„Ihr seid das Licht der Welt“

Predigt über Matthäus 5, 13- 16: Salz und Licht
8. Sonntag nach Trinitatis, 9. und 10. 8. 2025, 18 und 11 Uhr

Luther- und Jakobikirche Kiel

Matthäus 5, 13- 16

13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.
15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind.
16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Gemeinde.

Wenn wir in einen dunklen Raum kommen, suchen wir als erstes den Lichtschalter. Wir wollen es hell haben und sehen, was um uns ist. Wenn sich kein Licht anschalten lässt, benutzen wir eine Taschenlampe oder eine Kerze, denn die Helligkeit brauchen wir. Sie vertreibt die Dunkelheit und damit das Bedrohliche und Unheimliche. Sie nimmt uns die Unsicherheit und die Angst.

Deshalb gilt das Licht als Symbol für das Gute und Hilfreiche, das Heil und die Freude. In dieser Bedeutung kommt es an unzähligen Stellen in der Bibel vor. Auch Jesus benutzt das Licht als ein Bild, mit dem er seinen Jüngern sagt, wie sie leben sollen. Wir haben seine Worte vorhin gehört. „Ihr seid das Licht der Welt“, sagt er ihnen.

Der Abschnitt gehört zur Einleitung der Bergpredigt, die wir im Matthäusevangelium in den Kapiteln fünf bis sieben finden. Diese Rede Jesu enthält die wichtigsten Teile seiner Lehre, an die seine Jünger sich halten sollen. Er beschreibt damit, wie er sich die christliche Gemeinde vorstellt, besonders in einer ihr feindlich gesonnenen Welt.

Jesus will deutlich machen, dass mit ihm etwas grundlegend Neues in die Welt gekommen ist. Durch sein Erscheinen ist das „Reich Gottes“ angebrochen, das „Himmelreich“, wie er es auch oft nennt. Es ist ein außerweltliches Reich, das den Weltreichen gegenübersteht. In der christlichen Gemeinde ist es schon gegenwärtig. Die Kirche ist sein Abbild, d.h. sie repräsentiert die Königsherrschaft Christi. Das kann sie allerdings nur, wenn sie seine Lehre beachtet. Durch sie gewinnt die Kirche ihr Profil und ihre Gestalt. Deshalb legt er sie seinen Jüngern dar.

In den Versen, die wir gelesen haben, beschreibt er seine Botschaft mit zwei Gleichnissen aus der damaligen Alltagswelt. Er bezeichnet diejenigen, die auf ihn hören, als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“. Das Salz würzt und konserviert Speisen, das Licht vertreibt die Dunkelheit.

Für das zweite Bild vom Licht führt Jesus wiederum zwei Beispiele an, die verdeutlichen, was er damit sagen will. Zunächst erwähnt er die „Stadt auf dem Berg“. Das war eigentlich Jerusalem. Es wurde von den Juden gern als „Licht der Welt“ bezeichnet. Alle Völker ziehen deshalb dahin, das war ihre Überzeugung. In Zukunft wird aber – so die Botschaft Jesu – die christliche Gemeinde diese Anziehungskraft haben. Sie strahlt die Herrlichkeit des Herrn aus. Das ist das eine Bild.

Mit dem anderen Beispiel werden wir in ein palästinensisches Bauernhaus zurzeit Jesu geführt. Es wurde in der Dunkelheit von einer tönernen Öllampe erhellt, die man auf einen eisernen Halter mit hohem Fuß, den Leuchter stellte. So strahlte das Licht der Lampe besonders hell. Alle im Haus Befindlichen hatten dadurch vom Licht etwas. Es wäre völlig unsinnig gewesen, hätte man die Lampe statt auf einen Leuchter unter einen Kübel gestellt. Dann hätte niemand etwas davon gehabt, nach einer Zeit wäre das Licht sogar ausgegangen.

Jesus sagt damit, dass das Licht selbstverständlich in der Öffentlichkeit leuchtet. Und genauso sollen es auch seine Jünger tun. „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Das ist sein Schlusssatz, mit dem er die Bilder deutet. Das Licht, das die Jünger sein und verbreiten sollen, sind die guten Werke, die sie vor den Menschen tun, um sie zum Lobpreis des himmlischen Vaters anzuregen. Und das heißt, der Anschluss an Jesus, Nachfolge und Annahme des Evangeliums vom Reich Gottes wirken sich in der Glaubenspraxis aus. Es ist nicht gleichgültig, wie die Christen leben, was sie tun und sind. Und zwar nicht nur, weil ihr eigenes Seelenheil davon betroffen ist, sondern auch, weil es eine Bedeutung für die Welt hat.

Lasst uns über diesen Zusammenhang also nachdenken und fragen, wie wir unser Leben gestalten müssen, damit wir „Licht der Welt“ sind.

Nötig ist es ja, dass in dieser Welt Lichter leuchten, nicht nur im materiellen oder technischen Sinn. Es herrscht – sinnbildlich gesprochen – gerade viel Dunkelheit, durch die Kriege, von denen wir täglich hören, die Umweltprobleme, die politischen Kräfteverhältnisse und vieles mehr. Wir fühlen uns bedroht und suchen einen Lichtschalter, um die Dunkelheit zu beenden. Es ist schwer, ihn zu finden, und manchmal verzagen wir auch.

Doch es gibt ihn, und Jesus sagt uns, wo er ist: nämlich in jedem und jeder Einzelnen von uns. Wir müssen das Licht in uns selber suchen, nicht außerhalb von uns, nicht bei anderen, bei den Politikerinnen oder Regierenden, Wissenschaftlern, Ärztinnen oder Lehrern, nicht in der Welt, sondern in unserem Geist und in unserer Seele. „Wir sind das Licht der Welt.“

Doch was bedeutet das nun? Es klingt ja etwas hochmütig, so etwas zu behaupten. Und steckt darin nicht ein sehr hoher Anspruch? Wie sollen wir das denn sein? Von „guten Werken“ war die Rede, und die sehen wir kritisch. Wir wollen keine Forderungen und keine Moral, sondern Erlösung und Rettung. Das sind unsere Gedanken.

Doch so dürfen wir die Worte Jesu nicht hören. Jesus will uns nicht unter Druck setzen, und er formuliert auch keine Gesetze. Er benennt vielmehr die Möglichkeiten, die wir haben, und das sind ganz viele. Wir müssen nur einmal in uns hineinschauen und uns mit uns selber beschäftigen., mit unserem Empfinden und Denken, mit unseren Gefühlen und unserem Bewusstsein.

Wir vermeiden das gern, weil wir dabei nicht nur Schönes zu sehen bekommen. Im Gegenteil, wir wissen, wo unsere Schwächen sind, dass wir unvollkommen sind und Fehler haben. Meistens äußert sich das im Umgang mit anderen Menschen. Da herrschen oft Egoismus und Gleichgültigkeit. Wir sehen lieber weg, wenn es irgendwo Probleme gibt, bleiben gefühlskalt und wenden uns ab. Auch Ärger und Ungeduld können uns ergreifen, wenn andere nicht unseren Vorstellungen entsprechen. So entstehen Streit, und manchmal auch Hass und Krieg. Wir sind keine Heiligen und auch keine Heldinnen, sondern werden oft von negativen Kräften gesteuert. Verschlossenheit, Unruhe und Hektik, Angst oder Verzweiflung gehören ebenfalls dazu

Das alles gilt es wahrzunehmen, ohne uns dafür zu schämen oder zu verurteilen. Wir machen uns einfach nur bewusst, wer wir sind und was alles zu uns gehört. Und das tut gut, denn wir lösen uns dabei ein Stück von uns selber und kommen uns gleichzeitig nahe. Wir spüren uns und lernen uns kennen. Das wäre der erste Schritt.

Als nächstes ist es gut, wenn wir uns so, wie wir sind, dem Licht Gottes aussetzen und uns von ihm anstrahlen lassen. Es ist durch Jesus Christus erschienen, er ist das „Licht der Welt“ (Joh.8,12). Das wird überall bezeugt, in der Bibel und in der geistlichen Tradition. Es ist eine Botschaft und eine Erfahrung, die wir selber machen können. Wir müssen Jesus Christus nur darum bitten, in unserem Leben zu leuchten.

Der pietistische Pastor Georg Neuss hat diese Bitte in einem Lied so formuliert: „Lass deines guten Geistes Licht und dein hell glänzend Angesicht erleuchten mein Herz und Gemüt, o Brunnen unerschöpfter Güt.“ (EG 389,3) Damit greift er das Bild von dem Licht sehr schön auf: Unsere Seele und unsere Empfindung sind wie ein Raum, in dem es dunkel ist. Aber wir können Jesus bitten, einzutreten und diesen Raum hell zu machen, und zwar immer wieder.

Es sollte zu einer Gewohnheit werden, einem Ritual, mit dem wir uns darin üben, das Licht Christi anzuschalten. Am besten ist es, wenn wir uns dafür täglich Zeit nehmen. Dabei spielt es keine Rolle, welchen Zeitpunkt am Tag wir wählen und an welchem Ort wir uns gerade befinden, denn Jesus Christus ist immer und überall da. Seine „Güte“ kennt keine Grenzen, sie ist wie ein „Brunnen“, der nie versiegt. Und sie ist völlig unabhängig von der Situation, in der wir sind. Wir sollen also nicht selber leuchten, sondern uns in das Licht Christi hineinstellen und uns davon durchfluten lassen. Dann wird unser Leben ganz von selber hell.

Und wenn das geschieht, werden wir auch nach außen hin strahlen. Wir werden durchlässig für das Licht Christi, es scheint durch uns hindurch in diese Welt.

Konkret heißt das, dass wir ganz anders miteinander umgehen können. Wir bekommen „Himmelsgüter“, wie Georg Neuss sie in seinem Lied nennt. Er zählt „Weisheit, Stärke, Rat und Verstand“ auf, (EG 389,4) Aber es gehören auch Geduld und Barmherzigkeit dazu, Ruhe und Zuversicht, Liebe und Friedfertigkeit. Wir wenden uns einander zu, öffnen uns und können helfen, teilen und abgeben. Wir überschätzen uns nicht selber, sind ehrlich und verbreiten Hoffnung. Wir „tragen ein Licht in die Welt.“ (EG 539) Natürlich werden wir darin nie vollkommen sein. Wir sind noch auf dem Weg dorthin. Es ist wichtig, dass wir uns das sagen, damit wir uns nicht unter Druck setzen. Keiner von uns ist schon ganz und gar hell und rein. Aber das sollen wir auch nicht sein. Jesus entwirft hier keinen Zwang, sondern ein Idealbild, dem wir uns annähern können. Luther hat einmal gesagt: „Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.“ Auf diesen Weg können wir uns machen. Wir können immer wieder den Lichtschalter in uns betätigen, damit es in unserer Seele und in der Welt heller wird, indem wir Gott um sein Licht bitten.

Wir können das gut mit dem genannten Lied von Georg Neuss tun:

  1. Ein reines Herz, Herr, schaff in mir,
    schließ zu der Sünde Tor und Tür;
    vertreibe sie und lass nicht zu,
    dass sie in meinem Herzen ruh.
  2. Dir öffn ich, Jesu, meine Tür,
    ach komm und wohne du bei mir;
    treib all Unreinigkeit hinaus
    aus deinem Tempel, deinem Haus.
  3. Lass deines guten Geistes Licht
    und dein hell glänzend Angesicht
    erleuchten mein Herz und Gemüt,
    o Brunnen unerschöpfter Güt,
  4. und mache dann mein Herz zugleich
    an Himmelsgut und Segen reich;
    gib Weisheit, Stärke, Rat, Verstand
    aus deiner milden Gnadenhand.
  5. So will ich deines Namens Ruhm
    ausbreiten als dein Eigentum
    und dieses achten für Gewinn,
    wenn ich nur dir ergeben bin.

Heinrich Georg Neuss 1703


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