Nur mit Jesus will ich Pilger wandern

Predigt über Lukas 5, 1- 11: Die Berufung der ersten Jünger

5. Sonntag nach Trinitatis, 12.7.2020, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel

Lukas 5, 1- 11

1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth
2 und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.
4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen.
7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.
8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.
9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten,
10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Liebe Gemeinde.

Kermit, der Frosch aus der Muppetshow, stand einmal an einem regnerischen Tag sinnierend am Fenster und sagte: „Manchmal frage ich mich, was aus den Menschen geworden ist, die mich nach dem Weg gefragt haben.“ Offensichtlich hatte er Antworten gegeben, die gar nicht so genau stimmten. Vielleicht hatte er nicht zugeben wollen, dass er den Weg nicht kannte, vielleicht ist ihm auch erst hinterher eingefallen, dass seine Angaben verkehrt waren.

Das kennt ihr sicher auch alle aus eigener Erfahrung. Auf die Frage nach dem Weg sind wir ja nie vorbereitet, und dadurch vertun wir uns leicht mir der Auskunft, verwechseln die Seiten oder die Straßennamen, und wissen eigentlich nur so ungefähr, wo es lang geht. Trotzdem wollen wir natürlich helfen und uns als ortskundig erweisen, und so geben wir Antworten, die möglicherweise in die Irre führen.

Oft wäre die Aussage ehrlicher, die ich einmal auf der Rückseite eines T-Shirts gelesen habe. Da stand: „Folgt mir nicht nach, ich weiß auch nicht wo’s lang geht.“ Ich fand das sehr lustig, denn die Aussage bezieht sich natürlich auf das Leben im Allgemeinen. Und da ist es gar nicht so schlecht, wenn einer zugibt, dass er sich nicht auskennt. Er ist damit bestimmt nicht allein. Bei den meisten Menschen ist es besser, wenn ihnen niemand folgt.

Zu denen gehörte Jesus allerdings nicht. Er war sich über seinen Weg und seinen Auftrag ganz sicher, und er riet nicht davon ab, ihn zu fragen oder ihm nachzufolgen. Im Gegenteil, er rief dazu sogar auf und begann damit gleich am Anfang seines öffentlichen Auftretens.

Wir haben die Geschichte eben gehört. Sie handelt von ihm und den Fischern Simon, Jakobus und Johannes. Sie trafen sich am See Genezareth. Dort hatte Jesus gepredigt, mit Vollmacht und einer großen Ausstrahlungskraft. Er war zutiefst überzeugt von seiner Rede und fand mit seiner Botschaft viele interessierte Zuhörer. Sie drängten sich um ihn, so dass es sogar zu eng für ihn wurde. Aber er wusste sich zu helfen: Hinter ihm auf dem See lagen zwei leere Boote. Die Fischer waren ausgestiegen, um die Netze zu waschen. In eines der beiden ging Jesus nun, um die Menge von dort aus weiter zu belehren. Er bat darum, das Boot einige Meter auf den See hinauszufahren, weil er so die beste Akustik hatte. Die Menge nahm am Ufer im Halbkreis Platz.

„Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!“ So geht die Geschichte weiter. Die Menschenmenge verschwindet aus dem Blickfeld, und wir erfahren, was im Boot geschieht: Es ergeht ein Befehl an den Besitzer, der Simon heißt, und der gehorcht aufs Wort. Und das ist erstaunlich, denn eigentlich ist die Aufforderung unsinnig. Die Fischer sind die ganze Nacht unterwegs gewesen um etwas zu fangen, weil das dafür die günstigste Zeit ist. Nun ist bereits morgen, und sie waren erfolglos geblieben. Aber „auf sein Wort“ wirft Simon die Netze noch einmal aus. Es ist stärker als seine berufliche Erfahrung. Und dann fangen sie so viele Fische, dass die Netze zu reißen beginnen. Kollegen von einem anderen Boot müssen helfen, um sie an Bord zu ziehen. „Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken.“

Ein Wunder geschieht, und das überwältigt Simon. Er begreift, dass Jesus kein gewöhnlicher Mensch ist, sondern göttliche Eigenschaften hat. Er ist offensichtlich Herr über die Naturereignisse. Simon kniet deshalb vor ihm nieder und spricht: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“ Im Griechischen heißt die Anrede „Kyrios“, und das ist eine Ehrenbezeichnung. Gleichzeitig empfindet er sich selber als „sündigen Menschen“. Doch Jesus beruhigt sein erschrecktes Gewissen und sagt zu Simon und seinen Gefährten, Johannes und Jakobus: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“ Sie sollen Missionare werden und Menschen für Jesus und das Reich Gottes gewinnen.

Zum Schluss wird dann kurz festgestellt: „Sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.“ Sie wurden zu seinen engsten Vertrauten und taten von nun an, was Jesus von ihnen wollte. Sie lernten von ihm und wurden später zu Aposteln.

Wir kennen die Geschichte alle, haben sie schon oft gelesen und gehört. Trotzdem ist sie immer wieder faszinierend, denn was hier geschieht, ist ungewöhnlich. Wie kommt es, dass Jesus sich so sicher war? Er kannte den Weg und wollte, dass die Menschen ihm folgten. Und das ist ihm auch gelungen. Die Fischer gingen tatsächlich mit ihm, ohne Bedenken und ohne Zögern. Und das geschieht bis heute: Viele hören auf sein Wort und bekehren sich zu ihm.

Und das ist auch erklärlich, denn von den unzähligen Wegen, die wir gehen können, führt der Weg Jesu uns tatsächlich zum Leben. Was ihn erfüllt und was er verkündigt, ist von ganz anderer Natur, als unsere menschlichen Ziele. Er kommt von Gott und verkündigt sein Reich. Sein Weg weist weit über diese Welt hinaus und führt in die Ewigkeit. Und es ist gut, wenn auch wir das beherzigen.

Wir nennen uns zwar Christen, aber oft interessiert uns dieses Thema gar nicht so sehr. Wir setzen uns lieber innerweltliche Ziele, und davon gibt es etliche, die auch alle ganz unterschiedlich sind. Die Möglichkeiten, seinem Leben einen Inhalt zu geben, sich selber zu verwirklichen und etwas zu erreichen, sind vielfältig. Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten und Überschneidungen. So gehören zu den Dingen, die den meisten Menschen wichtig sind, die Ausbildung und der Beruf, Wohlstand und materielle Güter, Menschen und Erlebnisse, Ideen und Erfahrungen. Doch die Fülle dieser Inhalte ist manchmal unüberschaubar. Man kann sich leicht verirren. Einige Menschen wissen vielleicht ihr Leben lang genau, was sie wollen, aber viele geraten zwischendurch auf Irrwege und wissen dann nicht mehr richtig, wo es lang geht.

Das geschieht z.B., wenn jemand seinen Job oder auch den Partner bzw. die Partnerin verliert. Bei anderen ist es eine Krankheit, die alles durcheinander bringt, oder sogar der Tod eines nahen Angehörigen. Auch in einer Krise, wie wir sie z.Zt. erleben, gerät vieles ins Wanken, was für uns eigentlich selbstverständlich ist: Unsere Grundrechte und unsere Bewegungsfreiheit, kulturelle Erlebnisse, Begegnungen und soziale Nähe. Gewohnte Wünsche und Ziele stehen plötzlich in Frage, und das führt bei vielen große Probleme mit sich. Wie in allen leidvollen Situationen sind wir unsicher und orientierungslos. Wir müssen uns deshalb fragen, wie wir das alles bewältigen können, und nach einem Weg suchen, der uns da heraus führt. Und genau den will Jesus uns zeigen. In drei Schritten können wir ihm folgen.

Der erste Schritt ist die Erkenntnis, dass alle unsere selbstgewählten Ziele letzten Endes beliebig sind. Sie haben keine allgemeine Gültigkeit, sondern sind von vorne herein vergänglich und dem Wechsel unterworfen. Zudem sind sie meistens sehr individuell, betreffen nur uns selber, und das heißt automatisch, dass andere uns nicht unbedingt weiterhelfen können.

Diese Erkenntnis kommt auch in unserer Geschichte vor. Sie steckt hinter dem Ausruf von Simon: „Ich bin ein sündiger Mensch“. Das klingt uns vielleicht etwas zu negativ, aber es heißt, dass er seinen Blick nach innen richtet. Und das können auch wir tun. Uns wird dann bewusst, dass wir an Zielen und Ideen festhalten, die uns nicht weiterbringen. Wir haben uns „bezaubern und betören“ lassen, wie es in einem Lied von Gerhard Tersteegen heißt (EG, 392,1) . Deshalb geraten wir in ein Dickicht, bleiben gefangen und finden nicht den richtigen Weg.

Doch genau in diese Situation hinein erfolgt der zweite Schritt. Er besteht darin, dass wir auf Jesus hören und uns von seinem Ziel anstecken lassen. Er ist mitten unter uns und steigt zu uns ins Boot. Das kann ein Bild für unser Leben sein. Jesus betritt es, denn er kennt uns und will uns begegnen. Und seine Botschaft lautet: Die Welt und das Leben erschöpfen sich nicht im Diesseits. Es gibt nicht nur unsre Aufgaben und Wünsche, sondern das Reich Gottes ist da. Mit Jesus kommt Gott zu uns. Und der wirkt in unserem Leben, er schenkt uns das, was wir am meisten brauchen, denn er schenkt uns sich selber in Hülle und Fülle.

Auch wir sollten deshalb vor Jesus niederfallen, uns für ihn öffnen und auf seine Stimme hören. Wir müssen sie nur einmal beachten. Dann relativiert sich alles andre ganz von selber und erscheint in einem neuen Licht. Wir erkennen, was wirklich zählt. Die Probleme werden kleiner und verlieren ihre Macht. Das Leid wird gemildert, und selbst der Tod macht uns keine Angst mehr. Wir müssen nur die Gegenwart Jesu annehmen, vor ihm niederfallen und uns dann für ihn entscheiden.

Das ist der dritte Schritt, dass auch wir für ihn leben, ihn in die Mitte treten lassen und ihm nachfolgen. Und das geht genauso wie bei Simon nur ganz oder gar nicht. Jesus fordert ein klares Bekenntnis von uns. Die Liebe und die Kraft Jesu können nur dann in unserem Leben wirken, wenn wir anderen Kräften Einhalt gebieten, wenn wir nicht mehr unserem eigenen Willen folgen, sondern auf Jesus vertrauen und uns ihm hingeben. Es gilt, loszulassen, was uns bindet, und leidensbereit zu werden.

An der Hand Jesu fällt uns das nicht schwer, denn er hält uns das ewige Ziel vor Augen. Sein Ruf ist ein rettender Ruf, und es ist ein erlösender Schritt, darauf zu hören. Jesus führt uns aus dem Leid in eine ganz große Freiheit. Das Leben verändert sich, denn es gelten plötzlich neue Regeln, eine neue Lehre. Nicht mehr die vielen Ziele, die uns verführen wollen, geben den Ton an, sondern die eine ewige Heimat. Die Stimme Jesu weist uns darauf hin und heilt uns von innen her. Sie öffnet ganz neue Möglichkeiten des Denkens und Handelns. Unser Lebensgefühl verändert sich. Wir werden ruhiger und gelassener, die Unsicherheit verschwindet und wir gewinnen einen festen Halt. Und diesen Weg können wir dann auch anderen zeigen. Sie dürfen uns gerne folgen, denn wir wissen, was aus ihnen wird: Die Unruhe weicht und sie werden ebenfalls mit Freude erfüllt. Sie werden genauso wie wir zuversichtlich, sicher und frei.

Lasst uns deshalb mit Jesus unseren Weg gehen, so wie das in einem Pilgerlied aus dem 19. Jahrhundert zum Ausdruck kommt. Der evangelische Pfarrer Johann Peter Schück aus Hoffenheim hat es gedichtet, und es lautet:

  1. Nur mit Jesu will ich Pilger wandern, nur mit Ihm geh froh ich ein und aus; Weg und Ziel find ich bei keinem andern, Er allein bringt Heil in Herz und Haus.
  2. Berg und Tal und Feld und Wald und Meere, froh durchwall ich sie an Seiner Hand. Wenn der Herr nicht mein Begleiter wäre, fänd ich nie das wahre Vaterland.
  3. Er ist Schutz, wenn ich mich niederlege, Er mein Hort, wenn früh ich stehe auf, Er mein Rater auf dem Scheidewege und mein Trost bei rauem Pilgerlauf.
  4. Bei dem Herrn will ich stets Einkehr halten, Er sei Speis und Trank und Freude mir; Seine Gnade will ich lassen walten, Ihm befehl ich Leib und Seele hier.
  5. Bis es Abend wird für mich hienieden, und Er ruft zur ew’gen Heimat hin, bis mit Ihm ich gehe ein zum Frieden, wo Sein sel’ger Himmelsgast ich bin.
    (Text und Melodie: Johann Peter Schück, 1811- 1892)

Amen.

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