Predigt über Lukas 3, 3-14.18: Die Predigt Johannes des Täufers
3. Sonntag im Advent, 15.12.2019
Lukas 3, 3- 14. 18
3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
4 wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben!
5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.
6 Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.«
7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.
9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun?
11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.
12 Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?
13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
14 Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!
18 Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil.
Liebe Gemeinde.
Bewaffnete Menschen flößen uns normalerweise einen gewissen Respekt ein, wenn nicht sogar Angst. Bei uns sind das Polizisten und Soldaten. Aber auch Sicherheitskräfte, Jäger und Schützen dürfen Waffen tragen. Sie benötigen dafür zum Glück eine Erlaubnis, der zivile Waffenbesitz wird in Deutschland streng kontrolliert. Seit 1970 ist es das Bestreben der Politik, „möglichst allen Bürgern in allen Regionen zu verwehren, sich zu bewehren.“ So formulierte es der damalige Hamburger Regierungsdirektor Siegfried Schiller, denn „schon der bloße Waffenbesitz könne ganz ohne Hintergedanken zu einer Gefahr für die Allgemeinheit werden.“ Er hielt eine rigorose Reglementierung für vertretbar, und so kam es dann auch. Heutzutage beruft Deutschland sich darauf, eines der strengsten Waffengesetze weltweit zu haben. Es wurde in den letzten Tagen sogar noch verschärft und regelt den Erwerb, die Lagerung, den Handel, den Besitz und die Instandsetzung von Waffen, insbesondere von Klingen- und Schusswaffen sowie Munition. Auch definiert es verbotene Waffen und verbietet deren Besitz und Inverkehrbringen. Denn eine bewaffnete Person ist derjenigen, die waffenlos ist, überlegen, sie kann gefährlich werden und großes Unheil anrichten.
Und das war schon immer so, auch zurzeit Jesu. Um die Herrschaft der Römer im Alltag zu sichern, waren z.B. die römischen Soldaten bewaffnet. Außerdem gab es jüdische Soldaten, die zur Verteidigung der Festungen am unteren Jordan zahlreich waren. Und die nutzten ihre Überlegenheit tatsächlich aus. Nicht selten schikanierten und misshandelten sie das Volk, erpressten Schutzgelder oder Geschenke und sorgten für Verunsicherung. Sie waren offensichtlich kaltherzig und gierig, übten Macht aus und nahmen keine Rücksicht auf das Wohlergehen ihrer Mitmenschen.
Doch erstaunlicher Weise waren auch sie mit vielen anderen Menschen zu Johannes dem Täufer gekommen. Der hatte lange Zeit zurückgezogen in der Wüste gelebt hatte, abseits des weltlichen Geschehens, ganz auf Gott ausgerichtet. Eines Tages trat er dann aber auf und predigte im Stil der alten Propheten. Er rief zu Buße und Umkehr auf und kündigte das Kommen des Gottesreiches an. Er stand am Ufer des Jordans gegenüber von Jericho, und unzählige Menschen gingen zu ihm, um ihn zu hören. Wer seiner Botschaft folgte und seine Sünden bekannte, ließ sich von ihm taufen. Johannes vollzog die Taufe durch Eintauchen ins fließende Wasser, und sie bedeutete eine symbolische Reinigung. Wie die großen Propheten des Alten Testamentes erregte er also die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, und die Volksscharen setzten sich in Bewegung. Auch die Soldaten folgten wie gesagt seinem Ruf.
Dabei war seine Predigt keineswegs angenehm. Er verstand sich als Wegbereiter des kommenden Messias, für den alles beseitigt werden musste, was „uneben“ und gottlos war. Er beschimpfte viele seine Hörer sogar und entlarvte jede unehrliche Gesinnung und Falschheit. Er nannte sie „Schlangenbrut“, und damit meinte er alle, die Böses oder Tödliches um sich verbreiteten. Sie sollten ihre Gesinnung ändern und mit ihren Taten beweisen, dass sie Gottes Wille verstanden hatten. Sonst würden sie beim Gericht Gottes, das nach der Meinung des Täufers nahe bevor stand, wie ein unfruchtbarer Baum „abgehauen“.
Und auf diese Drohung reagierten die Hörer. Sie fragten betroffen, was zu tun sei. Johannes beantwortete ihre Fragen und konnte sie so auf den rechten Weg bringen. Für jeden und jede hatte er einen Rat. Drei Beispiele werden hier genannt: Die Reichen sollten ihre Habe teilen. Die Zöllner – das waren Abgabenpächter, die für die Römer arbeiteten – sollten die Anweisung der Obrigkeit nicht zu ihren Gunsten übertreten. Sie sollten sich vielmehr soldarisch mit ihren Mitmenschen zeigen. Und die Soldaten sollten ihre Macht nicht missbrauchen, um sich zu bereichern, sondern sich mit ihrem Sold zufrieden geben. Diese drei Gruppen werden hier genannt, aber Johannes hatte sicher auch für alle anderen konkrete Vorschläge, wie sie Gottes Willen beherzigen konnten. Es wird zusammengefasst mit dem Satz: „Mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil.“
Seine Botschaft lautete: Widersteht der Versuchung, einander zu unterdrücken oder auszunutzen, achtet einander, tut Buße, kehrt um und schafft Frieden. Auch uns gilt dieser Aufruf, und es ist gut, dass wir ihn immer wieder hören. Denn obwohl wir hier in Deutschland strenge Waffengesetzte haben und so schnell niemand auf der Straße durch eine Schusswaffe umkommt, tun wir einander oft nichts Gutes und üben viel Gewalt aus. Bertold Brecht hat das einmal so gesagt: „Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Selbstmord treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur wenige davon sind in unserem Staate verboten.“
Wir sollten uns also alle angesprochen fühlen und uns fragen, wann und wo wir unsere Macht missbrauchen und anderen Menschen Angst machen. Es passiert öfter als wir ahnen, und zwar immer dann, wenn wir die Schwächen unserer Mitmenschen ausnutzen. Das kann durch körperliche Überlegenheit geschehen, dadurch, dass wir ein Geheimnis über jemanden wissen, das niemand erfahren soll. Wir können den Ruf von jemand anderem ruinieren, ihn ausgrenzen und missachten. Man spricht auch von „den Waffen der Frau“, d.h. wir können andere Menschen täuschen und verführen. Verboten ist das alles nicht.
Aber es ist auch nicht das, was Gott will. Johannes der Täufer legt uns hier eine ganz eindeutige Ethik vor, und es gut, wenn wir die beachten: Er ruft uns zu einer kritischen Auseinandersetzung mit unserem eigenen Verhalten und Denken auf, und das Ziel ist ein Sinneswandel. Wir sollen unsere Sünden bekennen, Buße tun, umdenken und neu anfangen.
Die Frage ist allerdings, wie wir das hinbekommen. Natürlich bemühen wir uns immer wieder darum gut zu sein, aber viele scheinbar harmlose „Unebenheiten“ sind nicht so einfach zu begradigen. In Ehen und Familien haben sich z.B. oft bestimmte Verhaltensmuster eingeschlichen, die ein soziales Gefälle bedeuten. Es ist klar, wer der Stärkere und wer der Schwächere ist, aber wir gewöhnen uns daran, auch an das Leid, das damit einhergeht. Viele tragen es schweigend und wehren sich nicht mehr. Im Kollegen- oder Freundeskreis kann es das auch geben, und selbst wenn wir es ändern wollten, so ist das nicht so einfach. Es klingt ja auch sehr nach einem erhobenen Zeigefinger, so als ob wir durch eigene Anstrengung besser werden sollen.
Doch so ist das, was Johannes der Täufer predigte, nicht gemeint. Um es richtig zu verstehen, müssen wir noch einmal darüber nachdenken, was es mit der „Wegbereitung“ auf sich hat. Das ist ja sein Anliegen, d.h. Johannes will, dass wir das Kommen Jesus vorbereiten, das wir zu Weihnachten feiern. Und das bedeutet nicht, dass wir nun aus eigener Kraft in unserem Leben aufräumen und unser Miteinander neu ordnen. Wir sollen uns vielmehr auf Jesus ausrichten, und das heißt, unsere Blickrichtung ändern. Dabei lassen wir ganz von selber von vielem ab, das uns gefangen hält. Wir steigen aus unseren Gewohnheiten aus und lassen uns von dem Ziel, auf das wir zugehen, bereits anrühren. Wir öffnen eine Tür in unserem Geist, und dadurch empfangen wir Jesus bereits. Wir spüren seine Nähe und die kann wirken. Von der Krippe geht jetzt schon eine Kraft aus, die uns verändern kann. Johannes der Täufer fordert uns nicht dazu auf, durch unsere Werke gerecht zu werden. Er warnt uns nur vor Tatenlosigkeit. Wir können unser Heil verspielen, wenn wir nicht aufpassen. Es geht ihm nicht um das Tun, sondern um ein neues Sein. Und um das zu verwirklichen, dürfen wir jetzt schon auf die Hilfe Christi vertrauen.
Davon handelt eine kleine Geschichte von Max Bolliger, einem Kinderbuchautoren der Schweiz. Er ist 1929 geboren und trat erstmals zu Beginn der 1950er Jahre mit Gedichten und Erzählungen für Erwachsene in Erscheinung. Er wechselte dann aber zum Kinder- und Jugendbuch. Die folgende Geschichte ist allerdings für Kinder und Erwachsene gleichermaßen schön und aussagekräftig. Sie heißt:
„König, Bauer und Knecht“, (In heiliger Nacht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Freiburg, Bassel, Wien, 2008, S. 99f)
In der Nähe Betlehems lebten vor zweitausend Jahren ein König, ein Bauer und ein Knecht.
Wenn der König auf seinem Pferd durch die Straßen ritt, fiel der Bauer vor ihm auf die Knie und küsste den Saum seines Gewandes. Wenn der Bauer auf seinem Esel über die Felder ritt, verneigte sich der Knecht und nahm seinen Hut vom Kopf. Wenn aber der Knecht jemandem begegnete, wurde er von niemand gegrüßt. Nur ein kleiner herrenloser Hund… wollte nicht mehr von ihm weichen.
Wenn der König schlechter Laune war, ließ er den Bauern für einen Tag ins Gefängnis werfen. Wenn der Bauer zu viel getrunken hatte, rief er den Knecht und ließ ihn am Feiertag Holz hacken. Wenn der Knecht unglücklich war, pfiff er dem kleinen herrenlosen Hund und schlug ihn mit dem Stock.
So fürchtete sich der Bauer vor dem König, der Knecht vor dem Bauern und der Hund vor dem Knecht.
Aber auch der König fürchtete sich. Er fürchtete sich vor dem Tod.
Der König verbot seinen Kindern, mit den Kindern des Bauern zu spielen. Der Bauer verbot seinen Kindern, mit den Kindern des Knechtes zu spielen. Der Knecht verbot seinen Kindern, mit dem kleinen herrenlosen Hund zu spielen.
So fürchteten sich die Kinder des Königs, die Kinder des Bauern und die Kinder des Knechtes nicht vor dem Tod, nicht vor einem König, nicht vor einem Bauern und nicht vor einem Knecht. Sie fürchteten sich vor der Strafe. Die Kinder waren traurig, denn sie vermochten zwischen dem Kind eines Königs, dem Kind eines Bauern und dem Kind eines Knechtes keinen Unterschied zu erkennen.
Eines Tages aber stand über Betlehem ein leuchtender Stern. In einem Stall mitten auf dem Feld war Christus geboren …
Ohne dass einer vom andern wusste, machten sich der König, der Bauer und der Knecht auf, das Kind zu suchen.
Als sie einander vor dem Stall mitten auf dem Feld trafen, waren sie verlegen.
Aber Maria, die das Kind geboren hatte, lächelte ihnen zu und bat sie näher zu treten.
Und als sie das Kind in der Krippe erblickten, erfüllte sie plötzlich eine große Freude…
Sie knieten nieder und beteten es an.
„Nimm mir die Angst vor dem Tod“, bat der König.
„Nimm mir die Angst vor dem König“, bat der Bauer.
„Nimm mir die Angst vor dem Bauern“, bat der Knecht.
Da fing das Kind an zu weinen, weil es ahnte, dass es für den König, den Bauern und den Knecht einst am Kreuze sterben würde.
Am frühen Morgen kehrten die drei Männer gemeinsam nach Hause zurück, der König in sein Schloss, der Bauer auf seinen Hof und der Knecht in seine Hütte.
Nun wusste einer um des andern Angst, doch der Glaube an das Kind schenkte ihnen die Kraft, sie zu überwinden.
Am folgenden Tag aber spielten die Kinder des Königs, die Kinder des Bauern und die Kinder des Knechtes zusammen mit dem kleinen herrenlosen Hund. Auch er brauchte sich nicht mehr zu fürchten.
Amen.