Die Predigt von Johannes der Täufer

Dieser Sonntag ist der Tag  vor dem 24. Juni, und das ist seit alters her der „Tag der Geburt Johannes des Täufers“, denn nach der Schrift wurde er sechs Monate vor Jesus geboren. Wir können das Johannisfest gerne am vorangehenden Sonntag feiern. Das haben wir getan, denn das passte wunderbar zu dem Ereignis, das heute in unserem Gottesdienst außerdem stattfand,  der Taufe eines jungen Erwachsenen.
Er studiert Jura  und interessiert sich vor allem für das Völkerrecht, d.h. er „wünscht sich eine gerechte Welt für alle, unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität und Religion. Er respektierst alle Lebensformen und setzt sich bereits jetzt für Chancengleichheit ein“, wie er selber sagt.  Wenn er fertig ist, möchte er gern ins Ausland gehen, und zwar dorthin, wo es Konflikte oder Krisen gibt, und er eventuell helfen kann.

Predigt über Matthäus 3, 1- 12: Johannes der Täufer

Tag der Geburt Johannes des Täufers, 23.6.2019, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel

Matthäus 3, 1- 12

1 Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa
2 und sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
3 Denn dieser ist’s, von dem der Prophet Jesaja gesprochen und gesagt hat (Jesaja 40,3): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und macht eben seine Steige!«
4 Er aber, Johannes, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren an und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig.
5 Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und ganz Judäa und alle Länder am Jordan
6 und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden.
7 Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah zu seiner Taufe kommen, sprach er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8 Seht zu, bringt rechtschaffene Frucht der Buße!
9 Denkt nur nicht, dass ihr bei euch sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.
10 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum: jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
11 Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
12 Er hat seine Worfschaufel in der Hand; er wird seine Tenne fegen und seinen Weizen in die Scheune sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer.

Liebe Gemeinde.

Es gab in der Geschichte der Menschheit immer wieder charismatische Personen, die eine Massenbewegung auslösten und gesellschaftliche Veränderungen heraufführten. Martin Luther King war z.B. einer. Von Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre war er der bekannteste Sprecher der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner. Durch seinen Einsatz wurde die Rassentrennung am Ende gesetzlich aufgehoben.

Ein weiteres berühmtes Bespiel ist Mahatma Gandhi, ein indischer Rechtsanwalt, Publizist, Widerstandskämpfer, Asket und Pazifist, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum politischen und geistigen Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung wurde. Mit gewaltfreiem Widerstand führte diese Bewegung schließlich das Ende der britischen Kolonialherrschaft über Indien herbei.

In der Bibel finden wir solche Gestalten ebenso, große Propheten, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregten und die Volksscharen in Bewegung setzten. Einer davon ist Johannes der Täufer. Wir haben eben aus dem Evangelium etwas über ihn gehört.

Wie Gandhi war auch er ein Asket, darauf weisen seine Kleidung und Nahrung hin. Lange Zeit lebte er zurückgezogen in der Wüste, abseits des weltlichen Geschehens, ganz auf Gott ausgerichtet. Doch eines Tages trat er auf und predigte im Stil der alten Propheten. Er rief zu Buße und Umkehr auf und kündigte das Kommen des Gottesreiches an. Er stand am Ufer des Jordans gegenüber von Jericho, und unzählige Menschen gingen zu ihm, um ihn zu hören. Wer seiner Botschaft folgte und seine Sünden bekannte, ließ sich von ihm taufen. Johannes vollzog die Taufe durch Eintauchen ins fließende Wasser, und sie bedeutete eine symbolische Reinigung.

Doch nicht allen gefiel das. Pharisäer und Sadduzäer, die führenden Leute des Judentums, stellten sich ihm entgegen. Sie taten zwar so, als ob sie ihn ernst nahmen, aber Johannes entlarvte ihre unehrliche Gesinnung und beschimpfte ihre Falschheit. Nur wer es mit der Umkehr ernst meinte, konnte dem zukünftigen Gericht entkommen. Das war seine Warnung. Und Umkehr bedeutete für ihn die radikale Anerkennung Gottes. Dabei sollte sich niemand in falscher Sicherheit wiegen. Gott ist frei in seiner Entscheidung, und sein Strafgericht trifft jeden, der seine Sünden nicht bekennt. Mit drastischen Bildern beschreibt Johannes diesen Vorgang: Es ist wie das Fällen eines Baumes und wie die Trennung von Weizen und Spreu.

Aber er bleibt nicht bei der Strafpredigt, er schließt daran die Ankündigung eines „Größeren“ an. Er wird nach ihm kommen, und „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“. Aus christlicher Sicht sagt er damit das Auftreten Jesu an. Denn Jesus war vom Geist gezeugt und mit der Fülle des Geistes ausgerüstet, das ist die Botschaft des Evangeliums. Und das, was Jesus Christus durch seinen heiligen Geist am Menschen tut, ergibt dann erst die rechte Taufe. Sie schenkt die vergebende Gnade Gottes, und es wird ein neuer Mensch geboren, der in das Reich Gottes zum ewigen Leben gelangt. So dürfen wir die Worte von Johannes über die „Geisttaufe“ verstehen.

Doch nicht nur der Geist, der das neue Leben gibt, wird von Jesus Christus verwaltet, sondern auch das Feuer, das das Böse verzehrt. Denn er vollstreckt gleichzeitig das göttliche Gericht. Mit den beiden Worten „Geist und Feuer“ wiederholt Johannes der Täufer die Verheißung des Alten Testmentes. Dort war die Ausgießung des Geistes für die letzten Tage versprochen. Zugleich wird vielfach auch vom Feuer geredet, in das Gott Israel bringt.

Mit dieser Weissagung hat Johannes in wunderbarer Weise Jesus den Weg vorbereitet. Er hat seine königliche Herrlichkeit verkündet und dem Volk zugleich deutlich gemacht, wozu es ihn brauchen wird: Er ist gesandt, um die Welt durch Gnade und Gericht von der Macht des Bösen zu erlösen. Seine Ankündigung deckt sich dann auch mit den Worten und Taten Jesu. Wenn wir das Evangelium weiterlesen, finden wir bestätigt, was Johannes am Anfang gesagt hat.

Die Frage ist deshalb allerdings, wozu wir seine Predigt überhaupt noch brauchen. Für die Menschen damals erscheint es sinnvoll, dass einer vorweg ging und den Messias ankündigte. Für uns, die wir an Jesus Christus glauben und seine Botschaft kennen, wirkt sie dagegen etwas überholt. Warum müssen wir uns noch mit Johannes dem Täufer beschäftigen? Und warum gibt es sogar einen kirchlichen Gedenktag für ihn? Wir begehen ihn zwar nicht jedes Jahr, aber er ist in unserem liturgischen Kalender vorgesehen.

Und das ist auch sinnvoll. Drei Gründe gibt es, warum Johannes immer noch interessant ist: Erstens ist seine Predigt nach wie vor aktuell. Zweitens ist seine Taufe ein Vorläufer der christlichen Taufe, und drittens erkennen wir beim Vergleich zwischen Johannes und Jesus deutlich, was uns durch Jesus Christus geschenkt wurde. Lasst uns diese drei Punkte deshalb bedenken.

Zunächst geht es um den Ruf des Täufers zur Umkehr, und der ist nie überholt. Er bedeutet eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten und Denken, und das Ziel ist ein Sinneswandel. Und der ist oft nötig, sowohl in der Gesellschaft als auch in unserem persönlichen Leben. Die beiden großen Prediger, Martin Luther King und Mahatma Gandhi haben das ebenso getan, und sie haben damit viel Gutes bewirkt. Es gab ein Umdenken und große Veränderungen in der jeweiligen Gesellschaft. Und das brauchen wir heutzutage ebenso. Es passiert vieles in der Welt, das böse ist, Kriege und Umweltzerstörung, Aufrüstung und Hunger, Ausbeutung und Ungerechtigkeit usw. Wenn wir Menschen nicht immer wieder umdenken, unsere Sünden bekennen, Buße tun und neu anfangen, wird es uns irgendwann nicht mehr geben. Insofern ist es gut, auf die mahnende Stimme von Johannes dem Täufer zu hören.

Der zweite Grund für seine Bedeutung liegt in seiner Taufpraxis. Sie war für die ersten Christen ein Beispiel, das sie nachgeahmt haben. Es gab im Judentum zwar schon immer rituelle Waschungen, die der symbolischen Reinigung dienten, aber die Taufe von Johannes hatte noch eine größere Bedeutung. Denn sie ging mit einem Sündenbekenntnis einher und sollte einen Neuanfang einleiten. Wer sich von ihm taufen ließ, hatte eine Entscheidung getroffen. Er stellte sich offenkundig vor Gott und Menschen als Sünder dar und versprach, mit seinem bisherigen Weg abzuschließen, das Böse in Zukunft zu meiden und den Willen Gottes zu beachten. Und das alles spielt auch bei uns eine Rolle, wenn Menschen getauft werden.

Dabei ist nun aber als drittes wichtig, in wie fern sich Johannes und Jesus voneinander unterscheiden. Johannes sagt selber: „Der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen.“ Jesus ist der Stärkere, und der Täufer räumt ihm diese Rolle auch ein. Das Ausziehen der Sandalen war ein niedriger Dienst, dem Sklaven vorbehalten. Wenn der Täufer sich also noch nicht einmal für würdig hält, dem Kommenden diesen Dienst zu tun, kann der Abstand nicht augenfälliger verdeutlicht werden.

Worin aber besteht der? Was ist an Jesus so anders? Seine Predigt unterschied sich in vielem gar nicht so sehr von der des Johannes. Auch er verkündigte das nahe Gottesreich und rief die Menschen auf, sich darauf einzustellen. Der große Unterschied ist allerdings der, dass Jesus es mit sich selber bereits gekommen sah. Er ermahnte die Menschen nicht nur, er schenkte ihnen auch etwas. Mit seinem Erscheinen war das Reich Gottes da, das war seine Botschaft. Er ist der „Friedefürst“, der etwas von der Ewigkeit in die Welt gebracht hat. Wir müssen also nicht nur auf Jesus hören, es gilt auch, sich auf ihn einzulassen, ihm zu vertrauen und ihn um seiner selbst willen zu lieben. Nicht unsere Vorstellungen von einer besseren Welt sind der Sinn des christlichen Lebens, sondern Jesus Christus selber und seine Liebe.

So ist auch unsere Taufe nicht nur ein symbolischer Akt, sondern wir glauben, dass wir dabei mit Christus verbunden werden, in seine Wirklichkeit eintauchen und Anteil bekommen an der Ewigkeit.

Und das bedeutet eine noch viel größere Veränderung, als lediglich ein Sündenbekenntnis. Die Sünden werden uns vergeben, „der alte Mensch wird ersäuft, und es kommt ein neuer Mensch heraus, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“ So sagt Luther es im Kleinen Katechismus. (Das viete Hauptstück, das Sakrament der heiligen Taufe, zum Vierten)

Und das ist wichtig, wenn wir für den Frieden oder das Gute wirken wollen, wenn wir umkehren und neu anfangen. Wir sind als Christen erfüllt von einer besonderen Kraft, und das heißt, wir sind nie allein, wir werden gehalten und gestärkt. Wir haben ein Vertrauen, das tiefer geht, und eine Zuversicht, die über diese Welt hinausweist.

Und das ist gerade dann entscheidend, wenn wir mal scheitern. Das kommt ja leider oft vor. Sowohl im persönlichen Leben als auch bei unserem Engagement für andere erreichen wir lange nicht alles, was wir uns wünschen. Wir kommen immer wieder an unsere Grenzen, werden enttäuscht und sind oft frustriert. Es besteht die Gefahr, dass wir die Hoffnung verlieren. Und genau davor kann Jesus Christus uns bewahren. Wir müssen in solchen Situationen nur auf ihn schauen und zu ihm rufen. Er lebt und er ist da, für uns und für die ganze Welt, und er ist selber aktiv. Er baut sein Reich nicht nur durch diejenigen, die immer alles hinbekommen, sondern auch und gerade durch diejenigen, die mit seiner Kraft und Gegenwart rechnen. Als Christen wissen wir, es hängt nicht alles von uns ab. Wir müssen uns zwar immer wieder auf den Weg machen, aber wir dürfen dabei auf den vertrauen, der uns vorangeht. Wir sind auf die ewige Zukunft ausgerichtet, wir sind erlöst und frei und können entspannt und gelassen bleiben.

Und dadurch sind wir viel handlungsfähiger als manch anderen. Auch Martin Luther King hatte dieses Lebensgefühl, denn er war vom Glauben getragen. Er war ein Baptistenprediger, d.h. ein Christ, der sein Leben ganz in den Dienst des Evangeliums gestellt hatte. Die Baptisten taufen die Menschen bewusst erst, wenn sie erwachsen sind und zum Glauben gefunden haben. Die Entscheidung für Jesus Christus geht der Taufe voraus. So war es bei Martin Luther King also ganz sicher.

Und auch Gandhi war ein tief religiöser Mensch. In seiner Familie wurde eine Form des Hinduismus gelebt, bei der Gebet und Frömmigkeit hervorgehoben wird. Gandhi ging sein Leben lang davon aus, dass Geist und Materie miteinander verbunden sind, und dass das Verhalten des Individuums metaphysische Konsequenzen hat. Sein Handeln war also weit mehr, als bloßer Aktionismus, und die Wirkung hatte etwas damit zu tun, dass er tief im Glauben an Gott verwurzelt war.

Und das zeichnet auch uns Christen aus. Wir haben einen großen Beistand und sind eingeladen, ihm mit unserem ganzen Leben zu folgen und zu vertrauen. Unsere Devise lautet: „Aufschaun, umkehren, loslassen, was nicht hält!“ „Dem Herrn die Ehre zollen und glauben seinem Bund.“

So ist es in dem Erzähllied über Johannes den Täufer ausgedrückt, das in unserem Gesangbuch steht. (EG 312) Der ursprüngliche Text stammt von Huub Oosterhuis, einem holländischen Theologen und Dichter, der besonders die politische Verantwortung der Christen betonte. Es ist als Lied für diesen Tag vorgesehen und fasst in sehr schöner Weise zusammen, was Johannes der Täufer für uns heute noch bedeuten kann.

Amen

Christus spricht: „Meinen Frieden gebe ich euch“

Predigt über Johannes 14, 15- 19. 23b- 27: Die Verheißung des Heiligen Geistes

Pfingstsonntag, 9.6.2019, 9.30 Uhr Lutherkirche Kiel

Johannes 14, 15- 19. 23b- 27

15 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
16 Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit:
17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
18 Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.
19 Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben.
23b Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.
24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.
25 Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin.
26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Liebe Gemeinde.

Der Theologiestudent Nils Straatmann hatte die trockene Theorie satt. Er wollte die Orte, an denen Jesus gewirkt hat, mit eigenen Augen sehen. Mit einem Schulfreund reiste er deshalb 2016 in den nahen Osten, um der Route des historischen Jesus zu folgen. Die beiden wanderten vom vermeintlichen Geburtsort Bethlehem bis zum Berg Hermon an der syrisch-libanesischen Grenze. Sie wollten wissen, ob sie Jesus bei dieser Wanderung finden würden, 2000 Jahre später. Sie besuchten Handwerker in Nazareth, fuhren mit dem letzten Fischer auf den See Genezareth und feierten mit Drusen am Lagerfeuer.

Doch es blieb keine Reise in die Vergangenheit, im Gegenteil, das Unternehmen wurde zu einem aufrüttelnden Roadtrip, bei dem sie immer wieder auf Mauern, Panzer und bewaffnete Soldaten stießen. Und obwohl sie bei den Menschen, die sie trafen, ebenso viel Hoffnung, Hilfsbereitschaft und Weisheit erfahren haben, fanden sie Jesus auf ihrer Wanderung nicht. Das Fazit war vielmehr: „Eine Figur wir er wäre heute nicht mehr möglich!“ Das ist einer der letzten Sätze in dem Buch, das Nils Straatmann über diese Reise geschrieben hat. (Nils Straatmann, Auf Jesu Spuren, eine Reise durch Israel und Palästina, München 2017

Doch das hat ihn nicht entmutigt, er kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass „wir alle gute Menschen sind, solange wir es versuchen. Wer Frieden will, muss friedlich sein.“

Und genau das hätte auch Jesus sagen können, denn das hat er hinterlassen: Er hat uns die Möglichkeit und die Kraft geschenkt, in seinem Geist und im Frieden zu leben. In dem Evangelium von heute, das zugleich der Predigttext ist, heißt es am Ende: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“

Der Abschnitt ist ein Teil der sogenannten Abschiedsreden Jesu. (Johannes 13,1- 17,26) Er spricht hier mit seinen Jüngern und kündigt seinen Weggang an. Sie werden bald allein sein und sich auch als „Waisen“ fühlen. Das sagt er ihnen voraus, denn er weiß, dass das für sie nicht leicht sein wird. Sie hatten mit ihm endlich einmal erlebt, wie es ist, wenn Gott ganz nah ist. Jesus hatte ihnen Liebe und Barmherzigkeit gebracht. Er hat Menschen geheilt und viel Leid abgewendet. Sie hatten geglaubt, dass durch ihn nun endlich eine bessere Zeit anbrechen würde. Doch jetzt wird er sie bald wieder verlassen. Soll also alles bleiben wir vorher? Sollen sie weiter auf eine neue Welt, auf den Messias und den ewigen Frieden warten müssen?

Auf diese Frage geht Jesus hier ein und er sagt ganz eindeutig: Habt keine Angst, es hat sich etwas für euch geändert, selbst wenn ich jetzt weggehe. Denn ich werde euch jemanden schicken, der mich vertritt. Jesus nennt ihn den „Tröster“, man kann auch übersetzen „Fürsprecher“ oder „Beistand“. Er sagt: „Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit“. Er wird diesen „Helfer“ also vom Vater erbeten und er verspricht ihnen, dass der immer bei ihnen bleiben wird. Es ist der „Geist der Wahrheit, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ So lauten die Worte Jesu. Die Jünger werden ihn also nicht vergessen und seine Lehre bewahren. Durch den Heiligen Geist ist sichergestellt, dass die Offenbarung Gottes weitergeht: „Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben.“ So drückt Jesus das aus. Gott verbirgt sich nicht, sondern seine Kraft und Liebe werden lebendig bleiben, und zwar in denen, die Jesus kennen, ihn lieben und an ihn glauben.

Jesus sagt bewusst, dass „die Welt ihn nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht.“ Er bleibt der Welt also fremd. Nur die Jünger bekommen ihn geschenkt. „Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ Das ist seine Verheißung.

Jesus wird also an keinen Ort und an kein Land mehr gebunden sein und auch nicht an die Zeit, sondern an die, die an ihn glauben und auf sein Wort hören. Bei ihnen wird man ihn finden. Die Abläufe in der Welt verändern sich durch ihn nicht. Er sucht vielmehr den einzelnen Menschen. Und der muss sich persönlich an seinem Reich beteiligen. Er muss in den Dienst des Geistes treten, ihn suchen und erbitten und ihn auch in sich hinein lassen. Jesus sagt das mit den Worten: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“ Und wo das geschieht, ist Jesus da, in dem Menschen, der sich zu im bekennt. Denn er und sein Vater „werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“

Das ist die Pfingstbotschaft, die auch an uns gerichtet ist, und das ist gut. Denn wir fragen uns sicher oft, wo Jesus denn heutzutage ist. Dabei ist der Theologiestudent Nils Straatmann nicht der Einzige, der ausprobiert hat, ob er ihn eventuell in seinem historischen Heimatland findet. Viele Christen pilgern dorthin, um die Stätten zu besuchen, an denen Jesus gelebt und gewirkt hat. Es herrscht dort deshalb auch ein reger Tourismus, der natürlich von den Einheimischen gefördert wird. Es gibt überall Souvenirs, die an Jesus erinnern, und an einer Stelle im Jordan kann man sich sogar noch einmal taufen lassen. Viele Pilger geraten dabei in Verzückung und sind zu Tränen gerührt. Angeblich erleben sie die Nähe Jesu.

Aber hat das wirklich etwas mit seinem Geist zu tun? Es wirkt eher wie eine spirituelle Dienstleistung, mit der Geld gemacht wird. Jesus hätte das möglicherweise sogar abgelehnt. Denn es ging ihm um etwas ganz anderes: Um die Liebe und um sein Wort. Und das hat sich nach seinem Abschied zum Glück über Landesgrenzen hinweg ausgebreitet und ist heute auf der ganzen Welt zu hören. Die Macht Jesu und seine Liebe sind universal, sie umspannen den ganzen Erdkreis. Wir können ihn also überall und zu jeder Zeit finden. Es gibt dazu das sehr schöne Lied in unserem Gesangbuch, das mit der Zeile beginnt „der Tag, mein Gott, ist nun vergangen“. (EG 266) Es steht unter der Rubrik „Ökumene“. Dieses Wort bezeichnet ursprünglich die ganze „bewohnte Erde“, wird aber insbesondere für die „Gesamtheit der Christen“ gebraucht. (Duden) Alle Kirchen und Konfessionen gehören dazu. Das Christentum ist zu einer Weltreligion geworden. Und dadurch gibt es immer irgendeinen Menschen, der sich an Jesus erinnert und seinen Geist in sich trägt. In dem Lied heißt es: „Denn unermüdlich, wie der Schimmer des Morgens um die Erde geht, ist immer ein Gebet und immer ein Loblied wach, das vor dir steht. Die Sonne, die uns sinkt, bringt drüben den Menschen überm Meer das Licht: Und immer wird ein Mund sich üben, der Dank für deine Taten spricht.“ (EG 266, 3.4) Das ist der erste Gedanke, der sich aus dem ergib, was Jesus seinen Jüngern verheißt, und was wir zu Pfingsten feiern.

Wenn wir wissen wollen, wo Jesus ist, dann müssen wir also eine ganz andere Reise unternehmen als nach Israel, und zwar die Reise nach innen. Und das heißt, wir müssen in uns hineinschauen und überprüfen, was da los ist. Welcher Geist erfüllt uns? Welche Gedanken bestimmen uns? Woran erinnern wir uns am liebsten? Oft sind wir ein Teil dieser Welt und halten uns an das, was wir in ihr finden. Das sind all die Dinge, die wir sehen und hören, was sich unseren Sinnen darbietet. Aber auch das, was wir planen und tun, gehört dazu, unsere Aktivitäten und Beziehungen. Mit all dem sind wir oft so beschäftigt, dass wir nicht mehr merken, dass es auch noch etwas ganz anderes gibt, nämlich die Gegenwart Christi und seinen Geist. Seine Verheißung fordert uns deshalb auf, uns immer wieder zu entscheiden, was uns erfüllen soll. Wir müssen selber Schritte tun, aufbrechen und gelegentlich die Blickrichtung ändern, weg von dem vielen, das uns umgibt und hin zu dem einen, der uns regiert und in uns wohnen möchte. Er hat uns seine Liebe und sein Wort gegeben, und es ist gut, wenn wir uns darauf einlassen. Oft bedeutet das, dass wir innerlich umkehren, aber es ist sehr verheißungsvoll. Denn wir werden zu etwas sehr Schönem eingeladen. Jesus spricht ja nicht umsonst vom „Tröster“, von einem „Beistand“ und „Fürsprecher“. Wir können ihn empfangen, und das tut gut, denn er erfüllt uns mit neuer Kraft und Zuversicht. Und die ist unabhängig von der Welt. Sie wird uns von Gott geschenkt, der nicht abwesend ist, sondern eigentlich immer darauf wartet, dass wir uns auf diese Weise für ihn öffnen. Das ist der zweite Gedanke.

Und als drittes kann sich dadurch etwas in der Welt verändern. Frieden wird möglich, denn den hat Jesus uns versprochen. Sein Geist ist vor allen Dingen ein Geist der Liebe und des Friedens. Wenn er in uns einzieht, werden wir fähig, von uns selber Abstand zu nehmen, loszulassen und aufeinander zuzugehen. Konflikte und Kriege entstehen ja immer dadurch, dass Menschen für das kämpfen, was sie für das Gute und Richtige halten. Sie wollen ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche durchsetzen, zur Not mit Gewalt. In dem Buch von Nils Straatmann wird das eigentlich am deutlichsten, denn diese Situation ist im Nahen Osten allgegenwärtig. Der Student hat bei seiner Reise sowohl Palästinenser als auch Juden getroffen, und alle haben ihm immer ihre Sicht der Dinge dargestellt. Jeder und jede fühlte sich im Recht und sah in den anderen das Problem. Keiner kam auf die Idee, die eigenen Gedanken einmal zu relativieren und sich in die Gegenseite hineinzuversetzen. Lieber leidet und wartet man auf bessere Zeiten, oder man kämpft und sichert sich ab.

Und so ist es fast immer zwischen Menschen, die in einem Konflikt miteinander leben. Das gibt es ja überall, auch in viel kleineren sozialen Zusammenhängen, wie in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft usw. Wir streiten uns oft, denn es ist schwer, von den eigenen Vorstellungen einmal abzulassen und die Dinge anders zu sehen, als wir es gewohnt sind. Das geht nicht so einfach, denn wir hängen viel zu sehr an unseren Ideen und Wünschen. Aus eigener Kraft schaffen wir das kaum.

Aber genau deshalb hat Jesus uns seinen Geist hinterlassen. Wenn wir ihn in uns hineinlassen, können wir von uns selber absehen, und umgekehrt: Um den Geist Jesu zu empfangen, müssen wir loslassen. Beides gehört zusammen. Und auch wenn das im ersten Moment wie ein Verzicht wirkt, so liegt darin eine ganz große Befreiung: Wir werden befreit zum Lieben und zum wahren Leben. Menschen finden zueinander, die sich vorher feind waren, Konflikte werden beigelegt, Streit wird beendet und Kriege hören auf.

Es lohnt sich deshalb, wenn wir  den Geist Jesu in uns wohnen lassen und friedlich werden. Und es ist gut, wenn wir ihn selber darum bitten, so wie das auch Georg Werner 1638 in seinem Pfingstlied „Freut euch, ihr Christen alle“ tut. (EG 129) Er sagt in der dritten Strophe:

„Verleih, dass wir dich lieben, o Gott von großer Huld, durch Sünd dich nicht betrüben, vergib uns unsre Schuld, führ uns auf ebner Bahn, hilf, dass wir dein Wort hören und tun nach deinen Lehren: das ist recht wohlgetan.“

Amen.