Tut Buße!

Predigt über Jona 3, 1- 10: Jonas Predigt und Ninive Buße

2. Sonntag nach Trinitatis, 26.6.2022, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel

Jona 3

1 Und es geschah das Wort des HERRN zum zweiten Mal zu Jona:
2 Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage!
3 Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der HERR gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt vor Gott, drei Tagereisen groß.
4 Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen, und eine Tagereise weit gekommen war, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.
5 Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und bließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an.
6 Und als das vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche
7 und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des Königs und seiner Gewaltigen: Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe Nahrung zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden noch Wasser trinken lassen;
8 und sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und zu Gott rufen mit Macht. Und ein jeder bekehre sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände!
9 Wer weiß? aVielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben.
10 Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie asich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.

Liebe Gemeinde.

Der christliche Ruf zur Buße begann mit Johannes dem Täufer. Jesus rief dann ebenfalls zur Umkehr, und das wurde im Urchristentum fortgesetzt. Der Grund war die nahende Gottesherrschaft, die auch Paulus betonte. Schon sehr früh entstand in diesem Zusammenhang das Amt des Bindens und Lösens.
In der Alten Kirche setzte sich die Vollmacht dieses kirchlichen Amtes durch und es entstand eine öffentliche Bußpraxis.
Im Mittelalter wurde die private Buße wichtiger und mit ihr die Zurechtweisung der Einzelnen. 1215 wurde sie zum Sakrament erklärt, das für jeden Christen und jede Christin heilsnotwendig ist.
Luther sah das etwas anders. Die Buße war für ihn kein Sakrament und nicht an das Priesteramt gebunden. Er betonte, dass die wahre Buße dem Glauben entspringen muss.
In der Neuzeit verlor die Buße allgemein an Bedeutung. Sie ist heutzutage nur noch ein einzelner Akt im christlichen Leben und im Bereich der Seelsorge und Spiritualität angesiedelt. ––

Das war jetzt ein kurzer Überblick über die Geschichte der Buße und Beichte im Christentum.

Aber es gibt sie aber natürlich auch außerhalb des Neuen Testamentes und der Kirche: Wir haben vorhin eine Geschichte aus dem Alten Testament gehört, die davon erzählt. Es ist die Bußpredigt des Propheten Jona an die Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt Ninive und ihre Folgen.

Ninive war die Hauptstadt des assyrischen Reiches, deren „Bosheit zu Gott herauf gedrungen war“, wie es am Anfang des Jonabuches heißt. (Jona 1, 2) Der Prophet erhält deshalb den Befehl, dorthin zu gehen und gegen ihre Sünde zu predigen. Das wollte er zuerst nicht, denn die Stadt lag außerhalb Israels, und er hatte Angst vor dem Auftrag, aber Gott setzte sich durch und Jona kam nach einem Umweg dort an.

In der großen Stadt, in die er sich einen Tagesmarsch weit hineinbegeben hat, verkündet er dann seine Gerichtsdrohung: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“ Danach verlässt er die Stadt und wartet an einem Ort östlich von ihr das Eintreffen seiner Drohung ab. (Jona 4,5) Aber es kommt anders, als er es sich denkt und wünscht. (Jona 4, 1-4) Seine Predigt bewirkt die Umkehr und Buße der Niniviten. Darüber wird sehr ausführlich berichtet: Sie glauben an Gott und tun Buße, indem sie von sich aus ein Fasten ausrufen und sich in das Bußgewand aus Sackleinwand kleiden. Und als der König von der Sache erfährt, vertauscht er nicht bloß für sich selbst seinen Thron mit dem Aschehaufen und seinen Königsmantel mit dem Bußkleid, sondern er ordnet durch ein amtliches Edikt eine allgemeine Bußfeier an, in die selbst das Vieh als zur Hausgemeinschaft gehörig mit eingeschlossen wird. Dabei lässt er es nicht nur bei den kultischen Bußriten bewenden, sondern die Buße soll wirkliche Besserung des Wandels, Abkehr von Frevel und Sünde im Gefolge haben. Das Motiv ist die Hoffnung auf die Gnade Gottes, die am Schluss des königlichen Erlasses zum Ausdruck kommt mit den Worten: „Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich gereuen und wendet sich ab von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben.“ Die Leute erkennen zwar, dass sie Gott nicht zwingen können, von dem angekündigten Gericht abzulassen, aber sie hoffen, dass die göttliche Vergebung als ein unverdientes Geschenk zu ihnen kommt. Und diese Hoffnung wird erfüllt: Gott lässt die reuigen Sünder nicht fallen und sieht von der Strafe ab: „Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.“

So endet die Geschichte und sie besagt: Es ist kein Volk und kein Mensch so schlecht, dass ihm die Möglichkeit, Gottes Wort zu hören und sich zu Gott zu bekehren, dauerhaft verschlossen bliebe. Gottes Gnade und Barmherzigkeit kennt keine Grenzen, sie ist nicht gebunden an das Volk Israel, sondern wird da wirksam, wo Menschen in aufrichtiger Reue und Buße nach ihr verlangen.

Die Geschichte ist deshalb ein sehr schönes Beispiel für die Gültigkeit des Heilandsrufes Jesu, der heute unser Wochenspruch ist: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt. 11,28) Jesus ist gekommen, um Sünder und Sünderinnen zu retten und selig zu machen. Wer zu ihm umkehrt, wird seine Gnade erfahren und das Geschenk der Vergebung bekommen, genauso wie damals die Niniviten.

Das klingt zunächst ganz schön, aber geht es uns damit wirklich gut? Das Thema hat ja eine sehr dunkle und schwere Seite. Wer will sich schon mit seinen Sünden beschäftigen? Der Ruf zur Umkehr appelliert an unser schlechtes Gewissen, an Schichten in unserer Seele, die wir lieber verbergen. Er ist ungemütlich und macht Angst. Wir stellen uns dabei einen Gott vor, der leicht zornig wird, uns ständig ermahnt und von dessen Gnade wir abhängig sind. Und dieses Gottesbild lehnen wir ab, davon wollen wir nichts wissen. Wenn er so ist, leben wir lieber ohne ihn.

Aber ist das wirklich gut? Und ist das Thema Buße und Umkehr tatsächlich so düster? Lasst uns darüber noch einmal etwas gründlicher nachdenken.

Wir geraten ja durchaus in Schuld, bewusst oder unbewusst, nach unserem Willen oder gegen ihn: Von vielen Verhaltensweisen, die wir uns bei unserer Art zu leben, angewöhnt haben, wissen wir ganz genau, dass sie nicht gut sind: Wir zerstören das Klima durch unseren hohen Energieverbrauch, befördern das Artensterben durch die Versiegelung der Landschaft, lassen Menschen in ärmeren Ländern für uns zu Hungerlöhnen arbeiten, usw. Die Liste der kollektiven Schuldzusammenhänge, in die wir verflochten sind, ist lang. Als Einzelne können wir uns da nicht heraushalten, und es entsteht ein Gefühl der Ohnmacht. Wenn wir ehrlich sind, lastet ständig ein Druck auf uns. Man kann natürlich versuchen, von der Schuld abzulenken, wegsehen, so tun, als hätte man sie vergessen, oder sich einreden, es sei alles nicht so schlimm. Das machen wir auch, indem wir uns die unausweichlichen Zusammenhänge erklären, uns dafür entschuldigen oder unser Verhalten rechtfertigen. Aber das geht immer nur für kurze Zeit, und plötzlich steht einem alles wieder vor Augen. Letzten Endes werden wir damit nicht fertig. Wie ein Schatten ist die Schuld uns immer wieder auf den Fersen, und das können wir irgendwann auch nicht mehr aushalten.

Es ist deshalb gut, dass es doch noch eine andere Möglichkeit gibt, daraus zu entkommen, und die wird uns in der Buße und Beichte vorgeschlagen. Gott bietet uns darin den Zuspruch der Vergebung an. Wir müssen uns nur zu ihm hinwenden und auf sein befreiendes Wort hören. Dann kann wieder Hoffnung aufkommen. „Die Beichte gibt Raum für alles, was ein Menschenleben ausmacht, auch das Dunkel, das Versteckte, das Bedrohliche; und sie gibt Raum dafür, dass es überwunden und abgelegt wird.“ (Lutherische Agende III.3, die Beichte, Hrg. Kirchenleitung der VELKD, Ausgabe 1993, S. 7f) Sie ist ein Teil des Evangeliums.

Und dafür gibt es in unserer Kirche sogar eine Form, eine Agende, in der Vorschläge für die Gestaltung von Beichtgottesdiensten und der Einzelbeichte zusammengestellt sind. Denn Luther hat das wie gesagt nicht abgelehnt. Er hielt viel von der persönlichen Beichte, auch wenn er sie nicht zum Sakrament erklärt hat. So sagte er einmal in einer Predigt: „Die heimliche Beichte will ich von niemandem nehmen lassen und wollte sie nicht um der ganzen Welt Schätze geben, denn ich weiß, was Stärke und Trost sie mir gegeben hat. Ich wäre längst vom Teufel überwunden und abgewürgt worden, wenn mich diese Beichte nicht erhalten hätte“. (Sermon. Gepredigt am Sonnabend vor Reminscere 1522. WA 10,III, 63,23ff) Luther hat erlebt: Das Aussprechen des Verborgenen im Vertrauen erleichtert. Und noch viel wichtiger ist dabei: Es erfolgt immer ein Freispruch durch eine andere Person. Für Luther musste das nicht der Priester sein. Er fand, dass alle Christen von ihrem Herrn den Auftrag haben, sich gegenseitig anzuhören und mit der Vergebung durch Christus einander zu trösten. Jede Christin kann einem anderen Christen die Vergebung zusprechen, und das wirkt befreiend. Wir werden herausgelöst aus der zermürbenden Spannung zwischen dem, was wir sein wollen und dem, was wirklich ist. Die Bedrängnis nimmt ab.

Und das liegt daran, dass Schuld nicht nur ein unangenehmes, negatives Gefühl oder eine moralische Verfehlung ist. Die Bibel sieht dahinter vielmehr die Sünde, und die ist noch mehr: Sie kommt erst in der Begegnung mit Gott ans Licht und stört die Beziehung zu ihm. Und sie hat Auswirkungen, denn sie beeinträchtigt ebenso unser Verhältnis zu uns selbst und unsere Beziehung zu anderen Menschen. Deshalb gibt es in der Bibel Geschichten wie die von Jona. Sie macht die Notwendigkeit deutlich, persönliche und gesellschaftliche Schuldzusammenhänge zu erkennen, sie einzugrenzen und nach Möglichkeit zu lösen. Gleichzeitig stellt sie klar, dass diese Schuldzusammenhänge letzten Endes erst dann bewältigt werden, wenn der Mensch zuvor mit Gott ins Reine gekommen ist.

Und genau das geschieht in der Beichte: „Der Mensch erkennt die Schuld, die er veranlasst hat oder in die die Verhältnisse ihn verstrickt haben, er bereut und bekennt sie. Sie wird ihm daraufhin im Auftrag des Herrn und in seinem Namen vergeben. Wo das geschieht, werden Selbstrechtfertigung und Entschuldigungen überflüssig. Sie werden von der Wahrheit Gottes überführt und von seiner Vergebung überholt. Der Mensch wird frei. Er kann sich den Aufgaben seines Lebens mit neuem Mut und neuer Zuversicht zuwenden.“ So steht es in den Erläuterungen der Beichtagende. (s.o., S.11) Und weiter heißt es dort: „Die Beichte ist demnach keine beklemmende Angelegenheit, sondern Ausdruck der ,Freiheit eines Christenmenschen‘. […] Entsprechend hat die Reformation geraten: Ein Mensch soll in der Beichte […] seine Sünden einfach Gott vor die Füße legen und ihn um sein Erbarmen bitten.“ (S.12) Dann wird sie ihm vergeben. „Gott wird das Übel, das er uns angekündigt hatte, bereuen, und es nicht tun.“ Vielmehr wird das Evangelium von der Gnade Gottes und dem Geschenk der Vergebung lebendig und wirksam.

Lasst uns deshalb freudig „zu Jesus Christus kommen, Buße tun und mit ihm leben ewiglich“ (EG 234,1.7)

Amen.

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