Predigt über 2. Mose 16, 2- 3. 11- 18:
Speisung mit Wachteln und Manna
7. Sonntag nach Trinitatis, 9.30 und 11.00 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel
2.Mose 16,2-3.11-18
2 Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. 3 Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.
11 Und der HERR sprach zu Mose: 12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin. 13 Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. 14 Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. 15 Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat. 16 Das ist’s aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. 17 Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. 18 Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.
Liebe Gemeinde.
Sie haben sicher alle eine Tiefkühltruhe oder zumindest ein Tiefkühlfach in Ihrem Haushalt. Das ist ja sehr praktisch, denn wir können darin problemlos Lebensmittel über einen längeren Zeitraum aufbewahren, ohne dass sie verderben. Indem wir sie einfrieren, machen wir sie haltbar
Dafür gibt es auch noch andere Methoden. Das Einmachen ist ja gerade wieder modern geworden. Ich kenne es noch aus meiner Kindheit. Die Gläser mit Früchten und Gemüse aus dem Garten standen dann im Kellerregal, und wir konnten sie im Winter verbrauchen. Konservendosen funktionieren ähnlich: Durch Erhitzen und luftdichten Verschluss wird der Verfall der Nahrungsmittel gestoppt.
Zucker, Essig, Alkohol oder irgendwelche anderen chemischen Substanzen bewirken dasselbe, wie bei Marmelade, Heringen, Milch usw. Auch das Trocknen von Früchten ist eine altbewährte Methode.
Seit jeher tun Menschen das: Sie machen Lebensmittel haltbar und legen einen Vorrat an. Es ist dann immer etwas im Haus, für alle Fälle, und das beruhigt. Man weiß ja nie, was passiert.
So ist es kein Wunder, dass auch die Israeliten das versuchten, als sie von Gott in der Wüste mit Manna versorgt wurden.
Es war nicht lange nach dem Auszug aus Ägypten und der glücklichen Rettung vor ihren Verfolgern, da „murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron.“ Sie erinnerten sich an die „Fleischtöpfe“ und das „Brot “, das sie dort in Hülle und Fülle gehabt hatten. In Wirklichkeit war es in Ägypten sicher nicht so rosig gewesen, aber im Nachhinein und angesichts der Nahrungsknappheit in der Wüste stellte es sich für sie so dar. Denn sie waren hungrig und hatten Angst, dass sie sterben würden.
Doch das war natürlich unberechtigt, das wollte Gott auf keinen Fall. Er hörte ihr Murren und antwortete auf ihre Klage. In wunderbarer Weise sorgte er dafür, dass sie „gegen Abend Fleisch zu essen hatten und am Morgen von Brot satt wurden.“ Er schickte am Ende des Tages Wachteln herauf und am Morgen „lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde.“ Die Israeliten wussten nicht, was es war, denn das hatten sie noch nie gesehen. „Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat.“ Davon sollte jeder so viel sammeln, wie er für seine Familie brauchte. Das taten die Israeliten, und wie durch ein Wunder bekam jeder genau die richtige Menge: Wer viel gesammelt hatte, behielt nichts übrig, und wer wenig gesammelt hatte, verfügte trotzdem über genug. Es war also nicht nötig, sich irgendwelche Sorgen zu machen und etwas davon bis zum nächsten Morgen aufzubewahren. Das erklärte Mose ihnen auch. Aber wie der Mensch so ist: „Sie gehorchten ihm nicht, und etliche ließen davon übrig bis zum nächsten Morgen.“ Doch was geschah? „Es wurde voller Würmer und stinkend.“ Mose hatte das vorher gewusst, deshalb wurde er zornig: Das „Manna“, wie sie es nannten, ließ sich nicht aufbewahren, man konnte es nicht haltbar machen. „Wenn die Sonne heiß schien, zerschmolz es.“
So mussten die Israeliten darauf vertrauen, dass Gott es ihnen jeden Morgen neu geben würde, und das war auch der Sinn der Sache, das sollten sie lernen: „Sie sollten innewerden, dass er, der HERR, ihr Gott war.“
Natürlich haben Wissenschaftler sich gefragt, was die Israeliten denn da nun jeden Morgen fanden, und es lässt sich in der Tat mit einem Phänomen auf der Sinaihalbinsel erklären. Das sogenannte Manna entsteht durch das Zusammenwirken eines Insektes und eines Baumes: Wenn die Schildlaus in das Blatt einer bestimmten Tamariskenart sticht, die in der Wüste wächst, dann entsteht ein Sekret, das von den Blättern auf den Boden fällt. Es hat die Form eines Tropfens und ist weiß. In der Nacht wird es hart, so dass man es am Morgen auflesen kann. Tagsüber schmilzt es dann wieder. Aber es ist essbar, hat einen süßlichen Geschmack und wird noch heute von den Leuten in der Wüste an Ort und Stelle gern gegessen.
Für die Israeliten war es neu, und das ist für die Erzählung auch entscheidend, denn es geht hier nicht in erster Linie um die Lebensmittel, die es in der Wüste gibt. Das Manna wird vielmehr bewusst als Gottesgabe ausgewiesen, und die Botschaft lautet: Gott ist treu, er hält seine Zusagen und sorgt für die Menschen. Er gibt immer das für den augenblicklichen Bedarf Erforderliche, das „tägliche Brot“, nicht mehr und nicht weniger. Denn er ist groß und wunderbar. Die erste Pflicht der Israeliten ist deshalb unbedingtes Gottvertrauen.
Und das wird auch uns mit dieser Geschichte ans Herz gelegt. Auch wir sollen etwas über die Größe und Kraft Gottes erfahren, über seine Liebe und Fürsorge. Er hat uns das Leben geschenkt, er steht uns bei und führt uns durch alle Krisen und Engpässe. Wir müssen deshalb keine Angst haben, dass wir zu kurz kommen oder verhungern. Wir können jeden Tag mit seiner Liebe rechnen und uns mit dem Nötigsten beschenken lassen.
Es geht also darum, dass wir gegenwärtig leben und Maß halten. Neid oder Gier sind nicht nur unnötig, sondern auch schädlich. Sie führen zu nichts. Denn das Leben lässt sich nicht festhalten. Es gehört uns noch nicht einmal. Alles was wir sind und haben, ist eine Gabe Gottes.
Und es ist genug für alle da. Niemand muss hungern, niemand kommt zu kurz oder wird vernachlässigt. Gott hat die Erde so eingerichtet, dass jeder satt werden kann.
Das ist hier Botschaft, und die ist eigentlich ganz wunderbar. Aber entspricht sie auch der Realität? Ist das nicht nur ein schöner Traum? In Wirklichkeit ist doch alles ganz anders: Die Güter der Erde sind ungerecht verteilt. In unseren Ländern haben wir zwar mehr als genug, aber wo anders hungern die Menschen. Es wird beileibe nicht jeder auf dieser Welt satt. Es herrscht an vielen Orten Ausbeutung und Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Armut und Hunger.
Viele Menschen glauben deshalb nicht an Gott. Im Gegenteil, sie werfen ihm sogar vor, dass er sich nicht genug kümmert, dass er nicht eingreift und für mehr Gleichheit sorgt.
Aber liegt es wirklich an ihm? Ist der Hunger nicht zum allergrößten Teil menschengemacht? Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir sehr wohl, dass überall dort, wo Hunger herrscht, Gier und Macht die Ursache sind, Rücksichtslosigkeit und Egoismus von Regierenden, Profitstreben einiger riesiger Konzerne, Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit Einzelner, die Einfluss haben, Bosheit und Neid.
Und das sind nicht die Fehler Gottes, sondern die Grundübel der Menschheit. Die Israeliten waren davon auch nicht frei, deshalb bekommen sie hier eine Lektion: Sie sollten Angst und Gier ablegen und stattdessen auf Gott vertrauen. Mit dem Manna in der Wüste gab Gott ihnen die Möglichkeit, ein ganz neues Lebensgefühl einzuüben, und das können auch wir uns aneignen.
Dafür ist es gut, wenn wir in unser eigenes Leben schauen. Wir sind ja keineswegs frei von den Lastern, die ich aufgezählt habe. Wir sorgen uns schon um unser tägliches Leben und setzen uns gerne durch. Und dabei nehmen wir nicht immer Rücksicht auf die anderen.
Das ist einerseits zu entschuldigen, denn dahinter steht ein ganz natürlicher Trieb, nämlich die Angst ums Überleben. Sie ist uns in die Wiege gelegt, und sie ist auch nicht nur schlecht. Sie sorgt immerhin dafür, dass wir uns anstrengen und kämpfen, dass wir unser Leben in die Hand nehmen und bestehen.
Doch andererseits übertreiben wir das leider oft. Der Überlebenswille verselbständigt sich gerne und wird leicht zur Gier. Wir häufen mehr an, als wir brauchen, nehmen die Dinge in die Hand und versuchen, das Schicksal zu lenken.
Und dadurch entstehen die Probleme. Es kommt automatisch zu Ungerechtigkeiten, weil der Stärkere gewinnt. Wir werden neidisch auf diejenigen, die mehr haben, und verschließen uns gegenüber den Mitmenschen. Außerdem entsteht Stress. Das Leben wird anstrengend und ermüdend. Wir reiben uns auf und verbrauchen unsere Kraft.
Es täte uns allen deshalb gut, wenn wir uns ein anderes Bewusstsein angewöhnen, eine andere Grundeinstellung, und genau da will die Geschichte uns hinführen. Sie will uns die Angst nehmen, dass wir eventuell nicht genug bekommen. Auch wir sollen auf Gott vertrauen. Unsere erste Sorge sollte nicht dem Überlebenskampf gewidmet sein, sondern der Gewissheit, dass Gott da ist. Damit gilt es, den Tag zu beginnen. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass diese Welt nicht uns gehört. Gott hat sie uns zur Verfügung gestellt, und nur er kann uns die Sicherheit geben, die wir suchen.
Es ist natürlich nicht ganz einfach, das wirklich zu verinnerlichen, denn die Lebensangst steckt tief in jedem von uns. Es ist ein langer Prozess, sie abzulegen, mit dem wir auch nie ganz fertig werden. Aber es lohnt sich, damit zu beginnen, und wir müssen diesen Weg auch nicht alleine gehen.
Jesus hat uns das Gottvertrauen vorgelebt. Er führte ein ungesichertes Dasein und vertraute jeden Tag darauf, dass er und seine Jünger das Nötige zum Leben bekamen. Er lehrte sie deshalb zu beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Und in der Bergpredigt spricht er an einer Stelle über genau dieses Thema. Er sagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“ Er wollte seine Jünger zu einem sorgenfreien Leben einladen und hinführen. Und mit seiner Hilfe kann das auch uns gelingen. Wenn wir uns sein Leben vor Augen halten, werden wir davon angesteckt. Er hilft uns, unser Bewusstsein zu verändern.
Dazu gehört es, dass wir immer wieder unsere Hände und Herzen öffnen, und sie von ihm füllen lassen. Wir üben uns in eine empfangende Haltung ein. Anstatt Dinge an uns zu raffen und sie festzuhalten, sind wir dankbar für das, was uns geschenkt wird. Anstatt sorgenvoll an das Morgen zu denken, konzentrieren wir uns auf das Jetzt. Und das tun wir, so oft wie möglich, als regelmäßige Übung am Anfang des Tages und immer, wenn es sich anbietet.
Leider ist die Sitte des Tischgebetes so gut wie verloren gegangen. Dabei ist auch das ein gutes Mittel, um immer wieder daran zu denken, von wem wir alles haben. Wenn wir am Tisch vor den gedeckten Speisen sitzen, greifen wir nicht einfach zu, sondern besinnen uns auf den Geber und bedanken uns zunächst bei ihm. „Alle guten Gaben und alles, was wir haben, kommt o Gott von dir, wir danken dir dafür.“ Das Gebet kennen wir alle, und es ist gar nicht schlecht, es zumindest in Gedanken immer wieder zu beten.
Dann verändert sich etwas. Wir werden freier von Ängsten und Zwängen, zufriedener und gelassener. Und wir können viel besser teilen. Es ist nicht nötig, dass wir neidisch sind und anderen etwas wegnehmen. Wir können loslassen und darauf achten, dass alle genug abbekommen.
Und damit beginnt der Weg zu mehr Gerechtigkeit und Frieden. Auf jeden Fall liegt darauf eine Verheißung, es führt in die Zukunft und in die Weite. Die Vision von einer besseren Welt entsteht vor unserem inneren Auge und wir gehen in diese Richtung.
Wir haben uns kürzlich in einem Zusammensein darüber unterhalten, dass es auch gehörig schief gehen kann, wenn wir Lebensmittel haltbar machen wollen. Eine Gesprächsteilnehmerin erzählte z.B., wie ihr einmal eine ganze Palette mit Gläsern, in die sie Apfelmus gefüllt hatte, verschimmelt war. Irgendetwas hatte sie wohl nicht beachtet. Und wenn der Strom ausfällt, kann alles, was in der Tiefkühltruhe gelagert ist, ganz schnell unbrauchbar werden. Das sind zwar harmlose Beispiele, aber sie zeigen an, dass angelegte Vorräte uns keine letzte Sicherheit verschaffen können.
Und was wir so im Kleinen und Alltäglichen erfahren, gilt auch für das Große und Ganze: Ob und wie es mit die Welt und unserem Leben weiter geht, können wir nicht selber steuern, es liegt in Gottes Hand. Doch gerade deshalb ist es entscheidend, dass wir auf ihn vertrauen und ihn zum Zuge kommen lassen. Dann kann er wenigstens dort, wo wir sind, dafür sorgen, dass die Welt besser wird. Sein Reich wird sichtbar und erlebbar, seine Liebe kann wirken, und Menschen können erfahren, dass für alle genug zum Leben da ist.
Amen.