Wachet und seid bereit!

Predigt über Mattthäus 25, 1-. 13: Von den klugen und törichten Jungfrauen

Ewigkeitssonntag, 24.11.2019, Lutherkirche Kiel

Matthäus 25, 1- 13

1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen.
2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit.
4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen.
5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!
7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst.
10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen.
11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf!
12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: aIch kenne euch nicht.
13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.

Liebe Gemeinde.

Wir müssen uns im Leben ständig entscheiden. Manchmal haben wir dafür viel Zeit, manchmal weniger. Gelegentlich muss es sogar in Sekundschnelle erfolgen, wie z.B. bei einem Fußballspiel. Meistens haben die Spieler nur einen Augenblick, um zu entscheiden, was sie mit dem Ball machen, der zu ihnen kommt. Sie müssen ständig wachsam sein.

Wenn es darum geht, mit wem wir leben oder welchen Beruf wir wählen, haben wir mehr Bedenkzeit. Und das ist auch gut so, denn das sind schwerwiegende Entscheidungen. Aus ihnen folgt, wie unser Leben in den nächsten Jahren weitergeht, und was aus uns wird.

Natürlich gibt es auch im Alltag ständig Entscheidungssituationen: Wofür gebe ich mein Geld aus? Was mache ich in meiner Freizeit? Was esse ich, was ziehe ich an? Vieles davon ist nicht besonders folgenschwer, aber es muss trotzdem beschlossen werden.

Und dann gibt es unzählige Situationen und Erlebnisse, in denen müssen wir entscheiden, wie wir uns dazu verhalten wollen, ob wir uns z.B. ärgern oder ruhig bleiben, glauben oder zweifeln, traurig sind oder uns freuen. Unsere Einstellung zum Leben, unser Bewusstsein und unser Denken unterliegen ebenfalls unserem eigenen Wollen.

Darauf bezieht sich das Gleichnis, das wir eben gehört haben, und es weist von vorne herein in eine Richtung: Es will uns zur Freude einladen, zum Glauben und Hoffen, und fragt uns, ob wir dazu bereit sind.

Es gehört zu der sogenannten Endzeitrede Jesu, zu seinen letzten Worten (Matthäus 24+ 25) . Er will seinen Jüngern mit dieser Rede sagen, welche Ereignisse am Ende der Zeit über sie hereinbrechen werden. Dazu gehören schlimme Katastrophen und die Auflösung der gesamten Weltordnung. Das Ziel ist allerdings nicht die Zerstörung, sondern die Ankunft des „Menschensohnes“ – wie Jesus sich selber nennt – d.h. sein Wiederkommen als von Gott gesandter Weltenherrscher. (Mt. 24, 29f) Jesus ging davon aus, dass all das zu Lebzeiten der Jünger noch geschehen würde. Deshalb gab er ihnen Anweisungen, wie sie sich dann verhalten sollen. Diese Absicht steht also auch hinter dem Gleichnis von den zehn Jungfrauen.

Jesus vergleicht darin sein Erscheinen mit einer Hochzeitsfeier. Zehn Mädchen warten darin zusammen mit der Braut auf den Bräutigam, um ihn mit brennenden Lichtern zu empfangen. Ihre Aufgabe ist es, das Paar mit den hellen Lampen in das Haus des Bräutigams zu begleiten, wo dann die Hochzeit gefeiert wird. Für ihre Lampen brauchen sie Öl, und das reicht natürlich nur für eine begrenzte Zeit. Da nun nicht klar ist, wann genau der Bräutigam kommen wird, ist es „klug“, nicht nur die Lampen, sondern auch einen Ölvorrat dabei zu haben. Fünf von ihnen sorgen dafür, die anderen fünf versäumen es. Und das ist „töricht“, denn der Bräutigam lässt so lange auf sich warten, dass sie alle einschlafen und ihre Lampen vor seiner Ankunft verlöschen. Die Klugen können sie dank ihres mitgebrachten Öls wieder entzünden, die Törichten dagegen müssen schnell noch etwas kaufen. Aber dadurch verpassen sie die Ankunft des Bräutigams. Sie nehmen nicht an dem Hochzeitszug teil und kommen zu spät zu dem Fest. Sie stehen vor verschlossener Tür und werden auch nicht mehr hineingelassen. Der Bräutigam verleugnet sie sogar und sagt sich von ihnen los. Sie werden von ihm brutal abgewiesen mit den Worten: „Ich kenne euch nicht.“

Das Gleichnis endet also recht düster, wenn nicht sogar tragisch, denn natürlich ist damit eine Gerichtssituation gemeint. Wenn wir die Geschichte auf die Ankunft Jesu beziehen, heißt das, dass nicht alle gerettet werden, es gibt ein Zuspät. Jesus warnt uns davor, dass es Verlierer und Gewinner geben wird, Teilnehmende und Ausgeschlossene.

Und das klingt hart, wir hören es nicht gern. Es scheint auch der Botschaft der Nächstenliebe zu widersprechen: Hat Jesus nicht an anderen Stellen gesagt, dass alle zu ihm kommen können und gerettet werden? Warum macht er hier diese Unterscheidung? Das müssen wir uns fragen.

Und dabei hilft uns der Gedanke, dass es gar nicht erst Jesus ist, der uns zu einer Entscheidung auffordert, sondern das führt das Leben bereits mit sich. Es geht hier nicht in erster Linie um die Abweisung der törichten Jungfrauen, sondern um den letzten Satz, der lautet: „Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Es lohnt sich, wenn wir den befolgen, denn er ist eine Einladung zur Freude. Dafür ist das Hochzeitsfest ein Symbol, und die Frage an uns lautet: Können und wollen wir uns freuen, ganz gleich, was geschieht?

Das ist natürlich eine Provokation, besonders heute, am Ewigkeitssonntag. Denn wir hören nicht nur die Verheißung Gottes, wir denken auch an die Lieben, die wir durch den Tod verloren haben. Das macht uns traurig, wir leiden und sind schwermütig. Genauso geht es uns, wenn wir an die eigene Todesstunde denken. Können wir uns darauf freuen? Und sind wir darauf vorbereitet? Der Tod kommt uns meistens doch eher wie ein dunkles Loch vor, in dem man versinkt. Freude kommt bei dieser Vorstellung kaum auf. Im Gegenteil, wir sind niedergedrückt und haben Angst.

Doch genau das kann sich ändern, denn wie wir uns gegenüber einem traurigen Ereignis verhalten wollen, können wir selber entscheiden. Oft ist unser Glaube in seiner Leuchtkraft verblasst. Wir sind eingeschlafen, wie die Mädchen in unserem Gleichnis. Wir haben zwar irgendwo im Hinterkopf noch die Ahnung, dass es vielleicht etwas gibt, worauf wir hoffen könnten, aber von einem lebendigen Schwung der Freude ist unser Glaube oft nicht getragen. Er schläft.

Es gilt also, dass wir aufwachen und uns bereiten. Und das kann durchaus in einer Stunde oder Zeit geschehen, die wie eine Krise ist. Gerade dann kann sich alles verändern, die verborgene Hoffnung kann zum Leuchten kommen und uns neu beleben.

Dazu – sagt dies Gleichnis – ist Öl in den Gefäßen der Freude nötig: die Glaubenskraft, die uns erfüllt, in der wir nicht nach uns fragen, sondern nach dem, der auferstanden ist und in Ewigkeit lebt. Wir müssen uns nur für ihn entscheiden. Und natürlich tun das nicht alle. Die Schar der Zehn zerfällt hier in zwei Gruppen. Es ist ein Bild dafür, dass es zwei verschiedene Weisen gibt, wie wir uns gegenüber Jesus einstellen. Die Klugen sind die, die für ihn offen sind, den Törichten sind andere Dinge wichtiger. Vielleicht ist der praktische Lebensvollzug, die Geschäftigkeit oder die Ablenkung. Es gibt vieles, wodurch der Glaube ins Hintertreffen gerät.

Und wenn das so ist, kann es am Ende tatsächlich ein Zuspät geben. Und dabei müssen wir gar nicht nur an das Ende der Welt denken, denn das hat sich ja ganz offensichtlich verzögert. Kaum jemand denkt daran und ändert deshalb sein Leben. Im Gegenteil, wir fühlen uns sicher und verhalten uns so, als würde alles immer weiter gehen.

Doch das ist auch ohne Endzeitgefühle ein Irrtum, denn unsere ganz persönliche Todesstunde kommt bestimmt. Auch Krisen und Verluste bleiben nicht aus. Und darauf gilt es, zu reagieren. Wie wollen wir das tun? Das Gleichnis lädt uns zum Glauben ein, und dazu haben wir immer eine Chance, ganz gleich, wo wir im Leben gerade stehen. Ein Zuspät gibt es erst in der allerletzten Sekunde, vorher nicht. Es ist nur wichtig, dass wir die Entscheidungsstunde, die alles ändert, als solche erkennen. Sie kann jederzeit kommen, am Anfang unseres Lebens, in der Mitte und auch noch gegen Ende. Vielleicht ereignet sie sich, weil wir von außen angerührt werden. Es kann aber auch von innen her kommen. Plötzlich und überraschend werden wir von der Sinnfrage unseres Lebens überfallen, erfahren ihre Lösung und eine tiefe Geborgenheit. Es ist ein Augenblick, in dem wir unser Leben nicht nur in unseren menschlichen Beziehungen und weltlichen Gegebenheiten sehen, sondern wir spüren, dass es noch viel mehr gibt. Zu der Horizontalen kommt die Vertikale, von der wir angerührt werden und die uns ruft. Wir werden von der Gegenwart des kommenden Herrn überwältigt und merken: Unser Leben ist in seinen Händen. Und dann sind wir aufgefordert, zu antworten. Wir werden geweckt und sollen unsere „Lampen anzünden“.

Natürlich ist dadurch nicht sofort die Freude da, es ist nicht von heute auf morgen plötzlich alles gut. Nach dem Tod eines Angehörigen gibt es eine Zeit der Trauer, und die muss auch sein. Wir können und sollen das nicht verdrängen. Ebenso normal ist es, dass das Wissen um unsere Vergänglichkeit uns bedrückt. Die Frage ist bloß, in welche Richtung bewegen wir uns? Wo soll es hingehen? Wollen wir in der Trauer oder der Angst verharren? Das ist die Entscheidung, die es zu fällen gilt, und wir sind eingeladen, Jesus in unserem Leben zu empfangen. Dann wird ein Prozess in Gang gesetzt, der uns langsam ins Licht führt. Er selber hilft uns dabei, denn wir begleiten ihn zu seinem Freudenfest.

Nun kann es sein, dass wir Menschen an unserer Seite finden, die den Glauben wie selbstverständlich bei sich haben. Dann scheint es nahe zu liegen, sie an das Gebot christlicher Nächstenliebe zu erinnern und sie zu bitten: „Gebt uns von eurem Glauben etwas ab.“ Doch das ist nicht möglich. Andere können zwar für uns beten und vor Gott für uns einstehen, aber jede und jeder muss sich letzten Endes selber entscheiden. Und es ist gut, wenn wir das nicht zu spät tun und am Ende zu den Törichten gehören. Es wäre vielmehr schön, wenn wir in unserer Todesstunde den Eingang in die Ewigkeitsfreude gewinnen, und unser Leben auch vorher schon davon durchdrungen ist.

Es gibt dazu eine schöne Erzählung von Werner Bergengruen: Ein Ritter war in eine Kapelle geraten, wo er eine Stimme hört, die sagt: „Nach sechs.“ Tief erschreckt erkennt er darin eine Ankündigung seines Todes und denkt, dass „nach sechs Tagen“ gemeint war. Er hält das für die Frist, die ihm gelassen ist, und benutzt sie, um sein Leben zu ordnen. Er versöhnt sich mit seinen Widersachern, hilft mit seinen Mitteln und Möglichkeiten Bedürftigen und lebt in innerer Sammlung vor Gott. Als aber nach sechs Tagen sein Leben nicht zu Ende gekommen ist, denkt er: Es waren wohl sechs Monate gemeint. Der Ritter hat also noch mehr Zeit, und was macht er nun? Natürlich behält er die neu gewonnene Lebensführung bei. Selbst als er später „nach sechs Jahren“ hört, bleibt er dem Glauben treu. Die Warnung war ihm Herausforderung zu seiner Lebensumwandlung geworden.

So ist das „Wachet“, auf das unser Gleichnis hinausläuft, gemeint. Es fordert uns auf, in der Nachfolge Jesu zu leben und der Trägheit zu widerstehen. Wir sind jederzeit gerufen, uns klar für Gott zu entscheiden, denn wir können nie mit Gewissheit sagen, wann unsere Todesstunde kommt. Und dabei müssen wir keine Angst haben, denn wir sind gleichzeitig zur Freude eingeladen. Gott hält seine Herrlichkeit für uns bereit. Wir müssen uns nur mit Christus verbinden, dann wird sich unsere Freude vollenden. Zu ihr will Christus uns führen. Anstatt über das drohende Zuspät zu erschrecken, dürfen wir hoffen und wissen, dass wir mit ihm leben werden und in Ewigkeit geborgen sind.

Amen.

„Ermuntert euch ihr Frommen, zeigt eurer Lampen Schein! Der Abend ist gekommen, die finstre Nacht bricht ein. Es hat sich aufgemachet der Bräutigam mit Pracht. Auf, betet, kämpft und wachet! Bald ist es Mitternacht.“ (EG 151, 1)

Der Predigt liegt eine Meditation von Heinz-Günther Klatt zu Grunde, die ich teilweise auch zitiert  habe. Sie ist zu finden in: Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Predigttext-Reihe I,2, Rogate bis Ewigkeitssonntag, Göttingen, 1991, S. 333ff.

Bewahrt, was Gott euch anvertraut hat

Predigt über 1. Mose 8, 18- 22: Die Zusage Gottes an Noah

20. Sonntag nach Trinitatis, 3.11.2019, Luther- und Jakobikirche Kiel

1. Mose 8, 18- 22

18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,
19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.
22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Liebe Gemeinde.

Spätestens seit der Bewegung „Fridays for future“ ist das Wissen über die Klimaproblematik in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Fast alle reden darüber, dass die Erderwärmung unseren Planeten und unser Leben bedroht, und dass sich etwas ändern muss. Die Meeresspiegel steigen, und ganze Landstriche sind von Trockenheit oder Überschwemmung bedroht. Die Warnungen der Wissenschaftler, die das alles voraussagen, kann niemand mehr überhören. Und es ist auch klar, dass das kommende Unheil von uns Menschen gemacht ist. Es ist keine Naturgewalt, sondern ist die Folge unserer Lebensweise. Wir tragen die Verantwortung dafür, ob die Umwelt zerstört wird oder erhalten bleibt.

Diese Einsicht ist allerdings nicht neu, wir finden sie bereits in der Bibel. Die Geschichte von der Arche Noah ist dafür ein sehr eindrückliches Beispiel. Sie handelt davon, wie vor Urzeiten einmal eine Sintflut über die Erde kam und fast alles Leben zerstörte. Wissenschaftler sind sich heutzutage sicher, dass es diese Flut wirklich gab. Das Schwarze Meer nahm dadurch seine jetzige Form an. Die Ursache war ein gewaltiger Wassereinstrom aus dem Mittelmeer, der sich ungefähr 6300 Jahre vor Christus ereignete. Funde von Muscheln und Schnecken haben zu dieser Erkenntnis beigetragen. Die große Flut vertrieb einige Zehntausend Menschen, es war eine fruchtbare Katastrophe. So ist es naheliegend, dass die Menschen damals darin ein Strafgericht Gottes sahen. Das konnte nur von ihm kommen, so erzählt es nicht nur die Bibel, auch aus Babylonien gibt es eine ähnliche Überlieferung.

Die biblische Sintflutgeschichte beginnt damit, dass Gott die Bosheit der Menschen satt hatte und mit der Schöpfung noch einmal von vorne anfangen wollte. Er brauchte dafür nur eine kleine Gruppe von Menschen und Tieren, und er wählte Noah und seine Familie. Wen er in seine Arche aufnahm, wurde gerettet, und aus diesem Rest entstand die neue Weltzeit, in der wir heute leben. Am Ende bekundet Gott seinen Willen, ihren Erhalt zu garantieren. Er wird in Zukunft Gnade und Nachsicht walten lassen. Sein Zorn ist verraucht, er offenbart seinen Heilswillen: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Das ist seine Zusage.

Und damit wird deutlich, dass es nicht an Gott liegt, wenn die Erde noch einmal untergeht, auf ihn Verlass. Der Mensch ist dafür verantwortlich, dass das Chaos nicht wieder alles verschlingt. Es gilt der ursprüngliche Auftrag aus der Schöpfungsgeschichte: „Macht euch die Erde untertan“, (1. Mose 1,28) d.h. nutzt sie, aber übernehmt Verantwortung. Bewahrt, was ich euch anvertraue, und sorgt dafür, dass es erhalten bleibt. Noah gehorchte diesem Auftrag. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, baute er einen Altar und dankte Gott. Er fürchtete ihn und lebte so, wie Gott es von ihm erwartete.

Und dazu sind auch wir aufgefordert. Die Geschichte will uns an unsere Verantwortung für die Schöpfung erinnern, daran, das Leben zu schützen, friedlich, demütig und gottesfürchtig zu sein.

Doch genau das scheint uns nicht zu gelingen. Der Mensch ist damit offensichtlich überfordert. Es sieht so aus, als ob es zu schwer ist, die Umwelt zu bewahren und sich angemessen zu verhalten. Woran liegt das? Das müssen wir uns fragen. Denn wenn wir nicht umdenken und umkehren, bekommen wir die Probleme nicht mehr in den Griff. Lasst uns als darüber nachdenken, welche Schritte helfen können, damit wir die gute Ordnung Gottes nicht länger durcheinander bringen.

Und dazu gehört es als erstes, dass wir uns auf ihn verlassen, uns ihm anvertrauen und an seine Zusage glauben. Oft denken wir nicht an Gott. Unsere Lebensweise ist säkular und weltlich, wir sind selbstherrlich und hochmütig geworden. Uns treibt ein unstillbarer Hunger nach immer mehr, die Gier, möglichst alles zu bekommen, was wir uns wünschen. Und das macht uns dumm und kurzsichtig. Wir kümmern uns nicht mehr um die Folgen unseres Handelns.

Wenn wir uns dagegen Gott anvertrauen und seine Macht anerkennen, ändert sich das. Wir sind dann eingebettet in seine Ordnung, werden demütig und bescheiden. Wir brauchen nicht mehr alles, sondern können getrost den einen oder anderen Wunsch loslassen. Und dadurch wird auch unser Blick klarer. Wir gewinnen Einsicht und werden klug. Das ist der erste Schritt.

Als zweites entsteht aus dieser Veränderung unseres Bewusstseins ein neues Handeln. Es ist gar nicht mehr so schwer, Verantwortung zu übernehmen und an dem mitzuwirken, was dem Erhalt der Schöpfung dient. Dazu hat jeder und jede die Möglichkeit. Es kann in unserem Alltag beginnen, in unserer nächsten Umwelt. Was und wieviel wir verbrauchen, können wir selber entscheiden. Und je mehr Menschen so bewusst handeln, umso effektiver wird es. Natürlich können wir als Einzelne nur wenig verändern, aber viele einzelne Menschen ergeben eine große Menge mit einer starken Wirkung. Es gilt der schöne Spruch von Stephan Zweig: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“ Das ist der zweit Punkt, den wir beherzigen sollten.

Und als drittes ist noch wichtig, dass Gott uns nicht allein gelassen hat. Er hat uns zwar in die Verantwortung entlassen, aber er weiß um unsere Schwäche und Fehlbarkeit. Deshalb hat er uns einen Beistand geschickt, seinen Sohn Jesus Christus. Und der hat bereits etwas von der neuen Welt Gottes, die eines Tages kommt, heraufgeführt. Die ist nach wie vor das Ziel des Handelns Gottes. An vielen Stellen in der Bibel ist davon die Rede, sowohl im Alten wie im Neuen Testament: Gott wird in einer unbestimmten Zukunft diese Welt zu Ende gehen und sein Reich anbrechen lassen. Den Kosmos, wie wir ihn kennen, ist nicht alles, was es gibt. Wir dürfen vielmehr davon ausgehen, dass es noch eine unsichtbare Welt gibt, eine Wirklichkeit jenseits von Raum und Zeit. Jesus Christus ist ihr Bote, er hat sie uns eröffnet, denn er hat die engen Grenzen unseres Daseins gesprengt, er ist von den Toten auferstanden. Das ist die Botschaft des Evangeliums. Bei ihm finden wir ein Leben, das niemals aufhört, in dem der Tod nicht mehr herrscht. Wir müssen nur daran glauben und auf ihn vertrauen.

Und das brauchen wir genauso wie Demut und sittliche Kraft: Wir brauchen die Zuversicht, dass uns letzten Endes nichts zerstören kann, dass die Mächte der Finsternis besiegt sind und wir an der Ewigkeit Anteil haben.

Lasst uns deshalb auf die Zusage Gottes vertrauen, unsere Verantwortung für die Welt wahrnehmen und auf Jesus Christus blicken, der uns zu all dem befähigt.

Amen.

Steh auf und geh!

Kurzpredigt über Johannes 5, 1-9: Die Heilung am Teich Betesda

19. Sonntag nach Trinitatis, 27.10.2019Gethsemanekloster Riechenberg

Johannes 5, 1- 9:

1 Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem.
2 Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen;
3 in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte.
 Sie warteten darauf, dass sich das Wasser bewegte.
4 Denn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt.
5 Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank.
6 Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden?
7 Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.
8 Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!
9 Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.

Zwei Personen stehen in der Geschichte im Mittelpunkt: ein kranker Mann und Jesus.

Der Mann war schon seit 38 Jahren gelähmt, und zwar am ganzen Körper. Er konnte nur liegen und sich so gut wie gar nicht bewegen. Er hatte wahrscheinlich starkes Rheuma oder Gicht, und die Aussicht auf Heilung war gering.

Aber er hatte eine Hoffnung, und die lag in einer Heilquelle, dem „Teich Betesda“ in Jerusalem. Von Zeit zu Zeit bewegte sich das Wasser dieses Teiches auf geheimnisvolle Weise, und dann musste man hineinsteigen, um gesund zu werden. Das ging allerdings nur einzeln. Wer jeweils als erster in das bewegte Wasser gelangte, hatte die beste Heilungschance. Die Kranken mussten sich also gedulden und in der Regel lange warten. Deshalb waren fünf Hallen um diesen Teich herum gebaut worden, in denen lagen die Patienten und hofften auf den heilenden Strudel. Auch der Mann, der hier im Mittelpunkt steht, tat das.

Aber für ihn war es so gut wie aussichtslos, denn er kam gar nicht ohne fremde Hilfe in dieses Wasser hinein. Wenn er sich mühsam dorthin gequält hatte, war bereits ein anderer vor ihm dort, und seine Chance war wieder vorbei. Er war immer zu spät. Und so bewegte sich in seinem Leben nichts mehr, alles war zum Stillstand gekommen.

Doch das findet in der Erzählung ein Ende, und zwar nicht durch diesen Teich, sondern weil Jesus zu ihm kommt. Er sieht diesen Menschen, geht zu ihm hin und spricht ihn an. Er weiß also um ihn, und dann genügt ein einfaches Wort aus seinem Mund, und der Kranke wird gesund. Jesus sagt zu ihm: „Steh auf, nimm dein Bett und geh umher“. Und der Mann gehorcht. Ohne Widerspruch, ohne Zögern oder Zweifeln befolgt er die Aufforderung Jesu und wird gesund, endlich, nach 38 Jahren! Er rollt seine Schlafmatte zusammen und verlässt die Hallen seines Elends, seiner vergeblichen Hoffnung und seiner Sehnsucht.

Und das ist der Punkt, an dem diese Geschichte eine Bedeutung hat. Die Heilungswunder Jesu sind für uns ja immer etwas problematisch, weil wir diese Erfahrungen so nicht machen: Kaum jemand wird durch ein Wunder oder durch den Glauben von einer chronischen Krankheit geheilt. Trotzdem ist die Geschichte sehr schön, denn an Geist und Seele können wir etwas Ähnliches erleben.

Es gibt ja Situationen, in denen sind wir ebenfalls wie gelähmt: Nichts bewegt sich mehr in unserem Leben. Das kann durch dauernde Konflikte geschehen, die alles überschatten, unerfüllte Wünsche und Erwartungen, Ängste, Sorgen, Wut oder Ärger, oder auch durch Überforderung, Stress, zu viel Druck, zu viel Arbeit, und vieles mehr.

Die Probleme scheinen zwar unlösbar, aber meistens haben wir trotzdem eine bestimmte Idee, wodurch sich das ändern könnte. Wir meinen zu wissen, von woher die Heilung kommen müsste, was die Lösung wäre. Sie liegt bloß in weiter Ferne und tritt nicht ein, weil andere uns daran hindern, weil die Umstände es nicht zulassen, weil die Zeit noch nicht gekommen ist oder ähnliches. Das sind unsere Gedanken, und darin schwingt meistens auch etwas Selbstmitleid oder ein Vorwurf mit. Bildlich gesprochen liegen wir an einem magischen Teich und warten darauf, dass das Wasser sich bewegt und wir hineinsteigen können. Wir sind auf diese eine Möglichkeit fixiert, wie der Kranke in unserer Geschichte. Und dabei merken wir nicht, dass wir in Wirklichkeit genauso verloren sind wie er. Wir richten uns vielmehr in unseren Gedanken ein, sie sind uns irgendwann vertraut, selbst wenn sie nicht weiterführen. Wir gewöhnen uns an dieses Lebensgefühl, das damit einhergeht. Und so warten und hoffen wir vergeblich und verlieren den Zugang zum Leben. Alles steht still.

Doch für uns kann sich genauso etwas ändern, wie für den Kranken, denn Jesus kommt auch zu uns. Er spricht uns an und fordert uns auf, einfach aufzustehen. Damit das geschehen kann, müssen wir nur auf ihn blicken, auf sein Wort hören, und die Ideen, auf die wir fixiert sind, einmal loslassen. Die Hilfe kommt aus einer ganz anderen Richtung, als wir denken. Es sind gar nicht die widrigen Umstände oder die schwierigen Menschen, die uns unbeweglich machen, sondern unsere festgefügten Vorstellungen davon, was geschehen müsste. Es gilt, dass wir die aufgeben und uns stattdessen an Jesus wenden und ihm gehorchen, ohne Widerspruch, ohne Zögern oder Zweifeln. Jesus sagt auch zu uns: „Steh auf! Verlass deine Ideen und deine Vorstellungen, sie helfen dir nicht.“ Und er gibt uns die Kraft dazu. In seiner Gegenwart werden wir neu belebt. Verkrustungen der Seele und des Geistes werden gelöst, es bewegt sich etwas, der Stillstand hat ein Ende. Denn Jesus durchbricht unsere Einsamkeit und löst das Selbstmitleid auf.

Auf den Mann in unserer Geschichte kam ja etwas völlig neues und unbekanntes zu. Er kannte das Leben, das auf ihn wartete gar nicht. Aber er hat sich trotzdem getraut, aufzustehen und in dieses Leben hineinzugehen. Und genauso befähigt Jesus auch uns, das Vertraute zu verlassen und in unbekannte Gefilde aufzubrechen. Wir hören auf, uns zu bedauern und sind nicht mehr allein. Wir bekommen den Mut, Neues zu wagen und kennenzulernen. Jesus kann unsere Seele heilen. Er hilft uns, die Hallen unseres Elends, unsere vergeblichen Hoffnungen und heimlichen Vorwürfe zu verlassen. Durch ihn erfüllt sich unsere Sehnsucht nach Veränderung, nach Bewegung und Aufbruch auf wunderbare Weise. Wir brauchen kein magisches Wasser, wir brauchen nur seine Gegenwart, sein vollmächtiges Wort und seine Kraft. Und die sind da, an jedem Tag, zu jeder Stunde, in jedem Augenblick.

Amen.