Den Glauben leben

3. Sonntag nach Ostern, Jubilate, 11.5.2014, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel
mit Konfirmation von Werner Erich

Liebe Gemeinde, lieber Werner.
Erinnerst du dich noch an den ersten Tag des Konfirmandenunterrichtes? Da haben wir uns über eure Bilder von Gott unterhalten, darüber, was ihr schon glaubt. Irgendetwas ist da ja meistens, sonst würdet ihr euch nicht anmelden und Woche für Woche hierher kommen. Jemand hat euch schon einmal etwas über Gott erzählt, eure Eltern vielleicht, die Großeltern, Lehrer oder Freunde.
In den zwei Jahren, die ihr dann in der Gemeinde verbringt, soll dieser Glaube gestärkt und ergänzt, bewusster und klarer werden. Wir wollen euch helfen, euch selber besser kennen zu lernen und dabei auch zu entdecken, dass Gott da ist, und Jesus Christus mit euch geht. Es soll also etwas geweckt werden, was bereits in euch schlummert, damit es lebendig werden und wachsen kann.
Anders kann man den Glauben auch gar nicht vermitteln. Denn es geht dabei nicht um ein Wissen, das man auswendig lernen muss, auch nicht um Regeln oder Gesetze und noch nicht einmal um die Kirche. Es geht vielmehr um Gott und das Leben. So hat auch der Apostel Paulus das schon verstanden, als er über Jesus Christus predigte.
Das hat er oft getan. Er war der erste große Missionar, der nicht lange nach der Kreuzigung Jesu die Botschaft von seiner Auferstehung verbreitete, zuerst in dem Gebiet der heutigen Türkei, dann in Griechenland und zum Schluss in Rom. In vielen Städten hat er gepredigt und christliche Gemeinden gegründet, auch in Athen. Und an der Rede, die er dort gehalten hat, wird besonders schön deutlich, dass er den Menschen nicht einfach etwas überstülpen wollte, sondern an dem Glauben anknüpfte, den sie bereits hatten. Der Bericht darüber ist heute unser Predigttext. Er steht in der Apostelgeschichte, Kapitel 17, und lautet folgendermaßen:

Apostelgeschichte 17, 22- 28a

22 Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt.
23 Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.
24 Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind.
25 Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt.
26 Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen,
27 damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns.
28 Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.
29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.
30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun.
31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er den Erdkreis richten will mit Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und hat jedermann den Glauben angeboten, indem er ihn von den Toten auferweckt hat.
32 Als sie von der Auferstehung der Toten hörten, begannen die einen zu spotten; die andern aber sprachen: Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören.
33 So ging Paulus von ihnen.
34 Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysius, einer aus dem Rat, und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.

Das ist der Bericht über das Wirken des Paulus in Athen, und so richtig erfolgreich klingt das nicht. In anderen Städten gelang es Paulus sehr viel besser, die Menschen zu bekehren. In Athen war das offensichtlich schwierig, denn es gab dort bereits ganz viele Götter, die die Menschen verehrten. Außerdem handelte es sich dabei nicht um einen primitiven Götzendienst, sondern um eine verfeinerte und kluge Frömmigkeit. Die Griechen sahen das Göttliche als geheimnisvolle unsichtbare Macht hinter allen Erscheinungen des Lebens aufleuchten. Die Gesprächspartner des Paulus waren religiöse Philosophen. Deshalb antworteten sie ihm auch nur mit beißendem Spott, als er Jesus den Auferstandenen als Heil der Welt verkündete. Sie regten sich auf und sagten: „Was will der Schwätzer hier.“
Doch Paulus lässt sich nicht einschüchtern, sondern knüpft geschickt an ihre Philosophie an. Er kommt auf die „Altäre für unbekannte Götter“ zu sprechen. Die waren wahrscheinlich aufgestellt worden, um sich gegen den Zorn eines Gottes, der vielleicht vergessen worden war, abzusichern. Und dazu sagt Paulus: Diesen Gott verkündige ich euch. Er ist der Eine, der Gott des Himmel und der Erde, der nicht in Tempeln wohnt noch von Altären abhängig ist, der sich vielmehr in seinen Geschöpfen offenbart und ihnen nahe ist. Dafür zitiert Paulus – etwas frei – einen schönen Satz aus der griechischen Philosophie: „In ihm leben, weben und sind wir“. Und dann geht er zu Christus über und ruft seine Zuhörer klar und unmissverständlich zur Umkehr und zum Glauben an den auferstandenen Jesus Christus auf.
Doch – wie gesagt – besonders erfolgreich war er nicht. Sie brachten deutlich zum Ausdruck, dass er sie nur langweilte. Denn natürlich meinten sie es gar nicht so, als sie sagten: „Wir wollen dich darüber ein andermal weiterhören.“ In Wirklichkeit hatten sie keine Lust mehr auf seine Predigt und baten ihn, endlich aufzuhören. Nur einige Menschen schlossen sich ihm an, von denen zwei sogar namentlich genannt werden.
Damit endet der Bericht, und es geht darin hauptsächlich um die Rede des Paulus. Sie wurde aufgeschrieben, weil sie eigentlich gar nicht so schlecht ist. Denn damit klärt Paulus einige sehr gängige Missverständnisse auf, die sich leicht beim Glauben einschleichen. Auch wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Gott „nicht in Tempeln wohnt, die mit Händen gemacht sind“, dass „er sich nicht von Menschenhänden dienen lässt“, und dass „er nicht durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht ist.“
Lassen Sie uns über diese drei Missverständnisse also noch einmal nachdenken und die Antworten von Paulus beachten.
Zunächst einmal ist es wichtig, dass Gott nicht an bestimmte Orte gebunden ist. Das meinen wir ja oft. Wenn wir an Gott denken, nehmen wir meistens an, dass er in der Kirche wohnt, dass wir deshalb dahin gehen müssen, wenn wir es ernst mit ihm meinen. Doch Gott ist viel größer als die Kirche. Kein Gebäude und keine Institution können ihn fassen oder festhalten. Im Gegenteil: Er hält die Welt und die Menschen in seiner Hand, er hat sie geschaffen, er ist „der Herr des Himmels und der Erde“ und gibt uns allen das Leben und den Atem. Er ist in allen Wesen gegenwärtig, alles zeugt von seiner Kraft und Größe. Das ist das Erste, was Paulus uns hier sagt.
Als zweites betont er, dass wir Gott nicht „dienen“ müssen, so „als ob er etwas braucht“. Und auch das ist für uns wichtig, denn das zweite Missverständnis besteht darin, dass wir oft denken, wir müssten Gebote einhalten, wenn wir glauben, und Regeln beachten. Das gehört natürlich dazu, aber es ist nicht das Entscheidende. Denn wichtiger als unser Handeln und unsere Taten ist unser Sein, dass Gott in uns ist und wir in ihm, dass wir ihm vertrauen und auf ihn hoffen, zuversichtlich und froh bleiben. Wir sollen mit ihm leben, uns auf ihn gründen und seine Kraft empfangen. Er will uns mit seiner Gegenwart erfüllen, unser Herz ergreifen und in unseren Gedanken wohnen. Das ist das Zweite, was Paulus hier zum Ausdruck bringt.
Und das dritte Missverständnis, dem auch wir leicht verfallen, ist die Vorstellung, dass Gott ein Gedanke oder eine Kopfsache ist. Wir halten den Glauben oft für so eine Art Programm mit vielen Ideen, das Menschen sich ausgedacht haben und das wir nur verstehen, wenn wir angestrengt darüber nachdenken. Das mag vielleicht für die Griechen und Philosophen so sein, aber der christliche Glauben hat einen anderen Inhalt. Denn für uns steht keine Idee im Mittelpunkt, sondern ein Mensch, der gestorben und auferstanden ist: Jesus Christus, der Sohn Gottes. An ihn glauben wir. Er begleitet und kennt uns. Und das geschieht nicht im Kopf, sondern im Leben.
Der Glaube ist deshalb auch nie fertig, es gibt keinen Zeitpunkt, an dem wir sagen können, jetzt haben wir endlich alles verstanden und alles verwirklicht. Der Glaube ist vielmehr ein Teil unseres Lebensweges. Er wächst und entfaltet sich immer weiter, genauso wie wir selber im Laufe der Zeit immer reifer und mündiger werden. Wir müssen uns also nur für Jesus Christus öffnen, mit ihm rechnen und uns darüber freuen, dass er bei uns ist. Das ist der dritte Punkt in der Rede des Paulus.
Im Konfirmandenunterricht solltest du, Werner, deshalb hauptsächlich etwas über Jesus erfahren, wie er gelebt, was er getan und gesagt hat. Aber damit ist jetzt nur ein Anfang gesetzt. Mit dem Ende des Unterrichtes ist das Thema Glaube nicht abgeschlossen, sondern eigentlich fängt jetzt etwas an: Dass du deinen eigenen Glaubensweg gehst und immer wieder herausfindest, was das für dich bedeutet. Du hast dich in der Konfirmandenzeit auf den Weg gemacht, hast eine Ausrüstung bekommen, doch nun geht es erst richtig los, und dieser Weg hört nie auf.
Deshalb ist schön, dass du dir als Konfirmationsspruch ein Wort Jesu aus dem Matthäusevangelium ausgesucht hast. Es lautet: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“  (Matthäus 24, 35) Das sagt Jesus zu seinen Jüngern, um ihnen Mut zu machen. Selbst wenn die Welt untergeht, werden seine Worte und Zusagen bestehen. Seine Gegenwart und sein Geist werden bei ihnen bleiben.
Und das gilt auch für dich und für uns alle: Du verlässt dich mit dem Glauben an Jesus Christus auf den, der nicht vergeht und völlig unabhängig von dir und allem anderen immer dableibt. Ganz gleich, wo du bist, was du gerade tust, wie alt du bist oder wie es dir geht: Das Evangelium gilt überall und immer. Jesus will dich begleiten, dir Leben schenken und dich mit seiner Kraft erfüllen.
Ich wünsche dir und uns allen, dass wir das im Laufe unseres Lebens immer wieder neu erfahren und daraus Freude und Zuversicht schöpfen.
Amen.