Predigt über Röm. 6, 3- 8: Taufe und neues Leben
6. Sonntag nach Trinitatis, 3.7.2016, 9.30 und 11 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel
Der sechste Sonntag nach Trinitatis ist dem Taufgedächtnis gewidmet.
Römer 6, 3- 8
3 Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?
4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.
5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleich geworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.
6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, sodass wir hinfort der Sünde nicht dienen.
7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir,
dass wir auch mit ihm leben werden.
Liebe Gemeinde.
Der Sommer ist da, und damit ist auch die Freibadesaison eröffnet. Viele Menschen gehen jetzt gerne irgendwo ins Wasser, in der Förde, einem See, einem Fluss oder einem Freibad. Denn das macht den meisten Spaß und es kühlt schön, wenn es zu heiß wird. Das Wasser ist sowieso ein beliebtes Element, um sich darin zu bewegen. Nicht umsonst gibt es für kältere Jahreszeiten Hallenbäder.
Doch es ist auch gefährlich, ins Wasser zu gehen. Wer nicht schwimmen kann, muss aufpassen. Badeunfälle enden meistens tragisch, denn wir Menschen sind keine Wasserlebewesen. Wir brauchen die Luft, um zu atmen. Im Wasser können wir untergehen und ertrinken.
Das ist allerdings die einzige negative Seite des Wassers. Es hat ansonsten noch weitere Vorzüge, wie z.B. seine reinigende Eigenschaft. Man kann sich damit waschen und sauber werden.
Und das wichtigste am Wasser ist, dass wir es alle zum Leben brauchen. Wir trinken es und würden ohne Wasser verdursten. Der Regen befruchtet die Erde und verhilft allen Pflanzen und Tieren zu Wachstum und Gedeihen.
Das Wasser hat deshalb auch eine vielschichtige Symbolkraft, und bei der Taufe spielt das alles eine Rolle.
Da ist es zum Einen das Zeichen des Todes und der Rettung. Wir stellen uns bei der Taufe vor, dass unsere Sünden ersäuft werden. Das Böse geht unter. Davon handelt unsre Epistel von heute. Paulus sagt dort am Anfang: „Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“
Dabei spielt auch die reinigende Kraft des Wassers eine Rolle: Unsere Sünden werden symbolisch abgewaschen und vergeben. Die Taufe ist wie ein „Bad“, in dem wir erneuert und frei werden.
Und schließlich ist das Wasser auch bei der Taufe das Zeichen des Lebens. Wir werden dabei mit Christus verbunden, und bekommen neue Lebenskraft. Er löscht unsren Durst nach der Ewigkeit, denn uns wird bei der Taufe das ewige Leben geschenkt.
An dem Symbol des Wassers wird also deutlich, dass die Taufe eine tiefe und ernste Bedeutung hat. Sie wird vollzogen, weil wir ohne sie der Sünde verfallen sind, und wir thematisieren dabei den Tod und das ewige Leben.
Nun werden bei uns ja hauptsächlich kleine Kinder getauft, und dabei ist uns das alles nie richtig bewusst. Wir wollen es eigentlich auch nicht so gerne hören. Es klingt zu düster und passt nicht zu dem fröhlichen Charakter einer Kindertaufe. Wir gestalten das Fest gerne heiter und hell, mit Farben und Licht. Denn eine Kindertaufe ist ein freudiges Ereignis. Wir feiern damit das neue Leben und die Schöpfung, wir denken an den Schutz und die Liebe Gottes. So hat es sich im Laufe der Zeit entwickelt.
In den Anfängen der Christenheit war das anders, denn entstanden ist die Kindertaufe, weil die Menschen der alten Kirche an die sogenannte „Erbsünde“ und die Hölle glaubten. Auf der 4. Synode von Karthago im Jahr 418 wurde die Taufe von Kindern christlichen Eltern bald nach der Geburt empfohlen, „um sie der Gefahr der Verdammnis zu entreißen, die ihnen droht, falls sie ungetauft sterben.“ (wikipedia-Kindertaufe) Auch Säuglinge sind bereits mit der Sünde infiziert, das war die Vorstellung. Sie haben sie von ihren Eltern geerbt. Es war deshalb ratsam, sie gleich nach der Geburt der Macht der Sünde zu entreißen, und das geschah durch die Taufe. Sie wurde als ein Heilswerk gesehen, das vollzogen werden musste, damit das Kind an der göttlichen Sphäre Anteil bekam. Luther sah das auch so. Er war ebenfalls für die Kindertaufe und schloss sich der Praxis, die seit dem 5. Jahrhundert üblich war, an. Deshalb ist es in unserer Kirche bis heute so geblieben.
Es gibt allerdings auch Gegner der Kindertaufe. Viele sagen, dass ein Säugling doch gar nicht sündigen kann. Er macht noch keine Fehler, oder zumindest kann er nichts dafür. Außerdem wird die Babytaufe in der Bibel nicht ausdrücklich erwähnt. Im Neuen Testament fehlt insgesamt eine ausgeführte Lehre von der Taufe. Deshalb wird auch nirgendwo die Frage erörtert, ob Kinder getauft werden sollen oder nicht. Berichte über den Vollzug der Kindertaufe liegen also nicht vor.
Deshalb gibt es viele Kirchengemeinschaften, die sie nicht anerkennen. Sie sagen: Die Bekehrung zu Jesus Christus und der Glaube an ihn müssen vorweg gehen. Erst wenn ein Mensch merkt, dass er das Heil braucht, wenn er gesündigt hat und darunter leidet, wenn er gerettet werden möchte und sich deshalb an Jesus Christus wendet, ist die Taufe sinnvoll. Sie ist dann ein Ausdruck dafür, dass ein Mensch sich für Jesus Christus entschieden hat. Sie ist ein öffentliches Bekenntnis und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen. Das ist die Praxis der sogenannten Gläubigentaufe, die erst im religionsmündigen Alter erfolgt, also nach dem 14. Lebensjahr.
Aber ist das eigentlich wirklich ein Gegensatz? Lohnt sich der Streit darüber? Jörg Zink, ein Theologe und Schriftsteller, der viele Fragen unseres Glaubens sehr schön und verständlich ausdrücken kann, hat dazu einmal folgendes gesagt: „Wir taufen Kinder, das ist gut. Denn Gottes Liebe zu uns hängt nicht von unserer Einsicht, unserer Mühe und unserem Glauben ab.
Wir taufen Erwachsene, das ist gut. Denn ohne unseren Willen, unseren Entschluss, unsere Hingabe, unsere Liebe und Dankbarkeit kann sich nicht erfüllen, was Gott mit uns vorhat.“
Die Taufe ist also beides: Sie gewährt uns die Gnade und sie ruft uns gleichzeitig in eine bewusste Glaubenspraxis. Eine Kindertaufe befreit uns nicht davon, uns auch zu Jesus Christus zu bekehren, mit ihm zu leben und sich von dem Heil, das er uns schenkt, prägen zu lassen. Luther hat das im Kleinen Katechismus so ausgedrückt: „Das Taufen mit Wasser bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.“ Es ist deshalb gut, dass wir immer wieder an unsre Taufe denken und uns klar machen, was sie für unsere Lebensführung bedeutet.
Und dafür ist das Symbol des Wassers sehr gut geeignet. Lassen Sie uns dieses Bild deshalb einmal betrachten. Dabei müssen wir uns klar machen, dass früher ganz anders getauft wurde. Da besprengte man den Kopf des Täuflings nicht nur mit ein paar Wassertropfen, er wurde vielmehr ganz untergetaucht. Viele Freikirchen machen das auch heute noch so. Denn das Untertauchen macht sehr schön deutlich, was bei der Taufe passiert, und was dann das Leben eines Christen prägen soll.
Das Baden und Tauchen ist ja – wie gesagt – nicht ganz ungefährlich, weil wir unter Wasser nicht atmen, oder genauer gesagt, nur ausatmen können, so wie beim Schwimmen. Da tauchen wir bei jedem Zug unter und atmen dabei aus. Ich mach das jedenfalls so, und dabei stelle ich mir manchmal vor, dass ich gleichzeitig alles, was mich belastet, ausatme. Ich lasse es im Wasser untergehen. Das ist so ein bisschen wie eine Meditation beim Schwimmen, die aber sehr gut wirkt. Ich ersäufe das Alte, das ich nicht mehr haben will, und atme bei jedem Auftauchen neues Leben ein. Ich bin dann hinterher nicht nur körperlich gestärkt, sondern fühle mich auch seelisch gereinigt.
Das können wir uns vorstellen, dann wird klar, was die Taufe bedeutet und nach sich zieht: Sie ist ein geistig-seelischer Vorgang, bei dem der Glaube an Gott lebendig und wirksam wird. Und der soll sich immer wieder in unserem Leben ereignen. Das bewusste Ein- und Ausatmen – auch im Trockenen – hilft dabei: Wir können daraus eine ganz konkrete Glaubensübung machen: Wir geben beim Ausatmen etwas Altes ab und lassen beim Einatmen die Kraft Gottes neu in uns hinein. Es ist wie ein Untertauchen, bei dem die Macht der Sünde untergeht, und das wirkt tatsächlich befreiend und belebend.
Wir können uns das noch deutlicher machen, wenn wir dabei an konkrete Dinge denken, an alle negativen Kräfte, die unser Leben bedrohen und überschatten In der Bibel werden sie „Sünde“ genannt. Dieses Wort hören wir heutzutage nicht mehr so gerne, denn wir denken dabei an Fehltritte und bekommen ein schlechtes Gewissen. Aber das ist lange nicht alles, was damit angesprochen wird. „Sünde“ sind vielmehr die zerstörerischen Mächte, die überall am Werk sind. Angst und Misstrauen gehören dazu, Hass und Feindschaft, Neid und Zorn. Davon sind übrigens auch Kinder nicht frei. Im Gegenteil, wenn wir sie nicht davon abhalten, leben sie die negativen Triebe manchmal viel erbitterter aus, als wir. Sie sind keine Engel, sondern können genauso brutal sein, wie Erwachsene. Denn die Sünde schlummert von Anfang an in unsrem Herzen und unserem Denken. Wenn wir sie zulassen, kann sie ihr zerstörerisches Werk beginnen. Sorgen und Wut, Trauer und Missgunst und andere negative Kräfte nagen an uns, vergiften unsere Seele und zerfressen unsren Geist. Wenn wir ein schönes und helles Leben führen wollen, müssen wir diesen Kräften also etwas entgegensetzen. Wir müssen üble Gedanken und Gefühle immer wieder „ersäufen“. Und das geht tatsächlich gut mit dem Ausatmen: Wir können uns vorstellen, dass nicht nur die alte Luft aus uns herausströmt, sondern auch unser Neid und unsere Angst, unsere Versäumnisse und Fehler. Das fällt dann tatsächlich alles von uns ab und geht unter. Wir „sterben und werden neu geboren“.
Denn wir tun es „mit Christus“, so wie Paulus es im Römerbrief sagt. Es heißt dort zum Schluss: „Denn wer [so] gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ Wir tun es im Vertrauen auf Gott. Wir denken an seine schöpferische Kraft, an die Auferstehung seines Sohnes Jesus Christus und lassen die an uns wirken. Gott ist voller Liebe und Erbarmen gegenüber uns. Er will uns befreien und neu schaffen, immer wieder. Wir können uns vorstellen, dass wir die göttliche Liebe einatmen. Dann erleben wir ihre Kraft auch.
Es gibt im Gesangbuch ein Lied, in dem die Liebe mit einem Meer verglichen wird. Der Text ist von Gerhard Tersteegen, einem Mystiker aus dem 18. Jahrhundert, von dem wir viele Lieder haben. Von ihm stammen die Zeilen: „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart; ich geb mich hin dem freien Triebe, wodurch auch ich geliebet ward; ich will, anstatt an mich zu denken, ins Meer der Liebe mich versenken.“ (Ev. Gesangbuch, Ausgabe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, Nr. 615,1) Das ist eine schönes und anschauliches Bild: Durch den Glauben versinken wir in einem „Meer der Liebe“. Wir verlieren alles Schwere, werden getragen und gehen ganz in der Liebe Gottes auf.
Etwas später kommt das Bild vom Wasser in diesem Lied noch einmal vor. In Strophe vier heißt es: „Ehr sei dem hohen Jesusnamen, in dem der Liebe Quell entspringt, von dem hier alle Bächlein kamen, aus dem der Sel‘gen Schar dort trinkt.“ Das Trinken des Wassers wird ebenfalls auf den Glauben übertragen, und mit diesem zweiten Bild wird deutlich, dass Jesus Christus durch den Glauben außerdem in uns einzieht und uns neue Kraft schenkt.
Die Taufe und das Symbol des Wassers sind also sehr schön geeignet, das Leben mit Jesus Christus zu veranschaulichen. Unser ganzes Dasein wird dadurch kraftvoll und leicht. Wir werden frei und unbeschwert. Denn wir sind nicht mehr von den dunklen Mächten bestimmt, sondern die Liebe und das Erbarmen Gottes umgeben und erfüllen uns.
Deshalb ist es durchaus sinnvoll, eine Taufe so zu feiern, wie wir es bei Kindern tun. Sie muss nicht ernst und düster sein, denn sie ist ein Fest des Lebens und der Liebe, über das wir uns von Herzen freuen dürfen.
Amen.
Liebe Gesa,
einen Punkt bei Deiner Predigt habe ich vermisst, die Nottaufe.
Es gibt eine große Angst bei Eltern ein Kind früh zu verlieren und es dann ungetauft beerdigen zu müssen. Als mein Sohn 1985 geboren wurde haben 3 Freundinnen meiner Frau ihre Kinder durch den plötzlichen Kindstod verloren. Deshalb haben wir uns damals entschieden meinen Sohn so früh wie möglich zu taufen. Da diese Angst wie ein Damoklesschwert über uns schwebte haben wir es bei unseren weiteren Kindern ( 2 Töchter ) genauso gemacht.
Liebe Grüße
Manfred
Lieber Manfred.
Vielen Dank für den Hinweis. Die „Nottaufe“ kam indirekt in meiner Predigt vor, denn genau sie war in Karthago 418 im Grunde genommen gemeint. Der Hintergrund ist jedenfalls bestimmt die Kindersterblichkeit, die früher ja noch viel höher war.