Predigt über 2. Timotheus 1, 7- 10: Treue zum Evangelium
16. Sonntag nach Trinitatis, 15.9.2024, Gethsemanekloster Riechenberg (Goslar)
2. Timotheus 1, 7- 10
7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes.
9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt,
10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.
Liebe Gemeinde.
Wir sehnen uns alle nach Gott. Wenn wir in den Gottesdienst gehen, beten oder meditieren, die Bibel lesen und darüber nachdenken, möchten wir, dass er sich mit uns verbindet und uns segnet. Das ist unser Wunsch. Wir möchten als seine Kinder leben, in seiner Gegenwart und nie die Hoffnung verlieren. Wir wollen gerne immer zuversichtlich und fröhlich sein, stark und voller Energie.
Und das ist auch ein ganz berechtigtes Anliegen. Der Apostel Paulus wünschte das seinen Gemeindegliedern, Freunden und Schülern ebenso. Das geht aus seinen Briefen hervor.
Einer dieser Menschen, die ihm wichtig waren, war Timotheus, ein junger Mann, der eng mit Paulus befreundet war. Er sollte sein Werk fortsetzen. Deshalb schrieb Paulus ihm zwei Briefe und erklärte ihm darin, wie er am besten predigt, wie er die Gottesdienste gestalten soll, was in der Seelsorge wichtig ist und wie man eine Gemeinde leitet. Außerdem hat er ihm viel Zuspruch gegeben. Er wollte ihm Mut machen und ihn daran erinnern, welchen Geist er durch den Glauben an Jesus Christus empfangen hatte. Denn es kam ihm nicht nur darauf an, dass Timotheus sich gut auskannte, er sollte vor allen Dingen selber im Glauben leben. Paulus schrieb deshalb ebenso etwas über die Seelenverfassung und die Denkweise, die Einstellung und die Geisteshaltung, die einen Christen auszeichnet. Seine Briefe an Timotheus enthalten Richtlinien und Anweisungen für die Lebensführung, besonders der Zweite.
Wir haben eben einen Teil aus dem ersten Kapitel dieses Briefes gehört. Darin ermutigt Paulus seinen Schüler, unerschrocken für das Evangelium einzutreten, mit den Worten: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Diese drei Tugenden hat Gott Timotheus verliehen. Er ist also mit innerer Stärke ausgerüstet, er kann etwas und ist leistungsfähig. Außerdem hat er die Liebe empfangen, d.h. er ist freundlich und den Menschen zugewandt. Er kann mitfühlen, ist offen und schätzt die anderen. Und als drittes hat er „Besonnenheit“, das bedeutet, er hat einen gesunden Verstand und die richtige Erkenntnis. Er ist klug, kann sich selbst beherrschen, ist nüchtern, maßvoll und bescheiden. So kann man das griechische Wort für „Besonnenheit“ auch noch übersetzen.
Paulus sagt, dass Timotheus so ist, aber er will ihn damit natürlich auch ermahnen, so zu bleiben. Er soll das alles bewahren und pflegen, es wirklich leben und sich davon immer wieder bestimmen lassen.
Und das gilt für jeden Christen und jede Christin. Auch wir sollen so sein und bleiben. Und wir wollen es wie gesagt auch. Wir sehnen uns nach Ruhe und Gelassenheit, Liebe und Freude.
Doch wie kann es dazu kommen? So ganz einfach ist es ja nicht, das zu verwirklichen. Es lässt sich nicht machen und schon gar nicht anordnen. Das denken wir zwar oft, aber wir kommen immer wieder an unsere Grenzen. Dann fühlen wir uns keineswegs mutig uns stark, liebevoll und klug, sondern schwach und klein, gleichgültig und zerstreut. Häufig scheitern wir an unseren eigenen Ansprüchen.
Es kann sogar Situationen geben, in denen uns das Glauben schwerfällt. Wir können unser Gottvertrauen verlieren, andere Mächte wollen uns beherrschen. Wenn wir in einer schwierigen Situation sind, dann spüren wir manchmal die Nähe Gottes nicht, und es besteht die Gefahr, dass wir uns von ihm abwenden. Sei es eine Krankheit oder ein Verlust, ein Scheitern oder eine Sorge. All das sind Gefahren für unseren Glauben. Das Leid entwickelt oft eine ganz eigene Dynamik. Es kann uns innerlich und äußerlich zerstören. Negative Kräfte kommen zum Zuge, sie ergreifen die Oberhand.
Hilft es, wenn wir dann einfach dazu ermahnt werden, „mutig und stark“ zu sein? Wahrscheinlich nicht. Das kann die Sache sogar noch schlimmer machen. Wir fühlen uns unter Druck gesetzt, werden verspannt und noch trauriger als vorher.
Doch so ist das, was Paulus hier schreibt, auch nicht gemeint. Er macht uns keine Vorschriften und formuliert keine Gesetze. Das wird deutlich, wenn wir den gesamten Zusammenhang berücksichtigen, in dem dieser Spruch steht. Paulus sagt nämlich weiter: Gott gibt uns Kraft. „Er hat uns gerettet“ und „berufen“, „nicht aufgrund unserer Werke, sondern aus eigenem Entschluss und aus Gnade, die er schon vor Zeiten in Christus Jesus geschenkt hat.“ Die Lebensführung, auf die wir achten sollen, ist also kein Werk, das wir vollbringen, keine eigene Leistung, sondern ein Geschenk der Gnade Gottes. Lange bevor wir uns entscheiden, mit Gott zu leben, hat er sich für uns entschieden. Seine Initiative und Aktivität gehen allem voran, und zwar durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Durch sie hat Gott uns zu einem Leben in Hoffnung berufen. Das schreibt Paulus am Ende unseres Abschnittes: „Jesus hat dem Tode die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium.“
Und das ist keine Ermahnung, sondern ein starker Zuspruch, aus dem alles weitere folgt. Wir müssen letzten Endes nichts anders tun, als das anzunehmen. Wenn wir „mutig“, „stark“ und „liebevoll“ sein wollen, müssen wir nichts leisten, sondern nur auf Gott vertrauen und uns ihm hingeben. Dann kann er das alles in uns bewirken. Er schenkt es uns, weil er es will und uns liebt. Für ein Leben mit ihm müssen wir uns daran nur immer wieder erinnern und uns für ihn entscheiden. Wenn wir seine Kinder sein wollen, macht es nichts, wenn wir uns klein und schwach fühlen. Wir müssen das nicht ändern, sondern dürfen so, wie wir jetzt gerade sind, zu ihm kommen. Das ist unser Beitrag: Es gilt, sich für die Gnade und Liebe Gottes zu öffnen und seinen Geist zu empfangen. Dann kann er auch in uns wirken. Deshalb meditieren wir, lesen in der Bibel, gehen in den Gottesdienst und beten.
Konkret heißt das: Wenn wir mal Angst haben, sollen wir daran denken: Jesus lebt, er hat den Tod und alle Dunkelheit besiegt. Er ist bei mir und kann die Angst überwinden. Wenn wir uns schwach fühlen, können wir uns auf seine Kraft verlassen. Und wenn wir traurig sind, ist er mit seiner Liebe für uns da. Er schließt uns in seine Arme, so dass auch wir den Menschen mit Liebe begegnen können. Das alles gilt es zu beachten und zu bewahren, es aufmerksam zu hüten und zu pflegen.
Dann wird unsere Sehnsucht, Gottes Kinder zu sein, erfüllt. Wir leben in seiner Gegenwart und werden gesegnet. Wir bekommen Kraft und Mut, verlieren nie die Hoffnung und bleiben auch in schweren Zeiten zuversichtlich, ruhig und gelassen.
Amen.