Im heutigen Gottesdienst wurde eine Jugendliche getauft, nächsten Sonntag feiern wir die Taufe eines kleinen Jungen. Das hat mich auf eine Predigtreihe über Wassergeschichten aus der Bibel gebracht, denn Wasser spielt bei der Taufe ja eine Rolle. Es erinnert an vieles, auch daran, dass Jesus einmal gesagt hat: „Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten.“ Das sagt er in einem Gespräch mit einer Samariterin, die er einmal an einem Brunen traf. Die Geschichte steht im Johannesevangelium, und der Anfang daraus war heute der Predigttext.
Predigt über Johannes 4, 1- 14: Jesus und die Samariterin
Sommerpredigt Wasser III: Jesu ist das lebendige Wasser
9.8.2020, 9.30 Uhr Lutherkirche
Johannes 4, 1- 14
1 Als nun Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen war, dass er mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes
2 – obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger –,
3 verließ er Judäa und ging wieder nach Galiläa.
4 Er musste aber durch Samarien reisen.
5 Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab.
6 Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde.
7 Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!
8 Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen.
9 Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. –
10 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser.
11 Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
12 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
13 Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten;
14 wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Liebe Gemeinde.
„Es muss im Leben mehr als alles geben“. So lautet der Titel eins Kinderbuches von dem amerikanischen Autor Maurice Sendak. 1962 hat er es geschrieben, und es enthält eine wunderbare Geschichte, in der wir uns alle wiederfinden können. Sie handelt von dem Hund namens Jennie, der buchstäblich „die Schnauze voll hat“. Eigentlich hatte Jennie alles, was ein Hund sich wünschen kann. Sie schlief auf einem runden Kissen im oberen und auf einem viereckigen im unteren Stockwerk. Sie hatte zwei Fenster, um nach draußen zu schauen, zwei Schüsseln für ihr Futter und vieles mehr. Auch hatte sie einen Herrn, der sie liebte. Doch das kümmerte Jennie wenig. Eines Nachts packte sie alles, was sie besaß, und blickte zum letzten Mal zum Fenster hinaus. Selbst die Topfpflanze konnte sie nicht daran hindern, fortzulaufen. „Du hast doch alles, was ein Hund sich wünscht. Warum läufst du dann fort?“ fragt sie. „Weil ich unzufrieden bin. Ich wünsche mir etwas, was ich nicht habe. Es muss im Leben noch mehr als alles geben.“ Antwortete Jennie und lief davon. (https://kulturbeschau.blogger.de/stories/1431724/)
Die Geschichte handelt also von der Unruhe des Herzens, und das ist eine Erfahrung, die wahrscheinlich jeder und jede irgendwann einmal macht: Wir könnten zufrieden sein mit dem, was wir haben, was wir uns leisten können, besonders wenn wir uns mit den Menschen dieser Erde vergleichen, die am Rande des Existenzminimums leben. Aber wir sind es nicht. Wir haben einen unstillbaren Durst nach etwas, das „mehr als alles“ ist.
Und das wusste auch Jesus. Ihm war klar, dass wir noch viel mehr zum Leben brauchen, als wir oft meinen. Das normale Wasser reicht nicht, um unseren Durst zu löschen. Mit diesem Bild erklärte er das einmal einer Frau, die er an einem Brunnen traf. Er unterhielt sich mit ihr über das „wahre Wasser des Lebens.“ Das Gespräch steht im Johannesevangelium, und wir haben den Anfang davon eben gehört.
Jesus kam in der Mittagshitze erschöpft bei diesem Brunnen an und setzte sich zum Ausruhen auf den Rand. Dann kam die Frau, um dort wie gewohnt Wasser zu schöpfen, und Jesus sprach sie an. Das war ungewöhnlich, und brachte die Frau in Verlegenheit. Denn die beiden waren allein dort, und diese Situation war aus zwei Gründen für beide schwierig: Erstens sprach – nach damaliger Sitte – ein jüdischer Mann nicht eine Frau an, und zweitens herrschte zwischen Juden und Samaritern Feindseligkeit. Jeglicher Kontakt war verboten.
Darauf wies die Frau Jesus zunächst hin, doch er ignorierte das. Er wollte mit ihr sprechen und eröffnete den Dialog mit der Bitte um Wasser. Dabei ging es ihm von Anfang an um das, was er ihr – und damit allen Menschen – geben kann. Er nannte es geheimnisvoll „lebendiges Wasser“. Die Bitte war also nur ein Vorwand, um dieses Symbol einzuführen.
Das merkte die Frau allerdings nicht, sie wunderte sich nur über diesen Fremden und missverstand ihn. Natürlich dachte sie daran, dass er das frische Quellwasser meinte. Warum war er dann aber ohne Schöpfgerät gekommen? Sie redeten aneinander vorbei, denn Jesus verstand unter „lebendigem Wasser“ etwas anderes, das einen tieferen Sinn hat. Er sagte: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“
Um diese Botschaft ging es ihm, und sie bedeutet: „Ich kann dir etwas schenken, das ewig bleibt. Du wirst keinen Durst mehr haben, wenn du das empfängst.“ Jesus sprach von einem Wasser, das im Inneren des Menschen zu einer Quelle wird, die zum ewigen Leben sprudelt.
Und das dürfen wir auch auf uns beziehen: Wenn wir an ihn glauben, wird unser Lebensdurst und unsere Sehnsucht nach der Ewigkeit gestillt. Wir müssen nicht auf noch mehr oder etwas Besseres warten. Es gilt vielmehr, in vollen Zügen das aufzunehmen, was Jesus uns gibt. Er kann uns ganz erfüllen, und dadurch können wir selber zu einer Quelle lebendigen Wassers werden.
Doch was bedeutet das nun? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns zunächst bewusst machen, wie wir meistens leben, und wovon unser Verhalten geprägt ist. Es ist oft so ähnlich wie bei dem kleinen Hund Jennie, der zwar alles hatte, aber noch mehr wollte. So geht es uns auch. Obwohl wir viel haben, begehren wir fast immer noch mehr. Wir haben Bedürfnisse, die wir befriedigen möchten, und das versuchen wir dann. Wir meinen, dass wir etwas unbedingt haben müssen, wenn wir glücklich sein wollen. Deshalb konsumieren und reisen wir, verdienen Geld, treffen Menschen, feiern Partys, lesen Bücher usw. Wir denken, „unser Durst wird gelöscht“, wenn wir das alles machen.
Das ist der Punkt, an den Jesus mit seinem Vergleich anknüpft. Er sagt, dass wir von dem natürlichen Wasser immer wieder trinken müssen, und damit stellt er das normale Begehren in Frage. Er macht auf die Nachteile aufmerksam, die alles Materielle und Menschliche, alles Weltliche und Irdische hat. Und darüber lohnt es sich einmal nachzudenken. Es stimmt nämlich, dass wir nie ganz zufrieden sind, wenn wir nur das suchen und haben wollen. Wir brauchen davon immer mehr, das Begehren hört nie auf.
Ein zweites Problem besteht darin, dass alles Irdische irgendwann vergeht. Was wir in unserem Leben erreichen oder aufbauen, kann wieder zerbrechen, nichts hält ewig. Und dazu gehören nicht nur Dinge, sondern auch Beziehungen, Freundschaften und Ehen. Ebenso Fähigkeiten, Ideen und Pläne, Gedanken und Vorstellungen. Alles, was wir aus uns selber heraus schaffen, kann kaputt gehen. Das ist das zweite Problem.
Und die dritte Schwierigkeit besteht darin, dass das Trachten nach den Dingen anstrengend ist, es kostet Kraft und Geld und laugt uns aus. Irgendwann sind wir davon erschöpft und müde.
Es lohnt sich also, das Wasser zu trinken, das Jesus uns gibt, denn es stillt unseren Durst wirklich, es vergeht nicht und schenkt uns Kraft. Doch wie geht das nun? Welche Folgen hat das für unsere Lebensführung und für unser Handeln? Das müssen wir uns als letztes fragen.
Und dazu ist es gar nicht schlecht, wenn wir uns noch einmal den kleinen Hund in Erinnerung rufen. Er hat sich auf den Weg gemacht und alles hinter sich gelassen, was ihn bis dahin gebunden hat. Er hat Abschied genommen und sein bequemes zu Hause verlassen. Und das können wir bildlich verstehen: Auch wir müssen uns aufmachen.
Wenn wir Jesus wirklich in uns aufnehmen wollen, ist es wichtig, dass wir all die anderen Quellen einmal verlassen. Wir wollen ja etwas Größeres und Bleibendes gewinnen, und dazu müssen wir das Kleinere und Vergängliche gelegentlich bei Seite lassen, es ignorieren und daran sozusagen vorbeigehen.
Es gibt eine große Heilige aus dem 16. Jahrhundert, Teresa von Avila, die in vielen Schriften sehr schön dargestellt hat, wie wir Jesus in uns aufnehmen können. Sie hat dafür auch oft das Bild vom Wasser benutzt. An einer Stelle sagt sie: „Alle Ratschläge, die ich euch in diesem Buch gegeben habe, zielen auf einen einzigen Punkt: dass wir uns von allem gelöst ganz dem Schöpfer schenken und unseren Willen in den seinen fügen. Dann wird der Weg kurz, auf dem wir zum Quell lebendigen Wassers gelangen. Aber nur der wird daraus trinken, der seinen Willen so ganz dem Herrn übergibt, dass dieser ihn gänzlich mit dem seinen in Übereinstimmung bringen kann.“ (Teresa von Avila, „Ich bin ein Weib – und obendrein kein Gutes“, ein Portrait der Heiligen in ihren Texten, ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von Erika Lorenz, Freiburg i. Br. 1989, S. 79)
Es geht also darum, dass wir uns Gott hingeben. Wir müssen aufhören, uns selber glücklich machen zu wollen. Und dazu gehört es, dass wir all das, was uns fehlt, zunächst einmal akzeptieren, unseren inneren Durst aushalten, ohne ihn gleich mit etwas Vergänglichem zu stillen. Es gehört zu unserem Leben, dass wir nie genug haben, dass wir oft nicht richtig klar kommen, dass vieles zerbricht, und dass wir leiden. Wir wollen das immer so schnell wie möglich beenden, aber das ist nicht der richtige Weg. Wir müssen die Brüchigkeit des Lebens aushalten, ja dazu sagen und auf uns nehmen, was das Leben uns schickt.
Nur dann sind wir offen für das, was Jesus uns gibt. Denn dann können wir innerlich zu ihm gehen, zu ihm rufen und um seine Hilfe bitten. Sie ist sofort da, wir müssen uns um nichts mehr bemühen. Es ist nichts weiter nötig, als dass wir ihn anrufen und uns von ihm lieben lassen.
Wenn Leiden über uns kommen, können wir sagen: „Gib mir Kraft, sie zu tragen.“ Sind es Krankheiten, Enttäuschungen oder Verletzungen, können wir beten: „Hier bin ich, Jesus, ich halte das jetzt aus und versuche nicht, es abzustellen. Denn du hast dich für uns alle, also auch für mich, Gott hingegeben.“ Wir müssen dann nicht darauf warten, dass er uns erfüllt. In demselben Moment, in dem wir uns ihm anvertrauen, wird „unser Durst ganz gelöscht“. Dann brauchen wir wirklich nicht mehr, kein anderes Ding, keinen Menschen und keine Idee. Jesus erfüllt unser Inneres mit seiner Liebe, so dass sie in uns sprudelt.
Die tiefen Schichten in unserer Seele werden angerührt, wir bekommen Leben und Kraft. Wir werden gelassen und mit Geduld und Freude erfüllt. Wir sind ganz von selber zufrieden und glücklich, auch im Leid, auch dann, wenn wir das eine oder andere, was die Welt so bietet, vielleicht nicht haben, und sich nicht alle unser Wünsche erfüllen. Denn Jesus stillt unseren Durst ganz.
Das Wichtigste und Größte, das „mehr als alles“ ist, können wir uns nicht verdienen und auch nicht selber herstellen. Wir können es uns nur von Jesus schenken lassen und dankbar annehmen.
Amen.