Predigt über Markus 16, 1- 8: Die Botschaft von Jesu Auferstehung
Ostersonntag, 17.4.2022, 9.30 und 11.00 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel
Markus 16, 1- 6
1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Liebe Gemeinde.
Mit dem Öffnen der Büchse der Pandora brach nach der griechischen Mythologie alles Schlechte über die Welt herein.
Diese Büchse war eine Beigabe Zeus’ an eine auf Weisung von ihm erschaffene Frau, die Pandora hieß. Er befahl ihr, die Büchse den Menschen zu schenken und ihnen mitzuteilen, dass sie sie unter keinen Umständen öffnen dürften. Doch die Neugier der Menschen war stärker als der Gehorsam, und sie machten die Büchse wider besseres Wissen auf. Daraufhin entwichen aus ihr alle Laster und Untugenden. Zuvor hatten die Menschen keine Übel, Mühen oder Krankheiten gekannt, außerdem waren sie – wie die Götter – unsterblich. Doch seit dem Zeitpunkt, an dem die „Büchse der Pandora“ offen stand, eroberte das Schlechte die Welt. Als einzig Positives enthielt sie auch die Hoffnung. Bevor diese jedoch entweichen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen. So wurde die Welt ein trostloser Ort, bis Pandora eines Tages die Büchse erneut öffnete und damit die Hoffnung in die Welt entließ.
Von dieser Sage kommt der Spruch: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Wir gebrauchen ihn, wenn alles ausweglos erscheint, und als einzig Positives nur noch die Hoffnung bleibt.
Bei den drei Frauen „Maria von Magdala und Maria, der Mutter des Jakobus und Salome“ war nach dem Tod Jesu möglicherweise auch die Hoffnung gestorben. Wir wissen es nicht. Es wird nur erzählt, dass sie am zweiten Tag nach seiner Kreuzigung, dem „ersten Tag der Woche“ zu seinem Grab gingen „sehr früh, als die Sonne aufging.“ Sie hatten „wohlriechende Öle“ gekauft, um Jesus damit zu salben. Das war zwar nicht üblich, aber sie wollten ihm noch einmal ihre Liebe zeigen. Unterwegs sprachen sie darüber, wie sie in das Grab gelangen könnten. Sie wussten es nicht, denn es lag ein großer Stein davor. Vielleicht dachten sie, dass sich schon jemand finden wird, der ihnen dabei hilft. War das vielleicht doch noch ein Fünkchen Hoffnung, der in ihnen glühte?
Wenn ja, wurden sie nicht enttäuscht. Denn als sie ankamen, gab es eine positive Überraschung: „Sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war“. Was hatte das zu bedeuten? Sie gingen in das Grab hinein, um es zu erforschen, doch nun wurde es noch erstaunlicher. Denn sie sahen nicht den Leichnam Jesu, sondern „einen Jüngling mit einem langen weißen Gewand.“ Das erschütterte sie, aber der junge Mann konnte sie beruhigen. Er sagte: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.“ Die war leer, Jesus war nicht mehr im Grab, und die Frauen sollten das weitersagen: „Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“ Das war der Auftrag des Boten. Doch dazu waren die Frauen nicht in der Lage. Sie waren zu fassungslos, bekamen Angst, liefen davon „und sie sagten niemandem etwas“.
So steht es im Markusevangelium, und wenn man dieses Ende liest, dann fragt man sich: Wie ist es dann überhaupt zum Glauben an die Auferstehung Jesu Christi gekommen? Wodurch ist die Hoffnung entstanden, dass das Leben siegt? Wenn schon die ersten Frauen das nicht fassen konnten, wie hat die Botschaft dann andere Menschen erreicht und überzeugt?
Das fragen wir uns regelmäßig, denn natürlich geht es uns genauso wie den Frauen: Wir begreifen nicht, was geschehen ist.
Dabei ist es eine sehr schöne Botschaft, die wir heute hören, denn uns wird damit gesagt: Die Hoffnung stirbt niemals! Es gibt in dieser Welt des Bösen und der Schlechtigkeit, der Laster und Mühen, der Krankheiten und des Todes eine Aussicht, die auch über den Tod hinausweist. Wenn alles zu Ende ist, müssen wir nicht warten, bis auch das letzte kleine Fünkchen Hoffnung erloschen ist, wir können vielmehr auf das Evangelium hören und an die Botschaft von Ostern glauben.
So war es damals, denn nach dem ersten Schrecken haben nicht nur die Frauen, sondern etliche Menschen Jesus als den Lebendigen getroffen. Er selbst hat den Glauben an seine Auferstehung bewirkt, indem er in den Tagen nach Ostern vielen Personen erschienen ist. Zuerst hat Petrus ihn gesehen, dann Jakobus und die anderen Apostel.
Und das ist wichtig, denn genauso geschieht es auch heutzutage. Christus lebt und er will und kann sich immer noch offenbaren. Uns will er sich genauso zeigen, damit wir niemals unsere Hoffnung verlieren. Die Auferstehung ist also kein Gedanke und auch keine Idee, die wir mit unserem Verstand begreifen können, sondern ein lebendiges Geschehen, das sich immer noch ereignet.
Die üblichen Methoden, es zu verstehen, helfen uns auch nicht. Normalerweise denken wir nach und erforschen die Dinge, die uns unbekannt sind. Die Naturwissenschaften sind dabei ganz wichtig. Sie liefern uns sogar Beweise für Vorgänge, die noch im Dunkeln liegen. Doch die gibt es für die Auferstehung Christi nicht. Auch das leere Grab ist kein Beweis. Schon sehr früh kam der berechtigte Verdacht auf, dass die Jünger dahinter steckten. Sie hatten das Grab heimlich geöffnet und den Leichnam Jesus gestohlen. Das war der Vorwurf, der den Christen schon früh gemacht wurde. Und auch andere Erklärungsversuche, wie Ausgrabungen, Quellenforschung oder Meinungsumfragen helfen nicht weiter. Denn die Auferstehung ist ein Wunder und lässt sich deshalb wissenschaftlich nicht begreiflich machen.
Wir müssen uns vielmehr auf die Botschaft einlassen und uns ganz bewusst für die Hoffnung entscheiden. Zu Ostern wird uns verkündigt: Es gibt eine Wirklichkeit, die ist gut und lebendig, unvergänglich und ewig. Sie weist weit über alles Schreckliche hinaus, das uns in der Welt begegnet. Wir müssen uns nur in diese Wirklichkeit hineinstellen. Nicht nur wir haben zu Ostern unsere Fragen, Christus fragt uns auch etwas. Und seine Frage an uns lautet: Woran willst du dich festhalten? Was ist dein Ziel? Wie soll dein Leben verlaufen?
Gleichzeitig bietet er uns eine Antwort an, denn er weiß, dass wir irgendwann alle mit etwas Schwerem und Unbegreiflichem konfrontiert sind. Die Vergänglichkeit meldet sich, und damit auch das Leid. Wir erleben Verluste und Enttäuschungen, Krankheit und Misserfolg. Zurzeit ist es der schreckliche Krieg in der Ukraine, der uns Angst macht und uns zeigt, wie schlecht die Welt sein kann. Wird das Böse am Ende doch siegen? Das fragen wir uns in diesen Tagen manchmal.
Und darauf gibt Christus uns eine Antwort. Sie besteht nicht aus Worten oder einer Meinung, sondern er antwortet auf unsere Nöte und Sorgen mit dem Wunder seiner Gegenwart. Seine Auferstehung ist keine geschichtliche Angelegenheit, sie ist auch keine Erfindung und keine Legende, sondern sie ereignet sich immer wieder neu im Leben jedes und jeder Einzelnen. Wir müssen uns nur für Christus öffnen, „den Lebendigen suchen“ und uns „an ihn hängen“. Dann „nimmt er uns mit“ auf seinem Weg durch „den Tod, die Welt, die Sünde und die Hölle“. (EG 112,6) Wir begegnen ihm, spüren und erfahren, dass er wirklich lebt. Wir bekommen neue Kraft, können hoffen und getrost bleiben, auch wenn das Leben aussichtlos erscheint. Denn wir haben eine Grundlage, die sich durch nichts erschüttern lässt.
Und wenn das geschieht, sehen wir die Welt mit anderen Augen. Wir orientieren uns nicht nur an dem Furchtbaren und am Bösen, sondern unser Blick fällt auch auf das Gute, das in der Menschheitsgeschichte ja oft gesiegt hat.
Ein Beispiel dafür sind die Juden, die heutzutage gerne nach Berlin ziehen. „ ,Es bedeutet mir sehr viel, dass ich in Berlin groß geworden bin‘, sagt z.B. eine junge Jüdin, die derzeit eine Doktorarbeit an der Humboldt-Universität in Berlin schreibt. Seit gut 20 Jahren lebt sie in der Metropole und sie sagt: ,Die Stadt hat, was das Judentum angeht, in Deutschland am meisten zu bieten.‘ Mit ihren Eltern kam sie damals aus dem ukrainischen Odessa in jene Stadt, in der einst ihre Urgroßmutter lebte, und in der Nazi-Deutschland die Vernichtung des europäischen Judentums plante! Vor 80 Jahren brannten in Deutschland Synagogen, auch in Berlin. Und nicht viel später begann der Massenmord an den Juden. Nun werden in Berlin wieder Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet – liberale, konservative, orthodoxe. In der Stadt leben so viele Juden wie nie zuvor nach der Shoa. (https://www.dw.com/de/berlin-die-stadt-in-der-juden-leben-wollen/a-46179033)
Wer hätte das nach dem Ende des zweiten Weltkrieges jemals gedacht? Nach zwei Generationen scheint sich hier wirklich etwas verändert zu haben. Auch Nichtchristen können uns also zeigen, dass es sich lohnt, die Hoffnung niemals aufzugeben. Es gibt dafür noch viele weitere Beispiele in der Geschichte: Menschen können nicht nur Böses tun, sie sind auch zum Guten fähig, zum Frieden und zur Gerechtigkeit.
Es gibt dazu ein schönes Gedicht von Bertolt Brecht. Es lautet:
„Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? An uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebet sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen.
Und aus Niemals wird: Heute noch!“
Das sind Worte eines politischen Kämpfers und Gesellschaftskritikers. Brecht war erklärter Kommunist, d.h., er glaubte daran, dass die Menschen sich selber helfen können. Als Christen sehen wir das nicht ganz so, wir erkennen die Grenzen des Machbaren und respektieren sie. Aber trotzdem können wir uns von solchen Worten inspirieren und uns zurufen lassen: „Wer noch lebt, sage nicht: niemals! Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht.“
Dafür ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu ein lautes Signal und ein sichtbares Zeichen. Sie ist wie ein Alarm, der eine Hoffnung wecken will, die niemals stirbt. Lasst uns diese Hoffnung deshalb zum Hauptmerkmal unseres christlichen Lebens machen.
Amen.