Überwinde das Böse mit Gutem

Predigt über 1. Mose 13, 1- 12: Abram und Lot trennen sich
21. Sonntag nach Trinitatis, 29. 10.2023, 11 Uhr, Jakobikirche Kiel

Liebe Gemeinde.

Eine Katze, die ins Freie kann, beansprucht ein Revier für sich. Andere Katzen sind dort in der Regel unerwünscht oder allenfalls geduldet. Eindringlinge werden bekämpft. Diese Streitigkeiten dauern zum Glück nur wenige Augenblicke, meistens bleibt es sogar bei einer Mischung aus dumpfem Grollen und jaulendem Katzentheater, aber es ist durchaus ein Revierkampf.

Den gibt es bei ganz vielen Tieren. In unseren Breitengraden können wir diese oft sehr harten und ruppigen Auseinandersetzungen z.B. noch bei Schwänen, Mardern, Amseln und Igeln beobachten. Aber auch in Gegenden, über die wir normalerweise nur Filme sehen, taucht dieses Thema immer wieder auf. Es ist in der Natur sehr weit verbreitet. Wir Menschen führen solche Kämpfe ebenso, sie liegen in unserer Veranlagung. Die meisten Kriege haben darin z.B. ihre Wurzeln.

Im Unterschied zu den Tieren haben wir allerdings die Möglichkeit, mit solchen Konflikten auch ganz anders umzugehen. Ein schönes Beispiel ist dafür eine Geschichte über Abraham und seinen Neffen Lot.

Sie steht 1. Mose 13 und lautet folgendermaßen:

1 So zog Abram herauf aus Ägypten mit seiner Frau und mit allem, was er hatte, und Lot auch mit ihm ins Südland.
2 Abram aber war sehr reich an Vieh, Silber und Gold.
3 Und er zog immer weiter vom Südland bis nach Bethel, an die Stätte, wo zuerst sein Zelt war, zwischen Bethel und Ai,
4 eben an den Ort, wo er früher den Altar errichtet hatte. Dort rief er den Namen des HERRN an.
5 Lot aber, der mit Abram zog, hatte auch Schafe und Rinder und Zelte.
6 Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß und sie konnten nicht beieinander wohnen.
7 Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh. Es wohnten auch zu der Zeit die Kanaaniter und Perisiter im Lande.
8 Da sprach Abram zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder.
9 Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken.
10 Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich, bis man nach Zoar kommt, wie der Garten des HERRN, gleichwie Ägyptenland.
11 Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem andern,
12 sodass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan. Und Lot zog mit seinen Zelten bis nach Sodom.

Das ist heute unser Predigttext. Wir erfahren hier, dass Abram und Lot Kleinviehnomaden waren, d.h. sie besaßen Herden von Schafen und Ziegen, die Weideland benötigten. Das fanden sie in Absprache mit den sesshaften Menschen im Land Kanaan. Doch Abram war reich geworden, seine Herden waren angewachsen, und die von Lot ebenso. Es kam deshalb zu einer Kollision der Interessen. Beide brauchten einen großen Bewegungsradius, wobei sie außerdem noch von den wenigen kostbaren Wasserstellen abhängig waren. Es gab deshalb bereits Streit zwischen den Hirten, die für Lot und Abram arbeiteten. Doch anstatt sich zu bekriegen und den Stärkeren siegen zu lassen, fanden sie eine andere Lösung: Sie trennten sich. Dabei lag es an Abraham, dass das ohne Kampf vor sich ging. Er war der Ältere und offensichtlich Vernünftigere: Er ließ Lot für die Wahl des Landes den Vortritt. Lot blickte daraufhin ins Weite, und seine Augen schweiften über den ganzen Jordangraben, der stark bewässert war. Das Land erschien ihm wunderschön, fruchtbar und grün, wie das Paradies oder wie Ägypten. Und so entschied er sich dafür. Abram zog in die andere Richtung. Das schien zunächst die schlechtere Wahl zu sein, aber hier wird bereits angedeutet, dass das eine Täuschung war. Das Land, das Lot gewählt hatte, war zwar fruchtbarer, aber die Bewohner dort waren verdorben. Lot wusste das zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht und fragte auch nicht danach. Er nahm sich einfach, was in seinen Augen als das Bessere erschien, geriet deshalb aber später in große Schwierigkeiten. Abram dagegen ging es sehr gut. Das ist die Erzählung.

Sie zeigt die beiden Männer Abram und Lot also bewusst in einem unterschiedlichen Licht: Lot erhält zwar, was er will, bekommt es aber später mit Sünde und Bosheit zu tun. Abram verzichtet dagegen auf seinen Vorteil und wird am Ende reich gesegnet. Abram soll damit ein Vorbild sein. An ihm wird deutlich, wie sinnlos es sein kann, sich vorzudrängeln und zu nehmen, was man haben möchte. Das kann böse enden. Viel klüger und weiser ist es, den eigenen Nutzen zurückzustellen und auf ganz andere Werte zu setzen. Für Abram war die friedliche Lösung wichtiger, die gütliche Trennung. Modern gesprochen sorgte er für eine Deeskalation des Konfliktes.

Dafür ist die Geschichte ein sehr schönes Beispiel. Sie zeigt, worin der Mensch in Wirklichkeit seine Freiheit und sein Heil findet. Es entsteht nicht dadurch, dass er möglichst den eigenen Willen durchsetzt. Das Gute kommt vielmehr dann zum Menschen, wenn er Rücksicht nimmt, Vernunft walten lässt und Ruhe bewahrt.

Und das ist ein wichtiger Hinweis, denn natürlicher Weise „kämpfen wir am liebsten um unser Revier“. Das ist unsere Veranlagung. Dabei muss es gar nicht nur um materielle Dinge gehen, um Land oder Besitz, es spielt sich auch im Bereich von Ideen oder Beziehungen ab: Wir wollen Aufmerksamkeit und Erfolg, Anerkennung und Zuspruch. Freiheit heißt für uns oft, das zu verwirklichen und zu besitzen, was wir wollen und uns wünschen, uns durchzusetzen und zu gewinnen.

Doch das ist eine sehr verkürzte Vorstellung von einem gelingenden Leben. Wir sind damit nicht weit von dem entfernt, was auch die Tiere tun. Und es führt wie gesagt oft zu Unheil und Krieg. Die Würde des Menschen besteht deshalb auch nicht darin, dass er so eigennützig und gewinnbringend wie möglich handelt. Was uns als besondere Wesen auszeichnet und von den Tieren unterscheidet, ist vielmehr die Fähigkeit, auf unseren eigenen Vorteil auch einmal zu verzichten. Wir können uns entscheiden, das ist unsere Freiheit, und zwar nicht nur für den Verzicht oder das Verlangen, sondern ganz allgemein für das „Böse“ oder für das „Gute“, wie es in dem Wochenspruch für heute heißt. Beides sind Kräfte, die in der Welt wirken, und es liegt an uns, welche davon die stärkere sein soll. Paulus rät uns, „uns nicht vom Bösen überwinden zu lassen, sondern das Böse mit Gutem zu überwinden“. (Römer 12,21) In den vorhergehenden Versen beschreibt er, worin das für ihn besteht. Er erwähnt brüderliche Liebe, Hoffnung und Geduld, Beharrlichkeit im Gebet, Gastfreundschaft und Mitgefühl, Einigkeit, Demut und Bescheidenheit, Verzicht auf Rache und Segnen der Feinde. Das ist der Wille Gottes. Er kann uns formen und unser Denken und Handeln prägen. Es kommt auch in dem Evangelium von heute vor. Das ist die Stelle in der Bergpredigt, in der Jesus uns dazu ermahnt, auch „unsere Feinde zu lieben“. (Mt. 5,44)

Diese Gebote kennen wir alle, weil wir sie häufig hören. Genauso oft werden in diesem Zusammenhang allerdings auch zwei Fragen gestellt. Die erste lautet: Sind die Feindesliebe und all die anderen Tugenden nicht viel zu schwer? Wie sollen wir das hinbekommen? Wir sind nicht Abram oder Paulus oder Jesus. Ist das, was sie uns vorleben und sagen, nicht ein viel zu hoher Anspruch, den wir nie erfüllen können? Das ist die erste Frage.

Zweitens zweifeln wir daran, ob wir das überhaupt wollen. Wenn wir uns nicht durchsetzen, können wir doch untergebuttert und ausgenutzt werden. Wir verlieren immer nur und gewinnen nichts. Es ist ungesund, so zu leben, Neurosen und Traumata entstehen, das ist unsere Befürchtung.

Beide Fragen sind berechtigt, lasst uns darüber also noch kurz nachdenken. Dabei gilt als erstes, dass die Ermahnungen, die sowohl in unserer Erzählung als auch in dem Wochenspruch und dem Evangelium stecken, keine Forderungen sind. Es geht nicht um eine seelische Leistung. Hier wird vielmehr ein Leben beschrieben, das unter der Verheißung Gottes steht. Abram lebte mit dem Segen Gottes und in seiner Nähe. Er kannte nicht nur sich selbst und seinen eigenen Willen, sondern war durchdrungen vom Glauben und Vertrauen auf Gott. Er war gehorsam und selbstlos.

Und das können auch wir sein. Für uns Christen gibt es dafür sogar einen gut begehbaren Weg, den Christus uns eröffnet hat. Denn was er in der Bergpredigt beschreibt, hat er selber gelebt. Er hat seine Feinde geliebt, war demütig, geduldig und friedfertig. D.h. seine Liebe war grenzenlos und sie gilt auch uns. Wir haben durch ihn eine lebendige Quelle des Guten. Aus ihr fließt die Kraft, mit der wir seine Weisungen erfüllen können. Und diese Energie kann sich langsam in uns ausbreiten und unser Leben erfüllen und prägen. Das ist das erste, was wir beachten müssen.

Als zweites ist wichtig, dass wir damit nicht geschwächt, sondern gestärkt werden. Wir dürfen Rücksicht, Feindesliebe und Vernunft nicht mit Tatenlosigkeit oder Passivität verwechseln. Es ist vielmehr ein Übungsweg, der unsere Aufmerksamkeit fordert. Geist und Seele sind in Anspruch genommen, eine bestimmte Haltung zu entwickeln. Und wie bei jedem Training lernen wir dabei etwas, wir werden langsam besser, überwinden die negativen Impulse in uns und genesen von unserer Ichhaftigkeit. Es ist eine Kunst, die in uns wächst und reift und uns adelt. Wir werden zu den Menschen, die Gott sich gedacht hat, als er uns „nach seinem Ebenbild“ schuf. (1. Mose 1,27)

Und dabei müssen wir noch etwas Drittes beachten: Es geht nicht darum, dass wir perfekt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass wir damit beginnen, dass wir es überhaupt anstreben. Wir müssen nicht vollkommen werden, und es macht auch nichts, wenn wir immer mal wieder versagen. Schlimm wäre es nur, wenn wir daraufhin aufgeben. Aber das muss nicht sein. Wer hinfällt, kann wieder aufstehen und weitergehen. Und dazu werden wir heute eingeladen.

Lasst uns deshalb immer wieder das Gute wählen und uns dafür entscheiden, unsere „Revierkämpfe“ aufzugeben. Lasst uns unser natürliches Verhalten überwinden, indem wir die Nähe und die Kraft Gottes annehmen, auf ihn vertrauen und uns in seinen Willen fügen. Dann sind wir auf einem guten Weg, der uns zum Frieden und zum Segen führt.

Amen.

Unser Leben in Gottes Hand

Predigt über 1. Mose 15, 1- 6: Gottes Verheißung an Abram

15. Sonntag nach Trinitatis, 17.9.2023, Gethsemanekloster Riechenberg

1. Mose 16, 1- 6
1 Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des HERRN kam in einer Offenbarung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn.
2 Abram sprach aber: HERR, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen.
3 Und Abram sprach weiter: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein.
4 Und siehe, der HERR sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.
5 Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
6 Abram glaubte dem HERRN und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.

Liebe Gemeinde.

Die Astronomen klassifizieren die Asteroiden und geben ihnen Nummern, d.h. sie zählen sie. Ungefähr 800.000 sind aufgelistet. Das geschieht wohl aus wissenschaftlichen Gründen.

In der Erzählung vom Kleinen Prinzen gibt es einen „Geschäftsmann“, der ebenfalls die Sterne zählt. Er bildet sich ein, dass sie ihm gehören und er wissen muss, wie viele es sind. Er ist eine lächerliche Figur, eine Karikatur. Alle anderen wissen, dass er das nie schaffen wird.

Auch Abram sollte das erkennen. Gott hatte ihm aufgetragen, die Sterne zu zählen, aber weder aus wissenschaftlichen noch aus geschäftlichen Gründen: Er sollte verstehen, dass es unmöglich ist, dass sie unzählbar sind, weil es unendlich viele gibt.

Gott stand schon länger mit Abram in einem engen Kontakt. Er hatte ihn auserwählt und zum Stammvater für sein Volk berufen. Seine Nachkommen sollten das Volk Gottes werden, das dann so zahlreich wie die Sterne am Himmel wird, sich also aus unzählbar vielen Menschen zusammensetzt. Das hatte Abram auch geglaubt und sich auf diese Verheißung verlassen. Er war ausgezogen in das Land, das Gott ihm zeigen und geben wollte, um dort Kinder zu zeugen und sie zu seinen Erben zu machen.

Doch langsam wurde er nervös und ihm kamen Bedenken. Abram und seine Frau Sara waren bereits alt, und nichts war geschehen. Sie hatten keine Kinder bekommen. Wie sollte die Verheißung dann wahr werden? Abram machte sich Sorgen und Gedanken, er grübelte und zweifelte.

Gott sah das, und in einer sternklaren Nacht erschien er ihm deshalb in einer Vision. Er versprach ihm aufs Neue seinen Schutz und seinen Beistand. Er wiederholte seine Verheißung, und um sie zu veranschaulichen, schickte er Abram nach draußen. Er sollte in den Himmel schauen und die Sterne zählen. Gott sagte dazu: „So zahlreich werden deine Nachkommen sein.“ Das war seine Zusicherung, und die Sterne dienten ihm als Sinnbild.

Das Versprechen Gottes ist dann tatsächlich wahr geworden. Wie durch ein Wunder wurde Sara im hohen Alter doch noch schwanger und gebar einen Sohn, Isaak, der der Vater Jakobs wurde. Die Familien von dessen zwölf Söhnen wurden dann die zwölf Stämme Israel. Abram war also ihr Urgroßvater. So erzählt es das erste Buch Mose.

Wir wissen heute, dass die Geschichte der Anfänge des Volkes Israel in Wirklichkeit viel komplizierter und langfristiger war, aber es gehört zum Glauben Israels, dass Abram ihr Stammvater ist. Auch im Neuen Testament spielt er eine Rolle, wie z.B. bei Paulus. Im Römerbrief stellt er ihn als Beispiel für den Glauben hin. (Römer 4) Nicht seine Werke waren entscheidend, sondern sein Vertrauen und sein Gehorsam. Im Hebräerbrief gehört Abram ebenfalls zu den Glaubensvorbildern, an die in einem langen Kapitel erinnert wird. (Hebräer 11)

Und das ist eine gute Idee. Auch wir können von Abram lernen und erkennen, worauf es im Glauben ankommt.

Er war ein Mensch wie jeder andere, und als solcher machte er sich natürlich Sorgen und Gedanken. Das ist normal, ganz menschlich, das kennen wir alle. Uns treibt ebenfalls vieles um, vielleicht sogar die Frage, was kommt nach mir? Wie geht es weiter, wenn ich mal nicht mehr bin? Bleibt etwas von dem, was ich verwirklichen wollte? Habe ich alles richtig gemacht? Werden meine Kinder und Enkelkinder mich in guter Erinnerung behalten, und wird ihnen das Leben gelingen

Aber auch andere Fragen können uns umtreiben: Die Sorge um unsere Gesundheit und unseren Wohlstand, um andere Menschen, die uns wichtig sind und uns nahe stehen. Die allgemeine Weltlage beschäftigt uns, die Umweltzerstörung, die Kriege und die Katastrophen.

Wir tun natürlich etwas, um damit klarzukommen. Tatenlos sind wir nicht. Wir reden und handeln so gut wir es können, leben friedlich und umweltbewusst, suchen Beratung und ärztliche Hilfe, sprechen miteinander und treffen Vorsorge. Aber reicht das? Oft bleiben wir stecken, wissen nicht weiter, sind hilflos und unruhig. Wie Abram dachte, sein Sklave würde ihn beerben, so trösten auch wir uns mit Halblösungen und vorläufigen Antworten: Wir schreiben ein Testament, kaufen umweltfreundliche Produkte, sind freundlich zu anderen Menschen, leben gesund usw. Aber wenn wir ehrlich sind, überzeugt und beruhigt uns das alles oft nicht. Die Zweifel und die Fragen bleiben. Wir müssen also noch einen anderen Weg beschreiten, um wirklich gelassen und zuversichtlich zu werden, und genau der wird uns in der Geschichte gezeigt: Abram vertraute am Ende einfach auf Gott. Und das können auch wir tun.

Und dabei hilft es uns genauso wie ihm, einmal in den Himmel zu schauen, vielleicht sogar nachts, wenn wir die Sterne sehen. Jeder Astronom und jede Astronomin, die das regelmäßig tut, wird uns bestätigen, dass sie dabei ein Gefühl für ihre eigene Kleinheit bekommt. Alles relativiert sich, das Universum ist so unermesslich viel größer, als wir und unser Leben hier auf der Erde. Auch wenn wir Listen mit Sternnummern schreiben, werden wir es nie ganz erforschen. Die Tiefen des Weltalls sind für uns unendlich. Und diese Erkenntnis kann guttun. Unsere Sorgen werden kleiner, unsere Gedanken kommen zur Ruhe.

Und bei Abram gehörte noch etwas dazu. Es kommt sehr schön in einem Kirchenlied aus dem 19. Jahrhundert zum Ausdruck, das wir gerne mit Kindern singen. Es beginnt mit der Strophe: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Weißt du, wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt? Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl.“ (EG 511,1) D.h. die Welt ist in Gottes Hand, und er liebt sie. Darauf dürfen wir uns verlassen, das sollen wir glauben.

Nun kann es natürlich sein, dass wir das zwar versuchen, aber damit nicht gegen unsere Sorgen ankommen. So ganz einfach ist der Glaube ja nicht. Es entsteht eventuell die Frage, ob wir uns nicht etwas einbilden, uns von der Realität entfernen und in eine Scheinwelt flüchten. Wer sagt uns, ob die Bibel nicht in Wirklichkeit nur ein Märchenbuch, und Gott nicht nur eine Idee oder ein weiterer schöner Gedanke ist?

Ganz sicher kann uns darauf niemand eine Antwort geben. Wir sollten sie deshalb auch nicht von anderen Menschen, d.h. von außen erwarten. Wir können sie nur in uns selber finden. Die Erfahrung kann uns lehren, dass Gott da ist, und um die zu machen, müssen wir den Glauben einfach wagen. Genau das hat Abram ja getan. Er hat an das Unmögliche geglaubt, er ist einfach davon ausgegangen, dass Gottes Verheißung sich erfüllt, und dabei hat er gemerkt, dass Gott wirklich lebt und da ist.

Und so kann es auch uns gehen. Wenn wir uns auf Gott verlassen, werden wir seine Gegenwart auch spüren. Wir machen die Erfahrung, dass er hier und jetzt da ist, für alle und für alles. Ihm gehört das Weltall, genauso wie unser kleines Leben. Er ist nicht fern und unnahbar und er ist auch keine Einbildung, sondern er ist der Ursprung und Ziel der ganzen Welt.

Wir müssen uns nur immer mal wieder Zeit für ihn nehmen, ihn suchen, zu ihm beten, mit ihm reden und auf seine Stimme hören. Dann erfahren wir, dass seine Verheißungen wahr sind.

Dabei dürfen wir als Christen und Christinnen sogar noch mehr glauben als die Anhänger und Vertreterinnen des Alten Testamentes. Denn im Neuen Testament wird uns verkündet, dass die Zusage Gottes durch Christus noch einmal viel größer geworden ist. Jeder Mensch kann im Glauben an Christus zum Volk Gottes gehören, wir sind alle seine Kinder.

Lasst uns das sein, indem wir immer mal wieder die Perspektive wechseln: Anstatt auf den Boden zu gucken oder in die Welt, auf uns selber oder auf andere Menschen, ist es gut, wenn wir den Blick in den Himmel erheben, dort die Sterne oder die Wolken bewundern und hinter allem die Hand und das Walten Gottes erkennen. Dann werden wir nicht nur getröstet und ruhig, sondern er wird auch unser Leben segnen und unser Werk gelingen lassen.

Amen.