Predigt über Johannes 21, 1- 14: Der Auferstandene am See von Tiberias
1. Sonntag nach Ostern, Quasimodogeniti, 23.4.2017
9.30 und 11 Uhr, Luther- und Jakobikirche Kiel
Johannes 21, 1- 14
1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.
10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.
14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Liebe Gemeinde.
Haben Sie schon „angegrillt“? Es ist ja leider noch etwas zu kalt für dieses Vergnügen. Im Sommer und bei wärmeren Temperaturen machen das viele Menschen sehr gern. Der Schrevenpark wird dann z.B. zu einer regelrechten Grillwiese und es gibt entsprechende Regeln. Im Freien Fleisch oder Fisch zu braten, macht einfach Spaß. Man verlagert das Essen nach draußen, um gleichzeitig die frische Luft und die Landschaft oder den Garten zu genießen.
Wenn so eine gemeinschaftlich im Freien eingenommene Mahlzeit ohne Grillen geschieht, nennen wir das auch Picknick. Als Kinder haben wir das mit unseren Eltern Sonntagnachmittags gelegentlich gemacht. Es war dann immer mit einem Ausflug, z.B. einer Fahrradtour verbunden.
Es gibt dieses Vergnügen schon lange. Besonders populär wurde das Picknick in England im 19. Jahrhundert. Dort ist es bis heute bei den oberen Schichten beliebt und kann den Rang eines gesellschaftlichen Ereignisses haben. Aus Großbritannien stammt auch der Picknickkorb.
Man kannte es bereits in der Antike und auch in der Bibel gibt es diverse Geschichten von Mahlzeiten im Freien. Eine haben wir vorhin gehört.
Das Essen fand am Ufer des Sees Tiberias statt, so wird der See Genezareth im Johannesevangelium genannt. Jesus hatte dort die Idee, seine Jünger zu einem Essen unter freiem Himmel einzuladen.
Es ist eine der sogenannten Offenbarungsgeschichten, d.h. Jesus offenbart sich hier als der Auferstandene, und zwar gegenüber sieben seiner Jünger. Die waren beieinander, um zu fischen, wie sie es gewohnt waren. Sie hatten also nach der Kreuzigung Jesu ihre alte Tätigkeit wieder aufgenommen. Petrus hatte dazu die Initiative ergriffen.
Doch leider „fingen sie in dieser Nacht nichts.“ Das konnte es natürlich geben, ihre Fahrt und ihre Mühe waren vergeblich gewesen. Sie kannten das, und sie hatten auch schon einmal erlebt, dass Jesus ihnen daraufhin einen wunderbaren Fischzug ermöglichte. Das war am Anfang ihrer Jüngerschaft gewesen, als sie ihn zum ersten Mal getroffen hatten. (Lukas 5, 1- 11)
Doch daran erinnerten sie sich jetzt offensichtlich nicht. Außerdem war Jesus gestorben, und so erkannten sie nicht, dass er es war, der da am Morgen plötzlich am Ufer stand. Er sprach sie zwar mit „Kinder“ an, aber das öffnete ihre Augen noch nicht. Trotzdem gehorchten sie ihm, als er ihnen sagte: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“
Und dann geschah das Wunder: Das Netz war so voll, dass sie es wegen der Menge der Fische nicht ziehen konnten. Nun wussten sie, wer es war, der mit ihnen redete. „Der Jünger, den Jesus lieb hatte“, sprach es als erster aus: „Es ist der Herr!“
Kaum hatte Petrus das gehört, zog er die Konsequenz: Nackend, wie er bei der Arbeit im Boot war, warf er sich schnell sein Obergewand über, gürtete es und stürzte sich ins Wasser, um als erster bei Jesus zu sein. Die anderen kamen mit dem Boot nach. Es waren nur etwa 90 Meter bis zum Ufer, aber an dem übervollen Netz hatten sie schwer zu schleppen.
Möglicherweise haben sie dabei schon den wunderbaren Bratgeruch wahrgenommen, der über den See gezogen war: Jesus hatte eine Mahlzeit vorbereitet. Woher er die Fische genommen hatte, wird nicht erzählt. Das gehört zu den erstaunlichen und unerklärlichen Ereignissen, die bei dieser Begegnung stattfanden. Auf sehr schöne Weise verbinden sie sich durch das gemeinsame Essen mit etwas Alltäglichem.
Petrus zog vorher noch das schwere Netz an Land, von dem es heißt: Es war „voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.“ Die Zahl hat sicher eine symbolische Bedeutung. Man vermutet, dass es damals so viele bekannte Völker gab. Dann ist mit der Zahl 153 die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Völkerwelt gemeint, die durch das Netz des Evangeliums gesammelt und zusammengehalten wird. „Machet zu Jüngern alle Völker“ heißt es am Ende des Matthäusevangeliums im sogenannten Missionsbefehl. (Matthäus 28, 19) Der klingt hier durch.
Nach getaner Arbeit lud Jesus nun zum Mahl. Keiner der Jünger traute sich, ihn direkt zu fragen, ob er der Herr sei, sie waren ihm gegenüber befangen. Sie wussten zwar, dass er es war, aber sie hatten Mühe mit der Situation. Das mussten sie erst einmal verarbeiten, und dazu brauchten sie noch etwas Zeit. Nicht umsonst wird im Neuen Testament erzählt, dass sie erst 50 Tage nach Ostern alle Furcht ablegten und in der Lage waren, ihren Glauben in die Welt zu tragen. (Apostelgeschichte 2, 1- 4)
Aber sie genossen die Gemeinschaft mit Jesus. In der Mahlfeier spürten sie seine wohltuende Nähe. Sie war vertraut und doch in keiner Weise selbstverständlich.
„Das war das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.“ Mit diesem Satz endet unsere Erzählung.
Man hat den Eindruck, dass es eigentlich zwei Geschichten sind, die hier miteinander kombiniert wurden: Das Wunder vom Fischzug und das Wunder eines Mahles mit dem Auferstandenen. Es kann auch tatsächlich sein, dass die Szene aus zwei Begebenheiten zusammengesetzt wurde und sich hier diese beiden Erzählungen miteinander verschmolzen haben. Doch genau dadurch bekommt die Geschichte ihren Reiz und ihren Reichtum: Bei einem alltäglichen Geschehen wie dem Essen offenbart sich Jesus als der Auferstandene, der wunderbar eingreift. Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut und gleichzeitig hat er göttliche Kraft und Macht.
Auch zu seinen Lebzeiten hatte Jesus ja öfter mit seinen Jüngern und anderen Menschen gegessen und getrunken. Die Mahlgemeinschaft ist ein häufiges Motiv im Evangelium, wie die Speisung der Fünftausend oder das Essen mit Zöllnern und Sündern. Auch das letzte Abendmahl gehört dazu: Jesus saß gerne mit den Menschen zum Essen zusammen. Das stärkte seine Gemeinschaft mit ihnen und zeigte, dass er ihnen nahe war. Daran knüpft diese Begegnung hier an, und damit gibt Jesus seinen Jüngern ein Erkennungszeichen. So kannten sie ihn, und daran sollten sie sich erinnern. Das gelingt ihnen allerdings erst durch den wunderbaren Fischzug, mit dem sein Auftreten einhergeht. Einerseits ist die Begegnung also vertraut und normal, andererseits wird der Alltag der Jünger durchbrochen und in übernatürlicher Weise verändert.
Darin liegt die Botschaft dieser Geschichte, auch wir dürfen das erleben: Wir können Jesus im normalen, täglichen Leben begegnen, dann wird etwas neu, ohne dass wir ergründen können, wie es geschieht. Es ist traumhaft und wirklich zugleich, geheimnisvoll und doch ganz real. So handelt der Auferstandene immer noch. Daraus speist sich unser Glaube und unsere christliche Lebensführung.
Lassen Sie uns also fragen, wie es dazu kommen kann, dass sich auch in unserem Leben der Auferstandene offenbart und an uns handelt.
Dabei dürfen wir als erstes davon ausgehen, dass er selber zu uns kommt. So wie er hier am Seeufer stand, so kann er plötzlich in unser Leben treten. Er kommt uns entgegen und will selber, dass wir ihn erkennen. Vielleicht hören wir von ihm, lesen etwas, machen eine Erfahrung, die auf ihn hinweist. Er ist auf jeden Fall in dieser Welt gegenwärtig und zeigt sich immer wieder. Wir müssen ihn nicht zu uns ziehen. Es gilt lediglich, ihn zu erkennen, d.h. auf seine Zeichen zu achten. Es ist also gut, wenn wir für Überraschungen offen sind. Wir können die Begegnung mit ihm nicht planen, sie geschieht unvorhergesehen.
Das ist einerseits spannend, andererseits verunsichert uns das aber auch und macht uns Angst. Überraschungen können unwillkommen sein, und genau da liegt das Problem. Das ist der nächste Punkt. Normalerweise bestimmen wir ja selber, was geschieht, oder zumindest wollen wir das gerne. Wir behalten am liebsten die Kontrolle über unser Leben und richten uns nach unserem Willen und unsren Wünschen. Die sollen wahr werden, denn davon versprechen wir uns Glück und Erfolg. In der Familie, im Beruf, in dem, was wir lernen und womit wir uns vergnügen, handeln wir so. Lange Zeit geht das auch gut, wir erreichen etwas und verwirklichen unsere Vorhaben.
Doch meistens kommen wir irgendwann an eine Grenze, durch das Älterwerden z.B. Es kann aber auch schon vorher geschehen, etwa durch eine Krankheit, einen Verlust oder eine Krise. Es gibt unzählige Ereignisse, die uns aus der Bahn werfen und unsere Pläne durchkreuzen können. Dann merken wir, dass unser Leben nicht aufgeht, wenn wir nur auf uns selber vertrauen. Im Gegenteil, oft machen wir uns genau dadurch etwas vor. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass wir alles im Griff haben. Wir können dabei in die Irre gehen, weil wir letzten Endes Trugbildern nachlaufen. Oft sind es in Wirklichkeit so etwas wie Wahnvorstellungen, die uns anleiten, sie verblenden uns und versperren uns die Sicht.
Und genau das kann und will Jesus durchbrechen. Er will unsere Augen und unseren Geist für seine Gegenwart öffnen. Das, was uns die Sicht versperrt, muss dafür allerdings weichen. Es ist deshalb oft ein schmerzhafter Vorgang, der uns zur Erkenntnis seiner Macht führt. Er geht durch Leiden und Sterben hindurch. Wir müssen etwas loslassen, aufgeben und uns eingestehen, dass wir alleine nicht weiterkommen. Es ist wichtig, dass wir unsere Begrenztheit annehmen und ehrlich sind. Krisen und Niederlagen sind nicht nur schlimm, sie können uns auch weiterführen. Es gilt deshalb, dass wir sie bejahen.
Anders war es bei Jesus auch nicht, wir folgen ihm auf diesem Weg und können genau wie er zu neuem Leben finden. Das ist der letzte Schritt. Es ist dann wie eine zweite Geburt. Nicht umsonst bezeichnen wir es als „Wiedergeburt“, wenn ein Mensch zum Glauben kommt und sich dem Auferstandenen anvertraut. Es gibt seinem Leben einen neuen Sinn und ein neues Ziel. Es entsteht Hoffnung und Zuversicht. Aufbruch und Bewegung kennzeichnen diesen Neuanfang. Die Auferstehung vollzieht sich im eigenen Leben, denn von nun an gibt es keine ausweglosen Situationen mehr. Selbst wenn gar nichts anderes mehr geht, ist Jesus immer noch da. Er ist die neue Mitte, derjenige, der uns einlädt und uns mit seiner göttlichen Kraft in unserem Alltag begleitet.
Mit der Taufe wird dafür eine Grundlage gelegt. Sie erinnert an die Wiedergeburt, dafür ist das Wasser ein Zeichen: Es kann Tod und Leben bedeuten, etwas Altes geht unter und etwas Neues wird lebendig. Außerdem legt sie die Grundlage für die Gegenwart Christi in unserem Leben. Er ist durch die Taufe wirklich bei uns und wird sich immer wieder zeigen.
Er schafft Situationen, an denen wir ihn erkennen können. Wir führen unsren Alltag mit ihm, alles ist wie immer und doch liegt unserem Leben ein Wunder zu Grunde. Die himmlische und ewige Wirklichkeit hat Einzug genommen, ein starker Begleiter und Helfer.
Lassen Sie uns also hinschauen, uns von Jesus einladen lassen und die Nähe und Gemeinschaft mit ihm genießen. Dann wird es immer wieder einen neuen Anfang geben.
Amen.