Predigt über 1. Kor. 1, 26- 31: Die Weisheit der Welt ist Torheit vor Gott
1. Sonntag nach Epiphanias, 7.1.2018, 11 Uhr, Jakobikirche Kiel
1. Korinther 1, 26- 31
26 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen.
27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist;
28 und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist,
29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme.
30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung,
31 damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22-23): »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!«
Liebe Gemeinde.
In der Werbung tauchen zum allergrößten Teil nur schöne Menschen auf: Sie sind jung und schlank, haben strahlend weiße Zähne und volle Haare, sind erfolgreich und attraktiv. Wir sehen sie im Fernsehen und im Internet, oder in gedruckter Form auf Plakaten und Prospekten. Und dafür wird meistens Hochglanzpapier verwendet, denn das macht mehr her als gewöhnliches Papier.
Dabei werben diese Menschen meistens gar nicht für Schönheit, sondern für irgendein Produkt, das wir kaufen sollen: Autos, Reisen, Versicherungen, Getränke usw. Sie vermitteln uns, dass das Leben so gut wird, wie sie es ausstrahlen, wenn wir das alles kaufen und besitzen.
Und damit stellt die Werbung Werte in die Welt, nach denen wir bewusst oder unbewusst streben. Irgendwie denken wir, dass wir tatsächlich so sein müssen, damit das Leben gelingt. Wir wollen deshalb am liebsten klug und schön sein, einen guten Schulabschluss erreichen, im Beruf Erfolg haben und möglichst viel Geld verdienen.
Was nun die Kirche betrifft, so meinen viele Mitarbeiter und Funktionsträgerinnen, dass auch wir am besten mit solchen Bildern und auf Hochglanzpapier auf uns aufmerksam machen sollten. Wir müssen mithalten und uns einladend präsentieren, sonst kommt bald niemand mehr. Wir dürfen nicht zu altmodisch oder unscheinbar wirken. Dieses Bild haben ja leider viele Menschen von der Kirche, und dem gilt es entgegenzuwirken. So sieht man nicht selten auch in Gemeindebriefen und auf Internetseiten der Kirche dieselben schönen Bilder, strahlendes Lächeln, bunte und farbenfrohe Dinge.
Ich finde das auch nicht unbedingt schlecht. Wir machen das in unseren Gemienden ja ebenfalls. Aber ist das eigentlich biblisch? Und entsprechen diese Bilder der Realität? Ist Kirche so, und ist es das, was wir durch den Glauben gewinnen?
In dem Abschnitt aus dem Korintherbrief, den wir vorhin gehört haben, verneint Paulus das ganz eindeutig, und darüber müssen wir nachdenken. Er sagt: „Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, […] und was schwach ist vor der Welt, […] und das Geringe vor der Welt und das Verachtete, […] das, was nichts ist, […]“ Für Paulus setzt sich die Kirche nicht aus Menschen zusammen, die klug und schön sind oder bewundert werden. Im Gegenteil, Gott will all das gerade entkräften und abschaffen.
Paulus sagt: „[…] damit er die Weisen zuschanden mache; […und] was stark ist; […] damit sich kein Mensch vor Gott rühme, […] damit er zunichte mache, was etwas ist.“ So gehen die Sätze jeweils weiter. Was wir für gut halten, wird von Gott also herab gewürdigt und beschämt.
Denn es gibt nur einen, der stark und vollkommen ist, und das ist Jesus Christus. Er wurde für uns „von Gott gemacht […] zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.“ Wenn wir glauben, sind wir „in“ ihm, „damit [gilt:] »Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!«“
Das schreibt Paulus den Korinthern, und damit bezieht er Front gegenüber Werten, die auch damals schon die Gesellschaft bestimmten, und mit denen sich seine Gemeindeglieder auseinandersetzten.
Denn zu der jungen christlichen Gemeinde gehörten hauptsächlich Menschen aus den ärmeren, unteren Schichten, auch Sklaven waren dabei. Sie hatten viele Fragen, die sich aus der Konfrontation mit ihrer Umwelt ergaben. Die bestand aus zwei großen geistig-religiösen Welten, die damals die Menschheit prägten: die Juden und die Griechen.
Die Juden glaubten an die Macht und Größe Gottes. Sie stellten sich ihn kraftvoll und gewaltig vor, stark und gerecht. Sie unterwarfen sich ihm und lebten nach seinem Willen. Die Griechen setzten alles auf die Weisheit. Sie schulten ihre Urteilskraft und ihre Einsicht, suchten Erkenntnis und Klugheit. Sie wollten die Welt verstehen und die Wahrheit erfahren. Damit antworteten beide Gruppierungen auf die großen Fragen der Menschheit. Sie boten einen Ausweg aus Leiden und Sterben an und hofften auf ein Ende von Not und Tod. Sie glaubten daran, dass der Mensch schön und gut werden kann, gerecht und wohlhabend, und hatten dafür die entsprechenden Programme.
Die Christen konnten da nicht mithalten. Sie hatten vergleichsweise wenig, denn sie verließen sich hauptsächlich auf das Kreuz Jesu. Sie glaubten an die heilende Kraft des Sterbens und Auferstehens Jesu, und das war etwas ganz anderes. Für die Juden und Griechen war es sogar ein Ärgernis. Beide Gruppen konnten mit dem Kreuz nichts anfangen, denn es stand im krassen Gegensatz zu dem, woran sie glaubten und worauf sie setzten. Es glänzte nicht und war in ihren Augen ein Symbol des Scheiterns. Deshalb war die Botschaft vom Kreuz für sie eine große Torheit. Sie hielten die Christen für dumm und einfältig.
Das ist wie gesagt der Hintergrund dessen, was Paulus hier schreibt, und es ist immer noch wichtig. Wer an Jesus Christus glaubt, verzichtet darauf, aus eigener Kraft zu glänzen oder groß herauszukommen. Er benutzt in erster Linie nicht seinen Verstand, sondern verlässt sich ganz auf Christus, in dem alle „Weisheit“ liegt, der die „Gerechtigkeit“ bringt, uns zur „Heiligung“ führt und uns „erlöst“. Er ist das Licht und die Kraft, von der wir leben. Nur durch ihn wird das Leben gut.
Das ist die Botschaft, und es ist gut, wenn wir uns die zu Herzen nehmen. Auch wir sind eingeladen, uns an Christus zu wenden, wenn wir Erlösung suchen. Wir können das wahre Glück, unsere Rettung und Gerechtigkeit nicht selber herstellen, weder mit Gehorsam noch mit Klugheit, weder mit Geld noch mit Schönheit.
Und das ist immer noch eine Provokation. Es entspricht unserem Denken genauso wenig wie dem der Juden oder Griechen. Wer bei uns schwach und klein ist, krank oder arm, fühlt sich automatisch schlecht und minderwertig. Denn er wird schnell an den Rand gedrängt, ist überflüssig und ungebeten. Geringschätzung oder sogar Anfeindung sind an der Tagesordnung, Gleichgültigkeit und Abneigung.
Aber Gott will uns genau dann, wenn es uns so geht. Dann beachtet er uns mehr, als zu jeder anderen Zeit. Denn er fragt gar nicht nach unserer Stärke oder Klugheit, sondern gerade nach unserer Schwäche, nach unseren Fehlern und Niederlagen. Dann kann er nämlich an uns handeln. Dann können seine Gnade und Liebe in unserem Leben groß werden. Wir müssen ihm nur vertrauen und an die erlösende Kraft des Kreuzes Christi glauben.
Die Frage ist allerdings, ob wir das überhaupt wollen. Die Aussagen von Paulus provozieren auch uns. Selbst viele Christen halten das für lebensfeindlich. Wenn wir nur von der Gnade Gottes leben, sind wir ja abhängig und klein. Das ist ihr Argument. Wir sind Gott ausgeliefert und werden unselbständig. Und das Kreuz ist in der Tat kein besonders ästhetisches Symbol. Da hängt ein sterbender und gequälter Mensch. Schön ist das nicht. Es wirkt abstoßend und kein bisschen einladend. Die weltliche Lebensweise scheint in vieler Hinsicht überlegener und gesünder zu sein. So denken auch in der Kirche nicht wenige. Es gibt deshalb wie gesagt Überlegungen, uns ein andres Image zu geben. Sollten wir nicht mehr auf die schönen Seiten des Glaubens hinweisen, der Kirche ein bisschen Glanz verleihen und mehr strahlen? Das fragen sich viele, und diese Fragen sind auch berechtigt. Lassen Sie uns deshalb darüber nachdenken.
Dabei sollten wir allerdings so ehrlich wie möglich sein und genau hingucken. Das meiste von dem, was in der Werbung vorkommt, ist nämlich pures Blendwerk. Uns werden dort Illusionen vermittelt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Die ist ganz anders.
Hinter all diesen Bildern steht ja das Bewusstsein, leistungsstark zu sein, und das hat viele Schattenseiten. Es setzt uns unter Druck und kann uns krank machen. Nicht umsonst gibt es in unseren modernen Gesellschaften unzählige Menschen, die an psychischen Störungen leiden: Burnout, Depressionen, Angstzustände, die Liste ist lang. In Wirklichkeit ist das Erfolgsdenken lebensfeindlich, denn die Ziele, die wir meinen erreichen zu müssen, sind meistens weit entfernt. Das Scheitern ist eine ständige Gefahr, und Leid und Not werden dadurch nicht abgeschafft. Sie werden nur ausgeblendet oder verdrängt. Für die Niederlage oder den Verfall hat die Werbung keine Lösungen, und das Sterben kommt erst recht nicht darin vor. Das Bild, das dort vom Leben vermittelt wird, ist also sehr unzureichend.
Es schließt auch von vorne herein einen großen Teil der Menschen aus, denn viele kommen darin nicht vor, die Armen und Hungernden, die Unterdrückten und Kranken, Obdachlose, Asylbewerber, alle, die nur geringe bis gar keine Chancen in unserer Gesellschaft haben. Ihnen wird nichts geboten, sie fallen unten durch und bleiben am Boden.
Das müssen wir ehrlicher Weise erkennen: Was wir für schön und erstrebenswert halten, geht an der Realität vorbei. Unser Bewusstsein ist in weiten Strecken von Träumen und Täuschungen bestimmt, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Das müssen wir als erstes zugeben.
Dann klingen die Aussagen von Paulus schon ganz anders. Wir merken: sie sind nicht gegen das Leben gerichtet, sondern wenden sich der ganzen Realität zu. Wir müssen nicht alles allein hinkriegen, wir dürfen auch mal krank werden, es ist nicht schlimm, wenn wir scheitern oder arm sind, „töricht, schwach, gering und verachtet“. Im Gegenteil, genau diese Menschen hat „Gott erwählt“. Denn sie haben in Christus einen, der sie liebt und sich ihnen zuwendet. Er ist bei ihnen und richtet sie auf. Durch Jesus ist ein noch viel helleres Licht in diese Welt gekommen, als durch unsere künstlichen Lichter. Er strahlt in jedes Dunkel hinein und verleiht unserem Leben einen ganz besonderen Glanz.
Es wäre deshalb gut, wenn wir uns anderen Werten zuwenden. Nicht Klugheit oder Schönheit sollten zählen, sondern Bescheidenheit und Demut. Denn nur auf diesem Weg finden wir, was Gott uns durch Jesus Christus geschenkt hat, wenn wir unser natürliches Wollen und Streben immer wieder hinterfragen und von Ideen und Plänen Abschied nehmen. Jesus Christus ist selber diesen Weg gegangen, in aller Konsequenz. Bis in den Tod hat er sich selber losgelassen und sich Gott anvertraut. Und am Ende wurde ihm genau dadurch neues Leben geschenkt. Er ist von den Toten auferstanden und lebt heute noch. Deshalb kann er uns das, was Paulus hier aufzählt, schenken:
Er kann unseren Geist erleuchten, d.h. uns Klarheit und die richtige Erkenntnis geben. Durch ihn wissen wir, was gut und was schlecht für uns ist.
Außerdem kann er uns rechtfertigen, d.h. vor Gott gerecht machen. Gott nimmt uns durch ihn an und vergibt uns immer wieder.
Er kann uns heiligen, d.h. unseren Lebenswandel fördern, uns ruhig uns ausgeglichen machen. Er lässt unser Leben gelingen.
Und als letztes werden wir durch ihn erlöst: Wir werden gestärkt und befreit und gewinnen das ewige Heil.
Deshalb gilt: Wenn wir uns „rühmen wollen, dann sollen wir uns seiner rühmen“. Das ist das wichtigste für die Kirche.
Natürlich ist es nicht schlecht, wenn sie sich in den weltlichen Medien vernünftig präsentiert, aber das ist nicht das entscheidende. Sie braucht vor allen Dingen Menschen, durch die der Glanz Christi hindurch strahlt. Sie sind auf eine ganz besondere Art und Weise schön und attraktiv. Denn sie sind erfüllt von Liebe und Hoffnung. Sie wissen um das ewige Licht. Und diese Schönheit, dieses Wissen ist größer als alle menschliche Weisheit oder Macht.
Amen.