Der Tod ist nicht das Ende

Predigt über 1. Korinther 15, 19- 28:
Christus ist auferstanden

Ostersonntag, 20.4.2014, 9.30 und 11.00 Uhr
Luther- und Jakobikirche Kiel

Liebe Gemeinde.
Jeder rennt um sein Leben, wenn er gejagt wird. Die Todesangst treibt uns an und lässt uns fliehen. Sie ist also ein wichtiger Lebenserhaltungstrieb, vielleicht sogar der stärkste. Man kann deshalb auch gut mit dem Tod drohen, wenn man jemanden unterwerfen will. Denn normalerweise will keiner sterben. Der Tod wird vielmehr als die schlimmste Katastrophe empfunden, die es geben kann, als Gipfel des Unglücks.
Leider kommt er trotzdem irgendwann zu jedem von uns, da hilft keine Angst und keine Flucht, der Tod ist unausweichlich. Er ist also ein großes Problem für uns und somit auch die Wurzel aller Philosophien und Religionen. Die großen Menschheitsfragen haben hier ihren Ursprung: Welchen Sinn hat das Leben, wenn es doch vergeht? Was ist das Ziel und was kommt nach dem Tod?
Auch das Christentum will darauf eine Antwort geben. Es bietet sogar eine Lösung für die Todesfrage an. Das ist der Glaube an die Auferstehung Jesu Christi und die Verheißung, dass jeder, der ihm vertraut, ebenfalls auferstehen wird. Im Neuen Testament ist diese Botschaft das zentrale Thema. Paulus findet sogar, dass alles andre unnütz wäre, wenn wir das nicht glauben würden.
Er formuliert das in seinem großen Kapitel über die Auferstehung im ersten Brief an die Korinther. Es ist das Kapitel 15. Ab Vers 19 sagt er dort:

1. Korinther 15, 19- 28
19 Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. 20 Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. 25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm »alle Feinde unter seine Füße legt« (Psalm 110,1). 26 Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. 27 Denn »alles hat er unter seine Füße getan« (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. 28 Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.
Lassen Sie uns diesen Textabschnitt zunächst verstehen, denn er klingt beim ersten Hören wahrscheinlich etwas fremd und unübersichtlich. Und das ist auch kein Wunder, denn Paulus schildert hier eine Zukunftsvision, die von dem Ablauf der Endgeschichte handelt, von der Vollendung der Welt. Sie hat bereits begonnen, sagt er hier, und zwar mit der Auferstehung Jesu Christi. Davon handelt das ganze Kapitel 15.
Paulus hat es geschrieben, weil es in Korinth Leugner der Auferstehung gab. Sie vertraten die Ansicht, dass Christus zwar auferstanden ist, aber danach kam für sie nichts Großartiges mehr. Sie hielten sich schon für erlöst, auch ohne Christus, denn sie meinten, dass sie im Geist bereits die entscheidende Verwandlung zu göttlichen Menschen erfahren hatten. Sie versetzten sich durch bestimmte religiöse Praktiken in eine andere Sphäre und fühlten sich verklärt und vollkommen.
Mit solchen Menschen hatte Paulus es also zu tun, und er hält ihnen entgegen, dass sie ohne Christus gar nichts sind. Sie leben in einer Selbsttäuschung. Ihre religiösen Gefühle haben keinerlei reale Grundlage.
Denn die ist nur durch die Auferstehung Christi gegeben. Darauf basiert alles Weitere, sie ist der Anfang einer neuen Wirklichkeit, der Beginn einer großartigen Zeitenwende. „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“ Das sind seine Worte, und dabei liegt die Betonung auf Erstling. Mit Christus hat etwas begonnen, und auch nur mit ihm.
Er stellt es in den Gegensatz zu Adam und vergleicht Christus mit ihm. Denn das war nach der biblischen Überlieferung auch ein Erstling, eben der erste Mensch. Durch ihn waren der Tod und die Sünde gekommen. Aber nun ist etwas Neues geschehen, denn „durch einen Menschen kam die Auferstehung der Toten“…und … „so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.“ Christus und Adam sind Universalpersönlichkeiten. Sie schließen jeweils eine Gesamtheit von Menschen mit ein, deren Geschick durch sie beherrscht wird. Adam verkörpert den Tod, Christus dagegen das ewige Leben.
Mit ihm ist das Endgeschehen eingeleitet, und es geht in drei Abschnitten vor sich: Zuerst wird Christus auferweckt. Danach werden die gerettet, die Christus angehören. Und dann kommt das Ende der Welt. Paulus meint damit die völlige Aufhebung der alten Welt mit ihren dämonischen Gewalten.
Die Auferstehung ist demnach ein gewaltiges Geschehen, das immer mächtiger anschwillt. Schließlich endet es in dem Siegeszug Christi, der alle Feinde Gottes niederwirft, alle Reiche der Welt für ihn erobert und als Triumphator zu Gott zurückkehrt. Dabei übergibt er alles dem Vater und schließt seinen Auftrag ab. Das Endgeschehen strebt rastlos seinem letzten Ziel zu: „Damit Gott sei alles in allem.“
Das ist die Vision des Paulus, und damit gibt er eine gewaltige Antwort auf die Frage des Todes: Er ist Teil der alten Welt, in der wir zwar leben, die aber längst von einer neuen Wirklichkeit abgelöst wurde. Der Tod hat seine Macht verloren, er hat nicht mehr das letzte Wort, sondern das hat Christus, der alle Menschen in die neue Welt führen wird.
Das ist hier die Botschaft, und die klingt ja ganz gut. Aber was hat das mit uns zu tun? Können wir damit etwas anfangen? Solche Aussagen sind uns ja etwas fremd, denn das Ende der Welt gehört nicht zu unsrem Denken, und mit dem Tod gehen wir auch anders um, als Paulus es hier vorschlägt. Wir verdrängen ihn am liebsten. So lange es gut geht, leben wir so, als gäbe es ihn nicht. Wir konzentrieren uns auf das Diesseits, leben für unsere Aufgaben und Familien, für Beruf und Wohlstand. Wir haben innerweltliche Ziele, und lange Zeit reicht das auch.
Schwierig wird es erst, wenn der Tod plötzlich näher rückt und sich nicht mehr einfach verdrängen lässt. Es passiert, wenn ein geliebter Mensch stirbt, oder wenn der Tod nach uns selber greift. Im Alter geschieht das oder bei einer schweren Krankheit. Dann bekommen wir Angst, wir werden unsicher und wissen nicht weiter. Ein großes Unglück bricht über uns herein. Der Tod verbreitet Schrecken und stürzt uns in eine Krise. Und dann sind wir in der Tat „die elendesten unter allen Menschen.“
Es reicht also nicht, wenn wir nur „in diesem Leben auf Christus hoffen.“ Wir brauchen noch mehr, und davon redet Paulus hier. „Jesus lebt“, das ist die Antwort des Evangeliums, das er verkündet. Er lädt uns zum Glauben an die Auferstehung ein, und das heißt, zum Glauben an eine Macht, die stärker ist als der Tod und größer als diese Welt.
Und natürlich ist das ein Glaube. Mit diesseitigen Methoden, innerweltlichem Denken oder der menschlichen Vernunft können wir die Botschaft von der Auferstehung nicht erfassen. Geist und Seele müssen andere Wege gehen, wenn wir die Macht Christi erleben wollen. Und die bieten sich gerade dann an, wenn wir in einer Krise sind und nicht weiter wissen. Dann können wir drei Schritte tun, mit denen wir die Auferstehung und damit neues Leben empfangen können.
Der erste Schritt besteht darin, dass wir loslassen und in das Sterben einwilligen. Wir müssen die Dunkelheit zunächst annehmen, ja dazu sagen und uns nicht mehr dagegen auflehnen. Es gilt, geduldig zu sein und arm im Geist zu werden. Dazu gehört es, dass wir der Angst oder der Trauer nicht mehr so viel Bedeutung geben, sie nicht beachten und uns davon nicht aus der Fassung bringen lassen.
Das ist natürlich nicht ganz einfach, und es geht auch nicht aus eigenem Antrieb. Wir brauchen vielmehr etwas, worauf wir stattdessen unseren inneren Blick und die Kräfte unserer Seele lenken können. Und das kann der auferstandene Herr sein. Wir stellen uns im nächsten Schritt also vor, dass Jesus lebt, malen uns aus, dass er über die Mächte der Finsternis triumphiert. Wir können das, was Paulus schildert, zwar nicht mit der Vernunft nachvollziehen, aber wir können es auf uns wirken lassen und uns diesen Bildern anvertrauen. Dann entfalten sie ganz von selber ihre Kraft. Wir spüren die Macht Christi, wenn wir uns dafür öffnen. Er bahnt sich seinen Weg in unserer Seele.
Und das ist das Dritte: Langsam aber sicher werden wir von etwas Neuem durchdrungen, werden in die Macht und Wirklichkeit der Auferstehung hineingezogen. Und das verändert uns. Die Dunkelheit weicht, und die Angst verschwindet.
Es gibt dazu eine schöne Geschichte von Basilius dem Großen. Im 4. Jahrhundert war er Bischof von Cäsarea in Kappadozien. Walter Nigg, ein neuzeitlicher Schriftsteller, der sein Schaffen den großen religiösen Persönlichkeiten gewidmet hat, beschreibt ihn in seinem Buch über das „Geheimnis der Mönche“. Er schildert gleich zu Anfang folgende Begebenheit:
„Mit eindrucksvoller Gebärde machte Basilius seine Glaubensüberzeugung geltend. Er scheute sich nicht, in seinem Kampf gegen den Arianismus auch dem Kaiser Valens entgegenzutreten. Als der byzantinische Herrscher durch Modestus ihm Gütereinziehung, Verbannung, Marter und Tod androhte, ließ sich Basilius nicht einschüchtern und gab dem kaiserlichen Präfekten die mutige Antwort: ,Sonst nichts? Von all diesem trifft mich nicht eines. Wer nichts besitzt, dessen Güter können nicht eingezogen werden; du erhieltest nur meine zerlumpten und abgetragenen Kleider und meine wenigen Bücher, worin mein ganzer Reichtum besteht. Verbannung kenne ich nicht, denn ich bin überall auf Gottes weiter Erde zu Hause. Marter kann mir nichts antun, da mein Leib ohnehin hinfällig ist. Der Tod aber ist mir willkommen, denn er bringt mich schneller zu Gott. Auch bin ich größtenteils schon gestorben und eile seit langem zum Grabe.‘ Die christliche Unerschrockenheit, mit der Basilius keinen Schritt zurückwich, machte auf Modestus sichtbaren Eindruck, der betroffen vor sich hinmurmelte: ,Noch niemand hat es gewagt, mit mir in solchem Freimut zu sprechen.‘ Auf diese Bemerkung schloss Basilius die Auseinandersetzung mit den Worten ab: ,Dann hast du wohl noch nie einen Bischof gesehen!'“ (Walter Nigg, Vom Geheimnis der Mönche, Zürich und Stuttgart 1953, S.87f)
So gehörte es sich also seiner Meinung nach, wenn man es mit dem Glauben an Christus ernst nahm: Der Christ muss sich vor nichts fürchten, weil er die Güter der Welt losgelassen hat und von etwas anderem durchdrungen ist. Er ist erfüllt von Christus, von der Ewigkeit und der Auferstehung, und das gibt seinem Leben eine neue, kraftvolle Qualität. Das hat Basilius verkörpert, und er war nicht der Einzige. Es gibt viele Menschen, die bereit waren, ihr Leben für Christus zu lassen. Unzählige Märtyrer sind denselben Weg gegangen.
Sollen die nun unser Vorbild sein? Damit sind viele von Ihnen wahrscheinlich nicht ganz einverstanden, denn das hat ja etwas sehr Radikales und auch Unheimliches an sich. Hat das nicht auch etwas mit Selbstmord zu tun? Das fragen wir uns. Wer freiwillig in den Tod geht, ist vermutlich lebensmüde, dieser Gedanke drängt sich sofort auf. Noch schauriger sind die Selbstmordattentäter. Die sprengen sich freiwillig in die Luft, um vor allen Dingen andere umzubringen. Auch bei ihnen ist die Angst außer Kraft gesetzt. Und sie sind so mutig und unerschrocken, weil sie ebenfalls an das Paradies glauben. Es kann also gefährlich sein, in diese Richtung zu denken.
Doch selbst wenn es äußerlich eine Ähnlichkeit zwischen Selbstmördern und Märtyrern gibt, der innere Unterschied ist gewaltig. Denn Selbstmörder werden von negativen Kräften gesteuert, Verzweiflung oder Wahnsinn, Hass und Fanatismus. Düstere Mächte haben ihr Bewusstsein ergriffen und sie in Besitz genommen.
Wer dagegen unerschrocken dem Tod ins Auge sieht, weil er an Christus glaubt, der ist von Licht durchdrungen. So war es bei Basilius. Freude und Leichtigkeit regierten in seiner Seele. Natürlich wollte er das Leben, er warf es nicht einfach so weg. Aber er war befreit von der Angst, dass es ihm genommen werden konnte. Er ging seinen Weg erfüllt mit Hoffnung und Zuversicht und mit der Gewissheit, dass es noch mehr gibt, als diese Welt.
Und wer so glaubt, lebt wirklich, denn das Leben bekommt dadurch Sinn und Ziel. Die Frage nach dem Tod findet eine Antwort, weil das Diesseits nicht mehr alles ist, was wir kennen und worin wir aufgehen. Es ist vielmehr eingebettet in die ewige Macht und Gegenwart Christi.
Und diese Erfahrung ist ebenfalls ein Lebenserhaltungstrieb, der sogar noch stärker sein kann als die Todesangst, denn er macht uns frei. Das Dasein wird dadurch reich und schön. Lassen Sie uns deshalb darauf vertrauen, dass Jesus lebt.
Amen.

 

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