Bereitet dem Herrn den Weg!

Predigt über Römer 15, 4- 13: Aufruf zur Einmütigkeit in der Gemeinde
zum 3. Advent, Donnerstag, 12.12.2024, Altenzentrum St. Nicolai, Kiel

Römer 15, 4- 13

4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind;
9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«
10 Und wiederum heißt es (5.Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«
11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!«
12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.«

13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Liebe Gemeinde.

In der Adventszeit wollen wir uns auf das Kommen Gottes vorbereiten und ihm den Weg ebnen. Doch was heißt das? Wir veranstalten ja viel in diesen Wochen, dekorieren die Wohnung, treffen uns zum gemütlichen Beisammensein, basteln und backen usw. Aber ist das alles geeignet, um uns auf das Kommen Gottes einzustellen? Die Bibel schlägt uns etwas anderes vor, einen inneren Weg, der von Umkehr und Buße gekennzeichnet ist, damit wir offen sind für das große Geschenk, das Gott uns machen möchte.

Das kommt auch in dem Text zum Ausdruck, den wir eben gehört haben. Er ist ein Teil aus dem vorletzten Kapitel des Römerbriefes, d.h. er steht am Ende dieser Epistel. Da ermahnt Paulus die Römer, sich gegenseitig in brüderlicher Liebe zu achten. Daran haperte es nämlich in der Gemeinde. Es gab Konflikte zwischen denen, die vorher Juden gewesen waren und den sogenannten Heiden, also Menschen, die ohne vorherigen jüdischen Glauben zu Christus gefunden hatten. Sie hatten verschiedene Vorstellungen darüber, was man essen durfte, und es gab Spannungen. Darauf geht Paulus hier ein. In den vorhergehenden Kapiteln hatte er theologische Fragen erörtert, hier wird er nun ganz praktisch und konkret und gibt den Römern ein paar Hinweise zur Lebensführung und zum christlichen Umgang miteinander. Er begründet sie auch und zwar mit verschiedenen Argumenten.  

Zunächst erinnert er an die Schrift, an das Alte Testament, das für alle Gültigkeit hat. Er weist darauf hin, dass Christus dort bereits verheißen wurde und zwar als jemand, der geduldig war und jeden angenommen hat. Er ist für die Christen ein Vorbild. Es gilt deshalb, an ihn zu glauben, auf ihn zu vertrauen und vor allen Dingen auf ihn zu schauen. So können wir durch ihn lernen, miteinander dieselbe Geduld zu haben.

Dann will Paulus deutlich machen, dass das gar nicht so anstrengend und schwierig ist. Es geht nicht um eine religiöse Leistung. Die gegenseitige Annahme entsteht vielmehr dadurch, dass wir gemeinsam Gott loben. Wir sind dabei ja alle gleich, es gibt keine Unterschiede mehr. Es entsteht also Gelassenheit und Entspannung. Das Herz weitet sich und der Geist wird frei. Denn die Gedanken sind nicht mehr auf den anderen gerichtet, sondern auf Gott.

Und drittens kehrt dadurch Friede und Freude ein. Es entsteht auch Hoffnung, und das Leben kann gelingen, nicht nur das Leben des einzelnen, sondern das der ganzen Gemeinschaft. Konflikte verschwinden und Spannungen lösen sich. Wo Zwietracht herrschte, entsteht Einigkeit, wo Spaltungen waren, entsteht wieder Gemeinschaft.

Das ist hier die Aussage, und die macht tatsächlich sehr gut deutlich, wie wir die Adventszeit im Sinne Jesu gestalten können. Eine äußere Gemütlichkeit reicht nicht, und das wissen wir auch alle. Denn es gibt im Leben zu vieles, was sie uns verdirbt, und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. So ein bisschen sind unsere weihnachtlichen Aktivitäten auch der Versuch, einmal vor der Wirklichkeit zu fliehen, die Augen eine Zeit lang zuzumachen. Wir versuchen, uns bei Kerzenschein und schönen Düften, Tee und Keksen auszuruhen. Aber wir merken alle, dass das mangelhaft und unbefriedigend bleibt. In der Tiefe unsrer Seele werden wir nicht froh und ruhig. 

Denn es gibt fast immer etwas, das uns stört. Das kann ein schweres Erlebnis sein, eine Krankheit oder auch Menschen, die uns stören oder enttäuschen. Sie sind nicht so, wie wir sie gerne hätten, sie nerven uns oder verletzen uns sogar. Vielleicht sind es unsre Kinder, die sich nicht genug kümmern, die Nachbarn, die zu laut oder zu griesgrämig sind, Mitmenschen, die uns missachten oder vergessen. Etliche fühlen sich gerade in der Adventszeit einsam und verlassen. Es gibt vieles, das uns traurig und ängstlich macht, uns Sorgen bereitet oder aufregt. Auch die allgemeine Weltlage gehört dazu: Eine Menge liegt im Argen, Krisen wachsen uns über den Kopf, Macht und Geld regieren die Welt wie immer schon, Krieg und Lügen greifen ums sich.

Das sollten wir uns bewusst machen und es nicht einfach nur verdrängen. Besser ist es, wenn wir ehrlich sind und uns fragen, wie wir das überwinden können. Wenn wir den Sinn der Adventszeit erfassen wollen, dann müsste in unserer Seele wirklich Frieden und Ruhe einkehren, dann müssten wir getröstet werden und Hoffnung schöpfen. Es müssten echte Gemeinschaft und Liebe wachsen. Und dazu hilft genau das, was Paulus uns hier vorschlägt. Denn er spricht von etwas Innerlichem, von einer bestimmten Geisteshaltung, mit der wir gelassener und fröhlicher werden und zueinander finden. Und zwar entsteht sie, wenn wir gemeinsam Gott loben. Wir wenden uns damit dem zu, der größer ist als wir alle, der uns längst liebt, der zu uns kommt und es gut mit uns meint. Er hat uns seinen eigenen Sohn geschickt, und der ist voller Liebe und Barmherzigkeit. Wir müssen nur auf ihn schauen und uns von seiner Liebe anstecken lassen.

Meistens beschäftigen wir uns viel zu sehr mit uns selber oder den anderen Menschen, mit dem Weltgeschehen und den Nachrichten. Oft sind wir darauf sogar fixiert und merken gar nicht wie wir uns verkrampfen. Wir haben Erwartungen und Vorstellungen, wie es alles sein sollte und machen uns dadurch das Leben selber schwer. In Wirklichkeit sind es gar nicht nur die Umstände oder die anderen Menschen, durch die es uns schlecht geht. Es liegt auch an uns. Es wäre gut, wenn wir alles einmal gelassener sehen. Sind unsre Wünsche und Vorstellungen wirklich so entscheidend und maßgebend? Es scheint längst ein helles Licht, durch das alles leichter und schöner wird. Es ist das Licht der Liebe Christi, der für uns alle kommt.

Wenn wir darauf schauen, wirkt es sich in unserer Seele und in unserem Geist wohltuend aus, es „tröstet uns und macht uns frei“ (J.S. Bach, Weihnachtsoratorium, Teil III, Arie „Herr dein Mitleid, dein Erbarmen“). Das ist in gewisser Weise auch eine Ablenkung, aber sie ist von ganz anderer Art, als unsere weltlichen Verdrängungsmanöver. Sie lenkt unseren Geist in eine Richtung, in der es wirklich Veränderung gibt. Denn von Christus geht Kraft aus. Wenn wir uns ihm zuwenden, tritt eine Wirkung ein, die wir nicht selber herstellen, und die stärker ist als unsere Gefühle. Wir werden von einer überwindenden und heilenden Energie erfüllt. Deshalb sollte das gemeinsame Lob Gottes und der Glaube an Christus in der Adventszeit unsere hauptsächliche Übung sein: Er kann uns vereinen und trösten. Wir kommen von uns selber los und unser Blick geht weiter und tiefer. Wir bereiten Christus eine Bahn in unserem Herzen. Und so entstehen wirklich Frieden und Freude. Die Harmonie und Ruhe, nach der wir uns sehnen, kommt zu uns. Wir entspannen uns, und es kehrt sogar so etwas wie Glück in unser Leben ein. Es wird uns durch den Sohn Gottes geschenkt, der uns seine Liebe bringt, uns erlöst und befreit.

Und damit sind wir dem eigentlichen Sinn von Weihnachten ganz nah. Wir merken: Das reicht ja, mehr brauchen wir gar nicht zum Leben und zum Glück. Und es geht tief in uns hinein, unsere Sehnsucht wird befriedigt, die Freude ist echt. Sie ist nicht mehr davon abhängig, dass um uns herum alles stimmt und zu unseren Wünschen passt, denn sie kommt von innen. Auch die, die niemanden haben, erleben das. Für sie kommt genauso eine befreiende Stimmung auf, denn sie spüren ihre Einsamkeit nicht mehr und werden getragen und gehalten.

Wir brauchen gar nicht so viele Lichterketten und Kekse, Veranstaltungen und Treffen. Viel wichtiger ist es, dass wir miteinander in der Liebe Christi verbunden sind, füreinander beten und uns vor Gott zu seinem Lob vereinen. Wenn das geschieht, dann ist wirklich Advent, dann kann es Weihnachten werden. Damit bereiten wir unserem Herrn den besten Weg, in unsere Häuser und Herzen einzuziehen.

Amen. 

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