Der Glaube macht leidensfähig

Tag des Apostels Bartholomäus

Predigt über 2. Korinther 4, 7- 10: Leidensgemeinschaft mit Christus
24.8.2014, 11.00 Uhr, Jakobikirche Kiel

Liebe Gemeinde.
Bei seinem Nahen stürzten Götzenbilder, er heilte Kranke und Besessene und drang durch verschlossene Türen. So bekehrte sich auch der König Polimius von Armenien mit seiner ganzen Familie und seinem Volk, nachdem Batholomäus dessen besessene Tochter geheilt hatte. Der König ließ ein Götzenbild niederbrechen, aus dem ein böser Geist sprach. Bartholomäus beschwor den Teufel, der daraufhin ausfuhr und allen sichtbar gemacht wurde: Er war „schwärzer als Ruß, mit scharfem Angesicht, langem schwarzem Bart und schwarzen Haaren, die bis auf seine Füße gingen, die Hände aber mit feurigen Ketten auf dem Rücken gebunden.“ So lautet die Überlieferung.
Doch nicht alle freuten sich über dieses Wunder und die Unterwerfung des Teufels: Die überwundenen Priester des Tempels zogen zu Astyages, dem feindlichen Bruder des Polimius. Der schickte 1000 Gewappnete aus, die Bartholomäus fingen und vor ihn brachten. Er erfuhr, dass durch den Apostel auch sein Gott Baldach zerstört worden war und ließ ihn daraufhin mit Knütteln schlagen und ihm dann die Haut abziehen. Das ist die Legende über den Apostel Bartholomäus. (Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten, 1991, S.74ff)
In der Bibel erfahren wir so gut wie gar nichts über ihn. Er gehörte zu dem Kreis der zwölf Jünger, das ist alles. (Mt.10,3 par) Er soll dann später in Kleinasien, Armenien, Mesopotamien und Indien gewirkt haben.
Er war also einer der frühchristlichen Missionare und Märtyrer und erlitt das Schicksal, das Jesus seinen Jüngern vorausgesagt hatte.(Mt.10,16ff)
Vom Beginn des 13. Jahrhunderts an trägt Bartholomäus deshalb in den zahlreichen Darstellungen der Buch-, Wand- und Tafelmalerei sowie der Plastik das Messer und die abgezogene Haut als feststehende Attribute. In Michelangelos Jüngstem Gericht, dem berühmten Gemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom, gilt das Antlitz auf der von Bartholomäus getragenen Haut als Selbstbildnis Michelangelos.
Es gibt dann auch noch weitere Geschichten, die von Erscheinungen und Wundern des Apostels nach seinem Tod handeln. Man kann sie in den Heiligenlexika nachlesen.
Für unsere Ohren klingt das alles sehr fremd. Wir glauben das so natürlich nicht. Und selbst mit dem, was an den Legenden eventuell wahr ist, wollen wir uns nicht so gerne befassen: Mit dem gewaltsamen Tod eines Unschuldigen, dem Märtyrertum und der Brutalität, die damit einhergeht. Das alles gehört nicht in unsere Welt und Denkweise.
Wozu beschäftigen wir uns damit also noch? Das müssen wir uns fragen, und dabei hilft uns ein Abschnitt aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Es ist heute unser Predigttext, und er lautet folgendermaßen:

2. Korinther 4, 7- 10
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Hier wird zwar auch die düstere Seite des Lebens erwähnt, Leid und Tod, trotzdem klingen die Aussagen erträglich. Sie gehören zu der großen Rechtfertigung und Verteidigung des apostolischen Amtes, die Paulus in diesem Brief aufgeschrieben hat. Er war wahrscheinlich angegriffen worden, von wem, wissen wir nicht. Und auch die Vorwürfe können wir im Einzelnen nicht mehr rekonstruieren. Klar ist nur, dass es in Korinth Gegner des Apostels gegeben haben muss, die ihm mit bösen Verdächtigungen zu Leibe gingen. So wurde sein Antwortbrief zu einem gewaltigen Selbstzeugnis.
Das merken wir auch in unserem Abschnitt, in dem Paulus die Leidensgemeinschaft des Apostels mit Christus beschreibt.
Er hatte kurz vorher geschildert, wie hell das Licht des Evangeliums in seinem Herzen scheint. Auch andere können die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus durch seinen Dienst erkennen.
Nun erwähnt er, was dazu in schärfstem Widerspruch zu stehen scheint, nämlich die Wirklichkeit des Apostellebens: Drangsal, Verfolgung, Leiden und Erniedrigung kennzeichnen es. Das sahen wahrscheinlich auch seine Gegner und sie kamen deshalb zu dem Schluss, dass die Botschaft von der Herrlichkeit Gottes nichts als eine Lüge war. Sie erwarteten etwas anderes von dem Verkünder und Diener Gottes, nämlich die direkte Offenbarung der göttlichen Kraft in Zeichen, Wundern und überzeugender Rede.
Darauf antwortet Paulus hier und er macht eine interessante Aussage: Für ihn waren die Wirklichkeit seines Leidens und die Herrlichkeit Christi kein Widerspruch, sondern etwas, was untrennbar zusammen gehört. Es gibt keine direkte Verklärung, sondern Christus offenbart sich gerade in seiner Passion, in seinem Sterben. Gott nimmt seinen Weg zu den Menschen über das Kreuz Jesu. Das glaubt Paulus.
Der Schatz, von dem er hier spricht, ist das Evangelium oder die Erkenntnis Christi, die Gefäße sind die Apostel. Und sie sind in der Tat schwache Menschen. Aber Gott macht gerade sie zu Trägern seiner Gnade, denn dann ist für alle klar: Hier wirkt Gottes Kraft, die nicht mit menschlicher Kraft verwechselt werden darf. Der Gegensatz entspricht dem göttlichen Plan.
Paulus beschreibt ihn mit vier knappen und wuchtigen Beispielen: Bedrängnis, Angst, Verfolgung und Unterdrückung stehen auf der einen Seite, Freiheit, Unverzagtheit, Beistand und Leben auf der anderen. Das eine ist nur die äußere Wirklichkeit, das andere sein innerer Zustand. So ist in der Schwachheit und Not des Apostels immer Gottes Kraft mächtig. Paulus verzweifelt nicht und er wird auch nicht zerstört, selbst wenn er an den äußersten Rand der menschlichen Existenz gedrängt wird, denn er wird immer wunderbar gehalten. Seine Schwachheit und sein Leiden dienen sogar dazu, dass Gott verherrlicht wird. Sie zeigen und bezeugen, dass Amt und Predigt des Apostels göttlicher Kraft entspringen und nicht Menschenwerk sind.
Zum Schluss steigert Paulus seine Darstellung noch einmal mit der Aussage, dass seine Todesnot eine Fortsetzung des Todesleidens Jesu ist. Er steht in einer Leidensgemeinschaft mit Christus. Das Schicksal Jesu wird im Leben und Beruf des Apostels noch einmal nachgebildet. Das Leiden ist also kein Selbstzweck, sondern es steht unter einem Ziel, das Überwindung und Sieg verheißt: Auch die Auferstehung und das göttliche Leben Jesu werden im Dasein des Apostels offenbar.
Das macht Paulus hier deutlich, und es ist wie gesagt nicht nur düster. Der Apostel spricht zwar vom Leiden und Sterben, aber er thematisiert noch viel stärker seine Hoffnung und seine Überwindung, die Kraft Gottes und den Sieg über alle Angst und Not.
Und das ist auch für uns eine befreiende Botschaft. Wir denken nämlich ganz oft so ähnlich wie die Gegner des Paulus: Wenn Gott da ist, dann muss es uns gut gehen, dann verschwindet das Leid, wir werden gesegnet und reich, gesund und fröhlich. Das wünschen wir uns auch und danach streben wir alle. Das Leid wollen wir am liebsten vermeiden. Es soll verschwinden, und dafür haben auch noch andere Strategien, als den Glauben entwickelt.
Wir suchen uns z.B. einen Beruf, mit dem wir genug Geld verdienen, zu dem wir Lust haben und der uns liegt. Wir treffen uns mit netten Menschen, unterhalten uns gut, vergnügen uns und feiern Feste. Hobbys dienen auch dazu, das Leben angenehm zu gestalten, uns Erfüllung und Spaß zu bescheren. Es kann der Garten sein, Sport oder eine Kunstfertigkeit, die wir pflegen. Dazu kommen der Urlaub, den wir machen, Reisen und Ausflüge.
Und wenn es uns dann doch mal schlecht geht, hilft uns die Medizin oder die Psychologie, um wieder auf die Beine und zu uns selber zu kommen. Sie dienen dem einen großen Ziel, über das wir uns alle einig sind: Das Leid soll so gering wie möglich sein. Am besten wäre es, wenn es ganz verschwindet. So ist unser Leben angelegt, so ist unsere Gesellschaft geprägt.
Der Tod hat deshalb auch keinen Platz. Dagegen gibt es zwar kein Mittel mehr, aber er lässt sich ganz gut verdrängen. Man muss ja nicht ständig daran denken. Er gehört zum Glück nicht zu unserem Alltag, und das Leben bietet genügend Möglichkeiten, sich davon abzulenken. Das sind so unsere Strategien, ein möglichst leidfreies Leben zu führen.
Aber gelingt uns das auch? Bescheren uns diese Methoden wirklich die Freiheit und das Glück, das wir suchen? Lässt sich das Leid einfach so verbannen?
Es gibt doch ganz viele Probleme und Nöte, die wir so nicht lösen können. Es bleibt eine Angst da, dass wir scheitern könnten, vielleicht auch das Gefühl der Sinnlosigkeit. Wir erleben immer wieder Alleinsein und Trauer, Enttäuschung und Niederlagen. Genauso wenig lassen sich Zorn und Streit immer vermeiden. Und ebenso viele Krankheiten können nicht geheilt werden. Auch der Tod trifft am Ende jeden und jede von uns.
Deshalb haben Paulus und die anderen Apostel gar nicht erst versucht, vor all dem zu fliehen. Sie wussten: So ist die irdische Existenz. Und zu dieser Nüchternheit waren sie in der Lage, weil sie darauf vertrauten, dass es noch eine ganz andere Wirklichkeit gibt. Sie waren durchdrungen von der Gegenwart und der Kraft Christi, die von Gott kam.
In ihrer Lebensführung machten sie deshalb einen Unterschied zwischen innen und außen, und sie gaben der inneren Welt eine größere Bedeutung als der äußeren. Denn in ihnen ereignete sich das, woran sie glaubten, da wohnte Christus mit seiner Herrlichkeit und machte sie frei und mutig.
Sie vermieden deshalb nicht das Leid, sondern nahmen es an. Sie schauten ihm ins Auge und ließen sich davon nicht irritieren. Es konnte sie nicht mehr beeindrucken, weil sie erfüllt waren von etwas Größerem. Sie waren zwar nicht leidfrei, aber dafür umso leidensfähiger.
Und dieser Weg führt in der Tat weiter, als wenn wir nur versuchen, das Leid abzustellen oder zu vermeiden. Wir dringen in tiefere Schichten der Wirklichkeit und des Bewusstseins vor. Wir machen Erfahrungen, die eine ganz andere Qualität haben: Wir werden ruhig und getrost, „mutig und stark“ (1.Kor.16,13), ganz gleich, was kommt.
So war es auch bei Bartholomäus. Aus dem Wust der bizarren Geschichten, die über ihn erzählt werden, lassen sich drei Dinge herausfiltern, die auch unser Bewusstsein verändern und die wir mitnehmen können.
Die erste Botschaft lautet: Das Böse wich vor ihm zurück. Er hatte eine starke Ausstrahlung. In seiner Nähe konnten sich die finsteren Mächte nicht halten, etwas anderes setzte sich durch: Es war eine Kraft, die stärker war als die Natur. Sie hatte eine geistliche Qualität. Damals machten die Menschen den Teufel für die zerstörerischen Mächte verantwortlich. Das sehen wir heutzutage zwar nicht mehr so, weil wir nicht an den Teufel glauben, aber seine Werke kennen wir sehr wohl: Es ist das, was ich vorhin schon genannt habe: Angst und Leere, Depression und Einsamkeit. Auch Krieg und Hass gehören dazu. All das kann uns ergreifen, und oft kommen wir dagegen mit rein menschlichen Mitteln nicht an. Eine Kraft, die stärker ist als die Natur, muss die finsteren Mächte besiegen. Und die wohnte in Bartholomäus. Im Glauben an Jesus Christus können wir sie ebenfalls empfangen. Wo er gegenwärtig und lebendig ist, verblasst das Böse, die teuflischen Mächte ergreifen die Flucht. Das ist das erste, was der Apostel uns zeigen kann.
Der zweite Punkt ist sein Mut, den Glauben auch zu bekennen und andere damit anzustecken. Er führte Menschen zu Christus. Sie wurden überzeugt und änderten ihr Leben. Der Geist des Apostels ging auf andere über, und das Reich Christi wuchs. Und so ist es immer noch: Wo wir mutig bekennen, was wir glauben und was uns erfüllt, brennt unser Licht vor den Menschen. Der Glanz Christi erhellt die Finsternis, und andere werden neu belebt. Das Böse weicht nicht nur, es öffnet sich auch ein neuer Weg, den die Menschen mitgehen können. Sie können ebenfalls eintreten in das Kraftfeld der Liebe Christi und dadurch frei und froh werden. Das ist das Zweite.
Und der dritte Punkt, der durchaus etwas Wahres enthält, ist das Wirken des Apostels nach seinem Tod. Die Legende erzählt, dass seine Leiche von den Heiden in einem Bleisarg im Meer versenkt wurde. Sie wollten Bartholomäus also für immer vernichten und alle Spuren auslöschen. Doch das ist ihnen nicht gelungen. Auf wunderbare Weise wurde der Sarg an einer Insel an Land gespült, sodass die Gebeine des Apostels später christlich beigesetzt werden konnten. Das müssen wir so natürlich nicht glauben, aber eins ist auf jeden Fall sicher: Bartholomäus wurde nicht vergessen. Sein Leben blieb wie das vieler anderer ein lebendiges Beispiel. Er ging uns auf dem Glaubensweg voran und er kann uns nach wie vor inspirieren. Sein sieghafter Glaube kann immer noch wirken und auch uns Mut machen, uns ganz Jesus Christus hinzugeben und ihm im Leben und im Sterben zu vertrauen.
Amen.

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