Freuet euch!

Predigt über Philipper 4, 4- 7: Mahnung zur Freude im Herrn

4. Sonntag im Advent, 18.12.2022, Lutherkirche Kiel

Philipper 4, 4- 7

4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
5 Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde.

Seine letzte Adventszeit und damit auch das Weihnachtsfest verbrachte Dietrich Bonhoeffer im Gestapo-Bunker in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße, das war 1944. Seine Lage war aussichtslos, und das wusste er auch. Deshalb war ihm bestimmt nicht nach Feiern und schon gar nicht nach Freude zu Mute. Er suchte stattdessen nach einer Einstellung, die sich nicht mehr an das Leben klammerte, sondern vom Glauben an die Ewigkeit geprägt war, und das ist ihm auch gelungen. Wir können das seinen Briefen entnehmen, die er aus dem Gefängnis heraus an seinen Freund Eberhard Bethge schrieb. Sie sind 1951 in dem Buch „Widerstand und Ergebung“ veröffentlicht worden. Und darin findet sich auch das Lied, das wir alle kennen: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“ (EG 65,1) Bonhoeffer wusste sich bei Gott geborgen, und so konnte er sich im Geiste mit seinen Lieben verbinden. Er sah vor seinem inneren Auge den Kerzenschein und empfand die stille Freude, die Gott uns im Glauben schenkt.

Er wurde damit dem Aufruf des Apostels Paulus aus dem Philipperbrief gerecht, den wir eben schon gehört haben. „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ Das ist der Wochenspruch, der in der Epistel von heute steht. Sie ist auch unser Predigttext: Wir sollen uns also freuen. Gleich zweimal ermahnt der Apostel die Philipper dazu.

Doch welche Freude meint er eigentlich? Wir verstehen darunter ja meistens etwas, das wir ausrichten können, indem wir schöne Dinge unternehmen, mit anderen Menschen zusammenkommen, Spaß und Unterhaltung haben. Ein fröhliches Weihnachtsfest, das wir organisieren, würde auch dazu gehören.

Aber Paulus spricht hier von einer ganz anderen Freude. Er meint nicht das irdische Vergnügen, denn in der Stimmung war er selber genauso wenig wie Dietrich Bonhoeffer. Wie dieser befand Paulus sich in Gefangenschaft, als er den Brief an die Philipper schrieb, und er wusste nicht, wie sie ausgehen würde. Das Gerichtsurteil stand noch bevor, darauf wartete er gerade, und das konnte durchaus ein Todesurteil sein. Er hatte also allen Grund zur Sorge und zur Angst, und die Philipper teilten das mit ihm.

Auf diesem Hintergrund wird klar, was für eine Freude Paulus hier meint. Es ist eine Freude, die unabhängig ist von der äußeren Situation und von innen kommt. Es die Freude im Leid, die sich gerade in der Trübsal bewährt. Von ihr sollen die Philipper sich bestimmen und erfüllen lassen. Sie wird von Christus bewirkt, der nahe ist. Damit begründet Paulus die Freude. Er war davon überzeugt, dass Christus wiederkommen wird, dass er bereits vor der Tür steht und allem Leid ein Ende macht. Deshalb folgt auch der Aufruf zur Sorglosigkeit: Der helle Schein des kommenden Christus leuchtet in das Dunkel der Gegenwart und vertreibt alle Angst. Die Christen müssen sich nicht fürchten, sie sollen stattdessen beten und Gott danken.

Dann wird Gott mit seiner Macht in den Herzen der Menschen das Heil schaffen. Das kommt mit dem letzten Satz zum Ausdruck: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Es geht also bei der Freude, zu der Paulus aufruft, um die Hoffnung und die Gewissheit der Gegenwart Christi. Aus ihr entspringen Güte und Frieden. Paulus lädt zur Gemeinschaft und einer engen Verbundenheit mit Christus ein. Mit ihm und durch ihn sollen wir leben.

Was Paulus verkündet, hat also das nichts mit Veranstaltungen oder Festen, Spaß oder Vergnügen zu tun. Die Freude, an die er denkt, liegt tiefer und ist dauerhafter. Sie kann uns durch die Entbehrung hindurch tragen, uns im Leiden erhalten bleiben und uns von innen her heil und frei machen. Es geht um Fülle und Freude in einem ganz tiefen Sinn. Dietrich Bonhoeffer hat sie erfahren, und will dazu einladen. Lasst uns deshalb fragen, wie seine Briefe und Gedichte aus dem Gefängnis uns trösten und ermutigen können, wie auch wir diese tiefe und umfassende, ewige Freude empfangen, die Jesus uns gibt, worin sie besteht und wie sie sich auswirkt.

Dafür ist es gut, wenn wir uns zunächst bewusst machen, wie es nicht geht, wie wir es aber oft versuchen. Ich erwähnte ja schon, dass wir die Freude gerne selber organisieren wollen. Das Weihnachtsfest ist dafür ein schönes Beispiel. Da erwarten wir Friede und Harmonie in der Familie, Fröhlichkeit und Aufmerksamkeit füreinander, Geborgenheit, Wärme und Licht. Und wir tun viel dafür, damit all das eintritt. Aber gelingt uns das auch? Wir sind gerade zu Weihnachten oft gar nicht so entspannt, wie wir es eigentlich gerne sein wollen. Und es bleiben immer Wünsche offen, egal wie sehr wir uns anstrengen. Das liegt hauptsächlich an unserem Umgang miteinander. Häufig finden wir die anderen nicht so nett und aufmerksam, wie wir es möchten. Sie haben eigene Themen, die uns gar nicht interessieren, sind zu schweigsam oder zu laut. Alles Mögliche kann die Harmonie stören. Erst recht traurig ist es, wenn wirklich das Schicksal in einer Familie zuschlägt, jemand kurz vor dem Fest stirbt oder einen Unfall hat. Dann ist alles verdorben, und wir können nicht mehr richtig feiern.

Wir merken also gerade am Weihnachtsfest unseren Mangel und unsere Freudlosigkeit und leiden darunter. Wir merken wie ist schwer es ist, die Freude zu organisieren und herzustellen. Das sollten wir uns bewusst machen und es uns auch eingestehen, denn genau deshalb ist Jesus gekommen. Er will dagegen etwas tun, und nur er allein kann es wirklich. Wir müssen es nur von ihm auch erwarten. Wir sollen seine Freude empfangen, und das geht ganz anders, als durch unsere üblichen Festvorbereitungen.

Mir sind drei Merkmale eingefallen, die die Freude an Christus auszeichnen: Als erstes müssen wir beachten, dass wir sie nicht machen können, sie wird uns geschenkt, und das heißt, dass wir Raum für ihn schaffen müssen, ihn kommen und handeln lassen. Wir müssen uns an ihn wenden und in unserem Herzen Platz für ihn machen. Dazu gehört es, dass wir nicht mehr versuchen, das Leid und den Mangel abzuschaffen, sondern ruhig werden und ja zu unserem Leben sagen, auch zu den anderen Menschen. Wir sollten sie annehmen wie sie sind, und nichts von ihnen erwarten. Dann kann Jesus uns trösten und erfreuen.

Als zweites müssen wir wissen, dass die Freude, die Jesus bringt, eher eine stille Freude ist. Es geht dabei nicht laut zu, wie bei einem Fest oder einer Party. Wir werden vielmehr leise, Güte und Wohlwollen ziehen in uns ein, Bescheidenheit und Nachsicht. Und das sind ganz große Gaben, nach denen wir uns in Wirklichkeit auch sehnen. Sie sorgen wirklich für ein gutes und friedliches Miteinander.

Und das dritte Merkmal dieser Freude ist, dass sie uns ganz erfüllt. Da bleibt keine Enttäuschung oder Unzufriedenheit zurück, denn anders als unsere Mitmenschen schenkt Jesus uns seine ganze Aufmerksamkeit oder mehr noch: Er schenkt sich selber und das ewige Leben. Und das ist das, was wir uns in Wirklichkeit auch wünschen. Wenn wir es empfangen, werden wir deshalb gelassen, unserer Erwartungen an die anderen verlieren ihre Bedeutung. Wir sind entspannt und guter Dinge, fröhlich und offen.

Unsere Hauptaufgabe in dieser Zeit besteht also gar nicht darin, dass wir das Weihnachtsfest so gut es geht vorbereiten, sondern darin, dass wir diese Freude empfangen. Und dafür sollten wir Gelegenheiten schaffen. Wir können uns für jeden Tag eine kurze Zeit der Stille und des Gebetes vornehmen, in der wir uns Christus anvertrauen und seine Liebe annehmen.

Das tat auch Dietrich Bonhoeffer, und so konnte er getrost bleiben, selbst als er am 7. Februar 1945 in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar eingeliefert wurde. Am 9. April wurde er noch einmal verlegt, in das KZ Flossenbrügg bei Weiden in der Oberpfalz. Dort wurde er dann zusammen mit andern Widerstandskämpfern hingerichtet. Er starb durch die Gewalt der Nazis, und das war grausam und ungerecht. Trotzdem oder gerade deshalb ist sein Glaubenszeugnis bis heute lebendig geblieben, und wir können mit ihm bekennen: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ (EG 65,7) Dann kann es hell werden in unseren Herzen und in unseren Häusern, und das Weihnachtsfest wird gelingen. Amen.

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