Der Tröster kommt

Predigt über Johannes 16, 5- 15: Das Werk des Heiligen Geistes

Pfingstsonntag, 4.6.2017, 9.30 und 11 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Johannes 16, 5- 15

5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.a
13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.
15 aAlles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Liebe Gemeinde.

„Kein Toter ist tot, solange es auch nur einen einzigen Menschen gibt, der an ihn denkt. Dann ist dieser Tote immer da für den, der noch lebt. Der Lebende wird ihn fühlen, er wird ihn spüren.“ Das ist ein weltlicher Beleidspruch, den Sie möglicherweise auch schon einmal auf eine Karte geschrieben oder bekommen haben. Der Gedanke, dass die Verstorbenen, mit denen wir eng verbunden waren, in unseren Herzen und in unserer Erinnerung weiterleben, ist weit verbreitet und sehr tröstlich. „Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind.“ So kann man das auch formulieren.
Im Internet gibt es viele Sammlungen solcher Sprüche. Sehr schön fand ich auch diesen: „Du kannst Tränen vergießen, weil er gegangen ist. Oder du kannst lächeln, weil er gelebt hat. Du kannst die Augen schließen und beten, dass er wiederkehrt. Oder du kannst die Augen öffnen und all das sehen, was er hinterlassen hat.“
Die Spuren eines Menschen bleiben zurück, auch die Liebe, die ihn mit den Seinen verband, kann niemand zerstören.
„Die Toten sind nicht fort, sie gehen mit. Unsichtbar sind sie nur, unhörbar ist ihr Schritt.“

So ist es auch bei Jesus, davon handelt der Abschnitt aus dem Evangelium, den wir eben gehört haben. Es ist eine Abschiedsszene. Jesus redet hier mit seinen Jüngern über seinen nahenden Tod. Er war darauf vorbereitet und er wollte seine Jünger trösten. Denn er wusste, dass es für sie sehr schwer war, ihn gehen zu lassen. „Ihr Herz war voll Trauer.“ Deshalb konnten sie auch nicht offen darüber reden, und Jesus wollte sie beruhigen.
Der Trost, den er ihnen gibt, hat nun allerdings einen besonderen Charakter. Er erinnert zwar an die weltlichen Sprüche, in denen es darum geht, dass die Toten in unserer Erinnerung weiterleben, aber was Jesus hier sagt, geht darüber noch weit hinaus. Das beginnt schon damit, dass Jesus seine Jünger nicht nur beruhigt, er findet es sogar gut für sie, dass er weggeht. Ganz neue Möglichkeiten eröffnen sich ihnen damit, das sagt er hier, und zwar, weil er ihnen den „Tröster“ schicken wird. So übersetzt Luther das Wort „Paraklet“, das im griechischen Text steht. Es kann auch „Fürsprecher“ heißen, „Helfer“, „Beistand“, „Anwalt“ oder „Verteidiger“. Es kommt also jemand in seinem Namen, der wird all das sein und „der Welt die Augen auftun.“ Das verspricht Jesus hier. D.h. die göttliche Wahrheit wird aufleuchten und es wird klar zu Tage treten, wie Gott die Welt sieht und mit ihr handelt. Der neue „Anwalt“ wird die Welt überführen, und dabei wird es um drei Dinge gehen: „die Sünde, die Gerechtigkeit und das Gericht“.
Das sind Anklagepunkte und Entscheidungen bei einem endzeitlichen Rechtstreit Gottes mit der Welt. Diese Vorstellung steht hinter den Worten Jesu. Und das hat er sich nicht ausgedacht, sondern die Juden erwarteten so etwas bereits und hofften darauf, dass Gott dabei die Welt endgültig von allen Frevlern befreien und die Gerechten erlösen würde.
Jesus sagt hier nun, dass dieses Gericht mit seinem Kommen, Sterben und Auferstehen bereits begonnen hat. Mit seiner Verkündigung hat er eine Klarheit gebracht, durch die sich das Gericht über die Welt vollzieht. Deshalb ist er der neue Maßstab, die neue Mitte, von der her sich die drei Begriffe, die er aufzählt, erklären: Sünde ist es, wenn die Menschen nicht an ihn glauben. Ein Nein zu Jesus ist ein Nein gegen Gott. Dass Gott gerecht ist und die Menschen freisprechen will, kann man daran sehen, dass Jesus zu ihm gehen wird, um die Sache für seine Jünger klar zu machen. Die Welt hat diesen Prozess bereits verloren, der Teufel ist gerichtet und Jesus ist der Sieger.
All das werden die Jünger erkennen, wenn der Tröster kommt. Was Jesus hinterlässt, ist also mehr als nur eine Erinnerung. Er sendet ihnen eine starke Kraft, ein helles Licht, das in der Welt wirken wird. Auch was in der Zukunft geschehen wird, kann dieser Tröster den Jüngern sagen. Er wird dafür sorgen, dass Jesus in der Welt bekannt und verherrlicht wird. Denn es gibt nur diese eine Wahrheit, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Er ist ganz mit dem Vater verbunden. Durch seine Sendung hat Gott der Welt das Heil gebracht. Das wird der Geist, der Tröster und Anwalt, den Jesus senden wird, allen bezeugen, die an ihn glauben.
So lautet die Rede Jesu hier. Ihr liegt die Botschaft zu Grunde, dass Jesus lebt und Gott gleich ist. Immer und überall ist er gegenwärtig. Alle Menschen können ihm vertrauen, von ihm befreit werden und ihm folgen. In seiner Rede über den Tröster entfaltet Jesus diese gute Nachricht. Es muss also in der Tat keiner traurig darüber sein, dass er körperlich nicht mehr anwesend ist.

Doch was heißt das nun konkret? Können wir mit dieser Botschaft etwas anfangen, und wie sollen wir sie umsetzen? Drei Fragen tauchen auf, die in unserem Text bereits anklingen. Die Jünger wollten das wahrscheinlich auch wissen, und zwar als erstes: Wie kommt es denn dazu, dass wir überhaupt an Jesus glauben und den Heiligen Geist empfangen? Die zweite Frage lautet: Ist das wirklich besser, als seine leibliche Gegenwart vor 2000 Jahren, und wenn ja, warum? Und schließlich stellt sich die dritte Frage, die sich auf die Welt bezieht: Ist die Sendung dieses Trösters tatsächlich für die Welt von so großer Bedeutung?
Wenn wir unseren Abschnitt genau lesen, entdecken wir, dass Jesus hier auf diese drei Fragen antwortet. Erstens erklärt er, wie es dazu kommen kann, dass wir an ihn glauben. Zweitens begründet er, warum das sogar besser ist als seine leibliche Gegenwart. Und drittens offenbart er, was das für die Menschheit und die Welt bedeutet. Jesus beschreibt also konkrete Schritte des Glaubens und des christlichen Lebens. Wir müssen nur genau lesen, was hier steht, und seine Gedanken nachvollziehen. Lassen Sie uns das deshalb jetzt tun.
Die erste Frage lautet: Wie kommt Jesus zu uns? Wie empfangen wir den Heiligen Geist, den Tröster und Beistand, von dem er hier spricht? Und darauf lautet die Antwort: Es ist zunächst ganz ähnlich wie bei einem Menschen, der gestorben ist: Wir müssen an ihn denken und vielleicht ein Bild aufstellen, das wir immer wieder betrachten. Wir lesen das, was er gesagt hat, alte Briefe vielleicht, und erinnern uns an seine Taten und an seine Liebe. Dann ist er gegenwärtig.
Und so können wir es auch mit Jesus tun. Der Unterschied zu anderen Verstorbenen ist nun allerdings der, dass sich beim Denken an Jesus und beim Lesen seines Wortes keine Wehmut in unsere Gefühle mischt. Es gibt keinerlei Traurigkeit, keinen Verlustschmerz und auch keine Nostalgie. Sondern Jesus ist wirklich da. Deshalb können wir auch noch mehr mit ihm tun, als nur an ihn zu denken. Wir können ihm vertrauen und uns auf ihn verlassen. Dann kommt er spürbar zu uns. Wir müssen uns also nicht anstrengen, um seine Präsenz zu erleben. Er kommt uns vielmehr entgegen und schickt uns seinen Geist. Er zieht in uns ein und erfüllt uns mit großer Freude und Zuversicht. Er ist ein wahrer Helfer und Beistand. Das ist das erste, was Jesus uns hier sagt.
Als zweites spricht er davon, dass das sogar besser ist als seine leibliche Gegenwart. Die Jünger hatten nach seinem Abschied viel mehr von ihm. Der Grund dafür liegt darin, dass Jesus sie durch seinen Geist mit seiner Kraft ausgerüstet hat. Die Verbindung zwischen Jesus und ihnen wurde viel inniger und dauerhafter.
Den Geist kann niemand mehr töten, und er führt jeden, der ihn empfängt in eine große Freiheit. Wenn der Heilige Geist einen Menschen erfüllt, verschwinden Ängste und Sorgen. Zwänge lösen sich auf, Trauer schwächt sich ab. Denn der Geist Jesu vermag viel. Er wirkt in uns und macht uns unabhängig von den äußeren Gegebenheiten. Das Leben muss nicht perfekt sein, damit wir froh bleiben. Selbst wenn äußerlich einiges nicht stimmt und uns beschäftigt, im Inneren sind wir getröstet und werden festgehalten.
Denn der Heilige Geist hat die Kraft, neues Leben zu schaffen. Durch ihn wird uns „der Atem Gottes eingehaucht“, wie es in einem alten Pfingstlied heißt.  Er „lenkt unsere Herzen“, „aus ihm strömt Leben, Licht und Glut, er gibt uns Schwachen Kraft und Mut.“ (Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, Hamburg 1994, Nr. 555) Das ist die zweite Aussage, die wir hier hören.
Und als drittes sagt Jesus noch etwas über die Welt und was der Tröster für sie bedeutet. Indem er vom Endgericht ausgeht, entwirft er für sich und seine Gegenwart einen kosmischen Rahmen. Der christliche Glaube ist keine Ideologie, und Jesus ist nicht bloß eine historische Person. Es gibt durch ihn vielmehr eine neue Wirklichkeit. In sie treten wir ein, wenn wir an ihn glauben. Und dadurch haben wir Anteil an der himmlischen Welt. Jesus schenkt uns eine Hoffnung, die über alle Zeit hinausweist. Auch im Endgericht können wir noch zuversichtlich sein, denn uns kann nichts mehr passieren.
Als lebendiges Zeichen dafür gibt es heute die weltweite Kirche. Sie hat Pfingsten ihre Geburtsstunde. Denn nachdem die Jünger den Heiligen Geist empfangen hatten, sind sie in die Öffentlichkeit getreten und haben das Evangelium verkündet. „Im Feuer und in Sturmes Braus“ sandte Gottes Allmacht ihnen den Geist, wie es in dem Pfingstlied ausgedrückt wird, das ich bereits erwähnte. Er „öffnete ihnen den stummen Mund und machte der Welt die Wahrheit kund.“ So geht die Strophe weiter. Die Jünger sind in die Welt gegangen und haben Jesus in ihr groß gemacht.  Daraufhin ist die erste christliche Gemeinde entstanden, und aus ihr wurde im Laufe der Jahrhunderte eine weltweite Gemeinschaft. Und das ist von großer Bedeutung, denn dadurch gibt es in dieser Welt konkrete Orte der Nähe Jesu.
Es ist deshalb gut, wenn wir als Christen immer wieder zusammenkommen und um den heiligen Geist bitten. Dann wird er unter uns lebendig und „entflammt Sinne und Gemüt.“ Das ist eine weitere Formulierung aus dem zitierten Pfingstlied. Gegen Ende enthält es dann die Bitte: „Die Macht des Bösen banne weit, schenk deinen Frieden allezeit.“ Wir dürfen daran glauben, dass der Heilige Geist das vermag. Er zeigt uns den rechten Weg, so dass uns nichts mehr schaden kann. Nicht nur für uns selber, sondern auch für die Welt gibt es eine Rettung. Das ist die dritte Zusage, die Jesus uns hier gibt.
Und das alles ist unglaublich viel, mehr als uns je ein Mensch oder eine Ideologie geben kann. Eine vertraute und geliebte Person wird uns immer fehlen, wenn sie gestorben ist, so sehr sie in unserer Erinnerung auch weiterlebt. Es ist nie mehr so, wie es einmal war. Jesus dagegen ist in der Welt gegenwärtig und kann uns jederzeit trösten und beistehen. Der Glaube an ihn ist nicht nur eine Erinnerung, sondern schafft neues Leben in uns und um uns.
Lassen Sie uns darüber von Herzen froh sein, Gott für seine Allmacht loben und für seine Liebe danken und fröhlich Pfingsten feiern.
Amen.

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