Predigt über Josua 1, 1- 9: Vorbereitung für den Einzug in das gelobte Land
Donnerstag, 9.1. 2025, 10 Uhr, Altenzentrum St. Nicolai
Josua 1, 1- 9
1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener:
2 Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe.
3 Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe.
4 Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter, soll euer Gebiet sein.
5 Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen.
6 Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe.
7 Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst.
8 Und lass das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen und du wirst es recht ausrichten.
9 Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.
Liebe Gemeinde.
Wenn wir in diesen Tagen Menschen treffen, die wir länger nicht gesehen haben, wünschen wir uns ein gutes neues Jahr, denn es ist noch sehr jung, und wir schauen nach vorne. Das tun wir gerne, wenn ein vorgegebener Zeitraum vor uns liegt. Eigentlich ist das jeden Tag so, denn die nächste Zeit, die Zukunft ist immer da. Aber es gibt verabredete Daten, an denen wir uns das in besonderer Weise bewusst machen. Geburtstage und Jubiläen gehören z.B. dazu, und auch der Neujahrstag ist so ein Zeitpunkt.
In unserer kirchlichen Ordnung stand er lange unter einem Wort aus dem Kolosserbrief, das lautet: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, und danket Gott dem Vater durch ihn.“ (Kol. 3,17) Damit werden wir eingeladen, auf Jesus zu schauen und Gott alles anzuvertrauen, was geschehen wird. Die Zeit, die vor uns liegt, ist wie ein Weg, auf dem er bei uns ist und uns führt.
Und auch das ist immer so: Unser ganzes Leben ist ein Wandern und Pilgern, es verändert sich ständig. Aber es gibt jemanden, in dessen Hand wir geborgen sind, Jesus Christus, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Er lebt und bleibt für alle Zeit, bis in Ewigkeit, denn er ist Gottes Sohn und hat Anteil an seiner Macht und Herrlichkeit. Es ist sinnvoll und gut, wenn wir uns das am Jashresanfang bewusstmachen.
Dieser Glaube kommt auch schon im Alten Testament zum Ausdruck. Ein schönes Beispiel ist dafür die Geschichte von Josua, dem Nachfolger von Mose. Eine große Aufgabe lag vor ihm, doch die musste er nicht allein durchführen. Er wurde dafür von Gott beauftragt und zugerüstet. Das steht gleich am Anfang des Buches, das nach ihm benannt wurde: Er sollte das Volk Israel in das gelobte Land führen und dieses einnehmen. Er kannte es nicht, und natürlich gab es dort Feinde und Hindernisse. Wahrscheinlich hatte er Angst davor. Wie sollte er das schaffen? Das fragte er sich, und Gott wusste das. Er sprach ihm deshalb Mut zu und versicherte ihm seinen Beistand. „Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Das war sein Versprechen. D.h. Gott wollte immer bei ihm sein und ihm bei allem helfen, was er tun musste. Josua sollte sich deshalb an Gott halten, an seine Gebote und Gesetze, und ihm treu bleiben. „Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen und du wirst es recht ausrichten.“ Das ist die Verheißung.
Und die können wir direkt in unsre Zeit übertragen und gut auf uns beziehen: Gott verspricht auch uns, bei uns zu sein.
Doch wie können wir das erfahren? Wir haben oft das Gefühl, dass Gott uns allein lässt und gar nichts tut. Wir fühlen uns einsam und verloren. Lasst uns deshalb in drei Schritten darüber nachdenken, wie dieser Zuspruch gemeint ist.
Zunächst einmal müssen wir begreifen, dass Gottes Schutz nicht darin besteht, dass uns gar nichts Schweres oder Schlimmes mehr widerfährt. Denn unser ganzes Leben ist ein Weg, auf dem wir ständig weitergehen. Wir können nirgends bleiben, müssen Entscheidungen treffen und vieles loslassen: Menschen, die wir liebhaben, werden älter oder sterben. Aufgaben, die uns erfüllt haben, sind erledigt, Krankheiten oder Alterserscheinungen machen uns selber das Leben schwer. Da kann und wird auch Gott nichts dran ändern, sondern das mutet er uns zu. In dieses Leben hat er uns hineingestellt, in diese Zeit und damit in die Vergänglichkeit und den ständigen Wandel. Wir sind immer nur Pilger, Gäste und Fremdlinge, wie es in vielen Glaubensliedern zum Ausdruck kommt.
So hat Gerhard Tersteegen, ein Dichter und Mystiker aus dem 18. Jahrhundert geschrieben: „Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Abend kommt herbei, es ist gefährlich stehen in dieser Wüstenei. Kommt, stärket euren Mut, zur Ewigkeit zu wandern, von einer Kraft zur andern; es ist das Ende gut.“ (EG 393,1) Pilgerlieder wie dieses wurden gedichtet, weil sie uns trösten können. Diesen Gedanken zu beherzigen, hat eine wohltuende Wirkung. Denn dadurch verlieren die Dinge, die uns zu schaffen machen, ihr Gewicht und wir können sie eher loslassen. Es ist der erste Schritt, der dazu führt, dass wir Verluste und Veränderungen besser annehmen können. Wir erwarten gar nicht, dass es immer gemütlich ist.
Der zweite Schritt ist das Hören auf Gottes Wort, bzw. der Aufblick auf Jesus. Für Josua war es das Studium des Wortes Gottes. Gott hat ihn zum Gehorsam aufgefordert, er sollte die Weisungen der Schrift beachten, dann wird er Mut und Vertrauen gewinnen. Und das heißt: Es gibt in allem Wandel einen, der bleibt, wie er ist, und das ist Gott. Er ist nicht der Zeit unterworfen, sein Wort trägt den Charakter der Ewigkeit, und es ist in Jesus Christus Mensch geworden.
Das glauben wir, und damit haben wir wie Josua jemanden, der bei uns ist: Jesus Christus geht mit uns und führt uns durch alles Raue hindurch. Wir müssen nur auf ihn schauen und ihm vertrauen. Durch die Nähe Jesu bewahrheitet sich also die Zusage Gottes, uns „nicht zu verlassen“. Er verschont uns zwar nicht vor allem Leid, aber er ist da. Er trägt unsere Lasten mit und sorgt dafür, dass wir in allem Schweren unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsre Liebe behalten. Und auf die kommt es an. Wir brauchen auf unserer Pilgerfahrt durch das Leben vor allem diese inneren Güter.
Dann erreichen wir auch das Ziel, und das ist der dritte und letzte Schritt. Auch das hat Gerhard Tersteegen geglaubt und vielfach bezeugt. In der Strophe, die ich zitiert habe, kam bereits vor, dass wir „zur Ewigkeit wandern“ und das „Ende gut ist“. In einem Abendlied hat er diesem Gedanken eine sehr schöne Strophe gewidmet. Sie lautet: „Ein Tag, der sagt dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“ (EG 481,5) Wir wandern nicht nur durch die Zeit, wir kommen auch an ein Ziel, das weit über diese Zeit hinausweist.
Keiner und keine weiß, wie es dort ist, aber wir können hier schon einen Vorgeschmack bekommen, und zwar wenn wir uns ganz auf den Augenblick konzentrieren, auf das Hier und Jetzt. Und das ist im Glauben möglich. Denn das Aufblicken auf Jesus und das Hören auf das Wort Gottes sollen wir uns nicht vornehmen. Wir sollen das nicht morgen oder nächste Woche tun, sondern jetzt, in diesem Moment, und dann mit jedem Atemzug aufs Neue. So ist das gemeint. Der Glaube umfängt immer die Gegenwart und lässt uns darin genug haben.
Und wenn das geschieht, dann sind wir plötzlich ganz frei und unbeschwert. Wir vergessen, was hinter uns liegt und haben keine Angst mehr vor der Zukunft. Und so stell ich mir die Ewigkeit vor: Da gibt es kein Gestern und kein Morgen, sondern die Zeit ist aufgehoben, und wir sind nur noch da.
Wenn wir die Zusage Gottes an Josua und an uns so hören und umsetzen, dann werden wir wirklich „getrost und unverzagt. Wir lassen uns nicht grauen und entsetzen uns nicht.“ Alle Beklemmungen weichen; Unruhe und Sorgen werden von uns genommen; die Angst verschwindet; Verspannungen und Verkrampfungen lösen sich und wir gehen voller Vertrauen in das neue Jahr.
Es ist deshalb gut, wenn wir gerade am Anfang eines neuen Jahres mit Otto Riethmüller beten: „Schließ auf, Herr, über Kampf und Sorgen das Friedenstor der Ewigkeit. In deiner Burg sind wir geborgen, durch dich gestärkt, zum Dienst bereit.“ (EG, Ausgabe für die Landeskirche Württemberg, 579,3)
Amen.