Wir sind Kinder Gottes

Predigt über Römer 8, 14- 17: Das Leben im Geist

14. Sonntag nach Trinitatis, 28.8.2016, 11 Uhr, Jakobikirche Kiel

Im Gottesdienst wurden Artur und Stefanie, ein zweijähriges Kind und seine Mutter getauft.

Römer 8, 14- 17

14 Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.
15 Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!
16 Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind.
17 Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, wenn wir denn mit ihm leiden,
damit wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.

 

Liebe Gemeinde.
Ein Kind wird normalerweise von seinen Eltern angenommen und geliebt. Bei Artur ist das auf jeden Fall so, er ist ja auch ein Wunschkind und Sie freuen sich jeden Tag an ihm. Er ist das Wertvollste, was Sie haben, aber er muss das nicht beweisen. Sie haben ihn einfach sehr gern. Seine Daseinsberechtigung ist an keinerlei Bedingungen geknüpft, er muss nichts leisten, um von ihnen ins Herz geschlossen zu werden. Er muss noch nicht einmal besonders brav sein. Sie mögen auch seine Eigenwilligkeiten und wenn er sich mal durchsetzen möchte. Denn das zeigt, dass er gesund und munter ist und bereits jetzt eine kleine Persönlichkeit. Sie verbieten ihm nicht seine eigene Meinung, er soll sich Ihnen nicht völlig anpassen. Im Gegenteil, je selbständiger er sich verhält, umso mehr Freude bereitet er Ihnen.
So ist das mit Kindern immer, wenn das Verhältnis zu ihren Eltern ungestört und schön ist, wenn sie gewollt sind und in Frieden aufwachsen.
Das hatte auch schon Paulus vor Augen. Er benutzt die Kindschaft deshalb als ein Bild, mit dem er unser Verhältnis zu Gott beschreibt. Er sagt: „Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder.“
Mit diesem Vers beginnt unsere Epistel von heute. Sie ist ein Teil aus Römer acht, dem Kapitel, in dem Paulus das „Leben im Geist“, d.h. das Leben als Christ oder Christin beschreibt. Dabei greift er auf biblische und frühjüdische Überlieferungen zurück, und zwar denkt er an die Zusage für den Messias. Er wird „Sohn Gottes“ (2. Samuel 7, 1-14) genannt werden, d.h. Gott wird für ihn wie ein Vater sein. In Christus hat sich diese Zusage erfüllt, davon ist Paulus überzeugt. Und alle, die an ihn glauben, werden dadurch ebenfalls zu „Söhnen“, bzw. „Kindern Gottes“. Durch Tod und Auferstehung Christi hat Gott seinen Geist auf alle Christen ausgegossen. Jetzt können sie gemeinsam mit Jesus Christus Gott mit „Abba“ anreden, das heißt „lieber Vater“, oder sogar „Papa“. Jesus hat das als erster getan, so vertraut und persönlich war sein Verhältnis zu Gott. Wer an ihn glaubt, darf das ebenfalls, denn er hat Anteil an der Gottessohnschaft Jesu.
Und das heißt weiter, dass er frei ist. Er muss vor Gott keine Angst haben, wie etwa ein Sklave vor seinem Herrn. Paulus sagt das so: „Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: „Abba, lieber Vater!“
Uns wird hier also zugesagt, dass wir als Christen vom Geist Gottes erfüllt sind und das Erbe empfangen, das Gott den Vätern des alten Bundes versprochen hat. Allerdings heißt das nun nicht, dass wir frei von allem Leid sein werden. Es geht Paulus nicht um ein innerweltliches Heil oder ein materielles Erbe. Das wünschen wir uns zwar oft, aber so ist es leider nicht. Im Gegenteil, die „Miterben Christi“ werden auch „mit ihm leiden“. Das fügt Paulus noch an. Der Weg Christi führte durch den Tod in die Auferstehung. Denn was er uns schenkt, ist ein ewiges Erbe, d.h. eine kommende Erlösung, die wir durch die Leidensgemeinschaft mit Christus erlangen. Wir leiden und sterben mit Christus, damit „wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden“.
Und das alles geschieht bei der Taufe. Da wird ein Mensch mit Christus verbunden und zu seinem Kind, er wird Erbe der ewigen Verheißung. Das gilt also auch für Sie beide, Stefanie und Artur Vullriede. Lassen Sie uns deshalb fragen, was das bedeutet und wie sich Ihr Leben dadurch gestaltet bzw. verändert. Wir können uns das gut in drei Schritten klar machen.
Zunächst betonen wir, dass wir Kinder Gottes sind, d.h. für Christen gilt dasselbe wie für alle Kinder: Wir müssen Gott nichts beweisen. Oft denken wir ja, dass wir nur dann gute Christen sind, wenn wir Gott auch entsprechend dienen. Paulus benutzt nicht umsonst das Bild vom „Knecht“ oder „Sklaven“ als Gegenbeispiel. Er kennt die Gefahr, dass sich in den Glauben immer wieder ganz leicht die Vorstellung mischt, dass Gott uns als seine Knechte sieht: Er will, dass wir seinen Willen tun, er ist streng und fordernd, wir haben Angst vor ihm und fühlen uns unter Druck. In vielen anderen Bezügen unsres Lebens ist das ja so, es ist von Leistungsdruck und Furcht durchzogen. Und so übertragen wir dieses Gefühl auch auf Gott.
Doch so ist es bei ihm nicht. Wir sind nicht seine „Sklaven“, sondern seine „Kinder“, und das heißt, dass wir sein dürfen, wie wir sind, dass wir so geliebt werden, wie wir sind, dass wir ohne Bedingungen angenommen werden. Gott möchte, dass unser Leben gelingt, so wie Eltern das ihren Kindern wünschen. Er hat ein Bild von uns, das sich entfalten soll, und dafür ist die absolute Daseinsberechtigung der Wurzelboden. Und die schenkt Gott uns durch seinen Sohn Jesus Christus und die Taufe.
Es ist also vor allen Dingen die Liebe, die Gott wichtig ist. Sie bestimmt unser Verhältnis zu ihm. Das bringt auch Ihr Taufspruch zum Ausdruck, Stefanie. Er steht im ersten Brief des Paulus an die Korinther im 13. Kapitel und lautet: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor.13,13) Das ist das erste, was in einem christlichen Leben wichtig ist: die Liebe Gottes zu uns und unsere Liebe zu ihm. Und natürlich wirkt die sich auf unser Miteinander aus: Auch unser Zusammenleben kann frei von Angst und Unterdrückung sein, wenn wir uns Christus anvertrauen.
Doch dass wir Kinder Gottes sind, bedeutet noch mehr. Das wird klar, wenn wir die Betonung auf Gott legen, denn das heißt, dass wir nicht nur Kinder von Menschen sind. Jeder von uns ist ein Traum Gottes. Gott wollte uns, wir sind seine Wunschkinder. Wir können uns vorstellen, dass wir ein Wort von ihm sind. D.h. es gibt etwas, das er nur in uns spricht, wir sind unverwechselbar und einzigartig, und unsere Aufgabe ist es, dieses unverwechselbare Wort Gottes in uns zu entdecken. Das gibt uns eine unantastbare Würde und zugleich eine große Freiheit, die Freiheit von den Erwartungen und Ansprüchen anderer Menschen, die Freiheit von Bildern, die wir und andere uns gerne überstülpen möchten. Auch der Sinn unsres Lebens ist frei von jedem Zwang. Wir müssen die Frage, wer wir sind und sein wollen, nicht immer wieder neu stellen und Antworten darauf finden. Wir haben eine bleibende Bestimmung, denn wir sind Kinder des Himmels und nicht nur Kinder dieser Erde. Wir haben in uns einen göttlichen Kern. Paulus sagt: „Der Geist Gottes treibt uns“, d.h. wir sind von Gottes Geist durchatmet, oder anders ausgedrückt: Wir atmen die Weite des Himmels trotz der Erdenschwere, die uns manchmal festzuhalten droht. Wir haben eine Bestimmung, die unser Tagesgeschäfte übersteigt. Wir lassen uns nicht einfach einspannen, denn in uns ist etwas, das keiner menschlichen Herrschaft unterliegt. Als Kinder Gottes sind wir frei wie die Vögel des Himmels. Keiner kann uns festhalten. Und das heißt, wir sind vor Traurigkeit und Angst geschützt, wir finden immer wieder den Mut und das Vertrauen zum Leben, das wir brauchen.
Paulus verbindet diese Botschaft mit der Einladung, zu Gott „Abba, lieber Vater“ zu sagen. Das hatte für ihn einen positiven Klang. Heutzutage ist das leider nicht mehr selbstverständlich. Oft entziehen sich die Väter ihrer Verantwortung oder sie sind nicht gut zu Ihren Kindern. Doch so soll es nicht sein, das wissen wir alle, und wir freuen uns, wenn ein Vater mit seinem Kind zusammenlebt und es liebt. Bei Artur ist das zum Glück so. Er hat einen Vater, der für ihn da ist, der ihm Vertrauen ins Leben schenkt, ihm Mut macht, etwas zu wagen. Artur kann sich bei ihm anlehnen und Halt finden. Das gilt natürlich genauso für eine Mutter. Wir können uns hier auch die Eltern vorstellen.
Und selbst wenn wir nicht alle die Erfahrung gemacht haben oder machen, dass sie uns lieben, so steckt doch in jedem von uns eine Ahnung von dem positiven Vater- oder Mutterbild. Es ist dem menschlichen Herzen als Urbild eingeschrieben. Jeder und jede hat eine Sehnsucht nach dem Vater und der Mutter, von der er oder sie sich verstanden fühlt, in deren Nähe er sein Leben anpacken und wagen kann. Jesus lädt uns ein, Gott so zu sehen, dieses Bild auf ihn zu übertragen und ihn „lieber Vater“ zu nennen. Vor Gott können wir unsere Sehnsucht zulassen. Sie bleibt keine Illusion, kein Wunschbild, sondern wird wahrhaftig erfüllt. Gott ist unser Vater, der uns zutiefst versteht, der uns herausfordert, der uns etwas zutraut, der uns Lust am Leben schenkt. Wir müssen ihn im Heiligen Geist nur „lieber Vater“ nennen und zu ihm beten, dann können wir etwas erahnen von der tiefen Geborgenheit, die er uns schenkt, von dem Gefühl, zu Hause zu sein. Wir finden zu einer vertrauensvollen Zustimmung zu allem, was ist. Das ist der zweite Punkt.
Und als drittes ist wichtig, dass wir mit der Gotteskindschaft „Erben“ der ewigen Verheißung werden. Unsere Bestimmung und der Sinn unseres Lebens gehen weit über diese Zeit hinaus. Sie umfangen nicht nur die Lebensspanne, die wir hier auf der Erde haben, sondern sind in eine unbegrenzte Zukunft gerichtet. Denn wir haben Teil am Tod und an der Auferstehung Christi.
Und das ist wichtig, denn wir werden – wie gesagt – nicht automatisch vor allem Leid bewahrt, wenn wir „Kinder Gottes“ sind. Auch dem leiblichen Tod kann am Ende niemand entkommen. Wir werden wie Christus leiden und sterben. Aber wenn wir es mit ihm tun, werden wir auch mit ihm auferstehen, und das heißt, wir gewinnen etwas, das durch nichts ausgelöscht werden kann: Wir gewinnen die Ewigkeit.
In dem Taufspruch, den Sie für Artur ausgesucht haben, kommt dieser letzte Gedanke sehr schön zum Ausdruck. Er steht in Psalm 23 und lautet: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.“ (Psalm 23,6) Dieses Wort stammt aus dem Psalm über den guten Hirten. Mit ihm bekennt ein Beter sein Vertrauen zu Gott. Er weiß, dass er das braucht, denn sein Weg führt ihn nicht nur durch helle Landschaften. Es wird auch dunkle Täler geben, Feinde, die ihm das Leben schwer machen. Doch selbst wenn das passiert, wird das „Gute ihm folgen“. Die „Barmherzigkeit“ Gottes wird nie weit entfernt sein, denn Gott geht ihm nach und verliert ihn nicht aus den Augen. Das Leid wiegt deshalb nie so schwer, dass es ihn erdrückt oder auslöscht. Er geht da hindurch wie durch „ein finsteres Tal“ (Psalm 23,4), an dessen Ausgang wieder das Licht steht. Und am Ende des Lebens wird er für alle Zeiten bei Gott sein. Das „Bleiben im Haus Gottes“ ist ein schönes Bild für die Ewigkeit, die den Gläubigen und Getauften versprochen wird.
Und das ist eine großartige Perspektive. Selbst der Tod kann den Christen nichts anhaben, wir sind „Kinder Gottes“ in Ewigkeit. Durch den Tod und Auferstehung Christi haben wir den Geist empfangen, der uns lebendig macht. Wir müssen nur immer wieder zu Gott rufen und dürfen ihn dabei ihn „lieber Vater“ nennen.
Amen.

Bei der Vorbereitung habe ich mich von Anselm Grün inspirieren lassen und ihn teilweise sogar zitiert. Er hat eine wunderbare Predigtmeditation zu dem Text geschrieben, zu finden in: Meditative Zugänge zu Gottesdienst und Predigt, Predigtreihe II,2, Rogate bis Ewigkeitssonntag, Göttingen, 1992, S. 264ff

 

Ein Gedanke zu “Wir sind Kinder Gottes

  1. Liebe Gesa
    Deine heutige Predigt tut mir richtig wohl! Deine Bilder, die du verwendest geben den Text und seine Absicht deutlich wieder. Empathisch wird uns dadurch Gottes Versicherung klar, dass wir IMMER seine Kinder sind unabhängig, von allem. Momentan erhole ich mich von einer OP. Ich hoffe auf mehr Leistungsfähigkeit. Eine weitere OP wird folgen. Waehrend ich in der Reha übe wieder selbststaendiger zu werden, ebenfalls zu akzeptieren, dass Fähigkeiten nie wieder kommen, trägt mich genau das Wissen um die Gotteskindschaft! In einer leistungsbetonten Gesellschaft sozialisiert, sollten wir heutige Menschen dieses Wissen in uns täglich zum Klingen bringen. Kinder, Alte, Geistig Eingeschränkte, Kranke, Sterbende u.a. Menschen, die aus dem Normrahmen fallen lehren uns dankbar kleine entspannte Pausen zu machen, um das Wichtigste zu spüren. Es macht Freu (n)de es zu teilen!! DANKE fuer deine Erinnerung daran!
    Liebe Grüße
    Brigitte

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