Der Herr ist auferstanden

Predigt über Matthäus 28,1-10: Jesu Auferstehung

Ostersonntag, 16.4.2017, 9.30 und 11 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Matthäus 28, 1- 10

1 Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.
2 Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf.
3 Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.
4 Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.
5 Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht.
6 Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat;
7 und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.
8 Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.
9 Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.
10 Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Liebe Gemeinde.

Kennen Sie das: Plötzlich bewusstlos, doch schnell wieder bei Sinnen? So verläuft eine Ohnmacht. Auslöser sind ein vorübergehender kompletter Durchblutungsmangel im Gehirn und ein kurzes Versagen des Herz-Kreislauf-Systems. Aus dem Stand heraus gleiten die Beine weg, die Muskeln machen schlapp und der oder die Betroffene sinkt in sich zusammen.
Diejenigen, denen es widerfährt, sind danach häufig stark verunsichert: Was ist passiert? Bin ich krank? Stimmt etwas bei mir nicht im Kopf? Kann sich der Vorfall wiederholen?
Die Antworten auf diese Fragen hängen von den Ursachen ab. Das können Herz- und Gefäßerkrankungen sein, die müsste man dann medizinisch behandeln lassen. Es gibt aber auch psychische Gründe für eine Ohnmacht. Heftige Gefühlswahrnehmungen können ebenfalls den Kreislauf dämpfen, wie etwa ein Erschrecken, Angst oder Stress. Dann geht die Ohnmacht meistens schnell vorüber und wiederholt sich auch nicht unbedingt. Eine Medizin gibt es dagegen nicht. Unangenehm ist sie allerdings trotzdem, denn man weiß nicht, was in der Zeit der Bewusstlosigkeit geschehen ist.

So ging es auch den Wächtern des Grabes Jesu. „Sie waren, als wären sie tot“, heißt es in dem Bericht bei Matthäus, und dadurch bekamen sie nichts von den Geschehnissen mit. Die waren so gewaltig, dass die Wächter erschraken und in Ohnmacht fielen. Und das ist auch kein Wunder, denn für das Nervensystem waren es ungewöhnlich starke Reize: „Es geschah ein großes Erdbeben, der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Und seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee.“
Das alles passierte am ersten Tag der Woche, nachdem Jesus beerdigt worden war und der Sabbat vorüber war. Da kam am Grab Jesu plötzlich eine Bewegung auf, die die Erde erschütterte. Sie war die Begleiterscheinung für eine himmlische Offenbarung. Die Wirklichkeit Gottes brach ein, der Allmächtige meldete sich zu Wort. Durch das Auftreten eines Engels wurde er sichtbar und hörbar. Außerdem wurden die Naturgesetze für ungültig erklärt: Mit metaphysischen Kräften wälzte der Engel den Stein weg, mit dem das Grab verschlossen war. Und dann kam zu dem Erbeben und der Öffnung des Grabes noch ein helles, blendendes Licht dazu. Es ist kein Wunder, dass die Wächter bei all diesen Ereignisswen in Ohnmacht fielen.
Viel erstaunlicher ist es, dass die Frauen, die gekommen waren, um nach dem Grab zu sehen, dem allen stand hielten. Es waren „Maria von Magdala und die andere Maria“. Sie waren mit Jesus befreundet gewesen und wunderbarer Weise verkrafteten sie diese spektakulären Ereignisse. Mit ihnen sprach der Engel nun. Sicherlich hatten sie sich auch erschrocken, aber der Engel konnte sie beruhigen. Er sagte als erstes: „Fürchtet euch nicht!“ Das ist ein Gruß, der fast immer in der Bibel vorkommt, wenn Gott zu den Menschen spricht. Er soll die Angst vor dem Unbegreiflichen nehmen und Nähe schaffen. Er soll beruhigen und die Angesprochenen zum Zuhören bewegen.
Und das gelang dem Engel auch. Er gab den Frauen zu verstehen, dass er sie kannte und wusste, was sie bewegte und beschäftigte. So vertrauten sie ihm und waren bereit, zuzuhören. Und das war wichtig, denn nun folgte die unglaubliche Botschaft: „Jesus, der Gekreuzigte, ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat“.
Jesus war nicht mehr da, das Grab war leer. Die Frauen konnten sich davon überzeugen.
Und dann bekamen sie von dem Engel einen Auftrag: „Geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten.“ Das taten sie sofort. Sie gehorchten dem Engel und gingen zurück, um diese Botschaft weiter zu sagen.
Vielleicht wachten die Wächter genau danach wieder auf. Das wird hier zwar nicht erzählt, aber wir können es uns gut vorstellen. Ihre Ohnmacht bedeutet jedenfalls, dass sie im Nachhinein nichts bezeugen konnten. Niemand konnte das, auch die Frauen nicht, denn die waren von dem Licht geblendet. Es gibt für die Auferstehung selbst keine Augenzeugen, das wollte der Evangelist klar machen. Wann Jesus wirklich aus dem Grab verschwand, weiß keiner. Es gibt von Anfang an nur die Botschaft seiner Auferstehung, die Verkündigung und den Glauben daran.
Und dafür sind die Frauen ein wunderbares Beispiel. Im Gegensatz zu den Wächtern hatten sie Vertrauen in Gott und in Jesus. Sie waren aus Freundschaft und Liebe gekommen, waren offen für die Rede des Engels und gehorchten ihm.
Deshalb hörte ihr Erleben damit auch nicht auf, sondern auf ihrem Rückweg begegnete ihnen Jesus selber. Sie hatten zwar nicht gesehen, wie er aus dem Grab stieg, aber nun trafen sie ihn auf dem Weg. Plötzlich stand er vor ihnen. Er zeigte sich und sprach selbst zu ihnen. Und sie beteten ihn an, wie es heißt: „Sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder.“
Und dann erhielten sie von ihm noch einmal denselben Auftrag, den der Engel ihnen bereits gegeben hatte: „Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.“ Damit endet der Osterbericht des Matthäus.

Und das Christentum beginnt. Ostern ist die Geburtsstunde des christlichen Glaubens, die Entstehung der Kirche. Alles beruht auf dieser Botschaft und darauf, dass sie weitergesagt wurde. Ostern ist deshalb eigentlich auch das zentrale Fest der Christenheit, das als erstes in der Geschichte der Kirche gefeiert wurde. Und das ist kein Wunder: So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben, und auch danach ist nie wieder jemand aufgetreten, der von einem Menschen verkündet hat, dass er von den Toten auferstanden ist. Jesus ist nicht nur ein Lehrer oder Prophet, sondern der lebendige Gott, der den Tod besiegt hat, so lautet das christliche Bekenntnis. Und das wird auch nicht nur zu Ostern gefeiert, ursprünglich erinnert jeder Sonntagsgottesdienst an die Auferstehung. Der Sonntag ist jedenfalls aus diesem Grund unser Feiertag.
In der orthodoxen Kirche ist dies auch lebendig geblieben. Dort wird das Osterfest viel großartiger begangen, als bei uns. Und das zentrale Bild in einer orthodoxen Kirche ist immer der auferstandene und erhöhte Christus.
In unserer westlichen Tradition hat sich das verschoben. Die Kreuzigung Jesu wurde in der katholischen und evangelischen Kirche bedeutender. In den Vordergrund trat das Opfer Christi, sein Leiden, seine Geduld und Hingabe. Und von den Festen rückte Weihnachten stärker in das Bewusstsein der Allgemeinheit, d.h. die Botschaft, dass Jesus überhaupt gekommen ist und Gott Mensch wurde. Heutzutage können damit jedenfalls viel mehr Menschen etwas anfangen als mit Ostern.
Und das ist nachvollziehbar, denn in ein modernes, aufgeklärtes Denken passt der Glaube an die Auferstehung nicht. Die meisten Menschen können sich das nicht vorstellen und halten es für unwahrscheinlich. Selbst viele Christen zweifeln an dieser Botschaft. Vielleicht geht es Ihnen auch so. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns fragen, was wir damit anfangen sollen. Kann diese ungewöhnliche Nachricht überhaupt noch etwas für uns bedeuten? Und wenn ja, wie erschließt sie sich uns?
Über diese Fragen müssen wir nachdenken. Und dafür ist es gut, wenn wir die Osterberichte in den Evangelien nach Antworten absuchen. Wir dürfen sie nicht einfach nur als Geschichten lesen oder hören, sondern müssen tiefer in sie eindringen. Dann entdecken wir durchaus einiges, das für unseren Glauben wichtig ist.
Bei dem Bericht im Matthäusevangelium ist es z.B. aufschlussreich, einmal die beiden Gruppen von Menschen, die hier vorkommen, miteinander zu vergleichen, die Wächter und die Frauen. Die einen fallen in Ohnmacht und merken nichts, die anderen kommen zum Glauben. Warum ist das so? Was ist der Unterschied? Wenn wir das herausstellen, ergeben sich ein paar wichtige Konsequenzen.
Drei Punkte sind mir dazu eingefallen. Zunächst einmal sind es ganz unterschiedliche Motive, die die Menschen zum Grab Jesu führten. Die Soldaten taten es aus Pflicht und aus Misstrauen heraus. Sie standen da, weil die Hohenpriester mit den Pharisäern Pilatus daran erinnert hatten, dass Jesus bereits vor seinem Tod von seiner Auferstehung gesprochen hatte. Pilatus sollte das Grab bewachen lassen, „damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und zum Volk sagen: Er ist auferstanden von den Toten, und der letzte Betrug ärger wird als der erste.“ So steht es im Matthäusevangelium. Pilatus erfüllte ihren Wunsch, das Grab wurde mit der Wache gesichert und der Stein versiegelt. (Mt. 27,62-66)
Es war also auf keinen Fall Freundschaft, die die Wächter mit Jesus verband, sondern im Gegenteil: Sie standen als seine Feinde da.
Die Frauen dagegen liebten Jesus. Sie hatten sich längst auf ihn eingelassen und waren ihm gefolgt. Und das wäre auch für uns eine wichtige Voraussetzung: Wenn wir an die Auferstehung glauben wollen, müssen wir Jesus von vorne herein mit Liebe begegnen, uns ihm zuwenden, ihn aufsuchen und uns für seine Nähe öffnen. Das ist der erste Punkt.
Als zweites können wir uns das Ergehen am Grab vor Augen halten: Die Wächter fielen in Ohnmacht, die Frauen dagegen vernahmen eine wunderbare Botschaft. Und das heißt: Wer ohne positive Grundeinstellung zu Jesus geht, skeptisch und misstrauisch ist, bekommt von seiner Macht nichts mit, er bleibt ihr gegenüber „bewusstlos“, d.h. sie dringt nicht in sein Bewusstsein ein. Es ist, als würde nichts geschehen.
Wer dagegen in Freundschaft mit Jesus lebt, zu dem spricht Gott. Er wird beruhigt und empfängt wunderbare Worte des Trostes und der Hoffnung. Es gilt also, auf die Stimme Gottes, d.h. auf das Evangelium zu hören und ihr zu gehorchen, und zwar trotz unserer Zweifel. Die dürfen wir ruhig haben, wir müssen sie nicht selber abstellen. Allerdings sollten wir sie auch nicht allzu lange pflegen. Es nützt nichts, wenn wir viel grübeln, unseren Verstand bemühen und die Vernunft einschalten. Wir sollten einfach nur stand halten und uns auf die Verkündigung der Auferstehung Jesu einlassen.
Dann kommt es zur Begegnung mit ihm, das ist der dritte Punkt. Die Wächter werden gar nicht mehr erwähnt, sie versinken für den Evangelisten in die Bedeutungslosigkeit und fallen aus der Geschichte raus. Die Frauen dagegen erleben etwas sehr Schönes: Sie treffen Jesus selber. Vielleicht waren auch sie bis dahin noch nicht richtig überzeugt, jetzt sind sie sich ganz sicher. Und das heißt für uns: Die Antwort auf die Frage, ob Jesus denn nun wirklich auferstanden ist, bekommen wir nicht in unserem Kopf, sondern in unsrem Leben. Sie vollzieht sich und verändert uns. Die Kraft der Auferstehung, diese starke Energie, die sich in den geschilderten Ereignissen am Grab widerspiegelt, zieht in unser Leben ein. Und es wird hell in uns. Ohne dass wir viel dazu tun, wird unser Geist klar. Wir fühlen uns sicher, gewinnen Zuversicht und Hoffnung. Die Zweifel lösen sich von alleine auf, sie sind plötzlich verschwunden, ohne dass wir viel dazu getan haben. Und mit ihnen verziehen sich auch andere Probleme, die wir eventuell im Leben hatten. Denn uns wird gleichzeitig eine große Freude geschenkt.
Den Frauen ging es so, dadurch wurden sie die ersten Missionarinnen: Sie gaben die Verkündigung weiter und sagten es den Jüngern. Die wiederum gingen später in die Welt hinaus und predigten das Evangelium. Bis heute ist es lebendig geblieben. Und es ist nicht nur eine gute Nachricht, sondern in ihr ist der Auferstandene gegenwärtig. Er stellt sich immer noch vielen Menschen in den Weg, öffnet ihre Augen und Ohren und macht sie zu seinen Jüngern und Jüngerinnen.
Lassen Sie uns dazu gehören, uns nicht verschließen, sondern ihn lieben und immer wieder aufsuchen. Lassen Sie uns an den Auferstandenen glauben und ihm vertrauen. Dann werden wir ihm auch begegnen und können seine Stimme hören.

Amen.

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