Die folgende Predigt ist eine überarbeitete Fassung einer Predigt zu demselben Text vom 3.4.2015, die ich damit aus dem Blog gelöscht habe.
Predigt über 1. Korinther 11, 17- 26: Vom Abendmahl des Herrn
18.4.2019, 18 Uhr, Lutherkirche Kiel
1. Korinther 11, 17- 26
17 Dies aber muss ich befehlen: Ich kann’s nicht loben, dass ihr nicht zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammenkommt.
18 Zum Ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch; und zum Teil glaube ich’s.
19 Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, damit die Rechtschaffenen unter euch offenbar werden.
20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn.
21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken.
22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht.
23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot,
24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.
26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Liebe Gemeinde.
Angeblich ist es kaum noch üblich, im Alltag gemeinsam in der Familie zu essen. Das ist schade, denn damit geht ein schöner und wichtiger Brauch verloren, der die Beziehungen in der Familie belebt und festigt. Deshalb ist es gut, dass man wenigstens bei Festen und besonderen Anlässen immer noch gerne miteinander zu Tisch sitzt. Gastgeber servieren ihren Gästen dann etwas, das schmeckt, und es muss auf jeden Fall reichen. Niemand soll hungrig oder unzufrieden wieder nach Hause gehen. Man will dem anderen etwas Gutes tun.
In allen Kulturen und zu allen Zeiten spielt das gemeinsame Essen und Trinken eine große Rolle. Es ist nicht nur eine Nahrungszufuhr, sondern bedeutet immer auch Gemeinschaft und gegenseitige Wertschätzung. In der Familie ist das so, und auch im Freundeskreis, im Berufsleben, in der Gemeinde, in der Politik und vielen anderen Zusammenhängen.
So gab es in der Gemeinde in Korinth zu Lebzeiten von Paulus ebenfalls gemeinschaftliche Mahlzeiten. Sie fanden während des Gottesdienstes statt, das erfahren wir im ersten Brief an die Korinther. Das „Abendmahl“, auch „Herrenmahl“ genannt, war damals eine echte Mahlzeit im Kreis der Gemeinde, zu der sich die Mitglieder etwas zum Essen mitbrachten. Paulus geht hier darauf ein, worauf die Teilnehmenden bei diesen Mahlzeiten achten sollten, und zwar war es ihm wichtig, dass sie mit ihrem Verhalten an die Gegenwart Christi erinnerten. Jesus Christus hatte die Mahlfeier gestiftet, und sein Geist sollte dabei lebendig sein. Durch ein bestimmtes Verhalten war das in der Gemeinde in Korinth aber undeutlich geworden.
Es hatte sich nämlich eingebürgert, dass jeder und jede aus den mitgebrachten Speisen eine Mahlzeit nur für sich selbst machte, man verzehrte sein eigenes Essen. Die Einzelnen stellten es nicht für das gemeinsame Mahl zur Verfügung. So wurden die Reichen satt, die Armen blieben hungrig und wurden obendrein beschämt. Und damit zerstörten die Korinther den Sinn des Abendmahls, das ist die Meinung von Paulus. Er erinnert sie deshalb an die Überlieferung, die er vom Herrn empfangen hatte: Das Mahl, das sie feiern, war vom Herrn selber gestiftet und hatte von Anfang an einen starken gemeinschaftlichen Charakter. Dafür zitiert er die Worte Jesu, die in den Evangelien überliefert wurden. Er hat sie an dem Abend vor seiner Hinrichtung gesprochen, „in der Nacht, da er verraten ward“, als er mit den Jüngern sein letztes Mahl einnahm. Von daher empfängt die Mahlfeier im Gottesdienst seine Einmaligkeit und seine Bedeutung, d.h. das Leiden und Sterben Jesu prägen es ganz entscheidend. Es ermöglicht eine Teilhabe an seiner Hingabe. Darauf weisen die Worte hin „für euch gegeben“ und „für euch vergossen“. Das Brot wird zum Leib Christi und der Kelch enthält sein Blut. Er ist gleichzeitig ein Sinnbild des Bundes, den Gott verheißen hat. Bei der Feier wird er vergegenwärtigt. Die Teilnehmenden bekommen das Heil geschenkt und „verkündigen den Tod des Herrn, bis er kommt“.
Das ist das, was Paulus hier hervorhebt, und so ist es auch in die kirchliche Tradition eingeflossen: Es gibt deshalb beim Reichen des Brotes und des Kelches die Spendeworte: „Christi Leib, für dich gegeben“ und „Christi Blut, für dich vergossen.“ Sie erinnern an die Gegenwart Christi und lassen seinen Geist lebendig werden. Sie bezeugen seine Liebe und stiften Gemeinschaft.
Viele Christen haben damit allerdings heutzutage Probleme. Zum Einen wollen und können sie sich nicht vorstellen, dass sie den Leib Christi essen und das Blut Christi trinken. Das hat für sie etwas Abstoßendes und Kannibalisches an sich. Außerdem wirkt es wie Zauberei: Wie soll denn bitte aus dem Brot und dem Wein Leib und Blut Christi werden? Nicht umsonst ist aus der lateinischen Formel „Hoc est corpus meus“ – auf Deutsch, „das ist mein Leib“ – die Zauberformel „Hokus Pokus“ geworden.
Und das andere Problem, das viele haben, ist die Erinnerung an den Tod Jesu. „Für dich gegeben, für dich vergossen“ klingt nach einem Opfer, das gebracht wurde, und das ist düster und negativ. Das passt nicht in unser Denken und Lebensgefühl. Die Spendeworte, die daran erinnern, sind deshalb in vielen Gemeinden und Köpfen überholt. Es hat sich eingebürgert, das Brot und den Wein mit den Worten weiterzureichen „nimm und iss vom Brot des Lebens“ und „nimm und trink vom Kelch des Heils.“ Das ist positiver und viel leichter zu verstehen. Und diese Worte liegen auch nahe. Sie stammen zwar nicht aus der biblischen Abendmahlstradition, aber dahinter steht die Aussage Jesu: „Ich bin das Brot des Lebens“. Und das ist ein Wort aus dem Johannesevangelium (Joh. 6, 48). Insofern sind sie durchaus biblisch und legitim und ja auch sehr schön. Sie sind eingängiger und wirken bejahender.
Trotzdem möchte ich einmal fragen, ob damit nicht doch etwas verloren gehen kann. Der Ausdruck „Brot des Lebens“ hat für sich genommen zunächst ja nichts mit Jesus zu tun. Er könnte auch aus einer Naturreligion stammen. Ich muss dabei immer an rituelle Mahlzeiten denken, die das Geschenk des Lebens feiern. So etwas gibt es in anderen religiösen Gemeinschaften bestimmt ebenso. Wenn wir beim Brot also nicht an Jesus denken, wird der Ausdruck heidnisch und abergläubisch. Das Essen und Trinken bekommt einen esoterischen Charakter, und der Zusammenhang mit Christi Leiden und Sterben verblasst. Christus tritt in den Hintergrund. Die Größe seiner Tat, das Wunder seiner Auferstehung und das „Geheimnis des Glaubens“, all das droht unterzugehen. Die Tatsache, dass wir alle sterben müssen, dass es Krankheit und Leid gibt, Not und Elend, und dass Christus deshalb gekommen ist, all das wird ausgeblendet.
Ich möchte deshalb einmal ein Plädoyer für die Spendeworte „Christi Leib, für dich gegeben“ und „Christi Blut, für dich vergossen“ halten. Drei Dinge sind an diesen Worten wichtig und schön.
Erstens wird mit den Formeln unmissverständlich deutlich, dass beim Abendmahl Christus gegenwärtig ist. Sein Name wird genannt, und darin liegt bereits eine besondere Kraft. Wie jeder Name ist auch der Name Christi ein Teil von ihm. Wenn wir ihn nennen, rechnen wir mit seiner Gegenwart. Wir vergewissern uns damit, dass er da ist, und dass es um etwas Heiliges geht. Nicht unsere Gefühle oder schöne Vorstellungen stehen im Mittelpunkt des Abendmahls, sondern Christus selber. Und wir erinnern uns auch nicht nur an ihn, sondern verlassen und auf die Wirklichkeit seines Todes und seiner Auferstehung. Sie sind ein Geschehen, etwas Lebendiges und Kraftvolles, und da werden wir hineingezogen. Und es geht sogar noch weiter: Christus zieht gleichzeitig in uns ein, er verbindet sich mit uns und schenkt uns leibhaftig das Heil, das er durch seinen Tod und seine Auferstehung geschaffen hat. Christus wird die Mitte unseres Lebens und unserer Gemeinschaft. Das ist das erste, was bei den Worten „Christi Leib, für dich gegeben“ und „Christi Blut für dich vergossen“ anklingt, und das ist viel mehr als ein schönes Gefühl oder ein angenehmer Zuspruch.
Der zweite Punkt betrifft die Lebenshingabe Jesu Christi, sein Leiden und Sterben, das in diesen Worten vorkommt. Sie sind zwar etwas düster, aber so ist unser Leben auch oft. Es gibt darin viel Leid, kaum jemand kommt unbelastet zum Abendmahl, irgendetwas treibt uns immer um. Es kann Schuld oder Angst sein, Ratlosigkeit oder Trauer. Und das müssen wir nicht ausblenden, es darf alles vorkommen. Die schweren Gefühle, die damit einhergehen, müssen wir nicht abstellen. Im Gegenteil, gerade weil es uns oft nicht gut geht, ist Christus gekommen. Er hat unser Leid mit uns geteilt, wir sind in der Dunkelheit des Lebens nicht allein. Gott selber geht mit uns, er kennt die Tiefen und hat sie nicht gescheut. Und im Abendmahl zeigt er uns das. Da dürfen wir seine Liebe empfangen, die tröstet und stärkt. Sie beschönigt nichts, sondern überwindet das Leid. Christus schenkt uns im Abendmahl eine Kraft, die stärker ist als der Tod und die Dunkelheit. Es ist wie eine Medizin, ein heilbringendes Mittel. Deshalb dürfen wir alles mitbringen, was uns belastet. Wir werden so geliebt, wie wir sind, und sollen neues Leben empfangen. Natürlich ist das Brot des Abendmahls dadurch „Brot des Lebens“ und der Kelch ein „Kelch des Heils“. Aber sie sind es eben nur, weil Christus darin gegenwärtig ist, weil sie sein Leib und Blut sind. Das ist das Zweite.
Und als Drittes fordern die Formeln und die Vorstellung, dass wir Leib und Blut Christi zu uns nehmen, unseren Glauben heraus, und das ist gut und wichtig. Mit der Vernunft oder dem Verstand lässt sich die Umwandlung der Elemente nämlich nicht erklären oder begreifen. Es bleibt ein Geheimnis, wie Christus in ihnen gegenwärtig ist. Dahinter steht kein natürlicher Vorgang, sondern es ist ein Sakrament, d.h. eine Handlung, die die unsichtbare Wirklichkeit Christi vergegenwärtigt. Und damit kommen wir nur in Berührung, wenn wir zu Christus in Beziehung treten, wenn wir auf seine Worte hören, uns ihn vor Augen halten und uns auf ihn einlassen. Das hat besonders Luther betont. Im Kleinen Katechismus hat er unterstrichen, dass die „Worte neben dem leiblichen Essen und Trinken das Hauptstück im Sakrament sind. Und wer diesen Worten glaubt, der hat, was sie sagen.“ Und das heißt, das Abendmahl muss in eine lebendige Glaubenspraxis eingebunden sein. Auch andere religiöse Vollzüge sind wichtig, wie das Vertrauen, das Gebet, Lesen oder Hören des Wortes Gottes, Verkündigung und Gemeinschaft. Das Abendmahl ist ein Teil unserer Frömmigkeit, und nur wenn die lebendig ist, kann es uns etwas bedeuten. Deshalb war es Paulus wichtig, dass die Gemeinschaft der Christen von Liebe gekennzeichnet war. Der Umgang miteinander ist ja ein Teil der Glaubenspraxis und zeigt an, ob Christus mit seiner Liebe das Leben prägt. Das ist als Drittes wichtig.
Lasst uns also diese drei Punkte beachten: Dass Christus im Abendmahl gegenwärtig ist, dass er für uns gestorben und auferstanden ist, und dass wir an ihn glauben und ihm nachfolgen.
Dann wirkt das Abendmahl tatsächlich. Es ist keine gewöhnliche Mahlzeit, die wir einnehmen, damit wir satt werden, sondern „schenkt Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit“, wie Luther sagt. Es ist ein Mahl der Liebe Gottes, er tut uns dabei etwas unendlich Gutes. Und alle, die herzutreten, sind in gleicher Weise willkommen, es gibt keine Unterschiede und keine Beurteilungen. So sättigt das Abendmahl unsere Seele, es macht uns froh und zuversichtlich und stiftet in besonderer Weise Gemeinschaft. Lasst es uns deshalb mit Ernst und Dankbarkeit empfangen.
Amen.