„Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin!“

Predigt über Kolosser 2, 12- 15
1. Sonntag nach Ostern, Quasimodogeniti, 24.4.2022, 9.30 und 11 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Kolosser 2, 12- 15: Christus hat den Schuldbrief getilgt

12 Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.
13 Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns vergeben alle Sünden.
14 Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.
15 Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

Liebe Gemeinde.

Lügen haben gerade Hochkonjunktur. Die russische Führung macht es uns vor: Die Verbrechen, die sie begehen, werden einfach geleugnet. Die Wirklichkeit wird so dargestellt, wie es ihnen passt, es wird gelogen, was das Zeug hält. Denn natürlich können sie die Gräueltaten, die sie begehen, nicht zugeben. Dann wäre alles aus.

Das kennen wir auch aus dem persönlichen Leben: Wenn wir etwas falsch gemacht haben, versuchen wir erst einmal, es zu vertuschen. Das beginnt schon in der Kindheit. Ohne dass es uns jemand beibringt, wissen wir, wie man lügt: Schule schwänzen, bei der Klassenarbeit abschreiben, Geld aus dem Portemonnaie der Eltern entwenden – das alles wird zunächst einmal geleugnet. Später ist es vielleicht ein Ehebruch oder andere ungute Heimlichkeiten, die wir durch Lügen verbergen wollen. Wir denken, damit sind wir aus dem Schneider. Aber stimmt das?

Schon Aristoteles hat gesagt: „Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.“ Es wird nur schlimmer durch die Lüge. Martin Luther hat das so ausgedrückt: „Die Lüge ist wie ein Schneeball: Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.“

Trotzdem tun wir es, denn eine Schuld zuzugeben, hat unangenehme Konsequenzen. Je größer sie ist, umso schwerer wiegen die Folgen. Im politischen oder gesellschaftlichen Wesen gibt es auf jeden Fall einen Richterspruch und eine Strafe, und das wird normalerweise auch protokolliert. Wie das Urteil ausfällt, wird schriftlich festgehalten.  

Seit Menschen Gedenken ist das so, auch schon in biblischen Zeiten. Paulus benutzt diesen Vorgang jedenfalls als ein Bild, um einen theologischen und geistlichen Zusammenhang deutlich zu machen. Wir haben das vorhin in der Epistellesung gehört, die heute unser Predigttext ist. Paulus sagt dort an einer Stelle: „Christus hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war.“ Dabei denkt er an eine handgeschriebene Urkunde, auf der vermerkt ist, welche Schulden ein Mensch hat, d.h. was er noch alles bezahlen muss. Und er benutzt das hier als ein Bild für das Gesetz Gottes mit seinen Forderungen, die der Mensch zu erfüllen hat, um gerecht zu sein. Christus hat diesen Schuldbrief öffentlich zerrissen und für ungültig erklärt, und zwar durch seinen Tod am Kreuz. Wer daran glaubt, wird nicht mehr durch das Gesetz belastet, er ist frei.

Das ist hier die Botschaft, und die ist wunderbar. Sie verheißt einen Neuanfang, der nun allerdings nicht durch Bezahlung oder Bestrafung möglich wird, sondern durch eine Schuldentilgung. Gott verzichtet auf seine Forderungen. Und wie großartig das ist, können wir uns gut vorstellen, wenn wir es mit einem Freispruch vergleichen, mit Vergebung und Versöhnung. Das Leben ändert sich von Grund auf, es kann ganz neu und schön werden. Die Lügen und das Vertuschen hören auf.

Die anderen Bilder, die Paulus in unserem Textabschnitt dafür benutzt, beschreiben deshalb genau das: Er redet von einem „neuen Leben“, das die Christen führen. „Christus hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden“, sagt er und damit meint er ein Leben, das von der Auferstehung geprägt ist. Christus ist darin gegenwärtig mit seiner Kraft und seiner Liebe. Sein Geist durchdringt das Denken und Fühlen, er schenkt Freiheit und Frieden. Denn er nimmt die Glaubenden immer wieder mit auf seinem Weg durch den Tod und die Hölle ins Leben und in die Freude.

Und das alles beginnt mit der Taufe, bei der Gott an den Täuflingen handelt. Der Schöpfer hat sie bei der Taufe neu geschaffen. „Mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten.“, so die Worte von Paulus

Mit dem Glauben an Jesus Christus und der Taufe geht also etwas Altes zu Ende und etwas Neues beginnt. Unser Leben mit all seinen Lasten und Schulden, mit seiner Gottesferne und seinen Verfehlungen wird beerdigt. Die Vergangenheit kann nicht mehr auferstehen, wir müssen die Fehler, die wir begangen haben, nicht mit uns herumschleppen oder verdecken. Sie müssen uns nicht ängstigen oder entmutigen, denn wir werden daraus befreit. Uns wird versprochen, dass Gott nichts von uns fordert, auch wenn wir tief in seiner Schuld stehen. Er verzichtet darauf und schenkt uns immer wieder einen Neuanfang.

Die Frage ist allerdings, warum er das Böse dann überhaupt erst zulässt? Wenn er es sowieso vergeben will, könnte er doch dafür sorgen, dass es gar nicht erst geschieht. Gerade jetzt, während des Krieges in der Ukraine, fragen wir uns das sicher manchmal: Warum hat er nicht alle Menschen gut gemacht, so dass niemand erst Böses tut? Es heißt doch in der Schöpfungsgeschichte: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ (1. Mose 1,27) Das könnte ja heißen, er schuf ihn gut und schön, ehrlich und liebevoll.

Aber so einfach ist es leider nicht. Denn in der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott steckt auch seine Fähigkeit zur freien Entscheidung. Als Gott den Menschen schuf, wollte er ein lebendiges Gegenüber, ein Wesen, das genauso selbständig und souverän denken und handeln kann wie er. Er befähigte den Menschen, Verantwortung zu übernehmen. Das wird an dem Auftrag deutlich, den er ihnen gab. Der lautet: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ (1. Mose 1,28) Der Mensch steht also höher und ist mächtiger als ein Tier oder eine Pflanze. Er handelt nicht bloß nach seinem Instinkt, sondern er kann herrschen und lieben, hassen und begehren, genauso wie verzichten oder sich hingeben. Alles ist möglich, das Böse und das Gute.

Dabei möchte Gott natürlich, dass wir das Gute tun, und er hat auch nicht verheimlicht, worin es besteht. Wir kennen seinen Willen, er steht in der Bibel. Schon Noah hat ihn erfahren, aber später auch Abraham und vor allem Mose. Ihm hat er offenbart, wie er sich das Zusammenleben der Menschen vorstellt, indem er ihm die Zehn Gebote gab. Zusammengefasst lauten sie: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lukas 10,27) Seitdem wir das wissen, erwartet Gott, dass die Menschen sich daran halten.

Das Problem liegt also nicht bei ihm, sondern bei uns. Mit der Frage, warum Gott das Böse zulässt, drücken wir uns gerne vor dieser Wahrheit, denn sie ist unbequem. Die Aufforderung an Gott, sich doch bitte zu rechtfertigen, entspringt dem Wunsch, irgendjemandem die Schuld für alles Schreckliche zu geben. Wir sind wütend, und richten diese Wut gegen Gott. Dabei ist uns gar nicht so ganz klar, wen oder was wir uns dabei überhaupt vorstellen. Wir entwerfen einfach im Geist eine ominöse, unsichtbare Instanz, der wir alles in die Schuhe können, und damit sind wir selber dann fein raus.

Das können wir natürlich tun – auch das gehört zu unserer Freiheit – aber es bringt ganz und gar nichts. Unsere Wut wird höchstens größer, der Groll setzt sich fest, denn eine Antwort bekommen wir nicht, und eine Lösung finden wir auf diesem Weg schon gar nicht.

Wenn wir die suchen, müssen wir anders fragen. Und da hilft uns nun unser Predigttext. Denn er sagt uns: Gott hat sehr wohl etwas getan. Er schaut nicht einfach nur zu, wie wir uns gegenseitig vernichten, sondern er hat einen Ausweg geschaffen. Es ist der Tod Jesu am Kreuz, mit dem er unsere Schuldurkunde zerrissen hat. Das ist hier das Bild oder auch das Gleichnis. So müssen wir die Aussage verstehen. Es bedeutet nicht, dass Christus unsere weltliche Rechtsprechung außer Kraft setzt, sondern macht wie gesagt einen theologischen Zusammenhang und einen geistlichen Vorgang deutlich: Es geht es in erster Linie um unser Verhältnis zu Gott: Wir sind seine Kinder, befreite Menschen, ganz gleich, wie schuldig wir geworden sind, wir werden vor dem Untergang bewahrt.

Und das heißt – was die Frage nach dem Bösen betrifft – Gott stoppt es zwar nicht rigoros und von oben herab, aber er kann und will das Böse im Leben jedes und jeder Einzelnen beenden, wir müssen es nur wollen. Es gibt einen Sieg, in den wir hineingenommen werden können. Was uns belastet, ist nicht die letzte Wirklichkeit, denn die wurde von Christus durchbrochen und überwunden. Wir müssen das nur glauben und darauf vertrauen.

Und das ist ein ganz individueller, innerlicher Weg, der uns persönlich zum Guten führt. Wir sind alle eingeladen, ihn zu gehen, „aufzuwachen und unseren Geist und Sinn zu ermuntern“. So hat der pietistische Liederdichter Lorenz Lorenzen aus Husum es 1700 in einem Osterlied ausgedrückt. Es liegt an uns selber, ob wir aus „dem Grab der Sünden aufstehen und ein neues Leben suchen.“ Der Glaube ist wie ein „Lauf“, bei dem unser „Herz sich gen Himmel hebt, wo Jesus ist.“ Wir müssen nur „suchen, was droben“ ist und „geistlich auferstehen.“ Dazu gehört es, dass wir eine Schuld eingestehen, wenn wir sie auf uns geladen haben, dass wir ehrlich mit uns selber und gegenüber anderen sind, reumütig und bußfertig. Das ist nicht immer ganz einfach, denn natürlich sind wir in allen möglichen Verhaltensmustern gefangen. Es kann wie ein „Streit“ in unserer Seele sein. Aber es lohnt sich, den „anzufangen“. Denn „weil Jesus überwunden“ hat, wird er auch in unserem Herzen die „Feinde überwinden“. Wir können „in ein neues Leben gehen und Gott im Glauben dienen.“ (EG 114,1.2.7.9)

Und damit beginnt bereits ein Stück des Reiches Gottes auf dieser Welt. Die Wut, die wir eventuell haben, verraucht, Fragen werden überwunden, Geist und Seele beruhigen sich. Denn wir stellen uns nicht einfach nur eine irrationale Macht vor, die alles regeln soll, wir wenden uns vielmehr der Realität des Auferstandenen zu. Im Leben eines Gläubigen oder einer Christin ist er gegenwärtig, und damit auch im Leben der Gemeinde und der Kirche. Sie ist die Gemeinschaft der Glaubenden und damit ein Ort, an dem die Gewalt und Macht des Todes und der Hölle gebannt ist.

Bill Clinton hat einmal gesagt: „Wir sollten niemals aus den Augen verlieren, dass der Weg zur Tyrannei mit der Zerstörung der Wahrheit beginnt.“ Der Krieg und das Böse fangen nicht erst an, wenn Waffen eingesetzt werden, er beginnt bereits mit der Geisteshaltung. So hat auch Gandhi das gesehen. Von ihm stammt der Satz: „Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen.“ Es kommt nur dann, wenn wir das Gegenteil beherzigen: Die Wahrheit und Friedfertigkeit. Und gerade an Gandhi wird deutlich, was für Kräfte von diesen Tugenden ausgehen. Sie können das Leben heil machen, Familien zusammenführen und Gesellschaften verändern. Lasst uns deshalb an den Sieg Christi glauben, der uns aus der „Macht und List Satans und aus des Todes Banden“ befreit hat.

Amen.

Wer noch lebt, sage nicht: niemals!

Predigt über Markus 16, 1- 8: Die Botschaft von Jesu Auferstehung
Ostersonntag, 17.4.2022, 9.30 und 11.00 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Markus 16, 1- 6
1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.

Liebe Gemeinde.

Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte über die Welt herein.
Diese Büchse war eine Beigabe Zeus’ an eine auf Weisung von ihm erschaffene Frau, die Pandora hieß. Er befahl ihr, die Büchse den Menschen zu schenken und ihnen mitzuteilen, dass sie sie unter keinen Umständen öffnen dürften. Doch die Neugier der Menschen war stärker als der Gehorsam, und sie machten die Büchse wider besseres Wissen auf. Daraufhin entwichen aus ihr alle Laster und Untugenden. Zuvor hatten die Menschen keine Übel, Mühen oder Krankheiten gekannt, außerdem waren sie – wie die Götter – unsterblich. Doch seit dem Zeitpunkt, an dem die „Büchse der Pandora“ offen stand, eroberte das Schlechte die Welt. Als einzig Positives enthielt sie auch die Hoffnung. Bevor diese jedoch entweichen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pandora eines Tages die Büchse erneut öffnete und damit die Hoffnung in die Welt entließ.

Von dieser Sage kommt der Spruch: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Wir gebrauchen ihn, wenn alles ausweglos erscheint, und als einzig Positives nur noch die Hoffnung bleibt.

Bei den drei Frauen „Maria von Magdala und Maria, der Mutter des Jakobus und Salome“ war nach dem Tod Jesu möglicherweise auch die Hoffnung gestorben. Wir wissen es nicht. Es wird nur erzählt, dass sie am zweiten Tag nach seiner Kreuzigung, dem „ersten Tag der Woche“ zu seinem Grab gingen „sehr früh, als die Sonne aufging.“ Sie hatten „wohlriechende Öle“ gekauft, um Jesus damit zu salben. Das war zwar nicht üblich, aber sie wollten ihm noch einmal ihre Liebe zeigen. Unterwegs sprachen sie darüber, wie sie in das Grab gelangen könnten. Sie wussten es nicht, denn es lag ein großer Stein davor. Vielleicht dachten sie, dass sich schon jemand finden wird, der ihnen dabei hilft. War das vielleicht doch noch ein Fünkchen Hoffnung, der in ihnen glühte?

Wenn ja, wurden sie nicht enttäuscht. Denn als sie ankamen, gab es eine positive Überraschung: „Sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war“. Was hatte das zu bedeuten? Sie gingen in das Grab hinein, um es zu erforschen, doch nun wurde es noch erstaunlicher. Denn sie sahen nicht den Leichnam Jesu, sondern „einen Jüngling mit einem langen weißen Gewand.“ Das erschütterte sie, aber der junge Mann konnte sie beruhigen. Er sagte: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.“ Die war leer, Jesus war nicht mehr im Grab, und die Frauen sollten das weitersagen: „Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“ Das war der Auftrag des Boten. Doch dazu waren die Frauen nicht in der Lage. Sie waren zu fassungslos, bekamen Angst, liefen davon „und sie sagten niemandem etwas“.

So steht es im Markusevangelium, und wenn man dieses Ende liest, dann fragt man sich: Wie ist es dann überhaupt zum Glauben an die Auferstehung Jesu Christi gekommen? Wodurch ist die Hoffnung entstanden, dass das Leben siegt? Wenn schon die ersten Frauen das nicht fassen konnten, wie hat die Botschaft dann andere Menschen erreicht und überzeugt?

Das fragen wir uns regelmäßig, denn natürlich geht es uns genauso wie den Frauen: Wir begreifen nicht, was geschehen ist.

Dabei ist es eine sehr schöne Botschaft, die wir heute hören, denn uns wird damit gesagt: Die Hoffnung stirbt niemals! Es gibt in dieser Welt des Bösen und der Schlechtigkeit, der Laster und Mühen, der Krankheiten und des Todes eine Aussicht, die auch über den Tod hinausweist. Wenn alles zu Ende ist, müssen wir nicht warten, bis auch das letzte kleine Fünkchen Hoffnung erloschen ist, wir können vielmehr auf das Evangelium hören und an die Botschaft von Ostern glauben.

So war es damals, denn nach dem ersten Schrecken haben nicht nur die Frauen, sondern etliche Menschen Jesus als den Lebendigen getroffen. Er selbst hat den Glauben an seine Auferstehung bewirkt, indem er in den Tagen nach Ostern vielen Personen erschienen ist. Zuerst hat Petrus ihn gesehen, dann Jakobus und die anderen Apostel.

Und das ist wichtig, denn genauso geschieht es auch heutzutage. Christus lebt und er will und kann sich immer noch offenbaren. Uns will er sich genauso zeigen, damit wir niemals unsere Hoffnung verlieren. Die Auferstehung ist also kein Gedanke und auch keine Idee, die wir mit unserem Verstand begreifen können, sondern ein lebendiges Geschehen, das sich immer noch ereignet.

Die üblichen Methoden, es zu verstehen, helfen uns auch nicht. Normalerweise denken wir nach und erforschen die Dinge, die uns unbekannt sind. Die Naturwissenschaften sind dabei ganz wichtig. Sie liefern uns sogar Beweise für Vorgänge, die noch im Dunkeln liegen. Doch die gibt es für die Auferstehung Christi nicht. Auch das leere Grab ist kein Beweis. Schon sehr früh kam der berechtigte Verdacht auf, dass die Jünger dahinter steckten. Sie hatten das Grab heimlich geöffnet und den Leichnam Jesus gestohlen. Das war der Vorwurf, der den Christen schon früh gemacht wurde. Und auch andere Erklärungsversuche, wie Ausgrabungen, Quellenforschung oder Meinungsumfragen helfen nicht weiter. Denn die Auferstehung ist ein Wunder und lässt sich deshalb wissenschaftlich nicht begreiflich machen.

Wir müssen uns vielmehr auf die Botschaft einlassen und uns ganz bewusst für die Hoffnung entscheiden. Zu Ostern wird uns verkündigt: Es gibt eine Wirklichkeit, die ist gut und lebendig, unvergänglich und ewig. Sie weist weit über alles Schreckliche hinaus, das uns in der Welt begegnet. Wir müssen uns nur in diese Wirklichkeit hineinstellen. Nicht nur wir haben zu Ostern unsere Fragen, Christus fragt uns auch etwas. Und seine Frage an uns lautet: Woran willst du dich festhalten? Was ist dein Ziel? Wie soll dein Leben verlaufen?

Gleichzeitig bietet er uns eine Antwort an, denn er weiß, dass wir irgendwann alle mit etwas Schwerem und Unbegreiflichem konfrontiert sind. Die Vergänglichkeit meldet sich, und damit auch das Leid. Wir erleben Verluste und Enttäuschungen, Krankheit und Misserfolg. Zurzeit ist es der schreckliche Krieg in der Ukraine, der uns Angst macht und uns zeigt, wie schlecht die Welt sein kann. Wird das Böse am Ende doch siegen? Das fragen wir uns in diesen Tagen manchmal.

Und darauf gibt Christus uns eine Antwort. Sie besteht nicht aus Worten oder einer Meinung, sondern er antwortet auf unsere Nöte und Sorgen mit dem Wunder seiner Gegenwart. Seine Auferstehung ist keine geschichtliche Angelegenheit, sie ist auch keine Erfindung und keine Legende, sondern sie ereignet sich immer wieder neu im Leben jedes und jeder Einzelnen. Wir müssen uns nur für Christus öffnen, „den Lebendigen suchen“ und uns „an ihn hängen“. Dann „nimmt er uns mit“ auf seinem Weg durch „den Tod, die Welt, die Sünde und die Hölle“. (EG 112,6) Wir begegnen ihm, spüren und erfahren, dass er wirklich lebt. Wir bekommen neue Kraft, können hoffen und getrost bleiben, auch wenn das Leben aussichtlos erscheint. Denn wir haben eine Grundlage, die sich durch nichts erschüttern lässt.

Und wenn das geschieht, sehen wir die Welt mit anderen Augen. Wir orientieren uns nicht nur an dem Furchtbaren und am Bösen, sondern unser Blick fällt auch auf das Gute, das in der Menschheitsgeschichte ja oft gesiegt hat.

Ein Beispiel dafür sind die Juden, die heutzutage gerne nach Berlin ziehen. „ ,Es bedeutet mir sehr viel, dass ich in Berlin groß geworden bin‘, sagt z.B. eine junge Jüdin, die derzeit eine Doktorarbeit an der Humboldt-Universität in Berlin schreibt. Seit gut 20 Jahren lebt sie in der Metropole und sie sagt: ,Die Stadt hat, was das Judentum angeht, in Deutschland am meisten zu bieten.‘ Mit ihren Eltern kam sie damals aus dem ukrainischen Odessa in jene Stadt, in der einst ihre Urgroßmutter lebte, und in der Nazi-Deutschland die Vernichtung des europäischen Judentums plante! Vor 80 Jahren brannten in Deutschland Synagogen, auch in Berlin. Und nicht viel später begann der Massenmord an den Juden. Nun werden in Berlin wieder Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet – liberale, konservative, orthodoxe. In der Stadt leben so viele Juden wie nie zuvor nach der Shoa. (https://www.dw.com/de/berlin-die-stadt-in-der-juden-leben-wollen/a-46179033)

Wer hätte das nach dem Ende des zweiten Weltkrieges jemals gedacht? Nach zwei Generationen scheint sich hier wirklich etwas verändert zu haben. Auch Nichtchristen können uns also zeigen, dass es sich lohnt, die Hoffnung niemals aufzugeben. Es gibt dafür noch viele weitere Beispiele in der Geschichte: Menschen können nicht nur Böses tun, sie sind auch zum Guten fähig, zum Frieden und zur Gerechtigkeit.

Es gibt dazu ein schönes Gedicht von Bertolt Brecht. Es lautet:  

„Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? An uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebet sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen.
Und aus Niemals wird: Heute noch!“

Das sind Worte eines politischen Kämpfers und Gesellschaftskritikers. Brecht war erklärter Kommunist, d.h., er glaubte daran, dass die Menschen sich selber helfen können. Als Christen sehen wir das nicht ganz so, wir erkennen die Grenzen des Machbaren und respektieren sie. Aber trotzdem können wir uns von solchen Worten inspirieren und uns zurufen lassen: „Wer noch lebt, sage nicht: niemals! Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht.“

Dafür ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu ein lautes Signal und ein sichtbares Zeichen. Sie ist wie ein Alarm, der eine Hoffnung wecken will, die niemals stirbt. Lasst uns diese Hoffnung deshalb zum Hauptmerkmal unseres christlichen Lebens machen.

Amen.

Leidensfähig werden

Predigt über Johannes 17, 1- 8: Das Hohepriesterliche Gebet
6. Sonntag der Passionszeit, Palmarum, 10.4.2022, Lutherkirche Kiel

Liebe Gemeinde.

Für die Suche nach dem Glück gibt es kein Rezept, weil die Wege zu einem erfüllten Leben ganz vielfältig sind. Und doch: Wie individuell das Vorgehen auch immer sein mag, es gibt ein gemeinsames Merkmal. Denn bei unserer Suche werden wir von drei Fragen geleitet: „Wer bin ich? Wohin gehe ich? Und mit wem?“

Sie werden in diversen Büchern behandelt, und eins davon trägt genau diesen Titel. Der argentinische Autor, Psycho- und Gestalttherapeut Jorge Bucay hat es 2013 geschrieben. Angeregt durch Ideen aus Psychologie, Pädagogik und Philosophie erläutert er darin den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung. Für ihn sind die drei Fragen drei Aufgaben: „Die Antwort auf die erste Frage liegt in der aufrichtigen Begegnung mit mir selbst. Die auf die zweite darin, zu entscheiden, welchen Sinn und welche Erfüllung ich in meinem Leben finde. Und die dritte besteht darin, auszuwählen, was mir entspricht, sich dem Prozess der Liebe zu öffnen und meinen Wegbegleiter oder meine Wegbegleiterin zu finden.“ So wird das Buch beschrieben und der Inhalt zusammengefasst.

Einer, der diese drei Fragen mit Sicherheit für sich beantwortet und die Aufgaben erfüllt hat, die damit zusammenhängen, ist Jesus. Das können wir aus vielen seiner Reden und Worte schließen. Im Johannesevangelium wird das besonders deutlich. Ein wunderbares Beispiel ist das sogenannte Hohepriesterliche Gebet, das er – laut Johannes – nach den Abschiedsreden und vor seiner Gefangennahme gesprochen hat. Es steht im 17. Kapitel, und der Anfang daraus ist heute unser Predigttext. Er lautet folgendermaßen:

Johannes 17, 1- 8:

1 So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;
2 denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.
3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Dieses Gebet ist im Johannesevangelium wie gesagt das letzte, das Jesus vor seiner Passion gesprochen hat. Es ist die Parallele zu dem Gebet im Garten Gethsemane, von dem in den anderen Evangelien erzählt wird. Jesus thematisiert darin seinen Weggang, der unmittelbar bevorstand.

Er wendet sich als der zurückkehrende Sohn nach oben, zum Vater und verlässt im Geist bereits das irdische Zusammensein mit seinen Jüngern. Das Gebet markiert den himmlischen Anfang des Weges Jesu. Und er sagt darin, dass er zu Gott geht, um das ewige Heil der Seinen zu bewirken.

Am Anfang – den ich vorgelesen habe – betet er für sich selbst, später für die Jünger. Was ihn betrifft, so bittet er um „Verherrlichung“, also darum, dass er wieder in den Himmel kommt. Er wurde gesandt mit dem Auftrag, Gott bekannt zu machen und ewiges Leben zu schenken. Dieses Werk ist nun erfolgreich „vollbracht“. Er hat den Willen Gottes erfüllt und den Menschen das Heil gegeben. Sie empfangen es, wenn sie im Glauben erkennen, dass er der Sohn Gottes ist. Er und der Vater sind eins, und in diese Einheit werden die Glaubenden einbezogen. Damit werden sie aus der Welt gerettet und gehen in das Reich Gottes ein.

Jesus weiß also, „wer er ist, wohin er geht und mit wem“. Das ist das Geheimnis seiner Kraft. Deshalb kann er auch so überlegen das Leiden ertragen. Besonders im Johannesevangelium ist er am Kreuz bereits der Erhöhte, der gelassen und ruhig den Tod auf sich nimmt und damit „verherrlicht“ wird.

Doch was bedeutet das nun für uns? Können wir ihm hierin nachfolgen, ihn zum Vorbild nehmen? Wir beantworten die drei Fragen normalerweise anders. „Wer ich bin“, ergibt sich für uns aus unserer Herkunft: Unsere Eltern und Vorfahren spielen eine Rolle, wie wir erzogen werden, in welchem Land und in welcher Kultur wir aufwachsen usw. „Wohin wir gehen“, wissen wir zwar oft nicht genau, wir setzen uns aber Ziele. Und die sind meistens innerweltlich: Wir wollen Wohlstand und Erfolg, Frieden und Gesundheit. Und dabei soll uns ein Partner oder eine Partnerin begleiten, Freunde und Freundinnen, Menschen, die uns lieben und unterstützen.

Das sind unsere Antworten auf die drei Fragen, und es ist auch wichtig, dass wir sie finden. Dann entwickelt sich unsere Persönlichkeit gut und das Leben kann tatsächlich gelingen.

Doch ganz so einfach ist es leider nicht, denn auch wenn wir das geklärt haben, kann viel dazwischen kommen. Krieg, Krankheit, Katastrophen verursachen Leid und Not. Das sehen wir gerade in der Ukraine, aber es geschieht auch andernorts: Der Tod raubt uns unsre Liebsten, wir erreichen unsre Ziele nicht, wir verlieren unseren Besitz. Und all das löst viel „Schmerz und Gram“ aus, „Betrübnis, Verzagtheit“ (EG 11,6) und Verzweiflung.

Es wäre deshalb gut, wenn wir uns wie Jesus noch tiefer verankern und unseren Ursprung, unsre Ziele und unsere Hilfe nicht nur in der Welt suchen. Viele Menschen haben das getan und sind durch ihren Glauben berühmt geworden. Sie wussten um ihre ewige Herkunft und waren auf den Himmel ausgerichtet. Martin Luther gehört dazu. Er war ein starker Kämpfer, hat vieles auf sich genommen und blieb dabei zuversichtlich. Und das hatte etwas damit zu tun, dass er sich nicht als ein Produkt des Zufalls verstand und nur deshalb lebte, weil seine Eltern ein Kind haben wollten. In seiner Erklärung zum ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses formuliert er vielmehr:  

„Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit aller Notdurft und Nahrung des Leibes und Lebens mich reichlich und täglich versorget, wider alle Fährlichkeit beschirmet und vor allem Übel behütet und bewahret; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit: des alles ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewisslich wahr.“

Luther hat fest darauf vertraut, dass er von Gott herkam und in dessen Wollen seinen Anfang hatte. Gott war bei ihm, er hat ihn erhalten und begleitet, und dadurch fühlte Luther sich sicher und geborgen. Auch von anderen Christen und Christinnen, die Schweres erlitten haben, wissen wir das. So z.B. von dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer oder der katholischen Nonne und Philosophin Edith Stein. Beide wurden von den Nazis verfolgt und hingerichtet. Der eine, weil er im Widerstand aktiv gewesen war, die andere, weil sie jüdische Wurzeln hatte. Von beiden wird erzählt, dass sie – als sie bereits gefangen waren, und ihr Schicksal feststand – eine große Ruhe ausgestrahlt haben, mit der sie andere trösten konnten. Sie haben ihr Leid souverän ertragen, weil sie wussten, woher sie kamen, wohin sie gingen und wer bei ihnen war: Es war die Nähe Jesu und die Gegenwart Gottes, durch die sie ihren Weg gehen konnten. Es ist nicht nur eine Redewendung, wenn wir vom „Heimgehen zum Vater“ sprechen. Wir dürfen wie viele andere vor uns und mit uns glauben, dass wir nach dem Tod in Ewigkeit bei Gott sein werden.

Und das hat eine große Bedeutung für unser gegenwärtiges Leiden, weil angesichts der Ewigkeit alles, was wir erdulden müssen, weniger schwer wiegt. Zu dieser Erfahrung können wir kommen. Durch die Freude über die kommende Verherrlichung können wir zu unserer gegenwärtigen Not Distanz gewinnen. Unsere Leidensbereitschaft wächst. Wir erwerben die Fähigkeit, uns mit Christus erniedrigen zu lassen. Krankheit, Scheitern, Einsamkeit – die vielen „Plagen und Lasten“ (EG 11,5) – sind kein Lebensverlust. Wir können vielmehr im Kreuz schon die Erhöhung sehen, Leben auch im Leiden. Denn Christus ist nicht nur unser Vorbild, er geht auch mit uns. Wir müssen nur eine Lebensgemeinschaft mit ihm eingehen, ein liebevolles intensives Zusammensein.

Von den vielen Zielen, die wir uns setzen können, sollte das an erster Stelle stehen. Unser Glück hängt nicht davon ab, ob wir eine gute Herkunft haben, gebildet, erfolgreich und beliebt sind, sondern dass wir Gott in Jesus Christus „erkennen“. Erst wenn wir in die „Einheit des Sohnes mit dem Vater“ aufgenommen werden, gewinnen wir das Heil, nach dem wir uns sehnen, Glück und Erfüllung. Das ist die Botschaft des Evangeliums: Das Werk Christi, seine Erlösungstat und seine Liebe machen uns froh und frei. Und das ist wunderbar!

Doch möglicherweise stellen wir uns die Frage, ob das ausreicht. Steckt darin nicht eine gewisse Leidensideologie? Ergeben wir uns einfach nur unsrem Schicksal, und alles bleibt, wie es ist? Müssen wir als Christen nicht auch gegen das Böse angehen, Ungerechtigkeit bekämpfen, dem Krieg wehren, Krankheiten heilen, Angst mildern usw? Natürlich gehört auch das zu unsrem Auftrag. Wir müssen all das Schlimme in der Welt durchaus benennen und so gut es geht, etwas dagegen tun. Aber zugleich gilt es zu erkennen, dass Glück und Heil nicht festzumachen sind an Frieden, Wohlstand und Gesundheit. Nur wer bei Gott ist im Leben und im Sterben, hat das Leben in seiner ganzen Fülle. Nur wenn wir gewiss sind, dass wir von Gott kommen, das ewige Leben empfangen und von Jesus Christus begleitet werden, finden wir, was wir zutiefst suchen. Dann atmet unser Leben etwas von der Gewissheit, mit der auch Jesus und die vielen anderen ausgerüstet waren, die glaubten, dass sie Gottes Eigentum und für seine Herrlichkeit bestimmt waren.

Lasst uns die Lebensgemeinschaft mit Jesus erneuern. Die Menschen, die ihn empfingen, als er in Jerusalem einzog, taten das mit Palmenzweigen. Wir können ihm unser Herz schenken, damit es „grünt in stetem Lob und Preis.“ So hat Paul Gerhard es in dem Lied formuliert „Wie soll ich dich empfangen.“ (EG 11,1.2) Er bekennt darin, dass Jesus nichts „unterlassen hat zu seinem Trost und Freud“ (EG 11,3) . Auch Paul Gerhard hat großes Leid erlebt, „das Reich war ihm genommen, da Fried und Freude lacht“, aber da ist „sein Heil gekommen und hat ihn froh gemacht.“ (EG 11,4)

Amen.

Der Predigt liegt eine Meditation von Wolfgang Günther zu Grunde, in: Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Predigtreihe V,1, Advent bis Kantate, Göttingen 1994, S.120ff