Predigt über Lukas 8, 4- 15: Vom vierfachen Ackerfeld
12.2.2023, 2. Sonntag vor der Fastenzeit, Sexagesimae
Gethsemanekloster Riechenberg
Lukas 8, 4- 15
4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis:
5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf.
6 Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
7 Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s.
8 Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
9 Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute.
10 Er aber sprach: Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.
11 Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes.
12 Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.
13 Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.
14 Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht.
15 Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.
„Herr, öffne mir die Herzenstür,
zieh mein Herz durch dein Wort zu dir,
lass mich dein Wort bewahren rein,
lass mich dein Kind und Erbe sein.“ (EG 197,1)
So dichtete der Dozent und spätere Superintendent in Halle Johann Olearius 1671. Er hat zahlreiche Gesänge für den Gottesdienst geschrieben. Auch diese Bitte um die richtige innere Einstellung beim Hören des Wortes Gottes gehört dazu. Wir können sie leicht nachsprechen oder singen, denn durch die Reime prägen sie sich gut ein. Und es ist ein schönes Bild, das er hier beschreibt: Er stellt sich vor, dass unser Herz eine Tür hat, durch die Jesus mit seinem Wort einziehen kann. Und er weiß: Nur wenn das geschieht, wird es wirksam und fällt auf „fruchtbaren Boden“.
Das ist ein Bild aus dem Gleichnis Jesu, das wir eben gehört haben, mit dem Jesus dasselbe zum Ausdruck bringt. Es ist eine Geschichte aus dem Alltag der Bauern. Der Sachverhalt war aber allgemein bekannt: Wenn ein Sämann damals ausging, um seinen Samen zu säen, gab es viel Misserfolg. Ein Teil der Saat landete z.B. auf dem Weg. Damit ist der Trampelpfad gemeint, der quer durch das Feld und auch am Rand verlief, damit überhaupt gesät werden konnte. Was auf diesen Pfad fiel – und das ließ sich nicht vermeiden – , wurde nach dem Aufkeimen gleich zertreten oder von den Vögeln aufgepickt. Es war für die Ernte verloren.
Genauso verhielt es sich mit der Saat, die auf Felsboden fiel, der nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt war. Diesem Boden fehlte die Feuchtigkeit, die das Gekeimte zum Reifen bringt. Beim Aussäen wurden auch diese Flächen mit bedacht, doch es wurde kein reifes Korn daraus.
Und der dritte Fall des Misserfolges beschreibt den mit Dornen zusammen aufgehenden Samen, der erstickt wird. Mit den Dornen ist mehrjähriges, unterirdisch ausdauerndes, stacheliges Unkraut gemeint, das dem Getreide seinen Lebensraum nimmt.
Nur der Same, der in feuchten und freien Mutterboden fällt, bringt endlich Frucht. Das wird ganz knapp berichtet, aber die Freude über die gelungene Aussaat wird doch festgehalten und mit der großen Zahl der Körner bei der Ernte beschrieben. Ein Same trug „hundertfältige Frucht“, das ist etwa das Maximum dessen, was ein Weizenkorn hervorbringen kann.
Das ist das Gleichnis, und dem folgt noch eine Deutung: Der Same und das Wort Gottes werden gleichgesetzt. Mit den Samenkörnern verhält es sich wie mit der Anrede Gottes an den Menschen, die ganz unterschiedlich damit umgehen. Selbst wenn sie es hören, heißt das noch lange nicht, dass sie auch daran glauben und dadurch gerettet werden. Es kann sein, dass der Teufel es wieder aus ihren Herzen reißt. Andere nehmen das Wort zwar an, aber die Wirkung ist zeitlich begrenzt. Die Begeisterung hält nicht lange, weil anderes interessanter und vielversprechender zu sein scheint. Die Dritten sind diejenigen, die das Wort ebenfalls annehmen, aber dann wird die Botschaft von Sorgen, Reichtum und Lüsten der Welt erstickt. Nur einige hören das Wort Gottes so, dass sie es auch in ihrem Herzen bewahren, es reifen und gedeihen lassen, so dass es dann im Laufe der Zeit zur Frucht kommt.
Und natürlich möchte Jesus, dass seine Hörer zu den Letzten gehören. Er fordert dazu auf, dass wir uns für das Wort Gottes öffnen, damit leben und es in uns wirken lassen. Wir müssen darauf achten, dass wir uns das Wort nicht rauben lassen, nicht bei der Anfangsbegeisterung stehen bleiben und uns von den irdischen Schwierigkeiten oder Freuden nicht ablenken lassen.
Denn das Wort Gottes ist nicht einfach nur eine gesprochene Rede oder eine geschriebene Abhandlung. Oft gehen wir damit ja so um: Wir hören oder lesen es, aber dann denken wir darüber nach, ordnen es ein, analysieren es. Vielleicht vergessen wir es auch schnell wieder, es geht in den vielen anderen Dingen, die wir aufnehmen, unter.
Das liegt natürlich auch daran, dass es oft nicht ganz einfach ist, das Wort Gottes zu verstehen. Es steht in der Bibel, und die ist für uns in weiten Teilen fremdartig, widersprüchlich und manchmal auch ärgerlich. Bei vielen Stellen wissen wir gar nicht, was wir damit anfangen sollen, oder lehnen sie von vorne herein ab. Das hat auch Martin Luther erlebt.
Aber er hat sich davon nicht beirren lassen. Er sagte dazu einmal: „Ich lese die Bibel, wie ich meinen Apfelbaum ernte: Ich schüttle ihn, und was runterkommt und reif ist, das nehme ich. Das andere lasse ich noch hängen.“ Und an einer anderen Stelle hat er bemerkt: „Ist ein dunkler Spruch in der Schrift, so zweifelt nur nicht, es ist gewisslich dieselbe Wahrheit dahinter, die an anderer Stelle hell und klar zu verstehen ist.“ Er hat sich also nicht darauf versteift, dass einiges schwer zu verstehen war, und es deshalb abgelehnt, sondern er hat abgewartet, bis es sich ihm erschloss. Er war davon überzeugt, dass das Wort Gottes in Wirklichkeit ganz nah war und ihm jederzeit begegnen konnte. Er hat sicher auch die Erfahrung gemacht, dass Gott nicht nur durch die Heilige Schrift zu ihm sprach. Er tat es in vielfältiger Weise.
Und das können auch wir erleben. Die Predigt ist z.B. dafür da, Gottes Wort verständlich zu machen. Es kann aber auch bei der Lektüre eines anderen geistlichen Textes zu uns kommen, in Gesprächen oder Erlebnissen, im Gottesdienst und in der Andacht, in der Stille und beim Gebet. Es ist überall lebendig, und deshalb ist es wichtig, dass wir unseres „Herzens Tür öffnen“. Wir müssen innerlich hören, und damit rechnen, dass etwas in uns verändert wird, und zwar zum Guten.
Das Wort Gottes möchte immer heilsam wirken. Jesus Christus kommt darin zu uns, mit seiner Gnade und seinem Erbarmen. Er sucht uns und will uns retten. Er liebt uns und schenkt uns sich selber. Wir sind nicht mehr allein, wenn sein Wort uns erreicht, wir werden getröstet und gestärkt, aufgefangen und ermutigt. Jesus „zieht unser Herz durch sein Wort zu sich selber“ und macht uns zu seinen „Kindern und Erben“.
Es ist deshalb gut, wenn wir nicht nur hinhören, sondern gleichzeitig wachsam und aufmerksam sind. Auch das Gehorchen gehört dazu, die Bereitschaft, uns in Bewegung zu setzen und uns heilen zu lassen.
Wenn das geschieht, fällt Gottes Wort auf fruchtbaren Boden und kann in der Tiefe unserer Seele wirken. Wir können mit Johann Olearius bekennen:
„Dein Wort bewegt des Herzens Grund,
dein Wort macht Leib und Seel gesund,
dein Wort ist’s, das mein Herz erfreut,
dein Wort gibt Trost und Seligkeit.“ (EG 197,2)
Amen.