Ermuntert einander

Predigt über Epheser 5, 15- 20: Singt Psalmen und geistliche Lieder

18. Sonntag nach Trinitatis, 16.10.2022, Lutherkirche Kiel

Epheser 5, 15

15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise,
16 und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit.
17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen.
19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzena
20 und asagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde.

„Wie geht es dir?” Das sagt man normalerweise nach jeder Begrüßung. Auf Englisch heißt die Frage: „How do you do?“ und dort lautet die gängige Antwort: „Danke, mir geht es gut. Und wie geht es dir?“ Es ist in England also eine Art Höflichkeitsfloskel, mit der man erst einmal Allgemeinplätze austauscht, bevor man in ein echtes Gespräch kommt. In vielen Kulturen macht man das so – in Deutschland allerdings nicht.

Hier nimmt man die Frage ernst und beantwortet sie ausführlich. Dadurch ist man sofort bei dem, was gerade oben auf liegt, und das ist meistens eine Menge. Jeder und jede erzählt gern, was ihn oder sie gerade beschäftigt. Man freut sich über die Gelegenheit, es einmal sagen zu können, über ein offenes Ohr und die Aufmerksamkeit, denn oft sind es schwierige Erlebnisse. Uns bedrückt etwas, ein Problem steht im Raum, wir leiden unter den Gegebenheiten, und das wollen wir gerne mit anderen teilen. Für das Gegenüber ist die Antwort deshalb häufig belastend und anstrengend. Vielleicht bereut man es sogar, dass man überhaupt gefragt hat. Denn erbaulich ist so ein Gespräch nur sehr selten.

Es entspricht auch nicht dem, was Paulus uns für unser Miteinander vorschlägt. In der Epistel von heute, einem Abschnitt aus dem Epheserbrief, steht vielmehr die Ermahnung: „Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“ Und das ist interessant. Auf die Idee kommen wir nicht unbedingt, wenn wir uns treffen.

Die Ermahnung stammt natürlich aus einem anderen Zusammenhang. Es geht hier nicht um Begrüßungsformen, sondern um den Zusammenhalt der Christen untereinander. Im Epheserbrief ist das sowieso ein zentraler Gedanke. Da entfaltet Paulus seine Vorstellung von der Kirche und der christlichen Gemeinde. Sie ist für ihn der Ort, an dem sich das Heil, das Jesus Christus gebracht hat, verwirklicht. Sie ist der Bereich, in dem seine Macht spürbar wird, weil die Menschen sich ihm unterstellen.

Unmittelbar vor unserem Textabschnitt beschreibt er das, indem er von dem „Licht“ redet, in dem die Christen wandeln sollen. Wenn sie das nicht tun, sind sie in Finsternis, denn dann vollziehen sie das neue Leben nicht, das Jesus Christus ihnen ermöglicht hat. Er hat sie durch seine Liebe gerettet, und das sollen sie nun auch mit ihrem Lebenswandel umsetzen.

Darauf bezieht sich in unserem Textabschnitt der Satz: „So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise“. Weisheit besteht für Paulus darin, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun, eben „im Licht zu wandeln“.

Weiter heißt es: „lasst euch vom Geist erfüllen.“ Für Paulus ist das der Gegensatz zu einem „unordentlichen“ Leben. Er sagt vorher: „Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt“. Vielleicht gab es diesbezüglich Missstände in der Gemeinde in Ephesus. Vielleicht ist es aber auch nur ein Gedankenspiel, mit dem Paulus daran erinnern will, dass der Geist Christi berauschen kann. Er kann den Menschen ergreifen und prägen, sein Tun und Handeln ganz und gar bestimmen, und das wünscht Paulus den Ephesern. Damit sollen sie auch nicht warten, sondern „die Zeit auskaufen“, also jetzt beginnen. 

Die Epheser können sich demnach gegenseitig dabei helfen, ein Leben im Licht Christi zu führen, indem sie den Geist Christi zulassen, dankbar sind und Lieder und Psalmen singen. Denn dabei ist Gott selber gegenwärtig, die Gesänge transportieren seine Nähe und seinen Geist, sie gehen zu Herzen und erfüllen das Gemüt. Paulus lädt seine Leser und Leserinnen zu einer gottesdienstlichen Lebensführung ein, die sich von einen auf die andere überträgt. Sie lässt die neue Wirklichkeit lebendig werden, die Jesus Christus heraufgeführt hat. 

Das ist hier der Gedanke, und der ist sehr schön. Er regt uns dazu an, einmal zu fragen, was bei uns oben auf liegen sollte. Womit können wir uns am besten gegenseitig aufbauen und Freude machen? Unsere Geschichten sind es nur selten, denn die sind wie gesagt oft negativ. Die Dinge, die in unserem Leben gerade geschehen, unsere Erlebnisse und Gefühle sind meistens nicht dazu geeignet, anderen Menschen eine Freude zu machen. Wir erzählen sie auch nicht deshalb, sondern weil sie gerade Thema sind, und wir uns damit identifizieren.

Wenn wir z.B. krank sind, dann ist das der Inhalt unseres Lebens. Unser ganzes Denken und Wünschen, unsere Ängste, Sorgen und unsere Hoffnungen kreisen um das Leid, das damit einhergeht. Mit anderen Nöten ist das genauso, sei es der Verlust unserer Arbeitsstelle, drohende Armut oder Heimatlosigkeit, ein Konflikt in der Familie, die allgemeine Weltlage oder was auch immer. Oft bestimmen die Probleme unser Lebensgefühl, sie erfüllen uns und machen uns aus.

Gut tut uns das nicht. Im Gegenteil, es trübt unseren Geist, die Freude verschwindet aus dem Leben, wir werden griesgrämig und negativ. Es wäre viel besser, wenn etwas Positiveres und Helleres unseren Geist bestimmt und unser Bewusstsein prägt. Und das kann sehr gut das sein, was Paulus uns hier rät. Ein Psalm oder ein geistliches Lied hätte eine sehr heilsame Wirkung. Wir müssen es nur bewusst so einsetzen, als ein Hilfsmittel gegen negative Gedanken.

Gerade die Psalmen werden nicht umsonst seit Jahrtausenden gesungen. In der Christenheit geschieht das hauptsächlich in den Klöstern. Aber auch in unserer evangelischen Kirche ist die Tradition des Psalmengesanges lebendig geblieben. Eine geistliche Gemeinschaft, die Michaelsbrüder, haben z.B. ein Tageszeitenbuch herausgegeben, in dem sie den gesamten Psalter so aufgeteilt haben, dass man ihn einmal im Jahr gebetet hat, wenn man morgens, mittags und abends jeweils etwas daraus liest oder singt. Den Sinn des Psalmengesanges begründen die Michaelsbrüder folgendermaßen: „Mit den Psalmen […] stimmen wir […] in das Beten Jesu und seiner Jünger ein, die – wie die Angehörigen des Volkes Israel vor ihnen und nach ihnen – die Psalmen gebetet und gesungen haben. Indem wir uns mit ihnen vereinen, entdecken wir mit Staunen: Wir Menschen von heute sind in diesen uralten Gebeten aufgenommen. Wir erfahren, dass unsere Leiden und Ängste, unsere Freude und unser Dank ernstgenommen werden – aber indem wir sie vor Gott aussprechen, indem wir in das Lob der Taten Gottes einstimmen, verlieren die Nöte an Gewicht, während die Zuversicht wächst. Das Beten der Psalmen bereitet einen inneren Raum für das Hören auf das Wort und für das aktuelle Gebet.“ (Evangelisches Tagzeitenbuch, Hrg. Ev. Michaelsbruderschft, 4. Auflage, Göttingen 1998, S. 405) Sie bewirken also genau das, was wir uns wünschen, wenn wir von unseren Kümmernissen reden, denn es rückt etwas anderes an erste Stelle, als das, was uns sonst so umtreibt.

Und das kann man auch über die geistlichen Lieder sagen. Wir haben als evangelische Christen einen wunderbaren Schatz, das ist unser Gesangbuch. Die Lieder, die wir darin finden, sind nicht nur für den Gottesdienst geeignet, sie dienen auch der Frömmigkeit des Einzelnen. Man kann sie bedenken und meditieren und daraus Trost und Hilfe erfahren. Wenn man sie auswendig lernt, hat man immer eine eiserne Ration an geistlicher Nahrung, die in der Not stärken und helfen kann.

Viele Lieder sind auch tatsächlich als „Ermunterung“ für den Einzelnen gedacht. Er oder sie soll daraus neue Kraft schöpfen. Und das gelingt deshalb, weil sie aus dem Leben heraus entstanden sind. Es stehen immer bestimmte Situationen dahinter, und jeder Dichter und jede Dichterin wollte damit den anderen Gläubigen etwas schenken.

So passt in schweren Lebenslagen z.B. wunderbar das Lied von Paul Gerhard: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ (EG 361,1)

Wenn wir uns diese Lieder gegenseitig geben und sie gemeinsam singen, dann „ermuntern“ wir uns und „bauen uns auf“. Denn dadurch entsteht ein Raum, in dem Gott gegenwärtig ist, in dem wir die Ewigkeit spüren, und unsere Leiden und Nöte leichter werden.

Auch die Dankbarkeit gehört zu den Mitteln, die das bewirken. Die erwähnt Paulus ja als Drittes. Wenn sie in unser Herz einzieht, sind wir gegen Groll und Angst geschützt, unser Geist wird hell und Freude kehrt ein. Wir werden getröstet und gestärkt und bekommen neue Kraft. Es dringt Licht in die Finsternis, das unseren Wandel dann beeinflusst.

Und damit das wirklich geschieht, könnten wir uns etwas angewöhnen: Ich habe einmal erlebt, wie jemand bei einem Gespräch über dieses Thema mit einem Mal einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche holte. Darauf stand der Satz: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Das ist aus Psalm 91 Vers 11. Der Betreffende hatte diesen Zettel einmal auf einer Freizeit von der Leiterin bekommen. Er erzählte uns, dass sie ihren Mitmenschen immer solche Spruchkarten schenkt, und das ist eine sehr schöne Idee.

Auf die Frage „Wie geht es dir?“ könnten wir ebenfalls mit einem Psalmwort antworten. Stellt euch vor, ihr werdet das nächste Mal danach gefragt. Dann erzählt ihr nicht, wie schlimm gerade alles ist, sondern sagt: „Danke, mir geht es gut. Denn „der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ (Psalm 23,1) Oder: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken.“ (Ps. 46,2f)

Es gibt viele wunderbare Psalmsprüche, die uns erbauen und ermuntern können. Eine kleine Auswahl findet ihr hier. Sicher ist dabei ein Spruch, der euch hilft, im Licht der Liebe Gottes zu wandeln.

Amen.

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