Frieden ist möglich

Predigt über Jesaja 2, 1- 5: In Zion finden alle Völker Heil und Frieden

8. Sonntag nach Trinitatis,  11.8.2019, 9.30 Uhr, Lutherkirche Kiel

Jesaja 2, 1- 5

1 Dies ist’s, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat  über Juda und Jerusalem:
2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen,
3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.
4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!

Liebe Gemeinde.

„50 Jahre nach Woodstock wollte einer der Veranstalter von damals das legendäre Festival wiederbeleben. Nun ist das Revival abgesagt. Doch die Idee passt in unsere Zeit, die von der Sehnsucht nach Vergangenem geprägt ist. Aber was bringt es, ständig zurückzuschauen?“ das fragt Kristian Teetz im Wochenendjournal der Kieler Nachrichten vom 3. August. Er stellt in seinem Artikel fest, dass „das Vergangene immer attraktiver wird.“ Viele Menschen blicken gern zurück, denn „Erinnerungen können sehr warme Emotionen wecken“. „Das Eintauchen in die Nostalgie ist wie das Einhüllen in eine bequeme Decke der guten alten Tage.“ Denn „das Gewesene ist bekannt, vertraut und verständlich“. Längst haben diesen Trend auch Firmen entdeckt. Sie stellen Produkte her, die „möglichst authentisch von Tradition und Vergangenheit erzählen“. Ein Soziologe sah den Grund für diese Entwicklung in der Angst vor der Zukunft: Menschen haben kein Vertrauen mehr, dass die Zukunft gut wird. Sie gehen davon aus, dass wir die Fähigkeit verloren haben, zerstörerische Ereignisse und Entwicklungen zu verhindern. Deshalb suchen sie Halt in der Vergangenheit. (KN 3.8.2019, Wochenendjournal, S. 1)

Dem Propheten Jesaja ging es da ganz anders. Er tat genau das Gegenteil, um sich gut zu fühlen, Mut zu fassen und Hoffnung zu schöpfen: Er schaute in die Zukunft und sah dort die Wiederherstellung des Paradieses. Wir haben seine Vision vorhin gehört.

Sie führt uns gleich am Anfang an das Ende der Tage. Dann wird die Natur umgewandelt, und der Berg, auf dem der Tempel in Jerusalem steht, der Zion, wird über alle anderen Berge erhöht. Er wird zum Wohnsitz Gottes und zum Mittelpunkt der Welt. Deshalb versteht es sich von selbst, dass alle Völker dahin strömen und wallfahren werden. Sie holen sich dort Belehrung, damit sie ein gottgemäßes Dasein führen. Sie wollen in den Wegen und Pfaden Gottes wandeln, d.h. den von Gott gewünschten Weg in ihrem Dasein einschlagen. Er wird ihnen in Wort und Weisung übermittelt.

Dabei bedeutet die Herrschaft Gottes nicht Unterdrückung oder Unfreiheit, sondern Friede und Gerechtigkeit. Gott wird eine gute Ordnung durchsetzen, indem er die Menschen zur Einsicht führt. Und dadurch geschieht dann das, wovon alle träumen: Es entsteht ein neuer Wille zum Frieden und ein konkretes den Frieden förderndes Handeln. Der Krieg wird unnötig. Waffen werden überflüssig und von den Bekehrten zur besseren Nutzung in Geräte landwirtschaftlicher Arbeit verwandelt. Der Friede der Urzeit ohne Mordwerkzeuge und Kriegshandwerk kehrt wieder.

Das beinhaltet die Vision, und sie ist ein großartiger Zukunftsentwurf. Er enthält die Hoffnung ewigen Friedens. „Schwerter zu Pflugscharen“, dieses Wort des Propheten ist inzwischen ja auch zu einer Redewendung geworden, die das Ziel des Völkerfriedens durch weltweite Abrüstung ausdrückt.

Die Friedensbewegung der DDR, die 1978 entstand, hat sich das deshalb als Symbol gegeben: Darauf schmiedet ein Mensch ein Schwert zu einem Pflug um. Das Ziel dieser Bewegung ist es, die Menschen zum Frieden zu erziehen. In vielen Kirchengemeinden entstanden damals staatskritische, unabhängige Friedensinitiativen. Der Grund dafür lag darin, dass die SED das Pflichtfach „Wehrerziehung“ an DDR-Schulen eingeführt hatte. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR entwickelte daraufhin ein Alternativprogramm.

Ganz neu war das nicht. Nach 1945 hatten die Kirchen erkannt, dass Aufrüstung keine Antwort auf die Konflikte in der Menschheit sein kann. So verfasste Papst Johannes XXIII. 1963 die Enzyklika Pacem in terris, die sich erstmals an „alle Menschen guten Willens“ richtete und u.a. forderte, „dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden; und dass endlich alle auf Grund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen.“

Und natürlich verstehen wir es auch heutzutage noch als unsere christliche Pflicht, für den Frieden einzutreten und „Schwerter zu Pflugscharen“ zu machen. Es gibt die Friedensbewegung zum Glück immer noch, Christen und Christinnen erheben ihre Stimme für den Frieden und beten dafür.

Doch sind wir damit erfolgreich? Ist es nicht unrealistisch, sich die Vision des Propheten zu eigen zu machen? In der Qualität unterscheidet sie sich doch gar nicht so sehr von der Nostalgie: Beides scheinen nur Träume zu sein: Denn die Vergangenheit lässt sich nicht wiederholen, und die Zukunft lässt sich nicht so gestalten, wie wir es uns vorstellen. Wir erleben gerade, wie das Wettrüsten offensichtlich von Neuem beginnt. Es scheint aussichtslos zu sein, die Menschen zum Frieden erziehen zu wollen. Appelle verhallen, Menschen guten Willens werden überhört, sie reiben sich auf und erreichen am Ende nichts. Weder der Blick in die Vergangenheit noch der in die Zukunft scheint zu helfen. Und auch unsere Gebete scheinen wirkungslos zu sein.

Was sollen wir also tun? Das müssen wir uns fragen, und dabei kann uns der Prophet Jesaja durchaus helfen. Was er hier entwirft, ist nämlich nicht nur Utopie. Als Christen glauben wir vielmehr, dass Jesus Christus diese Vision zum Teil wahr gemacht hat. Alle Prophezeiungen im Alten Testament, die von einem Retter und dem ewigen Reich Gottes handeln, haben sich in ihm erfüllt. Das ist die Botschaft des Neuen Testamentes. Denn er ist direkt von Gott gekommen. Er ist der Sohn Gottes, der die Menschheit erlöst. Er hat den vollkommenen Frieden gelebt und weitergegeben. In seinen Abschiedsreden hat er gesagt: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Das Reich des Friedens ist also mit Jesus Christus angebrochen, das glauben und bekennen wir.

Und das ist als erstes wichtig, wenn wir danach fragen, was wir als Christen tun können: Das Entscheidende ist bereits getan: Durch Jesus Christus ist eine neue Realität da, es hat sich etwas in der Welt verändert, wir müssen nicht verzagen oder mutlos werden. Wir müssen nur an Jesus Christus glauben und mit seiner Kraft rechnen.

Das ist der zweite Schritt, der sich aus seiner Gegenwart ergibt. Jeder und jede einzelne ist aufgefordert, Jesus Christus nachzufolgen und ihm etwas zuzutrauen. Wir denken viel zu oft, dass wir mit unserer eigenen Kraft das Gute tun müssen. Wenn wir uns nur genügend anstrengen, wird es schon gelingen, das predigen viele und versuchen möglichst viel zu tun.

Doch damit hat sich eine neue Art der Werkgerechtigkeit in unseren Glauben eingeschlichen, ein moralisches Leistungsdenken, ein erhobener Zeigefinger. Und das ist nicht nur problematisch, sondern sogar hinderlich, denn er verstellt uns den Blick auf Christus. Die Moralappelle stehen uns im Wege und entsprechen auch nicht dem Evangelium. Das befreit uns gerade von dem Versuch, uns selbst erlösen zu müssen. Uns wird zugesagt, dass wir nicht alles hinbekommen müssen. Wir dürfen uns eingestehen, dass unsere Kraft oft nur sehr gering ist. Immer wieder scheitern wir mit unseren Ideen und Vorstellungen, aber das macht nichts. Denn wir können zu Jesus Christus beten und auf ihn vertrauen.

Vielleicht klingt das jetzt ebenfalls nach einem Traum von einer besseren Welt oder einer Flucht in Vergangenes. Doch so ist der Glaube nicht gemeint. Er orientiert sich an einer Realität und wir bekommen durch ihn eine ganz neue Kraft. Wenn wir von ganzem Herzen auf Christus vertrauen, werden wir mit Zuversicht und Mut ausgerüstet. Jesus hilft uns, ein gottgemäßes Dasein führen. Er lässt uns auf den Wegen und Pfaden Gottes wandeln, denn wir haben nicht nur sein Wort und seine Weisung, sondern auch seine Liebe und Gnade. Der Friede beginnt also durch ihn, durch den Glauben und bei jedem und jeder Einzelnen von uns. Er entsteht von innen heraus. Das ist das Zweite, das wir beachten müssen.

Und das heißt als Drittes, dass weder das Gestern noch das Morgen entscheidend ist, sondern in erster Linie das Jetzt. Und um das zu erleben, bedarf es nun doch eines gewissen Trainings. Es ist die Übung der Achtsamkeit auf den Augenblick. Jeder Mensch hat dazu die Fähigkeit und kann Momente ungeteilter Aufmerksamkeit erleben. Dazu gehört es, dass wir Sinneseindrücke bewusst wahrnehmen, unser Denken steuern, uns selber spüren und unser Handeln kontrollieren.

Dabei ist das Trainingsfeld unser Alltag und unser nächstes Umfeld. Wir können die Achtsamkeit bei der Erfüllung unserer Aufgaben üben und gegenüber den Personen die wir treffen. Es gilt, ihnen mit Liebe zu begegnen und die Dinge, die uns beschäftigen, ungeteilt und mit ganzem Herzen zu verrichten. Das ist nicht ganz einfach. Wir sind lieber in der Vergangenheit oder in der Zukunft, weil uns die Gegenwart eben oft nicht gefällt. Aber es lohnt sich, wenn wir sie trotzdem bewusst wahrnehmen und akzeptieren.

Jeder und jede kann das regelmäßig üben, denn es ist ein Talent, das in uns allen wohnt. Wir müssen es nur weiterentwickeln. Man kann es mit dem Erlernen anderer Fähigkeiten vergleichen, wie etwa dem Spielen eines Musikinstruments oder einem körperlichen Training. Es bedeutet, immer wieder zu versuchen, im Hier und Jetzt zu sein. Dadurch entsteht eine innere Balance, mit der Mutlosigkeit oder Ungeduld verschwinden.

Es gibt dazu eine schöne Anekdote aus einem Zenkloster:
»Einige Schüler fragen ihren Zen-Meister, warum er so zufrieden und glücklich ist. Der Zen-Meister antwortet: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich …” „Das tun wir auch“, antworteten seine Schüler, „aber was machst Du darüber hinaus?” fragten Sie erneut. Der Meister erwiderte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich … ”  Wieder sagten seine Schüler: „Aber das tun wir doch auch Meister!” Er aber sagte zu seinen Schülern: „Nein – wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.”«

Diese Geschichte und die damit verbundene Schule kommen zwar aus der fernöstlichen Religion, aber wir können sie gut auch in unseren Glauben übertragen und die Übung der Achtsamkeit als Christen praktizieren. Es sollte kein Problem sein, denn Christus ist ja da, und zwar jetzt. Jetzt will er uns begegnen und mit seinem Geist erfüllen. Selbst wenn uns der Augenblick nicht gefällt, so können wir ihn durch seine Anwesenheit mit einer wohlwollenden und offenen Haltung annehmen und aushalten, zusammen mit dem ganzen damit verbundenen Erleben. Das ist der dritte Schritt.

Und der verändert die Welt durchaus. Denn je mehr Menschen das tun und auf diese Weise ruhig werden, umso mehr Frieden ist da. Es entsteht Klarheit in den Gedanken, und der Einsatz für das Wohl anderer weitet sich aus. Das Licht Christi kann scheinen, es wird heller und besser in unserer Welt. Frieden wird möglich.

Lasst uns deshalb weder im Gestern schwelgen noch uns Utopien hingeben. Lasst uns vielmehr in das Licht schauen, das jetzt leuchtet, und beherzigen, was schon Meister Eckhart erkannt hat:
„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenüber steht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.“

Amen.

Ein Gedanke zu “Frieden ist möglich

  1. Liebe Gesa,

    Ich stimme deinen Worten aus ganzem Herzen zu! Achtsam Jesu Weg als zielführend für den eigenen zu betrachten,auf dem eigenen vielleicht Andere an Jesu Weg erinnern und gemeinsam ihm zu folgen, ist ein Ziel. Daraus wird sich Frieden im Herzen ergeben, der einladend und ansteckend wirkt,so fühlt es sich für mich schon mal an. Und das ist ein Geschenk!
    Danke,dass du mich daran erinnert hast.
    Herzliche Grüße
    Brigitte

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