Achtet auf das „prophetische Wort“!

Predigt über 2. Petrus 1, 16- 19: Die Verklärung Jesu und das prophetische Wort

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 31.1.2021. 9.30 Uhr, Lutherkirche

Liebe Gemeinde.

In den Nachrichten hören wir oft von Überschwemmungen ganzer Landesteile, Städte oder Dörfer. Ein Fluss ist über die Ufer getreten, weil es zu viel geregnet hat; ein Damm ist gebrochen, oder es gab eine Sturmflut. Meistens fordert so ein Ereignis nicht nur Häuser, Gebäude, Autos, Bäume usw., sondern auch Menschen- und Tierleben. Auf jeden Fall ist eine Wasserflut gefährlich: Sie reißt mit sich, was ihr in den Weg kommt, richtet Chaos an, zerstört und tötet. 

Wir gebrauchen das Wort „Flut“ auch in anderen Zusammenhängen, und da hat es ebenfalls eine bedrohliche Bedeutung: Es kann eine Flut von Bildern geben, eine Flut von Meinungen und Gedanken, eine Flut von Nachrichten und Informationen. Und auch davor müssen wir uns schützen, sonst verlieren wir die Orientierung, werden zerrissen und unruhig, fremdbestimmt und sorgenvoll. Wir können psychisch und mental untergehen.

Das ist besonders in diesen Zeiten eine Gefahr. Wenn wir es drauf ankommen lassen, werden wir mit Meldungen – besonders zur Corona-Krise – „überflutet“: Zahlen und Statistiken, Warnungen und Verordnungen überschwemmen uns geradezu und machen uns nervös. Natürlich sollten wir die geltenden Regeln kennen, aber wir müssen uns gleichzeitig davor hüten, in all diesen Nachrichten „unterzugehen“.

Dafür brauchen wir einen festen Standpunkt, einen sicheren Grund, auf dem wir stehen und standhalten können. Und genau davon handelt unser Predigttext von heute. Es ist ein Abschnitt aus dem zweiten Petrusbrief. Da heißt es im ersten Kapitel:

2. Petrus 1, 16- 19

16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.

Der Verfasser gibt sich als Petrus aus und meint damit den Jünger Jesu und späteren Apostel. Wir wissen inzwischen, dass er es nicht gewesen sein kann, aber es ist gar keine schlechte Idee, in seinem Namen zu schreiben. Der Brief soll so etwas wie ein Testament des Petrus sein und damit eine zuverlässige Quelle für die christliche Hoffnung. Denn Petrus war nicht nur Augenzeuge des Lebens Jesu, er gehörte auch zu den drei auserwählten Jüngern, die bei seiner Verklärung dabei waren auf dem „heiligen Berge“. Wir haben die Geschichte, die in drei Evangelien erzählt wird, eben gehört. Sie handelt davon, wie die göttliche Natur Jesu einmal kurz auf Erden sichtbar wurde. Petrus hat die „Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus selber gesehen“. Und er hat die Stimme Gottes gehört, die dabei vom Himmel kam und sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Seine Predigt bestand also nicht in „ausgeklügelten Fabeln“. So übersetzt Luther das Wort, das hier steht. Es ist das griechische Wort „Mythos“, und das bedeutet u.a. Märchen, Erzählung oder Geschichte. Was der Verfasser damit konkret andeuten will, ist nicht ganz klar. Er beschreibt diese „Mythen“ zusätzlich als „ausgeklügelt“, d.h. sie sind ausgedacht und schlau, und es kann sein, dass er bestimmte Irrlehren meint. Es gab damals ja viele religiöse und philosophische Strömungen, mit denen sich die Christen auseinandersetzen mussten. Doch nur eine Geschichte war wirklich vertrauenswürdig und verlässlich, und die will der Verfasser gewährleisten.

Dabei ist es interessant, dass das Wort „Mythos“ allgemein einfach „Rede“ oder „Wort“ bedeutet, „Mitteilung“, „Bericht“ oder die „Äußerung eines Gedankens“. Es muss also gar nicht um ganze Geschichten gehen, von denen sich das Evangelium unterscheidet, es ist auch mehr als eine beliebige Meldung oder Meinung. Es hat einen anderen Charakter und kann deshalb ganz anders wirken. Und worin der besteht, sagt der Schreiber in dem letzten Vers, den wir heute bedenken: Da nennt er das Evangelium das „prophetische Wort“, und wir „tun gut daran, darauf zu achten als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in unseren Herzen.“

Das ist ein schönes Bild, mit dem der Schreiber noch einmal an die Verklärungsgeschichte anknüpft: Da erschien Jesus den Jüngern in einem hellen Licht. Es war wie das Anbrechen eines neuen Tages, und diesen Zustand kann das Wort des Evangeliums im Herzen der Gläubigen bewirken. Sie erkennen in Jesus Christus die Herrlichkeit Gottes und werden dabei verwandelt. Mit dem „finsteren Ort“ ist die gegenwärtige Welt gemeint, zu der wir noch gehören. In ihr herrschen der Tod und die Angst, Leid und Not. Aber das muss uns nicht verschlingen oder mitreißen, denn es gibt ein helles Licht, das in jedem und jeder aufleuchten kann.

Und das ist eine gute Botschaft: Wir müssen nicht in der Flut der traurigen und schlechten Nachrichten untergehen, sondern können uns auf ein Wort verlassen, das uns in eine „Lichtflut“ stellt. Auch in diesem Zusammenhang gebrauchen wir ja gerne das Wort „Flut“, wie etwa bei dem Begriff „Flutscheinwerfer“. Sie machen die Nacht taghell und sorgen dafür, dass wir die Dinge erkennen, die vor sich gehen, wie z.B. bei einem Fußballspiel, einem Konzert oder einem Polizeieinsatz. Diese Eigenschaft hat das Wort Gottes über Jesus Christus. Es ist wie ein Flutlicht, und es ist ratsam, dass wir es in unser Herz scheinen lassen. Dann wird alles in uns hell und klar.

Aber wie geht das nun? Und können wir die Stimme Gottes überhaupt so hören, wie es in der Bibel erzählt wird? Er spricht doch gar nicht direkt zu uns. Was die Menschen von damals bezeugen, erleben wir nicht. Das ist unser Einwand. Lasst uns deshalb fragen, wie und wann das Wort Gottes überhaupt hörbar wird und in dieser Weise scheinen kann.

Und dabei hilft uns, dass der Verfasser unseres Textes die Qualität des Evangeliums der Qualität anderer Nachrichten gegenüberstellt und sie deutlich voneinander abhebt. Dadurch lädt er uns nämlich indirekt dazu ein, uns der Flut all der minderwertigen Botschaften zu entziehen und verstärkt auf das eine, „prophetische Wort“ zu achten, das allein lebendig und erhellend ist.

So ein ähnliches Vorgehen hat vor ein paar Wochen auch eine Psychotherapeutin empfohlen, die in der Zeitung zitiert wurde. Sie gebrauchte dafür den Begriff „Informationshygiene“. Der ist gerade jetzt sehr aussagekräftig, weil wir ständig an Hygienevorschriften erinnert werden und uns daran halten müssen. Sie beziehen sich auf unser körperliches Wohlergehen: Wir sollen uns nicht mit dem Virus infizieren. Aber es gibt eben auch noch ganz andere Infektionsgefahren: Die Seele kann sich von Angst und Sorge anstecken lassen. Unser Geist kann von all den negativen Meinungen und Gedanken verseucht werden, und das macht uns dann genauso krank wie das Virus es vermag. Wir müssen uns auch davor schützen und wohl dosieren, wie viele Nachrichten wir hören, wie viele schlaue Berichte wir lesen, wie vielen „ausgeklügelten Fabeln“ wir folgen wollen. Auch unser Geist und unsere Seele brauchen Hygiene. Man spricht nicht umsonst von „Seelenhygiene“, wenn es darum geht, in sich hineinzuschauen, auf sich selber zu achten und sich innerlich von negativen Einflüssen zu reinigen.

Doch so ganz einfach ist das nicht, denn die Flut der Meldungen rollt jeden Tag aufs Neue an und will uns mitreißen, wie bei einer Wasserflut und einer Überschwemmung. Dieses Bild ist ganz hilfreich, denn vor ihr rettet man sich am besten, indem man auf eine Anhöhe steigt. Das tun die Menschen ja, die davon betroffen sind: Sie klettern auf ihre Dächer, auf den Deich oder einen Berg.

Und genau das müssen wir im Geist tun. Die Jünger sind mit Jesus auch auf einen Berg gestiegen, um ihn im göttlichen Licht zu sehen. Sie haben eine Pause gemacht und den Alltag unter sich gelassen. Sie waren vorübergehend für niemanden erreichbar, nur für die Gegenwart Jesu und die Stimme Gottes. Und das heißt: Auch wir müssen Pausen einlegen, damit die vielen Stimmen, die auf uns „einströmen“ und uns „überfluten“ wollen, einmal zum Schweigen kommen. Wir hören das „prophetische Wort“ so selten, weil es viel zu laut um uns herum ist, weil wir uns ständig von allem möglichen mitreißen lassen. Wenn wir da aussteigen, und es stiller wird, nehmen wir plötzlich ganz andere Dinge wahr. Wir beruhigen uns, hören die Stimme Gottes, und unser Geist wird klar.

Anselm Grün formuliert das in einer Betrachtung zu unserem Textabschnitt so: „Das Wort Gottes, das mit dem Herzen aufgenommen wird, das leuchtet in unserer Dunkelheit. Es lässt den Tag anbrechen in unserem Inneren. Die Nacht mit ihrer Undurchschaubarkeit, die Nacht mit all dem Bösen, das in ihr geschieht, weicht dem Tag. Der Morgenstern leuchtet in uns auf. Christus selbst leuchtet im göttlichen Wort in unseren Herzen auf.“ (Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Predigttext-Reihe VI,1, Göttingen 1995, S. 79)

Und der reformierte Pfarrer Adolf Lampe aus dem Rheinland hat das Licht, das von Christus ausgeht, 1718 in einem Lied als „Lebenssonne“ bezeichnet. Ihre „Strahlen“ scheinen auch „im Dunkeln“ und sind mit nichts zu vergleichen. Er bittet Jesus um die „Klarheit“, die alle „Schatten“ aus seinem Herzen vertreiben kann. Denn er möchte „in diesem Licht wandeln“, es soll in ihm „wohnen, herrschen, leuchten und heilen“. Dafür „räumt er ihm Herz und Mut.“ Denn er weiß und bekennt: „Ohne dieses Licht des Lebens lebt ich in der Welt vergebens.“ (EG, Ausgabe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, 1994, Nr. 597)

Amen.

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