Frieden schaffen ohne Waffen

Predigt über Micha 4, 1- 5: Das kommende Friedensreich Gosttes

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 10.11.2024, Jakobikirche Kiel

Micha 4, 1- 5

1 In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen,
2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.
3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat’s geredet.
5 Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich!

Liebe Gemeinde.

„Schwerter zu Pflugscharen“, dieses Wort des Propheten Micha ist zu einer Redewendung geworden. Sie drückt das Ziel des Völkerfriedens durch weltweite Abrüstung aus.

Die Friedensbewegung der DDR, die 1978 entstand, hat sich das deshalb als Symbol gegeben: Darauf schmiedet ein Mensch ein Schwert zu einem Pflug um. Ihr habt das bestimmt schon einmal gesehen. Das Ziel dieser Bewegung ist es, die Menschen zum Frieden zu erziehen. In vielen Kirchengemeinden entstanden damals staatskritische, unabhängige Friedensinitiativen. Der Grund dafür lag darin, dass die SED das Pflichtfach „Wehrerziehung“ an DDR-Schulen eingeführt hatte. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR entwickelte daraufhin ein Alternativprogramm.

Und sie beriefen sich auf Propheten wie Micha und Jesaja. Bei ihm finden wir diese Vision ebenfalls. Sie war wahrscheinlich ein unabhängiges Stück Tradition, ein Heilsorakel, das immer in Israel wieder aufgenommen und ausgesprochen wurde. Denn sie machte den Menschen Mut und gab ihnen Hoffnung in schweren Zeiten: Sie schauten in die Zukunft und sahen dort die Wiederherstellung des Paradieses.

Die Vision führt uns gleich am Anfang an das Ende der Tage. Dann wird die Natur umgewandelt, und der Berg, auf dem der Tempel in Jerusalem steht, der Zion, wird über alle anderen Berge erhöht. Er wird zum Wohnsitz Gottes und zum Mittelpunkt der Welt. Deshalb versteht es sich von selbst, dass alle Völker dahin strömen und wallfahren werden. Sie holen sich dort Belehrung, damit sie ein gottgemäßes Dasein führen können. Sie wollen in den Wegen und Pfaden Gottes wandeln, d.h. den von Gott gewünschten Weg einschlagen. Er wird ihnen in Wort und Weisung übermittelt.

Dabei bedeutet der Wille Gottes nicht Unterdrückung oder Unfreiheit, sondern Friede und Gerechtigkeit. Gott wird das von den Völkern verursachte Chaos beenden und eine gute Ordnung durchsetzen, indem er die Menschen zur Einsicht führt. Und dadurch geschieht dann das, wovon alle träumen: Es entsteht ein neuer Wille zum Frieden und ein konkretes den Frieden förderndes Handeln. Der Krieg wird unnötig. Waffen werden überflüssig und von den Bekehrten in Geräte landwirtschaftlicher Arbeit verwandelt, in Gegenstände, die dem Leben dienen. Der Friede der Urzeit ohne Mordwerkzeuge und Kriegshandwerk kehrt wieder zurück.

Das beinhaltet die Vision, und sie ist ein großartiger Zukunftsentwurf. Er enthält die Hoffnung ewigen Friedens.

Die ist ja ein uralter Menschheitstraum, der von Anfang an bis heute thematisiert wird. Es geschah nicht erst in den Kirchen in der DDR. Viele Gruppen und Initiativen entwerfen dieses Bild und glauben daran, dass es eines Tages wahr wird. Z.B. erkannten die Kirchen auch schon nach 1945, dass Aufrüstung keine Antwort auf die Konflikte in der Menschheit sein kann. Papst Johannes XXIII. verfasste 1963 die Enzyklika Pacem in terris, die sich erstmals an „alle Menschen guten Willens“ richtete und u.a. forderte, „dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört; dass ferner die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden; dass Atomwaffen verboten werden; und dass endlich alle auf Grund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen.“

Und natürlich verstehen wir es auch heutzutage noch als unsere christliche Pflicht, für den Frieden einzutreten und „Schwerter zu Pflugscharen“ zu machen. Es gibt die Friedensbewegung zum Glück immer noch. Christen und Christinnen erheben ihre Stimme für den Frieden und beten dafür.

Doch sind wir damit erfolgreich? Ist es nicht unrealistisch, sich die Vision des Propheten zu eigen zu machen? Sie scheint ein Traum zu sein, das empfinden wir heutzutage wieder stärker als in den zurückliegenden Jahrzehnten. Wir erleben gerade mehrere bewaffnete Konflikte, die furchtbar sind und uns Angst machen. Es scheint aussichtslos zu sein, die Völker zum Frieden erziehen zu wollen. Appelle verhallen, Menschen guten Willens werden überhört, sie reiben sich auf und erreichen am Ende nichts. Es ist leider nicht so einfach, die Kriege zu beenden, denn alle Menschen auf allen Seiten müssten „gleichzeitig“ mitmachen, wie Papst Johannes der XXIII. es betont hat. Solange es noch Aggressoren gibt, die nicht am Frieden interessiert sind und lieber zu den Waffen greifen, ist es nicht ratsam, wenn eine Seite abrüstet. Man muss sich schon verteidigen können, sonst geht man unter. Die gesamte Menschheit müsste sich auf Abrüstung einigen, doch das scheint leider in weiter Ferne zu liegen.

Was sollen wir also tun? Das müssen wir uns fragen, und dabei kann der Prophet Micha bzw. diese Zukunftsvision uns durchaus helfen. Drei Dinge können wir daraus lernen.

Als erstes kann sie uns Mut und Hoffnung machen. Hier wird zwar eine Welt entworfen, die es so noch nicht gibt, aber wir dürfen hoffen, dass sie eines Tages kommen wird. Wir dürfen gerne auf dieses Bild schauen. Jetzt müssen wir es noch aushalten, dass unsere Welt voller Ungerechtigkeit ist, dass es Terror und Krieg gibt, Vertreibung und Vernichtung. Das Heil Gottes hat noch nicht die ganze Welt erfasst. Wir stehen nach wie vor in vielen Kämpfen.

Doch gerade deshalb ist es wichtig, dass wir uns entscheiden, wo wir hinschauen wollen. Die Bibel lädt uns ein, an der Hoffnung festzuhalten und an den Frieden zu glauben. Es hilft nichts, wenn wir immer nur auf das Schreckliche starren, wir dürfen und müssen uns positiven Bildern aussetzen. Wir stellen sie bewusst der Verzweiflung und Ratlosigkeit entgegen und bleiben so in den Schrecken, die uns umgeben, zuversichtlich. Wir werden gestärkt und getröstet, und fühlen uns in der Gegenwart Gottes sicher und geborgen.

Denn das, was der Prophet hier ausmalt, ist nicht nur eine Phantasie. Als Christen glauben wir vielmehr, dass Jesus Christus diese Vision zum Teil wahr gemacht hat. Der Glaube daran ist der zweite Schritt. Der Weltfriede ist nicht nur ein Traum, sondern eine Realität, die im Verborgenen bereits da ist. Denn alle Prophezeiungen im Alten Testament, die von einem Retter und dem ewigen Reich Gottes handeln, haben sich in Jesus Christus erfüllt. Das ist die Botschaft des Neuen Testamentes. Jesus ist direkt von Gott gekommen. Er ist der Sohn Gottes, der die Menschheit erlöst. Das Reich des Friedens ist mit Jesus Christus angebrochen, das steht im Evangelium dieses Sonntags. (Lukas 17, 20- 24) Es gibt ein Gespräch zwischen Jesus und den Pharisäern wieder. Er wurde von ihnen gefragt: „Wann kommt das Reich Gottes?“ Und „er antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Das glauben und bekennen wir: Durch Jesus Christus ist eine neue Realität da, denn er hat den Tod und die Sünde besiegt.

Wir müssen uns nur davon prägen lassen, Christus in unser Herz und in unser Denken hineinlassen. Er hilft uns dann, ein gottgemäßes Dasein führen. Er lässt uns auf den Wegen und Pfaden Gottes wandeln, denn wir haben nicht nur sein Wort und seine Weisung, sondern auch seine Liebe und Gnade, sein Heil und seine Kraft. Wo Menschen sich darauf einlassen, beginnt der Friede. Und kein Schritt in diese Richtung ist sinnlos oder verloren. Die Kirche kann der Berg Zion sein, von dem die Impulse zum Frieden und zur Liebe ausgehen.

Und das heißt konkret: Wir dürfen nicht aufhören, den Frieden zu leben und dafür zu beten. Das ist das Dritte. Es ist nach wie vor der Wille und die Macht Gottes, eine neue Welt herzustellen, in der wir unsre „Schwerter zu Pflugscharen“ umbauen. Wir können und sollen ihn deshalb unermüdlich darum bitten, dass diese Welt kommen möge. Wir dürfen Gott daran erinnern, dass er mächtiger ist als das Böse und der Tod, als das Leid und die Zerstörung, und wir dürfen ihn darum bitten, der Welt das eines Tages ganz zu zeigen.

Gott ist die „Sonne der Gerechtigkeit, die schon in unserer Zeit immer wieder aufgehen“ kann. Wir können mit dem Lied, das so beginnt (EG 262), dafür beten, dass sein „Licht in der Kirche [und in der ganzen Welt] anbrechen“ möge, dass die „Christenheit“ aufwacht und sich „zu [seinem] Wort bekehrt“. „Keine List noch Macht [möge den] Lauf des Himmelreiches hemmen“.

Denn wenn wir so beten, bekommen wir „Kraft und Mut, Glauben, Hoffnung und Liebesglut. [Wir] sehen [seine] Herrlichkeit [bereits] in dieser Zeit [und können] mit unserer kleinen Kraft suchen, was den Frieden schafft“.

Amen.