wir plötzlich neue Erkenntnisse haben, sondern darin, dass das Fragen aufhört. Ein wohltuendes Schweigen tritt ein. Seele und Geist werden still. Anstatt nachzudenken oder zu reden, zu forschen und zu philosophieren, müssen wir also geduldig sein, warten und beten. Was uns durch den Glauben geschenkt wird, liegt auf einer ganz anderen Ebene und erfordert eine neue Einstellung, die Übung des Vertrauens und der Aufmerksamkeit, des Hörens und der Hingabe.
Doch das zu praktizieren lohnt sich, und zwar mehr als alles andere, denn wir gewinnen dadurch etwas ganz Neues: Es entsteht eine Freude im Leid. Jesus schenkt uns keine irdischen Güter, keinen Wohlstand und auch nicht unbedingt Gesundheit. Das Leid wird nicht komplett beseitigt und durch Freude ersetzt, aber wir empfangen „himmlische Gaben“. Jesus ist kein Arzt und auch kein Politiker, sondern „der wahre Heiland“. So hat Cyriakus Schneegaß es 1598 in dem Lied formuliert „in dir ist Freude“. (EG 398,1) Jesus rettet uns aus allem, was uns schadet und macht uns frei. Unsere Seele kann aufatmen, unser Geist wird klar, wir empfangen Kraft und Zuversicht. Auch innere Ruhe und Frieden kehren ein. Die Probleme verblassen.
Es ist deshalb gut, wenn wir unser Leben auf seine Gegenwart bauen. Dann öffnet sich nicht nur die Enge unseres Denkens und Handelns, sondern auch die Begrenztheit des Lebens. Sogar der Tod und die Vergänglichkeit werden überwunden, denn jenseits unseres Horizontes erscheint die Ewigkeit. Und in ihrem Licht wird alles leicht und klar. Nichts kann uns von Jesus trennen, denn er ist für uns gestorben und auferstanden. Zinzendorf hat das in einem Osterlied so formuliert: „Der durch verschlossne Türen ging, wenn er den Frieden bringt, dem zweifelnden vor Augen steht und alle Angst bezwingt, der kann auch heut den Seinen nahn, wenn sie ihn gleich nicht sehn; sein freundlich Auge blickt sie an, das Herz kann‘s wohl verstehn.“ (Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine, 2007, 336)
Wenn das geschieht, kann uns die Welt nichts mehr anhaben. Jesus kann alles verändern, keine Not ist für ihn zu groß. Wir haben also viel Grund, ihn „mit hellem Schalle zu ehren, zu jubilieren und zu triumphieren und seine Macht mit Herz und Mund zu lieben und zu loben.“ (EG 398,2)
Amen.