Predigt über Johannes 14, 27- 31a: Der Friede Christi
Bitte um Frieden und um Schutz des Lebens, 16.11.2014
9.30 und 11.00 Uhr, Luther- und Jakobikirche Kiel
Der Predigt liegen Anregungen aus dem Material des Gesprächsforums Ökumenische FriedensDekade für 2014 zu Grunde. Die Zitate sind dem Arbeitsheft entnommen.
Johannes 14, 27- 31a
27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
28 Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: Ich gehe hin und komme wieder zu euch. Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.
29 Und jetzt habe ich’s euch gesagt, ehe es geschieht, damit ihr glaubt,
wenn es nun geschehen wird.
30 Ich werde nicht mehr viel mit euch reden, denn es kommt der Fürst dieser Welt. Er hat keine Macht über mich;
31 aber die Welt soll erkennen, dass ich den Vater liebe und tue, wie mir der Vater geboten hat.
Liebe Gemeinde.
Vor ungefähr dreißig Jahren wurde in den Niederlanden die Idee einer „FriedensDekade“ geboren. Das ist ein 10-tägiger Aktionszeitraum, der das Engagement der Kirchenmitglieder für Friedensfragen stärken soll. Im damals geteilten Deutschland wurde die Idee 1980 aufgenommen, und zwar hauptsächlich in der DDR. Dort versammelten sich in den Kirchengemeinden innerhalb dieser 10 Tage zunächst die Jugendlichen zu täglichen Friedensgebeten. In der Bundesrepublik war es vor allem die Friedensbewegung, die vor Ort jährliche Friedenswochen durchführte.
Sie beginnen jeweils am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres und dauern bis zum Buß- und Bettag. Wir sind da also gerade mitten drin. Deshalb laden die Luther- und Jakobigemeinde auch noch bis Mittwoch jeden Abend um 19 Uhr zu einem Friedensgebet ein.
Seit 1952 gibt es bereits den Volkstrauertag, an dem auch in den Kirchen an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht wird. Der ist heute.
Wir greifen damit ein Thema auf, dass wesentlich zu unserem Glauben dazu gehört: Das Wort „Frieden“ finden wir im Neuen Testament 46 mal, und zwar in allen Schriften, den Evangelien, der Apostelgeschichte, den Briefen und der Offenbarung des Johannes. Es ist ein zentrales Heilswort. So gehörte der Zuspruch des Friedens fest zum gottesdienstlichen Segen, in ihm ist Gott und Jesus Christus wirksam gegenwärtig. Auch Jesus entließ Menschen, die er geheilt hatte, mit dem Friedenswunsch. Er ist eine elementare Wirkung des Heiligen Geistes. Am Ende seiner Wirksamkeit gab Jesus ihn seinen Jüngern sozusagen als Abschiedsgeschenk. Wir haben vorhin gehört, wie er zu ihnen sagte: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ (Johannes 14, 27)
Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, der damit beginnt, ist der Predigttext von heute und ein Teil der sogenannten „Abschiedsreden“. Jesus spricht hier mit seinen Jüngern und kündigt seinen Weggang an: Sie werden bald allein sein und das wird für sie nicht leicht. Jesus wusste das. Sie hatten mit ihm endlich erlebt, wie es ist, wenn Gott ganz nah ist. Jesus hatte ihnen Liebe und Barmherzigkeit gebracht. Er hat Menschen geheilt und viel Leid abgewendet. Sie hatten geglaubt, dass durch ihn nun endlich eine bessere Zeit anbrechen würde. Doch jetzt wird er sie bald wieder verlassen, und davor hatten sie Angst.
Darauf geht Jesus hier ein und er möchte, dass sie ihre Furcht vor seinem Abschied überwinden. Deshalb lässt er ihnen „seinen Frieden“ zurück, und das ist mehr als nur ein Trostwort. Er meint damit die vollendete Gemeinschaft mit Gott, in die er eingehen wird, und an der auch sie teilhaben werden.
Damit sie das verstehen, erklärt er ihnen noch einmal seinen Weg: Er weiß, dass er gefangen und gekreuzigt wird, und es wird so aussehen, als würden seine Feinde über ihn siegen. Aber das ist nur äußerlich, in Wirklichkeit haben sie keine Macht über ihn. Sie können gegen Gottes Plan nichts ausrichten, denn alles was geschieht, entspricht der Sendung Jesu und dem Willen Gottes. Jesus wird sich selber hingeben, und dadurch wird die Liebe Gottes zur Welt zu ihrem Sieg kommen. Er wird eins sein mit dem Vater, und darüber sollten sich die Jünger sogar freuen. Denn er wird die Nähe zu Gott vollenden und auch die Jünger dahinein holen. Und das wird mehr sein, als die irdische Gemeinschaft, die sie jetzt mit ihm haben, denn sie wird bleiben. Sein Friede wird größer und dauerhafter sein als die Gaben der Welt.
Und das ist auch für uns eine gute Botschaft, denn es geht uns oft ähnlich, wie den Jüngern: Wir haben Angst und sind verzagt. Wenn wir in die Welt und in die Geschichte gucken, dann hat sich seit dem Erscheinen Jesu eigentlich nichts geändert. Die Menschheit scheint verloren zu sein: Kriege werden geführt, die Umwelt wird zerstört, Menschen werden ausgebeutet und unterdrückt. Gewalt und Unrecht haben noch lange kein Ende gefunden.
Zurzeit erschrecken uns die Geschehnisse in Syrien und im Nordirak am meisten. Dort versuchen Terroristen den sogenannten „Islamischen Staat“ zu errichten, und sie scheuen dabei vor keiner Gräueltat zurück. Sie führen Krieg und vernichten nicht nur die vorhandenen sozialen Ordnungen, sondern ganze Städte und vor allem Menschen. Ohne jegliches Mitgefühl werden Andersdenkende verfolgt, gefoltert und hingerichtet. Wir kennen die Nachrichten und die Bilder und sind entsetzt. Man hält das kaum aus und fragt sich, wie so etwas möglich sein kann.
Unsere kirchliche Friedensarbeit scheint dagegen irgendwie lächerlich zu sein. Was sollen unsere Gebete, unser Nachdenken und unsere Ermahnungen? Sie verhallen doch im Winde, kommen nie bei den Kriegführenden an und wirken total sinnlos.
„Die weißen Tauben sind müde“, könnte man sagen. So hat es der Sänger Hans Hartz vor vielen Jahren gesungen. Wehmütig beklagte er die Schwäche derjenigen, die für den Frieden einstehen gegenüber der Gewalt. „Die weißen Tauben sind müde, sie fliegen lange schon nicht mehr. Sie haben viel zu schwere Flügel; und ihre Schnäbel sind längst leer, jedoch die Falken fliegen weiter, sie sind so stark wie nie vorher; und ihre Flügel werden breiter, und täglich kommen immer mehr, nur weiße Tauben fliegen nicht mehr.“ So lautet sein Lied.
Auf dem Bild zur diesjährigen Friedensdekade wurde
dieser Gegensatz dargestellt. Man sieht darauf eine weiße Taube, wie sie gegen acht schwarze Falken anfliegt. Doch von Ermattung und Schwere ist da nichts zu sehen, und das ist bewusst so gestaltet. Das Bild enthält eine Botschaft, die Mut machen soll. Oberkirchenrat Dr. Roger Mielke, EKD-Referent für Fragen der öffentlichen Verantwortung der Kirche und Mitglied im Gesprächsforum Ökumenische FriedensDekade hat das Bild sehr schön beschrieben und gedeutet:
Er macht darauf aufmerksam, dass die Taube eben nicht müde wirkt, sondern genau das Gegenteil ist der Fall: Sie steigt auf und strebt gen Himmel. Eigentlich müsste sie Angst haben, denn die Falken stürzen im Formationsflug schräg nach unten auf ihre Beute. Doch sie lässt sich nicht aufhalten oder erschrecken, obwohl sie allein ist. Sie bestimmt vielmehr den Vordergrund und hält mit einer tänzelnden, anmutigen, fast zärtlichen Bewegung nach oben stand. Sie widersteht dem Angriff und irritiert damit die Angreifer. Das Geheimnis ihres Widerstandes ist ihre Leichtigkeit, die sie nicht verleugnet. Die Schwere der Gewalt übernimmt sie nicht.
Die Botschaft des Plakats lautet also: Wir sind „zum Widerstehen befreit“ wie diese Taube. Das ist auch das Motto der diesjährigen Friedensdekade. Lassen Sie uns deshalb fragen, wie wir diese Freiheit und Leichtigkeit gewinnen können. Drei Schritte sind mir dazu eingefallen.
Zunächst einmal ist es wichtig, dass der Friede, den diese Taube verkörpert, etwas Inneres ist. Die kirchliche Friedensarbeit ist in erster Linie nicht eine politische, sondern eine geistliche Bewegung. Es geht um die Gabe des „Friedens Christi“, der in den Herzen der Menschen wirksam ist. Wir müssen deshalb zunächst einmal in uns gehen und uns fragen, wie es um uns selbst bestellt ist. Keiner und keine von uns ist durch und durch friedlich gesonnen. Wir wünschen uns das vielleicht und wären gerne so, aber es ist nicht die Realität. Es gibt immer Menschen oder Ereignisse, die uns aufregen, weil sie uns das Leben schwer machen. Oft führen wir so unsere ganz persönlichen Kleinkriege, ziehen gegen irgendjemanden oder irgendetwas zu Felde und wenden dabei auch Gewalt an.
In der Familie ist das z.B. leider leicht der Fall. Da kann es der Ehepartner oder die Ehepartnerin sein, die uns nicht passt. Auch Kinder und Eltern haben es häufig nicht leicht miteinander. Sie enttäuschen und verletzen sich gegenseitig und bestrafen sich deshalb. Missachtung ist dafür eine gute Möglichkeit, Beleidigungen, Ungeduld und Nörgelei. Wir wollen uns auf jeden Fall durchsetzen. Dieses Bedürfnis gehört zu unseren Urtrieben. Wir wenden zwar am ehesten seelische Gewalt an, um an unser Ziel zu gelangen, und das auch oft unbewusst, aber es ist ein Teil unsrer menschlichen Natur.
Das müssen wir uns eingestehen und anschauen. Der Blick nach innen kann also mit der Frage einhergehen: Wer sind jetzt gerade meine persönlichen Feinde, und wie gehe ich mit ihnen um? Sicher haben wir darauf alle eine Antwort.
Möglicherweise schämen wir uns, wenn uns bewusst wird, wie unfriedlich wir sind, und damit sind wir beim zweiten Schritt. Er besteht darin, dass wir unsere Natur annehmen und erkennen: allein können wir sie nicht überwinden. Es ist sinnlos, gegen uns selber anzukämpfen und alle Aggressionen zu unterdrücken. Wir müssen einen anderen Weg beschreiten. Er besteht darin, dass wir uns selber und die anderen ertragen und die Lösung dieses Problems nicht mehr von uns, sondern von Gott erwarten.
Er will uns helfen, und zwar durch seinen Sohn Jesus Christus. Er wusste, dass wir verloren sind, deshalb hat er ihn geschickt. Und Jesus hat uns „seinen Frieden“ gegeben. Wir erkennen und empfangen ihn, wenn wir uns den Weg Jesu vor Augen halten: Jesus war grausamer menschlicher Gewalt ausgesetzt. Seine Feinde führten gegen ihn einen brutalen und ungerechten Krieg. Äußerlich haben sie ihn gewonnen: Sie haben ihn gekreuzigt. Doch damit haben sie nur einen Scheinsieg davongetragen, denn wovon Christus erfüllt war, das ließ sich nicht zerstören. Seine Gemeinschaft mit dem Vater war stärker als alle menschliche Macht, und sie hat sich durch seinen Tod sogar vollendet. Das gilt es, sich vor Augen zu halten. Dann werden wir von seinem Frieden angesteckt. Wir werden in die Gemeinschaft mit ihm aufgenommen und empfangen seinen Geist.
Und das verändert uns. Der dritte Schritt besteht darin, dass der Ärger von uns abfällt. Wir sind nicht mehr wütend und müssen niemanden bestrafen. Es wird friedlich in uns und um uns herum. Wir fühlen uns so leicht und schwerelos wie die Taube auf dem Plakat.
Und dadurch haben wir plötzlich auch wieder Hoffnung für die Welt. Wir sind „befreit zum Widerstehen“ und können uns mit neuer Kraft und neuem Mut für den Frieden engagieren. Denn wir sind von etwas anderem gesteuert als den Bildern des Krieges. Unser Denken ist nicht von Entsetzen und Verzagtheit bestimmt, sondern von der Kraft des Geistes Christi, von seinem Frieden. Er ist eine Frucht der inneren Freiheit.
Wo wir die ausleben, verändern sich demnach auch die Verhältnisse. Wir unterwerfen uns der sanften Macht des Heiligen Geistes, und die ist stärker ist als Menschenmacht. Sie ist nicht von dieser Welt, aber sie durchdringt diese Welt, und dagegen kann niemand etwas ausrichten. Denn die Liebe Gottes zur Welt hat längst gesiegt, und sie ist größer und stärker als alle irdischen Gaben. Die Hoffnung, dass Gewalt und Unrecht überwunden werden, bleibt deshalb lebendig. Dieser Wind der Hoffnung ist es, der unter die Flügel der Taube greift und sie zum Himmel erhebt. Diese Kraft „befreit zum Widerstehen“ und sie wird sich gerade wegen ihrer Verletzlichkeit und Schwäche am Ende als stärker erweisen.
Das hat Christus uns verheißen und das ist der Inhalt der Friedensdekade. Es ist also in keiner Weise sinnlos, sie zu begehen. Die Andachten und Gebete sind vielmehr eine wunderbare Mitmach-Gelegenheit um sich gegen den Krieg zu versammeln. Wir können damit ein Zeichen des Widerstandes setzen und den Frieden in unserer Gesellschaft und in der Welt stärken. Dabei ist es gut zu wissen, dass wir bundesweit mit vielen anderen Christen vereint sind. Alle tun das Gleiche, und das ist bereits ein Teilsieg über Krieg und Unheil.
Er ereignet sich zum Glück auch nicht nur einmal im Jahr während der Friedensdekade, sondern täglich, stündlich oder sogar in jedem Augenblick. Denn irgendwo auf der Welt sind mit Sicherheit immer Christen dabei, für den Frieden einzustehen und dafür zu beten. Ihre Hoffnung und ihr Vertrauen umschließen den Erdball. Wir können dazu gehören, wenn wir hören und ernst nehmen, was Jesus gesagt hat, als er sich von seinen Jüngern verabschiedete:
„Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“
Amen.
Liebe Gesa, es ist eine Freude Deine klaren Worte zu lesen! Sie laden ein im Bemühen um den Herzens-, Verhaltens- und Weltfrieden nicht nachzulassen. Danke!
Liebe Gesa, der ganze Gottesdienst heute hat mich sehr bewegt und deine Predigt ganz besonders! So sehr, dass ich sie an meine Kinder und einige Freunde / Bekannte weiterschicken werde! Danke!
Das freut mich sehr und ist ganz in meinem Sinn. (Siehe „Urheberrecht“ auf meinem Blog.)