Erneuerung an Seele und Geist

Predigt über 1. Johannes 5, 1- 4: Die Kraft des Glaubens

3. Sonntag nach Ostern, Jubilate,17.4.2016, 9.30 Uhr
Lutherkirche Kiel

1. Johannes 5, 1- 4

1 Wer glaubt, dass Jesus der Christus ist, der ist von Gott geboren; und wer den liebt, der ihn geboren hat, der liebt auch den, der von ihm geboren ist.
2 Daran erkennen wir, dass wir Gottes Kinder lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten.
3 Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.
4 Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Liebe Gemeinde.
Seit einigen Wochen ist die Erde wieder mit einem grünen und bunten Teppich bedeckt: Es begann mit den Schneeglöckchen, Winterlingen, Märzbechern und Krokussen. Die sind jetzt bereits verblüht. Narzissen, Hyazinthen und Tulpen haben sie abgelöst. Außerdem verzaubern Schleier von Forsythien-, Mandel- und Magnolienblüten unsere Gärten und Straßen. Es ist Frühling geworden, das lässt sich nicht mehr übersehen, und das ist schön. Die Erde bricht auf, Büsche schlagen aus, Tiere wollen sich paaren. Überall sprießt neues Leben.
Es ist eine Zeit, in der auch wir aufblühen. Der Gesang der Vögel und die Helligkeit, alles weckt unsere Lebensgeister. Wir können darin auch die Macht des Schöpfers erkennen. In keiner Jahreszeit wird uns bewusster, dass Gott Leben schafft. Wir spüren seine Gegenwart.
Und das passt zu Ostern und zur österlichen Freudenzeit, denn da geht es um genau dasselbe: Neues Leben entsteht, das Alte wird überwunden, und wir sollen daran Anteil haben. Wir werden zu dem Glauben eingeladen, dass Gott der Schöpfer ist, der in seiner Allmacht sogar den Tod vernichtet hat. Im Vertrauen auf ihn können wir die Welt besiegen und neu geschaffen werden.
Das beschreibt auch die Epistel von heute, ein Abschnitt aus dem ersten Johannesbrief, der zugleich unser Predigttext ist. Es heißt dort am Ende: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“
Dabei hat der Schreiber die Vorstellung, dass hinter dieser Welt eine gottwidrige Macht steht. Die ist böse und kommt überall dort zum Zug, wo die Liebe mit Füßen getreten wird. Deshalb ermahnt er in seinem Brief an vielen Stellen zur brüderlichen Liebe. Sie steht im direkten Zusammenhang mit der österlichen Freudenbotschaft. Und das war für die Gemeinde, an die er schrieb, auch wichtig, denn es gab dort Stimmen und Meinungen, die das Evangelium veränderten und verzerrten. Dagegen wehrt Johannes sich und er setzt als klares Zeichen für das Leben, das Gott in Jesus Christus gebracht hat, die Liebe. Mit ihr hat Gott die bösen Mächte in dieser Welt überwunden. Deshalb war es Johannes besonders wichtig, darauf hinzuweisen. Der Christusglaube besiegt die negativen Kräfte in der Welt, weil er von Liebe geprägt ist, und zwar von der Liebe zu Gott und den Brüdern. Wer diese Liebesgemeinschaft verlässt, fällt in die bereits überwundene Welt zurück, das ist seine Warnung.
Auch in unserem Textabschnitt kommen diese Gedanken vor. Da betont Johannes zuerst den Zusammenhang zwischen der Liebe zu Gott und Christus, sie weisen aufeinander hin: Wer Gott liebt, liebt auch Christus und umgekehrt. Das eine geht aus dem anderen hervor.
Und er sagt außerdem, dass daraus die Liebe zwischen den Brüdern entsteht. Sie ist das Gebot Gottes, das es zu halten gilt, das aber auch nicht schwer ist, weil Gott uns dazu die Möglichkeit geschenkt hat. Wenn wir ihm gehorchen, ist das der Sieg, mit dem wir die Welt überwinden, denn auch Christus hat mit der Liebe über die Welt triumphiert. Sie ist die Kraft, die Altes zerstört und Neues schafft. Wir empfangen sie, wenn wir an Jesus Christus glauben. „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ Das ist hier die Botschaft, und die ergeht auch an uns.
Die Frage ist allerdings, ob sie überhaupt interessant für uns ist. Ist das noch relevant? Wir sind ja immer so ein bisschen allergisch gegen Formulierungen, mit denen angedeutet wird, dass diese Welt besiegt werden muss. Denn das klingt nach einer Ablehnung der Welt, einer Verneinung irdischer Genüsse. Und das gefällt uns nicht, denn unsre Freude an der Welt und am Leben wollen wir uns nicht nehmen lassen. Es ist doch schön! Gerade jetzt im Frühling genießen wir das Erwachen und die Vielfalt der Natur. Und das muss doch nicht überwunden werden! Auch das Glück in unseren Familien und Freundschaften ist uns wichtig, Wünsche und Träume halten uns lebendig, Ideen bringen uns weiter. Sollen wir das alles verneinen? Diese Frage stellen viele sofort, wenn sie die Botschaft vom „Sieg über die Welt“ vernehmen.
Doch so ist sie auch nicht gemeint. Es geht hier nicht um eine lebensverneinende Enthaltsamkeit. Der Schreiber des Johannesbriefes sieht vielmehr, dass die Freude am Leben brüchig ist. Es gibt überall Gefahren, sowohl von innen als von außen. Unser Leben und alles in der Welt ist vom Verfall bedroht, von Lieblosigkeit und Verhärtung.
Wenn wir nicht aufpassen, geht z.B. die Lebendigkeit unserer Beziehungen verloren. In Ehen und Freundschaften besteht die Gefahr, dass wir uns festfahren. Oft verschwindet nach vielen Jahren des Zusammenseins die Faszination aneinander, die am Anfang da war. In unzähligen Ehen macht sich im Laufe der Jahre eine gewisse Langeweile breit. Mühsal und Freudlosigkeit können einkehren. Auch Konflikte bleiben nicht aus. Sie führen dann zum Streit und nicht selten zur Trennung. Wir erleben, was es heißt, wenn die Liebe verschwindet. Auch zwischen Eltern und Kindern kann das eintreten. Das Verhältnis kühlt sich ab, und die Freude aneinander stirbt.
Und dieser Gefahr sind ebenso unsre Ideen und Wünsche ausgesetzt, unser Denken und unsere Meinungen. Auch die können sich verhärten und langsam leblos werden. Wenn wir unachtsam sind, werden wir geistig unbeweglich, erstarren in althergebrachten Vorstellungen, handeln nach eingefahrenen Mustern und reagieren dadurch oft unangemessen. Wir schotten uns gegen andere Meinungen ab, isolieren uns und werden letzten Endes einsam.
Das Leben ist also mitnichten immer nur schön. Das Gute ist – wie gesagt – ständig von innen und außen bedroht. Trotzdem verfallen wir diesen Gefahren sehr leicht. Wir wehren uns nicht dagegen, lassen es zu. Die negativen Kräfte gewinnen an Macht, und wir widerstehen ihnen nicht. Warum ist das so? Das müssen wir uns fragen. Dann kommen wir am ehesten darauf, warum es doch eine gute Botschaft ist, dass unser Glaube der Sieg über die Welt ist.
Unser lieb- und lebloses Verhalten hat nämlich etwas damit zu tun, dass wir vor dem Neuen eventuell Angst haben und es auch anstrengend finden. Alte Denkmuster, vertraute Reaktionen und Anschauungen, all das schafft uns Sicherheit. Wir fühlen uns in unseren Gewohnheiten zu Hause, richten uns darin ein, weil das am bequemsten zu sein scheint.
Genauso ist es mit den Beziehungen. Wir meinen, wir kennen die Menschen, mit denen wir befreundet sind oder die zu unseren Familien gehören. Und so haben wir immer irgendwelche Bilder voneinander. Das scheint das Zusammenleben zu erleichtern. Wir haben Angst, uns selber zu verlieren, wenn wir daran etwas ändern.
Und genau da setzt das Evangelium ein. Uns wird verkündet, dass es noch eine ganz andere Kraft gib, die uns Sicherheit verschafft und uns leben lässt. Wir müssen nicht in unseren Gewohnheiten bleiben. Wir können Christus vertrauen, der immer wieder alles neu machen kann. Seine Liebe ist stark, in ihr kommen wir in Berührung mit der Kraft Gottes des Schöpfers, und es ist gut, wenn wir die empfangen. Das hebt uns heraus und lässt uns die Welt überwinden. Es ist wie eine neue Geburt, wie ein Sieg, der uns befreit und erlöst.
Wir müssen dabei nur drei Dinge beachten. Zunächst einmal ist es wie mit dem Frühling. Der folgt ja dem Winter, d.h. ihm geht ein Sterben vorweg. Und dieses Prinzip durchzieht die ganze Schöpfung. Saat und Ernte, Geburt und Tod, überall ereignet sich derselbe Rhythmus. Freude und Trauer lösen sich ab, wir werden krank und wieder gesund, atmen ein und aus. Und so ist es auch mit Geist und Seele. Ihre Erneuerung geschieht nicht ohne eine Krise, die vorweg geht. Das Leiden an uns selbst, an den anderen und an der Welt gehört dazu. Erst wenn wir nicht mehr weiterwissen, fangen wir an, umzudenken.
Das müssen wir einsehen und bejahen, und das ist nicht ganz einfach. Doch wenn wir es tun, ist das der erste Schritt zu einem neuen Leben. Wir lösen uns damit aus der Erstarrung, lassen los und öffnen uns für das neue, das kommen will. Und ohne dieses Loslassen geht es nicht. So wie Christus gestorben und auferstanden ist, müssen auch wir Krisen durchleben.
Das ist der erste Punkt.
Und als zweites ist es wichtig zu wissen, dass wir dazu Geduld brauchen. Die Erneuerung unserer Beziehungen oder unseres Denkens geschieht nicht in einem Augenblick. Wir müssen uns dafür Zeit nehmen und uns von Christus und seiner Liebe prägen lassen. Seine „Informationen“ müssen unsere Seele erreichen und uns innerlich „aktualisieren“.
Wenn Sie einen Computer haben, kennen Sie das, denn da geschieht etwas Ähnliches. In regelmäßigen Abständen empfängt er neue Updates. Das sind Zusätze zur Software, die dazu beitragen, Probleme zu vermeiden oder zu beheben. Die Leistung und die Sicherheit des Computers werden verbessert, so dass die Arbeit damit leichter wird. Meistens beginnt das Herunterladen dieser Updates, wenn man den Computer ausschaltet. Wenn man ihn wieder anschaltet, werden die neuen Informationen installiert. Das dauert oft lange. Man kann nicht sofort wieder damit arbeiten und braucht Geduld.
So ist es auch mit dem Glauben und der Erneuerung des Lebens. Wir müssen uns geduldig der Liebe Christi aussetzen, damit sie Geist und Seele auf den neuesten Stand bringen kann. Die Aktualisierung braucht Zeit und Ausdauer. Das ist das Zweite, was wir beachten müssen.
Und als drittes ist noch wichtig, dass dieser Prozess nie zu Ende ist. Ich habe gerade einen Artikel über das Freiburger Münster gelesen. Das ist seit ca. 800 Jahren eine Dauerbaustelle. Wenn es die Steinmetze der Münsterbauhütte nicht gäbe, wäre diese „schönste Kirche Deutschlands“ – wie sie in dem Artikel genannt wird – längst eine Ruine. „Rissige Giebel, moosige Pfeiler und verwitterte Türmchen werden abgeworfen, damit bald wieder neue Giebel wachsen, Pfeiler sprießen, Kreuzblumen blühen und Maßwerk sich rankt.“ So ist es dort formuliert. Das Münster kommt dem Journalisten wie „ein riesiger, verästelter Organismus“ vor, „der sich erneuert, von Jahr zu Jahr“. (Oliver Fischer, Die Steinflüsterer, in: MERIAN 07/66, 2015, S. 50). Und das wird weitergehen, solange es Menschen gibt. Es hört nie auf.
Ich fand den Bericht faszinierend, denn genauso ist es mit unserem Leben: Es ist nie fertig. Wir können nie sagen, nun habe ich das mit der Liebe und der Offenheit verstanden, meine Beziehung ist gerettet, ich weiß, wo es lang geht. Wir müssen in Bewegung bleiben, uns immer wieder hinterfragen, Krisen durchleben und Gottes Liebe empfangen.
Die drei Beispiele – vom Frühling, vom Computer und dem Freiburger Münster – zeigen, dass die ganze Welt ständig auf Erneuerung angewiesen ist. In der Natur, in der Technik und in der Kultur, überall herrscht derselbe Grundsatz von Werden und Vergehen. Wir müssen unser Leben deshalb so anlegen und es von vorne herein so verstehen: Altes muss immer wieder erneuert und überwunden werden.
Und was ist daran eigentlich schlimm? Wir sollten da nicht so empfindlich sein, denn es geht um etwas zutiefst Positives. Wir haben in all dem die Verheißung, dass wir das Heil empfangen. Die Liebe ist da, sie ist in Jesus Christus erschienen und durch ihre Kraft können wir die Welt besiegen.
Und das ist eine wunderbare Botschaft. Das Vertrauen auf diese Kraft macht uns lebendig und stark wie der Frühling, wir bleiben seelisch und geistig immer auf dem neuesten Stand, und unser Leben wird wie eine Kirche, die von Licht durchflutet ist.
Amen.

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