Leben aus der Taufe

Predigt über Jesaja 43, 1- 7: Gott erlöst sein Volk
Altenzentrum St. Nicolai, Kiel, zum 6. Sonntag nach Trinitatis, 13.7.2023

Jesaja 43, 1- 7

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,
4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.
5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,
6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,
7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Liebe Gemeinde.

„Leben aus der Taufe“ ist das Thema des sechsten Sonntags nach Trinitatis. Er ist dem Taufgedächtnis gewidmet, d.h. wir erinnern uns an unsere Taufe und daran, was sie bedeutet: Wir wurden damit unter den Schutz Gottes gestellt, seine Fürsorge begleitet uns, denn wir sind mit Jesus Christus verbunden bis in den Tod. Wir haben Anteil an dem neuen Leben, das er uns durch die Auferstehung geschenkt hat. Nichts kann uns von ihm trennen, wir müssen uns vor nichts fürchten.

Diese Zusage hat der Propheten Jesaja bereits dem Volk Israel gegeben. Er sagt in dem Anschnitt, den wir eben gehört haben: „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen.“ Es ist ein Prophetenwort, und das heißt, Gott spricht hier durch einen Menschen zu dem Volk Israel und er verkündet ihm Heil und Rettung. Auch an einen Einzelnen können die Worte gerichtet sein.

Man kannte solche Aussagen aus dem Gottesdienst. Wenn ein Mensch in Not war, dann betete er dort zu Gott, er hob flehend die Hände, und der Priester antwortete darauf mit so einer Zusage des Heils und der Rettung. Er sprach ein „priesterliches Heilsorakel“. Und das begann meistens mit der Formel: „Fürchte dich nicht“. Damit wurde eine Wende im Bewusstsein eingeleitet: Der Klagende wurde zur Gewissheit geführt, seine Angst verwandelte sich in Zuversicht.

Und so ist es auch hier gedacht. Das Volk Israel befand sich im Exil und sie klagten darüber. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich hilfesuchend an Gott zu wenden und auf ein Wort der Gnade und des Trostes zu warten. Und das bekommen sie hier. Es ist die Zusage, dass ihr Gebet erhört wird. Gott wird sie retten und befreien.

Dabei beginnt der Abschnitt mit dem Hinweis auf die Macht Gottes: Er hat Israel erschaffen, so wie er auch Erde und Himmel, Sterne, Wind und Tiere geschaffen hat. Ihm gehört alles, auch das Volk Israel. Er hat es selber gebildet wie ein Töpfer sein Gefäß, und natürlich wird er es nicht untergehen lassen. Er kennt es beim Namen und er ruft nach ihm. Die Menschen sollen also auf ihn hoffen und ihm vertrauen. Er wird Israel aus dem Exil führen, das steht hinter dieser Zusage. Und keine andere Kraft, kein Element kann ihn daran hindern. Zwei mächtige Naturgewalten werden hier erwähnt, Wasser und Feuer, und beide Male steigert sich das Bild innerhalb des Satzes auch noch: Zuerst wird einfach nur Wasser erwähnt, dann aber der reißende Strom. Und das Feuer erhebt sich zur lodernden Flamme.

Und das sind auch nicht nur Bilder. Auf seiner Rückkehr aus dem Exil musste das Volk Israel wirklich mit solchen Gefahren rechnen. Aber ihm wird zugesagt, dass es sicher durch all das hindurchgehen wird. Das Wasser wird Israel nicht wegspülen und ertränken, und das Feuer wird es nicht verbrennen, denn Gott ist stärker als diese Mächte. Er will Israel retten und bewahren, und deshalb wird er es auch tun. Und zwar um seiner eigenen Ehre willen. Er hat sich dieses Volk erwählt, damit es ihn lobt und preist, damit sein Name und seine Macht allen Völkern bekannt wird. Die Israeliten gehören ihm und er bleibt bei ihnen, darauf können sie sich verlassen. Das ist die Zusage, die er hier seinem Volk Israel macht, und sie ist auch wahr geworden. Gott hat Israel wirklich aus dem Exil befreit.

Aber die Geschichte ging auch noch weiter. Als Christen glauben wir, dass die Verheißung Gottes sich ausgedehnt hat, dass sie weltweit geworden ist und alle Völker betrifft, denn Gott hat nicht mehr nur Israel im Auge. Jeder, der sich zu seinem Sohn bekennt, soll gerettet werden. Sein Heil steht also allen Menschen offen, sie müssen nur in den Raum seiner Gnade eintreten, sich zu Christus bekennen und sich ihm anvertrauen. Dann werden auch sie bewahrt und gerettet.

Und genau das geschieht bei der Taufe. Da wird diese Zusage einem Menschen gegeben und sie gilt bis an sein Lebensende. Wenn wir getauft sind, können wir uns also alle darauf verlassen, und das ist gut. Aber tun wir das eigentlich auch? Es klingt ja alles so ganz schön und beruhigend, aber geschieht das wirklich, dass Gott uns behütet, nur weil wir getauft sind? Das müssen wir uns noch einmal fragen, denn unsere Erfahrung spricht ja leider oft dagegen.

Es gibt z.B. Katastrophen in der Welt, Überschwemmungen und verheerende Brände. Feuer und Wasser richten immer wieder viel Unheil an und Menschen gehen nicht sicher und unversehrt da hindurch. Jedes Jahr im Sommer hören wir davon. Kann Gott uns also wirklich noch behüten? Hält die Zusage Gottes der Wirklichkeit überhaupt stand?

Lasst uns darüber noch einmal nachdenken, und da können wir bei unserer Erfahrung ansetzen. Denn die besteht doch nicht nur aus schrecklichen Nachrichten. Das ist nur der eine Teil. Wir kennen genauso Situationen, in denen wir gerade noch einmal Glück hatten und uns auch bewahrt fühlten. Im Auto und auf Reisen passiert das z.B. oft. Im Straßenverkehr muss man ja nur einmal kurz nicht aufpassen, und schon macht man einen gefährlichen Fehler. Vielleicht habt ihr schon einmal eine rote Ampel oder eine andere Vorfahrtsregel übersehen, und das hätte eigentlich eine sehr schlimme Folge haben müssen. Aber es ist nichts passiert, weil gerade kein anderes Auto da war, oder der andere Verkehrsteilnehmer schnell reagiert hat. Ich glaube, so etwas kennen wir alle. Wir entkommen ganz knapp irgendeinem großen Unglück und bekommen das auch gleich mit. Wir erschrecken zwar, weil wir z. B. noch im Vorbeifahren merken, dass die Ampel doch rot war, aber wir sind im gleichen Augenblick erleichtert: Es ist zum Glück nichts passiert! Die Straße war gerade frei.

Ist das einfach nur Zufall? Vielleicht wollte Gott ja auch einfach nicht, dass uns etwas geschieht. Er hat uns bewahrt. Es gibt die Schutzengel. Im Leben geschehen viel mehr übernatürliche Dinge, als wir denken. Wir können uns also ruhig vorstellen, dass Gott uns beschützt, immer wieder. Unser Leben ist nicht einfach nur losgelöst und dem Zufall ausgeliefert, sondern es liegt in der Hand Gottes. Den Gedanken dürfen wir ruhig zulassen. Wir dürfen daran glauben, dass Gott uns wirklich kennt und behütet. Denn das ist genauso wirklich, wie die Gefahren um uns herum. Wir machen uns damit nichts vor und reden uns auch nichts ein.

Im Gegenteil, wir irren uns, wenn wir daran nicht glauben. Die Stimmen, die uns einreden wollen, dass Gott ja doch nicht da ist, die sind trügerisch. Lasst uns also kurz überlegen, warum sie immer wieder so laut werden. Das hat nämlich noch tiefere Gründe. Es sind gar nicht nur die Gefahren und Katastrophen des Lebens, die uns am Glauben hindern wollen, sondern noch etwas anderes. Es steckt in uns und hat etwas mit unserer Einstellung zu tun. Die ist nämlich meistens davon geprägt, dass wir gar nicht richtig auf Gott vertrauen wollen, wir haben da so unsere Vorbehalte. Ein Einwand besteht z.B. darin, dass wir es eventuell für verantwortungslos halten. Wenn wir zu sehr auf den Beistand Gottes setzen, dann müssen  wir selber ja gar nicht mehr auf mögliche Gefahren achten. So kann man das möglicherweise hören: Wenn Gott für mich sorgt, dann muss ich mich also nicht mehr anstrengen, ich kann die Verantwortung abgeben und so in den Tag hinein leben. Und das halten wir für verkehrt. Das hindert uns am Glauben. 

Aber so ist das natürlich nicht gemeint. Wir werden nicht zur Unachtsamkeit ermahnt, sondern Gott will, dass wir auf das Richtige achten, und dazu gehört seine Gegenwart auf jeden Fall dazu. Auf Gott zu vertrauen bedeutet nicht, dass wir nun völlig passiv und schlaff werden, sondern unsere innere Aktivität einmal auf ihn lenken. Wir sollen nicht einschlafen, sondern gerade wach werden, und zwar wach und offen für die Gegenwart Gottes. Sie ist das höchste, was es gibt. Es fordert deshalb auch all unsere geistigen Kräfte, uns dafür zu öffnen.

Vor allem fordert es ein Stück Hingabe. Wir behalten ja am liebsten selber die Kontrolle über unser Leben, und die müssen wir schon ein Stück weit aufgeben. Wir müssen uns loslassen und uns ganz auf Gott einlassen. Und das ist wahrscheinlich das größte Hindernis, das wollen wir nicht richtig. Aber es lohnt sich, wenn wir diese innere Schwelle überwinden, und einfach einmal das Vertrauen wagen. Denn diese Übung hat ganz viel Folgen. Sie macht uns in keiner Weise schläfrig, sondern es passiert genau das Gegenteil: Wir werden viel wacher und damit auch lebensfähiger. Und es ist auch nicht verantwortungslos, sondern im Gegenteil: Wir kümmern uns endlich um eine Realität, die wir viel zu oft vernachlässigen. Wir öffnen unsere Augen für eine andere Wirklichkeit und dadurch sehen wir nicht weniger, sondern mehr. Wir sehen auch klarer. Unser Geist wird nüchterner und heller.

Das Taufgedächtnis dient dazu, das zu erleben. Wir erinnern uns nicht nur an ein Ritual in der Vergangenheit, sondern an die lebendige Gegenwart Gottes, in der unser Leben geborgen ist. Und dadurch verändert sich unser Bewusstsein so, wie das Prophetenwort es beabsichtigt: Wir verlieren unsere Angst und werden freier und froher. Es macht uns sicherer, wenn wir glauben, dass unser Leben Gott gehört. Ein „Leben aus der Taufe“ ist demnach ein Leben voller Trost und Zuversicht. Lasst uns das nicht nur an diesem Sonntag bedenken, sondern immer wieder aufs Neue.

Amen.

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