Predigt über Jesaja 9, 1- 6: Verheißung eines Friedefürsten
Heiligabend, 24.1.2017, 17 Uhr, Lutherkirche Kiel
Jesaja 9, 1- 6
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.
4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch bRecht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Liebe Gemeinde.
Mitten im Ersten Weltkrieg, in diesem millionenfachen Sterben ereignete sich am Heiligen Abend 1914 etwas sehr Ungewöhnliches: Für ein paar Stunden bzw. Tage kamen die deutschen Soldaten und ihre Feinde, vor allem englische Soldaten, aus den Schützengräben – und feierten gemeinsam. Es kam zu spontanen Verbrüderungen.
Dieses Ereignis ist als „Weihnachtsfrieden“ in die Geschichte eingegangen, oder auch als „weihnachtliche Waffenruhe“. Sie fand an einigen Abschnitten der Westfront, in Flandern statt, und auch an Teilen der Ostfront gab es zu diesem Zeitraum keine Schusswechsel. Von der Befehlsebene war das nicht autorisiert, die Soldaten taten es aus eigenem Antrieb.
Inzwischen ist das lange her, aber erzählt wird diese Geschichte immer noch. Es gibt auch Filme dazu, denn es fasziniert die Menschen bis heute. Wie durch ein Wunder war plötzlich Frieden möglich, weil die Soldaten; die sich eigentlich gerade bekämpften, es so wollten. Sie gehorchten der Weihnachtsbotschaft mehr, als den Waffen und verwirklichten ein Stück des Friedens, der uns an diesem Fest verheißen wird.
In unserer alttestamentlichen Lesung geschieht das z.B. Es ist die Prophezeiung eines „Friedefürsten“, so lautet einer der Namen, der ihm hier gegeben wird.
Jesaja hat das formuliert, einer der großen Schriftpropheten des Alten Testamentes. Er wirkte in einer Zeit, als Juda durch die Großmacht Assyrien bedroht wurde. Das Volk hatte also Angst und verlor die Hoffnung. Jesaja wollte ihnen Mut machen, und so verkündete er, dass bald eine große Wende eintreten würde, ein universaler Friede, Gerechtigkeit und Heil. Er verhieß den Israeliten einen zukünftigen Messias, der ein gerechter Richter und Retter der Armen sein würde. Die Rede ist so etwas wie ein Auftragsgedicht für seine Thronbesteigungsfeier.
Jesaja erinnert darin unter anderem an einen Tag in der Vergangenheit des Volkes, an dem die Israeliten mit Gottes Kraft einen herrlichen Sieg über ihre Feinde errungen hatten, mit nur ganz geringer menschlicher Macht. Und so etwas wird wieder geschehen, sagt er. Denn Gott wird ihnen einen Retter „geben“, der besondere Namen erhält. Sie lauten: „Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst“.
Zum Schluss sagt der Prophet: „Auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.“
Das ist die Verheißung Jesajas, und die haben die Christen auf Jesus bezogen. Sie sehen in ihm diesen Retter, der die Finsternis vertreibt und eine ewige Herrschaft des Friedens aufrichtet, der stark und gewaltig ist.
Aber tun sie das eigentlich zu Recht? Wo und wann erleben wir davon denn etwas? Die Welt hat sich in den letzten 2000 Jahren, seitdem Christus erschienen ist, doch so gut wie gar nicht geändert! Es gibt keinen weltweiten Frieden und viel Ungerechtigkeit. Was soll das also, dass wir so etwas alles in Jesus sehen? Er scheint machtlos zu sein. Das denken viele. Sie fragen sich, wo ist Gott? Und warum lässt er all das Leid, die Kriege und das Blutvergießen zu? Wozu lesen wir die Bibel überhaupt, wenn sie doch nicht der Wirklichkeit entspricht?
Auf diese Fragen suchen wir Antworten, und unser Abschnitt aus dem Alten Testament gibt uns darauf auch welche. Wir müssen ihn nur genau lesen.
Dann gilt es als erstes festzustellen, dass hier ein zukünftiger Friede angekündigt wird. Der Prophet beschreibt eine Vision, etwas, das noch kommen wird. Und das ist durch das Kommen Jesu Christi nicht anders geworden. Wir glauben zwar, dass er der Retter ist, der die Welt erlösen kann, aber auch sein Heil verwirklicht sich erst in der Zukunft ganz. Es hat durch sein Erscheinen zwar begonnen, es ist da, aber vorerst bleibt es noch verborgen. Nur wer sich darauf einlässt, kann es erleben.
Helmut Gollwitzer hat das einmal sehr schön formuliert. Das war ein Theologe, der von 1908 bis 1993 lebte. Während des dritten Reiches gehörte er zur sogenannten bekennenden Kirche, d.h. er war ein Gegner der Nazis und hat das auch umgesetzt. Seit den Novemberpogromen 1938 verhalf er z.B. Juden zur Flucht bzw. Ausreise. Außerdem hatte er Kontakte zu Widerständlern in der Wehrmacht. Mehrfach er wurde deshalb verhaftet und bekam ein Redeverbot. Das hielt ihn aber nicht davon ab, seinen Glauben zu bekennen. So ist von ihm aus diesen düsteren Zeiten die Aussage überliefert: „Die Nacht wird nicht ewig dauern. Es wird nicht finster bleiben. Die Tage, von denen wir sagen, sie gefallen uns nicht, werden nicht die letzten Tage sein. Wir schauen durch sie hindurch vorwärts auf ein Licht, zu dem wir jetzt schon gehören und das uns nicht loslassen wird. Das ist unser Bekenntnis.“ Er glaubte also an die Zukunft, und dazu sind auch wir eingeladen: Zum Glauben daran, dass das Leben weitergeht, und dass spätestens am Ende aller Zeiten etwas Großes und Schönes auf uns wartet, ein helles Licht und ein ewiger Friede.
Zu diesem Glauben müssen wir uns allerdings entscheiden. Das ist der zweite Punkt. Den Frieden Christi gewinnen wir nur, wenn wir uns danach ausstrecken und auf ihn hoffen. Wir müssen uns also fragen, wo wir hinschauen und wie wir leben wollen Natürlich können wir auf all die Probleme starren, uns beklagen, zweifeln und bitter werden. Aber ist das ratsam? Solange wir das tun, finden wir mit Sicherheit keine Antwort auf die Frage, was Jesus denn gebracht hat. Wir entdecken seine Macht und seinen Frieden nicht, wenn wir nur auf das Böse blicken. Im Gegenteil, dann verschließen wir uns. Es hat ganz viel mit uns selber zu tun, ob sich der Friede Christi verwirklicht. Wir werden von Gott nicht aus der Verantwortung entlassen. Er will mit den Menschen zusammen arbeiten. Er traut ihnen etwas zu und rechnet damit, dass sie seinen Willen umsetzen. Es ist also wichtig, dass wir uns für Jesus Christus öffnen und auf ihn schauen.
Dabei müssen wir uns allerdings klar machen, dass seine Herrschaft von ganz anderer Art ist, als wir uns das zunächst vorstellen. Er greift nicht mit Gewalt ein, das wird schon an seinem Kommen deutlich. Er ist als kleines Kind auf dieser Welt erschienen und ist den Weg des Leidens gegangen. Seine Stärke liegt nicht in Gewalt oder Herrschaft, sondern in Hingabe und Liebe, in Geduld und Barmherzigkeit.
Um seine Kraft und seine Gegenwart zu entdecken, ist es deshalb gut, wenn wir uns unsere eigene Hilflosigkeit eingestehen und uns bewusst machen, wie oft wir selber leiden, schwach oder traurig sind. Es gibt dafür viele Gründe. Es können Konflikte mit anderen sein, hervorgerufen durch Eifersucht, Hass und Neid. Oder auch Krankheiten, Verluste und Enttäuschungen. Am liebsten verdrängen wir das alles oder versuchen, uns irgendwie selber zu retten.
Doch das ist oft kaum möglich ist. Wir spüren: In den tiefen Schichten unserer Seele bleibt es meistens friedlos und unruhig. Wir haben Angst, machen uns Sorgen und fühlen uns allein. Wir brauchen eine größere Macht, eine Hilfe, die tiefer geht, und genau die hat Jesus Christus für uns bereit. Wir müssen eigentlich nur still werden und auf ihn vertrauen, auf dieses kleine Kind, das uns von Gott gegeben wurde. Dann entdecken wir seine Kraft, es wird friedlich in unsrer Seele. Jesus kann etwas tun, er wirkt in uns und kann uns verändern.
Anselm Grün hat das einmal so formuliert: „Wenn Christus in mir geboren wird, wenn er mein Herz ausfüllt, dann ahne ich etwas von dem Frieden, der von ihm ausgeht. Es ist kein Friede, der mit Waffengewalt durchgesetzt werden muss. Sein Friede strömt aus einem Herzen, das von Liebe voll ist.“ Es gibt den Frieden Christi, und wir können dafür zum Kanal werden. Dann fließt er durch uns hindurch in diese Welt hinein.
Das alles wird sehr schön deutlich, wenn wir uns noch einmal klar machen, was die Namen bedeuten, die der Prophet Jesaja in unserem Text dem Messias gibt:
Der erste Name lautet „wunderbarer Ratgeber“, d.h. er zeigt mir neue Wege, öffnet mir die Augen für seinen Frieden, enthüllt Geheimnisse und hilft mir weiter.
Der zweite Name heißt „starker Gott“. Er ist demnach größer als ich, er hat Kraft und ungeahnte Möglichkeiten. Er kann das Böse überwinden. Er kann in meiner Seele siegen und mich selber stark machen. Er beschützt und trägt, er rettet und befreit.
Sein dritte Name ist: „ewiger Vater“. Das bedeutet, er bleibt bei mir, er ist mir zugewandt, er kümmert sich um mich und versorgt mich. Er ist da, und das wird niemals aufhören. Es wird bis in eine unbegrenzte Zukunft hinein so weitergehen. Menschliche Väter sterben, aber Jesus nicht, auf ihn ist ewig Verlass.
Und der letzte Name lautet „Friedefürst“, man kann auch sagen „Befehlshaber des Friedens“. Er wacht also darüber, dass Frieden in mir ist, und passt darauf auf, dass er erhalten bleibt. Er garantiert ihn, d.h. er sorgt für Stabilität und Ruhe, Wohlergehen und Heil.
Und das sind wunderbare Namen für Jesus Christus. Sie enthüllen, was er kann. Wir können es erfahren, wenn wir uns ihm zuwenden und auf ihn vertrauen. Seine Macht zieht dann in unser Leben ein. Die Probleme werden kleiner, Ängste verschwinden. Wir können in Frieden miteinander leben und uns einander lieben. Das ist der zweite Punkt.
Und damit ist als drittes klar, dass der Friede, den Jesus Christus gebracht hat, in dieser Zeit und in dieser Welt nur punktuell möglich wird. Er ereignet sich dort, wo Menschen daran glauben. Er leuchtet immer mal wieder auf. Es fällt von der Zukunft her ein Lichtstrahl in diese Zeit. So war es in der Heiligen Nacht im Jahr 1914. Der Krieg ging anschließend leider weiter, und viele Soldaten wollten das bestimmt nicht. Aber wenigstens ist der Friede einmal kurz vorhanden gewesen. Er hat sich gezeigt, Menschen haben ihn verwirklicht, dort, wo sie waren, mit den Menschen, mit denen sie zusammen trafen. Sie sind aufeinander zugegangen, haben sich die Hand gereicht und haben Weihnachten gefeiert. Und das können auch wir erleben, in unseren Familien, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde und in der Gesellschaft. Überall und immer wieder gibt es die Lichter des Friedens.
Lassen Sie uns dazu beitragen, dass das so bleibt, indem wir durchlässig werden für den Frieden Christi. Anstatt über die Dunkelheit zu klagen, wollen wir sie mit unserem Glauben und unserer Zuversicht durchdringen. Es ist großartig, dass Gott selber zu uns gekommen ist. Lassen Sie uns an diesem bedeutenden Ereignis festhalten, uns davon erschüttern und begeistern lassen und von Herzen Weihnachten feiern.
Amen.