Der dreieinige Gott

Predigt über Jesaja 6, 1- 8: Jesajas Berufung zum Propheten

Trinitatis, 3. und 4.6.2023, 18 und 11 Uhr, Luther- und Jakobikirche Kiel

Jesaja 6, 1- 8

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel.
2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie.
3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!
4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch.
5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.
6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,
7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.
8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

Liebe Gemeinde.

Die Zahl Drei ist sehr beliebt, man sagt gern: „Aller guten Dinge sind drei“. Und das stimmt oft auch, wie etwa bei einem Team: Wenn es aus drei Personen besteht, ist es dynamisch und kann gut arbeiten. Drei Menschen sind außerdem die kleinste Gruppe, in der bei Abstimmungen eine absoluten Mehrheit den Ausschlag für eine Entscheidung geben kann. Ein Schöffengericht besteht deshalb z.B. aus drei Personen.

Aber auch in anderen Zusammenhängen spielt die Drei eine Rolle: Im Märchen haben die Menschen oft drei Wünsche frei.

Außerdem gilt die Drei von alters her als göttliche bzw. heilige Zahl. In vielen Kulturkreisen existiert eine Dreiheit von Göttern als Symbol für die allumfassende Göttlichkeit

So ist es auch in der Vision, die der Prophet Jesaja bei seiner Berufung schaut. Er sah mit seinem inneren Auge Gott, den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen, und sein Saum füllte den Tempel. Engel standen über ihm, ein jeder hatte sechs Flügel, und sie sangen das „Dreimal-Heilig“. Wir können uns darunter zwei Chöre zu beiden Seiten des Throns vorstellen, deren Gesang in den himmlischen Tempel hinein schallte. Sie lobten Gott als den, der ganz anders ist als die Menschen, unnahbar, erhaben und anbetungswürdig. Seine Herrlichkeit erfüllt die ganze Welt. Das ist ihr Lobpreis, und der wirkt gewaltig, wie ein Donner mit erdbebenähnlichen Folgen.

Und er ist berühmt geworden. Die Christen haben diese Vision übernommen, wir finden sie z.B. in der Offenbarung des Johannes (Offb. 4,8; 15,8). Und das Lied der Engel wurde schon früh auf die Dreifaltigkeit Gottes bezogen. Wir singen es z.B. jedes Mal, wenn wir das Abendmahl feiern. Auch Gerhard Tersteegen hat es in seinem Lied über die Gegenwart Gottes übernommen. In Strophe zwei dichtet er: „Gott ist gegenwärtig, dem die Cherubinen, Tag und Nacht gebücket dienen. Heilig, heilig, heilig singen ihm zur Ehre, aller Engel hohe Chöre.“ (EG 165,2) Ursprünglich ist das natürlich kein Loblied auf den dreieinigen Gott, aber es liegt nahe, es so zu verstehen. Die ersten Christen sahen in diesem alttestamentlichen Lobgesang der Engel bereits einen Hinweis darauf, dass Gott nicht nur einer ist, sondern Drei in Eins, Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Nichtchristen finden das ja merkwürdig. Außenstehende können es nicht nachvollziehen, warum wir nicht nur an eine sondern an drei göttliche Personen glauben. Sie halten das für Vielgötterei. Doch so ist es nicht gemeint. Wir glauben nicht an drei Götter, sondern an Drei in Einem. Und das ist in der Tat nicht so leicht zu verstehen. Was ist das eigentlich, ein „dreieiniger“ Gott? Wir feiern ihn heute, aber wissen wir überhaupt, was wir da tun? Mit Weihnachten, Ostern und Pfingsten ist das einfacher, denn da bedenken wir die einzelnen Schritte des Erlösungswerkes Gottes, die Geburt und die Auferstehung Christi und die Ausgießung des Heiligen Geistes. Das Trinitatisfest ist dagegen anders, denn heute geht es nicht um ein Ereignis, sondern eine Idee, um die Idee eben, dass Gott nicht nur Einer, sondern Drei in Einem ist. Lasst uns also fragen, was das bedeutet.

Diese Vorstellung gab es schon sehr früh, denn sie ergibt sich aus der Botschaft des Neuen Testamentes. Dort ist zwar noch nicht ausdrücklich von dem dreieinigen Gott die Rede, aber davon, dass Christus Gottes Sohn ist. Und an vielen Stellen sagt Christus, dass er und der Vater eins sind, und zwar durch oder im Heiligen Geist. Es gibt also nicht nur Gott, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, sondern auch den menschgewordenen Gott, den Sohn, der uns nahe ist und uns erlöst. Und es gibt den Geist Gottes, durch den er bei uns ist in den Gläubigen wirkt, der uns Kraft und Zuversicht schenkt.

Deshalb haben die ersten Christen bereits in der frühen Kirche intensiv darüber nachgedacht, wie diese Dreiheit Gottes zu verstehen ist. Theologen und Theologinnen tun es bis heute. Sie versuchen das Zusammenspiel der drei Personen, ihre Seinsweisen und ihre Bedeutung zu erklären. Und das ist auch wichtig.

Trotzdem möchte ich auf diese Erörterungen jetzt nicht eingehen, sie sind auch etwas ermüdend, wenn man sie liest. In unserem Predigttext kommen sie ja auch nicht vor. Da geht es hauptsächlich um die Dreiheit an sich, und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Was sagt die Drei über Gott aus?

Aus dem, was ich vorhin erwähnte, ergibt sich z.B. als erstes, dass Gott vollkommen ist. Die Zahl Drei symbolisiert die Vollständigkeit und Vollkommenheit. Deshalb kann man sie sehr gut auf Gott anwenden. Er ist eben nicht nur durch einen Gedanken zu erfassen. Seine Wirklichkeit ist tiefer und größer, und erst durch die Dreiheit können wir seine Fülle erahnen. Das ist das Erste.

Das zweite ist das Geheimnis Gottes, das wir dadurch benennen, dass wir an Drei in Einem glauben. Das gibt es in unserer Wirklichkeit ja so nicht. Das ist unfassbar und bleibt es auch, trotz alle Erklärungsversuche. Wir können Gott nicht in den Griff kriegen. Wir können ihn uns nicht handhabbar machen, denn Gott ist keine Sache und auch keine andere Person. Wir können ihn nicht begreifen, sondern uns ihm nur anvertrauen und an ihn glauben. Er ist eine Wirklichkeit, die nicht wir erfassen, sondern die uns erfassen kann, auf die wir uns einlassen müssen und in die wir eintreten können. Das ist das Zweite.

Und das dritte ist die Lebendigkeit Gottes, die mit der Trinitätslehre zum Ausdruck kommt. Gott ist nicht starr und unbeweglich, er ist auch nicht an einem bestimmten Ort, sondern er ist in sich selber Bewegung und Kraft, Beziehung und Austausch. Es gibt deshalb keinen Bereich unseres Lebens, der von ihm ausgespart bleibt. Wir können ihm vielmehr überall begegnen, in der Höhe und in der Tiefe, in Kraft und in Schwachheit. Gott findet immer einen Weg zu uns und wir zu ihm. Das ist der dritte Punkt.

Und das ist sehr schön. Wenn wir Christen an Gott denken dann stellen wir uns nicht nur einen fernen und allmächtigen Gott vor, dem wir uns unterwerfen müssen. Gott ist uns vielmehr ganz nahe. Er bestraft uns auch nicht, sondern er vergibt uns immer wieder und nimmt selber das Leid auf sich. Sogar den Tod hat er nicht gescheut, damit wir frei werden. Und er zieht in uns ein, er will in uns wohnen, mit seiner Kraft. Er schenkt uns Frieden und Gelassenheit, Trost und Hoffnung. Wir müssen uns nur für ihn öffnen.

Die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes ist also keine Denksportaufgabe, kein Rätsel, das es zu lösen gilt. Es ist vielmehr umgekehrt: Der dreieinige Gott ist selber die Antwort auf unsere Fragen und Nöte. Mit dem Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist können wir die Rätsel lösen, die dieses Leben uns aufgibt. Und es ist eben auch ein Glaube, d.h. wir müssen uns auf Gott einlassen, uns ihm anvertrauen und ihn in unser Herz hineinlassen. Dann können wir erleben, wie vielfältig die Wege sind, auf denen er zu uns kommt. Wir können ihm überall begegnen, in Leid und in Freude, im Leben und im Sterben.

Ein gutes Mittel ist dafür das Lob Gottes. Wir können in den Lobgesang der Engel um seinen Thron einstimmen und selber das „Heilig, heilig, heilig“ singen. Dann bekommen wir einen Eindruck von seiner Erhabenheit, aber auch von seiner Nähe und seiner Kraft.

So sah das auch der Dichter des Liedes „Großer Gott, wir loben dich“, Ignaz Franz. Er schrieb das Lied 1768 nach dem altkirchlichen Hymnus „Te deum Laudamus“, der bereits im 4. Jahrhundert existierte. Diesem Lied und auch dem Hymnus liegt die Geschichte aus Jesaja 6 zu Grunde. In dem Text wird der Lobgesang der Engel ebenfalls auf die Dreieinigkeit Gottes bezogen. Strophe fünf lautet: „Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.“ (EG 331, 5)

Lasst uns darein immer wieder einstimmen.

Amen.