Predigt über Matthäus 4, 1- 11: Jesu Versuchung
zum 1. Sonntag der Passionszeit, Invokavit
13.3.2025, 10 Uhr, Altenzentrum St. Nicolai, Kiel
Matthäus 4, 1- 11
1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.
2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.
4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«
5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels
6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.«
7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«
8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit
9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«
11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.
Liebe Gemeinde.
Die Geschichte von der Versuchung Jesu besteht aus drei Teilen, denn dreimal trat der Versucher an Jesus heran. Das erste Mal forderte er ihn auf, Steine in Brot zu verwandeln, das zweite Mal sollte er von der Zinne des Tempels springen um Gott herauszufordern, und das dritte Mal bot der Teufel Jesus die Weltherrschaft an, wenn er ihn anbeten würde. Doch all diesen Versuchungen hat Jesus widerstanden. Er blieb innerlich stark und fest und hielt sich an den Willen Gottes. So hat er seine Entscheidung jedes Mal mit einem Bibelwort begründet.
Wenn er der ersten Versuchung nachgegeben hätte, hätte er allen Menschen Brot geben können und dadurch viele für sich gewonnen. Doch dann wären sie ihm auch nur der materiellen Vorteile wegen gefolgt, und das wollte er nicht.
Bei der zweiten Versuchung ging es um eine Sensation: Es wäre spektakulär gewesen, wenn die Engel herangeflogen wären, um Jesus bei seinem Sprung vom Tempel aufzufangen. Die Menschen hätten applaudiert und wären begeistert gewesen. Doch auch das wollte Jesus nicht, denn ein Glaube, der durch Sensationen entsteht, ist kein wirklicher Glaube.
Und am interessantesten ist die dritte Versuchung. Was hier geschieht, ist wie eine Zusammenfassung der ganzen Geschichte. Sie findet auf einem sehr hohen Berg statt. Welcher es gewesen sein kann, spielt dabei keine Rolle, es ist wahrscheinlich sowieso eine Phantasie, denn man hatte von dort eine grandiose Aussicht über das ganz umliegende Land, die es so von keinem Berg in Palästina gab. In der Offenbarung (21,10) und in anderen Zukunftsvisionen werden solche phantastischen Gebirge erwähnt, sie liegen am „Ende der großen Erde“, und ein Berg davon überragt alle anderen. Man kann von dort alle Länder der Erde an sich vorbeiziehen sehen. Der Teufel führt Jesus an so einen Ort und ermöglicht ihm damit einen Überblick über alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Er bietet ihm die universale Herrschaft an. Der Preis dafür ist allerdings sehr hoch: Er soll ihn, den Teufel anbeten, d.h. sich von Gott lossagen, vom Glauben abfallen und dem trügerischen Glanz des Teufels folgen.
Doch auch dieser letzten Versuchung widersteht Jesus, und dieses Mal zieht er einen Schlussstrich. Er hat endgültig genug von dem perfiden Spiel des Teufels und fährt ihn scharf an, indem er sagt: „Weiche, Satan!“ Und er führt die Stelle aus der Bibel an: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“ So steht es im fünften Buch Mose (6,13). Der Satz gehört zu so einer Art Kommentar zu den zehn Geboten und zum sogenannten „Schma“, dem „Höre Israel“, das lautet: „Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (5. Mose 6, 4f) Damit wird der alleinige Gehorsam und die ausschließliche Liebe gegenüber Gott gefordert. Und darum geht es letzten Endes in der ganzen Versuchungsgeschichte.
Weil Jesus das verstanden und beherzigt hat, kommt es schließlich zu einem guten Ausgang, der in zweifacher Weise dargestellt wird: Einmal lässt der Teufel von Jesus ab, das andere Mal treten dienende Engel an ihn heran. Sie sind von Gott gesandt und bringen zum Ausdruck, dass Jesus sich die ganze Zeit seiner Gegenwart gewiss war.
Alle drei Versuchungen sind dabei Beispiele für das, was jedem Menschen widerfahren kann. Ein Grundmuster ist zu erkennen: Es gibt eine Verlockung, die viel verspricht, die den Menschen, der sich eigentlich mit Gott verbunden weiß, aber von ihm abziehen will. Es kann der Materialismus sein, die Sensationslust oder der Machtmissbrauch.
Und gerade diese letzte Versuchung ist besonders gefährlich. Leider beobachten wir heutzutage in erschreckend vielen Ländern, wie Menschen ihr erliegen. Es scheint richtig Schule zu machen, die Herrschaft mit Gewalt an sich zu reißen, und wir sehen auch, dass der Teufel dahinterstecken muss: Immer geht es mit Unterdrückung, Ungerechtigkeit und oft sogar Blutvergießen einher. Krieg und Hass sind die Folgen, Vertreibung und Hunger. Und das macht uns Angst.
Nützt unser Glaube da etwas? Was haben wir denn davon, dass Jesus dem allen widerstanden hat? Eine bessere Welt hat er jedenfalls nicht heraufgeführt.
Trotzdem können wir aus dem, was uns in der Versuchungsgeschichte erzählt wird, Mut schöpfen. Sie steht am Anfang der Wirksamkeit Jesu, und deutet an, dass sein Weg ein ganz anderer war, als man sich das eventuell wünschte. Er führte ihn nicht unmittelbar in die Weltherrschaft, sondern durch das Leiden und Sterben. Es war der Auftrag Jesu, das auf sich zu nehmen, und er hat gehorcht. Er wusste auch, dass das sein Weg sein würde. Dreimal hat er es seinen Jüngern vorausgesagt. Natürlich wollten sie das nicht. In einem dieser Gespräche sagte Petrus voller Entsetzen: „Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!“ (Mt.16,22) Jesus erinnerte das an seine Begegnung mit dem Teufel, und er gebrauchte dieselben Worte, wie schon in unserer Geschichte, um ihn zu vertreiben. „Geh weg von mir, Satan!“ war sein Befehl. Er ärgerte sich über ihn, denn er „meinte nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist“. (V.23)
Der göttlich Plan war der, dass Jesus tief in das Leid und die Not der Menschen eintauchte. Er sollte nicht von oben die Herrschaft antreten, sondern von unten. Er musste selber sterben und „in das Reich des Todes hinabsteigen“, wie es im Glaubensbekenntnis formuliert ist. Doch da ist er nicht geblieben. Er hat die Hölle vielmehr durchschritten, und damit ihre Pforten geöffnet. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, das glauben wir. Deshalb ist er bei uns, wenn wir selber ganz unten sind. Gott hat ihn erwählt, um für uns zu streiten, wenn auch wir leiden. Wir müssen ihm nur nachfolgen, zu ihm rufen und seine Kraft wirken lassen. Dann ist die Macht des Todes und des Teufels gebannt. Nicht den selbstgemachten Herrschern gehört am Ende der Sieg, sondern denjenigen, die das Leiden auf sich nehmen, die anderen dienen und in der Liebe bleiben. Sie sind die wahren Überwinder, denn ihnen steht Jesus zur Seite. Mit ihm finden sie ewiges Leben.
Wenn wir zu ihnen gehören, erfahren wir dasselbe wie er, dass nämlich die „Engel“ uns umgeben und uns „dienen“. Das ist ein sehr schönes Bild. Die Engel sind so etwas wie eine Hülle göttlicher Kraft, eine wahrnehmbare Energie, und in die sollen auch wir hineingenommen werden. Je konsequenter unser Gehorsam ist und je deutlicher der Name Jesu in uns zum Klingen kommt, desto undeutlicher wird die Stimme des Teufels. Dann werden auch wir durchlässig für den Dienst der Engel an uns. Aus eigener Kraft kommen wir gegen das Böse nicht an, aber mit den Waffen des Glaubens kann es uns nichts anhaben.
Und das ist auch unsere Aufgabe, dass wir in dieser Weise Jesus nachfolgen und seine Gegenwart bezeugen. Das Reich Gottes hat begonnen, es ist unsichtbar gegenwärtig und wirkt immer dort, wo Menschen sich darauf einlassen. Es kann durch uns hindurchscheinen, dann ist es in dieser Welt erfahrbar, für uns selber und für andere. Es ist deshalb gut, wenn wir gegen den Augenschein an Jesus Christus festhalten und uns nicht beirren lassen. Amen.